Schlatter, Adolf - 26. Zwei Scharen von Hoffenden

Die eine Schar ist unsere lutherische Christenheit. Sie richtet ihren Blick auf den Tod, nicht wie die, die sterben und vergehen wollen, sondern mit einer lebendigen Hoffnung, die erwartet, im Sterben das ewige Leben zu erlangen. Sie hofft, es aus der Hand des Christus zu empfangen, weil sie an ihm Gottes Gnade sah, die uns, die Schuldigen, dadurch rechtfertigt, daß sie aus unserem Glauben unsere Gerechtigkeit macht. Für diese Schar ist die Verheißung Jesu in dem Wort „ewiges Leben„ beschlossen. Sie hat gehört, daß Jesus denen, die sein Wort bewahrten, gesagt hat, sie gingen den schmalen Weg, den Weg ins Leben.

Die andere Schar sind die, die im Neuen Testament zu uns reden, Jesus, seine Boten und die von ihnen gesammelte Gemeinde. Der Blick ihrer Hoffnung haftete nicht an ihrem eigenen Schicksal, nicht an ihrem Tod, sondern an der königlichen Sendung, von der Jesus sagte, daß sie ihm gegeben sei. Das Wort, das ihre Hoffnung umschloß, war „Jesu Wiederkunft“. Dieses band ihr Hoffen an seine neue Gegenwart bei ihnen, an sein zukünftiges Wirken, das die Größe Gottes an der ganzen Menschheit und dem ganzen Weltbestand offenbaren werde. Als Jesus ans Kreuz ging, verhieß er seinen Jüngern, er werde wiederkommen, und als ihm der Hohepriester nicht glaubte, daß er, der Gefesselte, der Sohn Gottes und darum der Herr des Volkes Gottes sei, antwortete er ihm, er werde ihn noch sehen mit den Zeichen seiner himmlischen Sendung, durch die Gottes allmächtige Gnade ihr Werk vollbringt. Das war die Verheißung, die die Boten Jesu zu den Völkern brachten und die die Gemeinde während der ganzen neutestamentlichen Zeit festgehalten hat.

Worin gleichen sich die beiden Scharen der Hoffenden? Beide gründen ihre Hoffnung einzig und allein auf die Allmacht der göttlichen Gnade. Wie kann aus unserem Sterben ewiges Leben werden? Und wie kann Jesus sich der Menschheit wieder sichtbar und aus der Erde die Heimat der Auferstandenen machen? Sowohl auf diese als auf jene Frage gibt es nur eine Antwort, die, die Jesus auf solche Fragen gegeben hat, daß es bei Gott keine Unmöglichkeiten gibt. Wer auf das Wunder, auf das schöpferische Wirken Gottes, verzichtet hat, gehört weder zu jener noch zu dieser Schar der Hoffenden. Darum ist es auch für beide völlig in derselben Weise unmöglich, das, was sie hoffen, sich vorzustellen. Sie können beide, was sie hoffen, nicht in Worte fassen, sondern können nur in Gleichnissen von dem sprechen, was kommen wird, und können ihre Bildersprache nur aus dem Schatz von Vorstellungen und Erkenntnissen schöpfen, die uns schon die Natur und die von uns erlebte Geschichte darbieten. Darum hat Jesus in seiner Weissagung die Bilder der alttestamentlichen Prophetie wiederholt, Daniels Gleichnis vom „Menschensohn, den von oben herab Wolken auf die Erde tragen„, und das Gleichnis des Psalmisten vom „König, der seinen Sitz neben Gottes Thron zu Gottes rechter Hand empfängt“. Und darum hat Johannes nur in Gleichnissen geweissagt und damit feierlich gesagt, er könne uns das Kommende nicht so zeigen, wie es geschehen wird. Ebenso ist es ganz unmöglich, die weissagenden Worte des Paulus zu einem Bild der Zukunft zusammenzufügen, das uns das Letzte und Ewige so zeigte, wie es sein wird.

Genau dasselbe gilt aber von der anderen Hoffnung, die das ewige Leben im Jenseits begehrt. Indem sie das Gehoffte in das „Jenseits„ verlegt, sagt sie ein Wort ohne Inhalt, das nur das anzeigt, daß wir nicht an diejenige Welt denken sollen, die Gott uns jetzt zeigt. Wer wird ewig leben? Die Seele, die vom Leib getrennt ist? Damit enden alle unsere Gedanken. Oder wird für die mit dem Leben begnadete Seele auch der Leib nach dem Tod irgendwie erneuert werden? Das Geheimnis bleibt so undurchdringlich und unvorstellbar wie vorher. Unmöglich können wir unsere Hoffnung nur auf unser eigenes Ich beschränken. Vereinsamung, die uns in uns selbst gefangen hält, ist kein Leben. Wir hoffen alle auf den Anteil an der ewig lebenden Gemeinde. So neu diese ist, sie muß doch irgendwie das forterhalten und vollenden, was wir jetzt durch Gottes gebende Hand geworden sind. Was sind aber im Jenseits ewig lebende Deutsche und eine ewig lebende lutherische Christenheit in „der anderen Welt“? Hier hört alles Beschreiben auf. Nicht das macht zwischen den beiden Hoffnungen den Unterschied, daß die eine in verständlichen Worten sagen könnte, was sie hofft, die andere dagegen Unverständliches sagte. Beide reden nicht als die Wissenden, sondern beide als die Dichtenden; denn beiden verschafft nur die Phantasie die Worte, der unsere Sehnsucht Flügel gibt. Das kann nicht anders sein, weil beide nach Gottes schöpferischer Wundertat verlangen.

Beide Hoffnungen sind aber auch darin einander gleich, daß sie sich auf Gottes für uns vollbrachtes Werk gründen. Sie schweben beide nicht träumend in der Luft, sondern halten das fest, was uns gegeben ist. Die lutherische Hoffnung, die auf unser ewiges Leben durch unser seliges Sterben gerichtet ist, erfaßt, was uns Jesus durch sein Kreuz erworben hat. Sie gründet sich auf die uns gewährte Rechtfertigung. Diese ermächtigt uns zu einem Hoffen, das auf Gottes unbegreifliches Wunder wartet. Denn die Rechtfertigung ist selbst schon ein Wunder, die Herstellung einer „neuen Kreatur„. Daß aus unserem Fall unser Aufstehen, aus unserer Verderbnis unser Leben, aus unserem Streit gegen Gott unsere Versöhntheit mit Gott wird, das bewirkt nicht die Natur, noch weniger unser eigener Wille; das ist die Offenbarung der allmächtigen Gnade, die schöpferisch wirkt. Ebenso dichtete die neutestamentliche Hoffnung nicht mit fabelnder Phantasie, die ihre Bilder willkürlich ersann, sondern stand fest auf dem, was geschehen war. Ihr Grund war die königliche Gewißheit Jesu, der sich im Dienst des Schöpfers wußte, der die Erde dazu gemacht hat, um sie mit seiner Herrlichkeit zu erfüllen, weshalb sein Sohn, der das Werk des Vaters wirkt, die Erde nicht verachten und verwerfen kann, — die Gewißheit des Menschensohns, der Gottes Werk in der Menschheit ehrte, die nicht deshalb der Eitelkeit unterworfen wurde, damit sie vergehe, sondern in ihre Eitelkeit hinein die Hoffnung empfing, die auf die künftige Gabe wartet, — die Gewißheit des Davidssohns, der sich zu Israel bekannte als zu der von Gott geschaffenen und für ihn geheiligten Gemeinde, von der ihn keine Flucht ins Jenseits trennen konnte, weil sie nicht mit einem Zusammenbruch enden wird, so heilig und notwendig das über sie ergehende Gericht Gottes war, — die Gewißheit des Schöpfers der neuen Gemeinde, der seinen Jüngern, seiner dienenden, ringenden, von ihm ans Kreuz geschickten Schar, verhieß, es werde sein Werk, das sie selber niemals zustande bringen könnten, selbst vollenden in Gottes Macht, — die Gewißheit des Gekreuzigten, der das Kreuz aus der Hand des Vaters nahm, nicht nur in der Zuversicht, daß in ihm selbst das Leben mächtiger sei als der Tod, sondern in der Gewißheit, daß er auch der Welt offenbar werde, daß er sie überwunden hat. Das war die Geschichte, aus der die Hoffnung der neutestamentlichen Gemeinde entstanden ist.

Was ist der Unterschied zwischen den beiden Hoffnungen? Als Jesus in seinen Jüngern die begehrliche Sorge zur Ruhe brachte, die sich nach dem streckte, was ihr eigenes Leben erhielt und bereicherte, war es nicht seine Meinung, daß an die Stelle ihrer natürlichen Selbstsucht eine gereinigte, fromme Selbstsucht treten solle. Er sagte ihnen nicht: Trachtet nicht nach dem natürlichen, sondern nach dem himmlischen Leben, nicht nach der Nahrung und Kleidung, sondern nach der ewigen Seligkeit, sondern er sagte ihnen: „Trachtet nach Gottes Herrschaft und nach Gottes Gerechtigkeit.“ Das war seine Gabe an die Seinen, daß er ihr Verlangen von ihrem eigenen Glück und Leben frei machte und sie an Gottes herrliches Wirken band, nicht daran, daß ihr Durst nach Leben und Seligkeit gestillt werde, sondern daran, daß Gottes Wille auf der Erde so geschehe, wie er im Himmel geschieht, — daran, daß Gottes Gerechtigkeit in sieghaftem Gericht und allmächtigem Vergeben aller Bosheit mitsamt allen ihren verheerenden Folgen das Ende bereite und jeden Willen in allen, die er schuf, mit seinem Willen einige, — daran, daß Gottes Herrschaft seinen unerschöpften Reichtum öffne und allen Lebendigen Gottes Größe zeige. Darum war es den Jüngern nicht mehr möglich, in ihrem Hoffen nur an sich selber zu denken. Schauten sie noch mit Sorge auf ihren Tod? Für sie war alle Furcht vor dem Sterben vergangen, da sie ja Christus kannten und das besaßen, worauf sich auch die lutherische Hoffnung gründet. In der Gemeinschaft Jesu mit ihnen war ihnen das göttliche Vergeben erschienen, das unsere Schuld begraben hat. Wurden ihnen dadurch die Menschen, mit denen sie verbunden waren, gleichgültig? Sie umfaßten einander mit einer Liebe, von der sie sagten, daß sie „bleibe„. Aber ihre Liebe gehörte nicht mehr nur denen, die der Gang ihres Lebens persönlich mit ihnen verbunden hatte, sondern sie waren von Jesus zu seiner Gemeinde vereint und sahen seine Sendung darin, daß er der Schöpfer und Herr derjenigen Gemeinde sei, die die Menschheit umfassen und in Gott einigen wird. War die Gemeinde jetzt erst ein geringer Teil der Menschheit, sie sahen in ihr dennoch die unzählbare Schar, die aus allen Völkern und Sprachen gesammelt wird, weil sie sich zu dem Namen bekannten, mit dem einst jede Zunge die offenbar gewordene Herrlichkeit Gottes feiern wird. Darum verhießen sie allen, zu denen ihr Wort kam, das ewige Leben, so, daß sie sagten, es werde durch den Eingang in Gottes Reich empfangen, und von Gottes Reich sagten sie, es bestehe in der Herrschaft dessen, der ihnen gesagt hatte: glaubt an mich. Weil sie an ihn glaubten, hofften sie auch auf ihn, und ihre Hoffnung war in derselben Weise allein und ganz an Jesus geheftet, wie ihr Glaube völlig und ausschließlich an ihn gebunden war. Was machte die neutestamentliche Hoffnung so groß? Der Umfang der beiden Hoffnungen ist verschieden, weil der Tatbestand, auf den sie sich gründen, nicht dieselbe Größe hat. Das Maß unserer Hoffnung folgt notwendig dem Maß unseres Glaubens nach. Wenn unsere Hoffnung die uns geschenkte Rechtfertigung ausdeutet, ist sie durch das begrenzt, was Gott uns selber jetzt in unserem irdischen Stand verliehen hat. Sie bekommt deshalb ihr Maß durch die menschliche Not, die Jesu Vergeben heilt, und hat dieselbe Grenze, die unser Glaube dann bekommt, wenn er aus der Erkenntnis unseres Elends entsteht und von dieser gestoßen, zu Jesus flieht. Darum sieht die Hoffnung auf den für uns Gekreuzigten, der uns in der Not unserer Schuld und unseres Todes durch seinen Tod für sich gewonnen hat, und klammert sich an Gottes Barmherzigkeit, die sein Wirken hinunter in die Tiefen unseres Jammers trägt. — Die neutestamentliche Hoffnung lebt auch von der Barmherzigkeit Gottes und von der Gnade Jesu, der für uns das Kreuz getragen hat. Das ist aber nicht das einzige Werk Gottes, das sie kennt. Auch sie sieht in der Nacht von Golgatha Gottes Herrlichkeit glänzen, sieht sie aber nicht einzig dort und verkündet nicht nur den gestorbenen Heiland und den sich erbarmenden Gott. Denn sie glaubt an den Schöpfer, der, weil er der Erste ist, auch der Letzte ist, und glaubt an die Gerechtigkeit Gottes, die, wie sie jeden, der das Böse wirkt, in Angst und Pein versenkt, so auch jeden, der das Gute wirkt, mit Herrlichkeit und Ehren krönt, und verkündet die Tiefe des Reichtums Gottes, der mit dem, was schon geschaffen ist, noch nicht zu Ende ist, sondern aus unserem irdischen Leib und Leben das Saatkorn macht, aus dem der neue Mensch und die neue „Sta'dt Gottes“ werden mit nie endender Bewegung hinein in Gottes nie erschöpfte Fülle. Denn sie erfaßt die Länge und Breite, Höhe und Tiefe der Liebe Gottes, die nicht nur einzelne, jeden in seiner Todesstunde, selig macht, sondern in allen ihre Herrlichkeit dadurch sichtbar macht, daß in allen nichts anderes mehr sein wird, als was Gott in ihnen wirkt.

Die an das Sterben gebundene Hoffnung kümmert sich nicht mehr um das Ende der Menschheit. „Was das letzte Geschlecht der Menschen tun und leiden mag, wer kann das wissen? Vielleicht erfriert die Menschheit, wenn die Erde ihre „Wärme verliert; vielleicht wird sie samt der Erde vernichtet werden, wenn die Erde in die Sonne stürzt oder mit einem anderen Weltkörper zusammenstößt. Was immer noch geschehen mag, vom Ende der Menschheit wendet diese Hoffnung unsere Gedanken weg und gestattet ihnen keinen Einfluß auf die Führung unseres eigenen Lebens. Wird aber nicht gerade durch diese Verkürzung der neutestamentlichen Hoffnung unserem Hoffen eine Verstärkung und Belebung verschafft, da wir nun das ewige Leben in nächster Nähe beim heutigen Tag an einem bestimmt zu nennenden Zeitpunkt erwarten? Unser Tod ist nicht fern von uns. Bleibt nicht nach der apostolischen Weissagung unser Ziel vom Ende unseres natürlichen Lebens weit entfernt? Wenn Christus sich offenbare, sagte sie, werden die Seinen auferstehen. Wann wird er sich denn offenbaren? Keine Antwort ist möglich. Darum reden die Theologen von einem „Zwischenzustand“, der zwischen unserem Tod und unserer Auferstehung liege, der anders sei als unser irdischer Zustand, den ja der Tod zerbrach, und uns doch noch nicht die Vollendung bringe, weil der Tag Gottes noch nicht angebrochen sei, ohne den es keine Vollendung gebe. Ergibt ein langer, wer weiß wie langer Zwischenzustand nicht eine geknickte, beschattete Hoffnung? Aber dieser Gedankengang hat die Apostel nicht berührt; denn er mißt das Kommende nur an unserer selbstischen Begehrung, die nichts als die Vervollkommnung des eigenen Lebens sucht. Nach der Erwartung der Jünger gab der Gang der Wirksamkeit Jesu ihrem Leben den Gang. Jetzt in ihrem irdischen Stand war er mit seiner unsichtbaren Gegenwart bei ihnen, und das Band, das sie mit ihm verband, war ihr Glaube. Starben sie, dann fürchteten sie nicht, seine Gemeinschaft mit ihnen zerreiße. Nun sind sie, wo er ist. Kam die Frage, wo er denn sei, dann antworteten sie: beim Vater im Himmel, und sagten mit jubelnder Dankbarkeit: wir gehen zu ihm, und die Wohnung in Gottes himmlischer Stadt ist für uns bereit. Vollendet Christus sein Werk durch seine neue Gegenwart innerhalb der Welt, dann klagen sie nicht, jetzt müßten sie wieder aus dem Himmel herunter und erst noch auferstehen, sondern sahen darin, daß sie auch am letzten Werk Jesu teilhaben und zur vollendeten Gemeinde gehören, das Ziel ihres Verlangens, weil die Offenbarung Jesu, durch die er Gott verherrlicht, darin besteht, daß er seine Gemeinde „von den Enden der Erde“ um sich sammelt und mit dem Bild seiner Sohnschaft beschenkt. Löschen wir aus unserer Hoffnung die Eigensucht aus, die nur die eigene Vollkommenheit begehrt, dann endigt die törichte Rede vom unfertigen „Zwischenzustand„, der die Hoffnung lahme.

Genügt aber diese Hoffnung unserem Verlangen nach der Ewigkeit? Die Apostel sprechen offenkundig von einer Geschichte, die wie alles Geschehen an ihr zeitliches Maß gebunden ist; eine Zeitlang sei Jesus im Himmel, eine Zeitlang wieder bei der Menschheit gegenwärtig und ihr wahrnehmbar, und auch diese Zeit, für die bei Johannes das Gleichnis von den tausend Jahren der Herrschaft Jesu steht, werde dann enden, wenn der königlich wirkende Christus sein Werk vollbracht habe, zu dem er gesandt wurde, wenn alles Feindliche überwunden und jede zwischen Gott und der Welt stehende Macht beseitigt sei und er nun die unaussprechlich große Festfeier halte, bei der er sich selbst samt der ihm Untertan gewordenen Welt dem Vater unterwerfen wird. Hier geschieht Großes und dies so, daß das Geschehen sein Ziel erreicht; eine Bewegung vollzieht sich, die nicht ein Kreislauf ist, sondern zum Stehen kommt. Bedeutet das aber nicht die Fortdauer der Zeit? Wir aber verlangen nach der Ewigkeit. Wer die Zeit bejammert, besinne sich, was er begehrt, damit er nicht etwa über das Leben jammere. Haßt er das Werden und begehrt er das Sein, was ist das für ein Sein, das er sich wünscht? Etwa das, das uns ein Felsblock vortäuscht, an dem schon Jahrtausende vorübergegangen sind, ohne daß er sich bewegt? Auch das ist nur ein Schein, weil alles im Felsblock in Bewegung ist, da er weder hart noch schwer wäre und nicht ruhig läge, bewegte sich nicht alles in ihm nach dem festen Maß der für jedes Teilchen der Natur geordneten Zeit. Was hieß Jesus ewig? Nicht die Berge, nicht die Materie, nicht die Natur, sondern Gott. Begehren wir nach dem ewigen Leben, so heißt das, wir verlangen nach demjenigen Leben, das Gott uns gibt, das sein Bild aus uns macht. Leben ist aber Wirken; denn es ist Erkennen. Daß wir erkennen, wie wir erkannt sind, das hieß Paulus das ewige Leben. Erkennen ist aber nicht ein bewegungsloses Sein, sondern Tätigkeit. Und wollen wir nur erkennen? Wollen wir nicht lieben? Und was ist Liebe ohne Tat? Denn Lieben heißt Geben, und Geben ist Tat. Wir haben über die Zeit nicht zu jammern, sondern sie als Gottes Werk zu ehren; denn sie ist das Gesetz unseres Daseins, das uns völlig beherrscht und sich eben dadurch, daß es uns allgewaltig gestaltet, als Gottes Ordnung bezeugt. Wer sich darüber beschwert, daß ihm für alles, was er ist und tut, Zeit geordnet ist, steht im Aufruhr gegen Gott. Freilich ist die Ordnung unseres Lebens, die es zeitlich macht, nicht nur Gnade, sondern sie hat auch drückende Macht. Denn sie legt fortwährend in das, was geschieht, Zwischenräume hinein, auf deren Ende wir warten müssen. Sie trennt das Wollen von der Tat und die Tat von ihrem Erfolg, die Saat von der Ernte und die Ursache von ihrer Wirkung. Darum entfernen wir die Zeitlichkeit von unserer Erinnerung an Gott und sagen von ihm: „Er spricht, und es geschieht“, ohne daß er warten muß, bis sein Wort seine Wirkung tut. Die Erhabenheit über die Zeit ist aber das Merkmal Gottes, des Schöpfers der Zeit. In welchem Maß wir selbst durch die Befreiung vom Zeitmaß zum Bild Gottes werden, das gehört zu dem, was „nie ins Herz eines Menschen kommen kann„. Was uns dagegen obliegt, das ist die Reinigung unseres Hoffens von allen selbstsüchtigen Träumen über die für uns wünschbare Vollkommenheit. Denn der eifrige Widerspruch gegen die Zeit stammte von denen, die vergottet werden wollten, und dies war niemals diejenige Hoffnung, die von Jesus kommt.

War aber die Hoffnung der Apostel wahr? Ihr müßt sie preisgeben, sagten viele, weil sie ein Irrtum war. Denn der Blick ihrer Hoffnung war fest an ihre Gegenwart gebunden. Immer wieder haben die Apostel gesagt: Der Herr ist nahe. Paulus hat es sein Leben lang gesagt, nicht nur, als er nach Rom schrieb, sondern wieder fünf Jahre später, als er in Rom gefangensaß, Römer 13, 11; Philipper 4, 5. Johannes hat es gesagt, nicht nur, als er weissagte, sondern wieder, als er als „der Alte“ die Gemeinde unterwies; „es ist die letzte Stunde„, 1. Johannes 2, 18. Sie haben sich dafür auf Jesus berufen und hatten dazu unzweifelhaft das volle Red«. „Ihr“, sagte Jesus seinen Richtern, „werdet den Menschensohn kommen sehen„. Wenn er weissagte, schaute er einzig auf das, was jetzt durch sein eigenes Wirken sowohl in der Judenschaft als in der Jüngerschaft zustande gekommen war. In beiden Richtungen hatte sein Weissagen wunderbare Helligkeit. Dachte er an die Judenschaft, so sagte er, der Tempel werde verschwinden und seine Gemeinde von der Judenschaft verjagt und vernichtet werden. Beides ist geschehen; der Tempel ging unter, und die von Petrus und den Zwölfen in Palästina gesammelte Gemeinde wurde von der Judenschaft ausgerottet. Die Muttergemeinde in Jerusalem ging unter. Seinen Jüngern verhieß er, er werde seine Gemeinde durch ihren Dienst bauen, zeigte ihnen aber warnend ihr Bild durch die drei Gleichnisse, mit denen Matthäus die weissagende Rede Jesu beendet hat, Matthäus 24, 45—25, 30. Dort zeigt er ihnen den Knecht, den die Abwesenheit seines Herrn genuß- und herrschsüchtig macht, so daß er die Mitknechte schlägt und mit den Trunkenen ißt und trinkt, und die Törichten, die am Vorabend des Festes freudig auf seinen Anbruch warten und es verscherzen, weil sie aus ihrer Hoffnung eine Torheit machen, da sie sie nicht bewegt, sich auf das Kommende zu rüsten, und den lieblosen Knecht, der das, was er von Jesus empfangen hatte, nur für sich selbst festhält, dagegen es nicht weitergibt, weil er dem Herrn nicht dienen mag. Durch diese drei Bilder, durch die Darstellung der herrischen und gierigen Christenheit und der träumenden Christenheit, die über die kommenden Dinge eine Lehre hat, sich an ihr freut und wohl auch über sie zankt, aber ihre Hoffnung von ihrem Leben gänzlich scheidet, und der lieben Christenheit, die nur das begehrt, daß sie selbst das Wort Jesu habe und selber selig werde, ist ein großer Teil der Kirchengeschichte beschrieben. Auch unsere heutigen Zustände bekommen durch diese drei Bilder weithin ihre Überschrift. Allein das ist gewiß, daß Jesus nicht von Jahrtausenden gesprochen hat und daß die Jünger seine Weissagung nicht entstellten, als sie verkündeten: Der Herr ist nahe.

Was ist damit geschehen? Hat Jesus seine Weissagung dadurch geschwächt oder gestärkt, seine Gottheit verdunkelt oder offenbart, den Vater verherrlicht oder verleugnet? Er hielt sich an Gott in der Zuversicht, in Bälde werde der Vater das jetzt begonnene Werk vollenden, in Bälde jeden unfruchtbaren Baum entfernen, in Bälde denen, die er durch den Mund Jesu zu seinem Reich berufen hatte, seine Herrlichkeit zeigen und in Bälde seinen in den Tod gegebenen Sohn vor der ganzen Menschheit offenbaren. Warum Jesus so gesprochen hat, hat er klar gesagt, als er die Lage seiner Jünger dem Los einer Witwe verglich, die einen ungerechten Richter anrufen muß. Jesu Gott glich nicht einem ungerechten Richter. Sein Gott war der Wirkende, nicht ein Abwesender, der Gebende, nicht unerreichbar für den Glauben und unbarmherzig für den menschlichen Jammer. Freilich ist Gott auch „langmütig“, wartet und läßt die Seinen warten und macht sich nicht zum Diener ihrer Bitten. Aber Jesu Gott ist nicht deshalb geduldig, weil das, was die Natur wirkt und die Menschheit macht, ihn bände. Er steht über allen Möglichkeiten. Denn er ist eben deshalb Gott, weil alle Möglichkeiten nur durch ihn bestehen. Deshalb gibt es in der Weissagung Jesu keine Chronologie. Das ist die Ehre, mit der der Sohn den Vater ehrt.

Es ist aber ein verkehrtes und sehr gefährliches Unternehmen, wenn wir uns oder anderen dann Irrtum vorwerfen, wenn wir so denken, wie wir denken müssen. Denn damit verliert das Urteil „Irrtum„ seinen ernsten Sinn, der von uns verlangt, daß wir den von uns geformten Gedanken zerbrechen. Dieses Gericht über unser Denken können wir aber dann nicht vollziehen, wenn der Gedanke uns gegeben ist und mit Notwendigkeit in uns entsteht. Nur dann hat dieses Urteil Sinn, wenn wir nach der Vollmacht, die wir über unser Bewußtsein haben, eigenmächtig und willkürlich unsere Gedanken verwirren. Wenn wir von unserer Eigensucht getrieben, obwohl uns die Ausrüstung zum richtigen Urteil gegeben war, vermengen, was getrennt bleiben muß, und auseinanderreißen, was geeinigt werden soll, dann ist die Anklage gegen uns gültig, daß wir irren, nicht aber dann, wenn wir der Notwendigkeit gehorchen, unter der unser Leben steht. Unsere Mathematik ist kein Irrtum, einerlei, wie es sich tatsächlich mit dem Raum verhalte; denn wir müssen den Raum so sehen, wie wir alle es tun. Unsere Farben und Töne sind keine Irrtümer; denn wir müssen so sehen und so hören, wie es geschieht. Der Satz hat allgewaltige Geltung: es kann sich keiner etwas nehmen, es sei ihm denn gegeben. Diesem Satz ist auch unsere Erkenntnis Gottes völlig unterstellt. Wir können von Gott nichts anderes wissen, als was uns gezeigt wird, und müssen das von ihm sagen, was wir gehört haben. Daß wir das bewahren, was uns gegeben ist, mit jener Treue, die wir an Jesus sehen, der mit der Weissagung vom nahenden Himmelreich an das Kreuz gegangen ist, das allein ist unsere Pflicht. Nie ist aber das, was uns gezeigt wird, die ganze Wirklichkeit. Wir tragen nicht eine einzige Vorstellung in uns, die in dem Sinne richtig wäre, daß sie uns das Wirkliche restlos enthüllte. Es entstehen an keiner Stelle, weder im Bereich der Natur noch im Verkehr mit den Menschen, vollkommene Erkenntnisse, weil das, was ist und geschieht, überall eine unendliche Größe und Tiefe hat, die wir nie umfassen. Es ist daher nur kindliche Unaufmerksamkeit, wenn uns die Begrenztheit des menschlichen Bewußtseins erst dann sichtbar wird, wenn Jesus zu weissagen beginnt. Die Einfassung seines Denkens in die uns Menschen gesetzten Grenzen ist an allem sichtbar, was er dachte und sprach, an der Weise, wie er von der Natur, von der Erde und ihren Enden, vom Himmel und seinen Gestirnen sprach, und an der Weise, wie er von dem einst Geschehenen, von Adam und Mose, redete. Vollends närrisch und hoffärtig würde aber unser Gedanke, wenn wir nach der vollkommenen Erkenntnis Gottes verlangten. Wie könnten wir ein derartiges Verlangen an den richten, der an das Kreuz gegangen ist? Das tat er darum, damit wir an keine Gemeinschaft mit Gott denken, die etwas anderes als Gehorsam sei. Der Gehorsam spricht: „Nicht wie ich will, sondern wie du willst“, und sagt damit: nicht mein Gedanke besteht und gilt, sondern der deine. Wenn wir auch die Begrenztheit des menschlichen Bewußtseins Irrtum heißen, dann trifft dieses Urteil alles, was uns an Erkenntnis gegeben ist, und es trifft auch das Herrlichste und Heiligste, was Jesus besaß und uns verleiht. Jetzt öffnen sich vor uns zwei gleichmäßig gefährliche Wege. Entweder verliert das Urteil „Irrtum„ seinen Ernst, der uns zum Widerstand gegen die falschen Gedanken verpflichtet, und damit versinkt auch die uns an die Wahrheit bindende Pflicht, oder wir beginnen, wenn das Verbot des Irrtums in Kraft bleiben soll, den Streit mit den uns gesetzten Bedingungen des Lebens und verfallen dem Pessimismus, der mit der Entwertung unseres ganzen Denkens auch unser ganzes Leben zerstört. Auf beiden Wegen verschwindet Jesus für uns ganz.

Nun geht freilich in der Christenheit schon seit Jahrhunderten das große Murren an: Erkenntnis begehren wir; Wissen wollen wir und verlangen von Jesus, daß er uns in göttlicher Allwissenheit die fehllose Klarheit des göttlichen Wissens verleihe. Das war das griechische Erbe, von dem sich die Kirche nicht zu befreien vermocht hat; beides wurde in diesem Verlangen nach Erkenntnis wirksam: die Kraft und die Not des Griechentums. Wir ordnen aber vmser Verhältnis zu Jesus nicht richtig, wenn wir Ansprüche an ihn stellen. Das Geschehene zu kritisieren und das uns Gegebene zu verachten, ist immer ein verwerfliches Verhalten, das uns zu Toren macht. Denen, die klagen, nun sei alles unsicher geworden, hat schon Paulus die Antwort gegeben, die dieses Rätsel völlig durchleuchtet. „Die Weissagungen“, sagte er seinen Griechen, die die Erkenntnis als Gottes größte Gabe priesen, „vergehen und die Erkenntnis vergeht; denn wir erkennen stückweise und weissagen stückweise„. Es zeigt den bis ins Innerste von aller Hoffart gereinigten Willen des Paulus, daß er ausdrücklich von den Weissagungen sagte, sie seien vergänglich, weil sie nur Stückwerk seien. Und doch steht der Weissagende unter einem ihn verpflichtenden Antrieb, der ihm sein Wort als von Gott ihm gegeben kennzeichnet und ihn zwingt, es im Namen Gottes den anderen zu sagen, und Paulus wußte genau, daß die Weissagungen, die er im Verein mit den anderen Aposteln der Kirche übergab, unmittelbar aus der eigenen Weissagung Jesu stammten. Dennoch sagte er auch von dieser Erkenntnis, die in besonderer Weise als Gottes Gabe und Eigentum Jesu gekennzeichnet war, sie durchbreche das Gesetz nicht, unter dem jede Erkenntnis steht, und er sah darin nicht die Verborgenheit Gottes, sondern seine Offenbarung, nicht die Verweigerung seiner Gnade, sondern ihre vollkommene Gabe. Denn damit ist uns das gegeben, was „bleibt“. „Es bleiben der Glaube, die Hoffnung und die Liebe.„

Wie können aber der Glaube und die Hoffnung bleiben, wenn uns die Erkenntnis fehlt? Sie werden uns durch das Wort gegeben, das uns den zeigt, an den wir glauben und auf den wir hoffen, und es muß ein gewisses Wort, ein „Wort der Wahrheit“ sein, sonst verleiht es uns nicht den Glauben, der Gewißheit ist und in unser Hoffen die Gewißheit pflanzt. Die Gewißheit erhalten wir dadurch, daß uns das Wort den Willen Gottes zeigt. Das ist aber das vollständige Gegenteil zu jenem Verlangen, das nach der vollkommenen Erkenntnis begehrt. Denn mit diesem Verlangen begehren wir für uns selbst die alles beherrschende Macht. Weil Gott diesem selbstsüchtigen Verlangen widersteht, ist unser ganzes Leben auf Glauben begründet. Wir glauben der Natur und hoffen auf sie, wenn wir sie als die uns bewirkende und begabende Macht erfassen. Tun wir es etwa deshalb, weil wir die natürlichen Vorgänge mit einer vollkommenen Erkenntnis begreifen? Oder wollen wir mit dem Glauben an die Natur warten, bis wir die ganze Erkenntnis erarbeitet haben? Ebenso glauben wir an Jesus und hoffen auf ihn, wenn wir in ihm den Wirklichen und Mächtigen erkennen, der unser Leben mit Gottes Gnade regiert. Tun wir das erst dann, wenn wir ihn ganz erkannt haben? Dem Unsichtbaren glauben wir. Wäre unsere Erkenntnis vollendet, so wäre der Glaube zu Ende. Wir können nicht anders an ihn glauben und auf ihn hoffen als durch das Wort, das von ihm zu uns kommt, in uns eingeht und zur Macht in uns wird, die uns regiert. Durch sein Wort wird er uns bekannt, sowohl in seiner Verbundenheit mit dem Vater als in seiner Gemeinschaft mit uns, sowohl in seiner Gottheit als in seiner Menschlichkeit. Unser Glauben und Hoffen hat aber seinen Grund nicht in dem Bild, das wir vom Christus haben, sondern in dem, was unendlich größer als alle unsere Vorstellungen ist, nämlich im Christus selbst und in seiner wirksamen Gnadenmacht. Glaubten wir an unsere Vorstellungen von Gott, so glaubten wir an uns selbst und hätten das nicht empfangen, was Jesus uns gibt. Er gibt uns den Glauben an Gott, und dies tat er auch durch seine Weissagung, durch die er Gott an dem Ort, an den er hingesetzt war, als den gepriesen hat, der der Menschheit seine Allmacht in Gnade und Gericht zu jeder Zeit offenbaren kann.

Durch den deutlichen Unterschied in der Richtung unseres Hoffens gibt es bei uns zwei Scharen von Hoffenden. Was wollen wir daraus für eine Folgerung ziehen? Die, daß wir miteinander zanken? Über die Weissagung ist in der Christenheit viel gekämpft worden. Wieviel Zank gab es z. B. über Daniel und über die Offenbarung des Johannes! Die Not des Zanks überfällt uns unentrinnbar, wenn wir aus der Hoffnung eine Erkenntnis machen, die die Letzten Dinge beschreibt, und diese Erkenntnis mit heiliger Gesetzeskraft ausstatten, weil sie uns durch das göttliche Gesetzbuch, durch die Bibel, befohlen sei. Können wir aber um die Hoffnung zanken, so gehören wir nicht mehr zur Schar derer, die die neutestamentliche Hoffnung empfangen haben. Was zogen die Apostel für eine Folgerung aus ihrer Hoffnung? „Jeder, der diese Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst„, 1. Johannes 3, 3. Wer bei seinem Hoffen nicht weiter als an sein seliges Sterben denken kann, der mache aus seiner Hoffnung die ihn reinigende Kraft. Er senkt seinen Blick in die Verwerflichkeit seines Wollens und ehrt Gottes Gericht, das alles in ihm zerbricht. Indem er aber eine Hoffnung hat, die die Gnadengabe Gottes, das ewige Leben, ergreift, weiß er, daß das göttliche Vergeben nicht ein leerer Trost ist, mit dem er sein erschrecktes Gewissen dämpfen soll, sondern daß es Kraft ist, Gottes ernsthafter Wille, der aus den alten neue Menschen macht. Er sieht mit seiner Hoffnung weg von der Welt, die in ihre Eitelkeit versunken und mit dem Fluch ihrer Verwerflichkeit beladen ist. Aber die Hoffnung, die er hat, zeigt ihm zugleich, daß sich Gott zu seiner Schöpfung bekennt und ihr Gott bleibt, so daß es in der Welt mit ihrer Schuld und ihrer Not nichts gibt, was nicht dem gnädigen Willen Gottes dient. Er heißt die Erde ein Tränental; aber er hat ja eine Hoffnung, die ihm zeigt, daß ihm Gott kein Leid bereitet, das ihm nicht dazu gegeben würde, daß aus ihm auch hell und voll die Freude entstehe, die mit dem Blicke auf Gott in uns entspringt. Er hat vor Gott keinen anderen Standort als bei Jesu Kreuz. Dort stehe er und gewinne aus seiner Hoffnung den Blick dafür, wie Jesus Gott am Kreuz verherrlicht hat, so nämlich, daß er ihn auch am Kreuz als den pries, der seine Herrlichkeit an aller Welt offenbaren wird.

Wer in der neutestamentlichen Weise hofft, wird durch seine Hoffnung in den Dienst gestellt und zur Teilnahme an jedem guten Werk willig gemacht. So wird aus der Christenheit „die christliche Partei“, die „den Dienst am Volk„ betreibt, und sie stellt nun für unsere Kultur die Mitarbeiter, die für unsere Technik, Kunst und Wissenschaft ihre Kraft einsetzen, und vor allem macht sie alle unsere Habe, Zeit und Kraft für den Aufbau der Kirche unter uns fruchtbar. Aber die Hoffnung, die nach der Offenbarung der Herrschaft und Gerechtigkeit Gottes an der Menschheit begehrt, legt in unsern Willen nicht nur Stärke, sondern reinigt ihn auch. Sie läßt nicht zu, daß wir Gottes Ziele in unsere eigene Hand nehmen und von unserem Werk, etwa von einer blühend und fleißig gewordenen Kirche, die Verherrlichung Gottes erwarten. Weil wir die Hoffenden sind, die zu dem emporschauen, der kommen wird, ist uns der klare Blick in unsere Ohnmacht gegeben. Darum wissen wir, daß keine Entwicklung und keine Geschichte das wandeln wird, was die Natur aus uns macht, und den Zusammenhang nie durchbrechen kann, der durch den ganzen Fluß der Geschichte hindurch Sünde an Sünde kettet. Wer auf die neue Offenbarung des Christus hofft und um ihretwillen der Erde seine Liebe gibt und für sie seine Arbeit tut, wird durch sein Hoffen davor behütet, daß er für den Menschen Macht und Glück begehre und die Gerechtigkeit des Menschen preise. Er bewahrt, weil er auf Christus hofft, den Stand im Glauben, der im Handeln und im Leiden im gnädigen Willen Gottes ruht.

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