Philipper, Kapitel 2
2:1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christo, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit,
2:2 so erfüllet meine Freude, daß ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einhellig seid.
Mit dem Herrn sollen die Geretteten ein Geist und untereinander ein Herz und eine Seele werden. Jesus selbst hat das sehr betont, und Ihm nach haben alle Apostel das größte Gewicht darauf gelegt. Wir müssen dieser Sache unsere Aufmerksamkeit schenken, denn sie ist von einer Tragweite, die die Ewigkeiten umspannt. Die Seligen vor dem Throne Gottes sind ganz durchwohnt vom Herrn. Sie können Seinen Anblick ertragen, weil sie reines Herzens sind, weil in ihnen nichts ist, was nicht von Seinem Wesen durchdrungen wäre. Und alle Erlösten sind untereinander so vollkommen eins, als ob sie nur eine Person wären. Alle Schlacken des Eigensinns und der Eigenliebe sind entfernt, der Geist Gottes erfüllt einen jeden vollkommen; darum waltet kein Misston mehr, und der Friede, die herzinnige Gemeinschaft wird durch nichts mehr gestört. Hier auf Erden aber müssen die Bausteine für das geistliche Haus Gottes zubereitet werden. Was wir dort sein sollen und sein wollen, das müssen wir hier durch Gottes Gnade werden. Wodurch aber ist dies möglich? Nur durch die Erfüllung mit Heiligem Geiste! Erst wenn der Heilige Geist Menschenherzen völlig mit dem Wesen Gottes, das ist mit Seiner Liebe, durchflammt, wird ihr eigenes ungöttliches Wesen verzehrt, dann erhalten sie Christi Sinn. - Der Heilige Geist ist da, Er will in denen sein, die Jesum lieben, in denen, die dem Zuge des Vaters zum Sohne gefolgt sind. O, glauben wir doch dem klaren und bestimmten Wort der Verheißung! Und bitten wir mit vollem Vertrauen beharrlich um die Erfüllung mit Heiligem Geiste! (Markus Hauser)
Je reicher Gottes Gabe ist, desto stärker spannt sie unseren Willen, desto tiefer dringt der Anspruch, den sie an uns stellt. Das Größte, was wir für diese Zeit empfangen haben, ist unsere Kirche, die Gemeinschaft derer, die im Gehorsam gegen Jesus Gottes Willen tun. Was uns Menschen eint, nicht durch Zwang und Pflicht, auch nicht nur durch den Trieb der Natur, sondern von innen her, nicht nur an der Oberfläche durch den hübschen Schein der Höflichkeit, auch nicht nur teilweise durch das für den Frieden sorgende Gesetz, sondern in Wahrheit, so dass wir mit einem Willen auf dem einen Weg zum selben Ziel wandern, das ist Gottes schönste Gabe. Sie verlangt aber von uns auch die größte Anstrengung und die tapferste Selbstüberwindung. Paulus meinte nicht, dass für seine Gemeinden die Eintracht von selbst gesichert sei. Denn er hielt eine Gemeinschaft nur dann für christlich, wenn sie jedes ihrer Glieder in die Freiheit führte, zur Freiheit des eigenen Glaubens, der eigenen Liebe und der eigenen Dienstleistung. Daher konnte er für die Einheit der Gemeinde nur dadurch sorgen, dass er jedes ihrer Glieder mahnte und sich dabei auf alles stützte, was sie als Wirkung des Geistes und Geschenk der Gnade in ihren Herzen trugen. Sie müssten ihr Ohr dem verschließen, wozu Christus sie mahnt, müssten sich gegen den Zuspruch der Liebe verhärten, müssten ihr warmes Fühlen ersticken und darauf verzichten, Paulus Freude zu machen, wenn sie in ihrer Gemeinde die Eintracht zerbrächen, ihr Bekenntnis zwiespältig machten und nach verschiedenen, einander widersprechenden Zielen trachteten. Weil sie aber ihren Christenstand nicht preisgeben können, darum halten sie mit aller Kraft an der Einheit der Gemeinde fest.
Lass, Haupt und Herr deiner Gemeinde, Dein Mahnen an vieler Ohr dringen und entzünde die Glut Deiner Liebe in uns, dass wir den Mut gewinnen, Dir zu gehorchen, der Du uns zusammenführst, und Dein Gebot zu bewahren, das neue, das uns von der Zwietracht und vom Streit erlöst und uns in Dir vereint. Amen. (Adolf Schlatter)
2:3 Nichts tut durch Zank oder eitle Ehre; sondern durch Demut achte einer den andern höher denn sich selbst,
Ist es nicht sehr bezeichnend, daß in manchen Sprachen der Heiden die Missionare kein Wort für Demut finden konnten? Der Begriff, die Vorstellung davon fehlte; darum gab's auch kein Wort dafür. Ist es aber nicht ebenso bezeichnend, daß kein Vorwurf von der Welt gegen die Gläubigen so oft erhoben wird, als daß sie an geistlichem Hochmut leiden? Sollte das alles nur Mißverständnis und Verwechslung mit dem berechtigten Hochgefühl der geretteten Christen sein? In einer Versammlung von mehreren hundert Reichsgottesarbeitern stritt man sich lange über ernste Fragen der Heiligung; plötzlich bat ein erfahrener Christ ums Wort und sagte nur: „Brüder, wenn ihr die Adresse eines wahrhaft demütigen und dabei tüchtigen Pfarrers, Missionars, Evangelisten oder Stadtmissionars kennt, so seid so gut und schreibt sie mir auf jenen Bogen, den ich auf den Tisch am Ausgang niedergelegt habe.“ Die Diskussion war zu Ende; jeder hatte nachzudenken bekommen, aber auf dem Bogen war später, wie ich mich überzeugte, keine einzige Adresse. Wo war der Demütige? Oder waren wir nicht demütig genug, einem andern dieses Lob zu spenden?
Herr, erbarme dich über uns! Wir leben doch alle von deiner Gnade; wir haben nichts, worauf wir uns was einbilden könnten. Ach, laß uns keine Demut heucheln, wenn wir sie nicht haben. Aber hilf uns, sie suchen. Amen. (Samuel Keller)
2:4 und ein jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was des andern ist.
2:5 Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war:
In diesem Abschnitt (Phil. 2, 1-11) steht Jesus Christus im Vordergrund. Er wird uns vor Augen gemalt. Sein Bild soll sich tief einsenken in unsere Seele, so völlig, so stark und unauslöschlich, dass es für immer in uns ist. Jesu Lebensmacht vollzieht in uns eine Umwandlung und Umgestaltung, eine Verklärung in Sein Bild. Er war gesinnt wie sein himmlischer Vater, war eins mit dem Vater; jederzeit wollte Er nur den Willen Dessen tun, der Ihn gesandt hatte. Auch nicht die geringste Faser eigenen Willens und eigenen Wirkens machte sich in Ihm geltend. Und wir sollen auch gesinnet sein wie Jesus Christus, zwischen Ihm und uns soll kein noch so dünnes Blatt Raum finden. Wir sollen zu Ihm in das Verhältnis eintreten, in dem Er stand zu Gott dem Vater. Da wird uns nun vor Augen gestellt Jesu Erniedrigung und Jesu Erhöhung, Seine völlige Hingabe und die daraus erwachsene Frucht. Er war immer und in allen Dingen, ja bis zum Tod am Kreuz gehorsam. Viel Widerspruch mußte Er erdulden, aber Er legte alles dem Vater dar, schalt nicht, da Er gescholten wurde, blieb in der Liebe und verzagte nicht in Seiner schweren Aufgabe. Dieser Gesinnung sollen nun auch Seine Glieder teilhaftig werden und dann in Seine Herrlichkeit eingehen. Sie sollen sich völlig an Christus ausliefern, ihrem Herrn und Haupte unbedingt gehorsam sein, im Zusammenhange mit Ihm die Welt besiegen und erfüllt von Seinem Geiste Seine Zeugen sein. Alle Selbstsucht begrabend, dürfen sie das Wohl des Nächsten zu Gottes Ehre fordern. (Markus Hauser)
2:6 welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er's nicht für einen Raub, Gott gleich sein,
2:7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein andrer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden;
Schaue unablässig die in Jesu geoffenbarte göttliche Herrlichkeit an. Welches ist das Hauptmerkmal dieser Herrlichkeit? Es ist die Darstellung der göttlichen Vollkommenheit in menschlicher Gestalt. In diesem Bild göttlicher Herrlichkeit fällt uns hauptsächlich zweierlei auf: Jesu Erniedrigung und seine Liebe. Zuerst betrachten wir die Herrlichkeit seiner Erniedrigung. Darin, daß der ewige Sohn Gottes sich entäußerte und Mensch wurde, daß Er Knechtsgestalt annahm und gehorsam war bis zum Tod am Kreuz, darin liegt die höchste Herrlichkeit Gottes. Die Herrlichkeit seiner Schöpferallmacht oder seiner Heiligkeit ist nicht so wunderbar, wie die Herrlichkeit der Gnade, wodurch Er sich zum Knecht gemacht hat, um Gott und den Menschen zu dienen. Wir müssen lernen, auf diese Erniedrigung als auf eine Herrlichkeit zu schauen, und alles, was sonst herrlich genannt werden mag, muß uns daneben als dieses Namens unwürdig erscheinen. Jesu Demut muß in unseren Augen das Allerschönste, Wunderbarste, Wünschenswerteste werden, das man sich nur denken kann; ja es muß unsere Freude werden, sie anzuschauen oder auch nur daran zu denken. Je länger wir dieses Bild anschauen und bewundern, desto mehr werden wir erkennen, daß es keine größere Ehre geben kann, als Jesu ähnlich zu sein und zu handeln, und wir werden danach verlangen, uns gleich Ihm zu erniedrigen. Das Aufschauen auf Jesus, die Bewunderung und Anbetung, die wir Ihm darbringen, wird in uns denselben Sinn wirken, der in Ihm war, und also werden wir in sein Bild verwandelt werden.
Unzertrennlich hiermit verbunden ist die Herrlichkeit seiner Liebe. Die Erniedrigung führt uns zurück auf die Liebe, als deren Ursprung und Triebkraft. Die Schönheit der Erniedrigung hat ihren Grund in der Liebe. Aber die Liebe war ein verborgenes Geheimnis, bis sie sich in Christus Jesus offenbarte. Erst als Er Mensch wurde, in Sanftmut und liebendem Erbarmen mit den Menschen, den törichten, sündigen, feindseligen Menschen verkehrte, da wurde die Herrlichkeit der göttlichen Liebe recht kundgetan. Ein Christ, der einen Blick in diese Herrlichkeit tut, wird sich danach sehnen, Jesu hierin ähnlich zu werden. Indem er die Herrlichkeit der Liebe Gottes in Christus anschaut, wird es in dasselbe Bild verwandelt.
Du möchtest Jesus ähnlich werden? Siehe, hier ist der Pfad, der dazu führt: Schaue an die Herrlichkeit Gottes in Jesus Christus. 'In Ihm', das will sagen: betrachte nicht allein die Gedanken, die Worte und Werke, worin seine Herrlichkeit sich offenbart, sondern schaue auf Ihn selbst, den lebendigen liebenden Heiland. Schaue Ihn an, in sein Angesicht, als in dasjenige eines liebevollen Freundes, des lebendigen Gottes. (Andrew Murray)
Der Apostel schärfte den Philippern zwei wichtige Pflichten sehr nachdrücklich ein, nämlich die Pflicht einer friedfertigen und ehrerbietigen Demuth, und die Pflicht der Uneigennützigkeit. Nichts thu, sagte er Kap. 2,3.4., durch Zank oder eitle Ehre, sondern durch Demuth achtet euch unter einander Einer den Andern höher als sich selber, und ein Jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auf das, was des Andern ist. Hierauf stellt er ihnen Christum als ein Vorbild dar, und sagt V. 5.: seid gesinnet, wie Jesus Christus auch war. Dieser war auch, da Er im Stand der Erniedrigung lebte, in göttlicher Gestalt. Alles, was von Gott gesagt werden kann, und den unermeßlichen Unterschied zwischen Ihm und den Geschöpfen ausmacht, war in Ihm. Er war ewig, allmächtig, allgegenwärtig, allwissend, allein gut, allein weise, Er war Licht und Liebe. Die ganze Fülle der Gottheit wohnte leibhaftig, das ist wesentlich in Ihm. Er war der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Dessen ungeachtet aber hielt Er’s nicht für einen Raub, Gott gleich sein, sondern äußerte Sich selbst, oder leerte Sich selbst aus. Hätte Er auf das Seine gesehen und uns hintangesetzt, so hätte Er den ganzen Genuß der göttlichen Herrlichkeit eilfertig und begierig ergriffen, wie man einen Raub zu ergreifen pflegt. Er hätte Sich überall bedienen lassen, immer einen unvergleichlichen Glanz von Sich ausstrahlen lassen, und alle Empfindungen der Schwachheiten und Schmerzen durch den vollen Genuß und Gebrauch der göttlichen Kraft und Wonne von Sich abgewandt; aber Er that’s nicht, weil Er den Zweck der Erlösung des menschlichen Geschlechtes vor Augen hatte. Er leerte Sich also aus, aber freilich nicht von der Gottheit selbst, sondern vom Genuß der göttlichen Herrlichkeit, insofern er der Erlösung der Menschen hinderlich gewesen wäre. Er nahm Knechtsgestalt an. Seine Seele hatte den Sinn und die Empfindung, die ein Knecht hat, der nicht da ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um Andern zu dienen, und sich für Andere zu verwenden; auch war Sein äußerlicher Aufzug dem Aufzug eines Knechts, und nicht eines Herrn ähnlich. Auch war Er wie ein anderer Mensch, und hatte eben das menschliche Wesen, das andere Menschen haben, ja Er hatte die Gestalt des sündlichen Fleisches, ob Er schon kein sündliches Fleisch hatte. Auch ward Er an Geberden nach dem äußerlichen Betragen als ein Mensch erfunden. Er aß und trank, schlief, wachte, wurde müde, arbeitete, hatte eine Größe, einen Gang und eine Kleidung wie ein Mensch. Dieses Alles war bei Ihm etwas Freiwilliges, und diente dazu, daß Seine Gegenwart den Menschen nicht nur erträglich, sondern lieblich, und Er ein Vorbild zur Nachahmung sein konnte. Auch konnte Er bei dieser freiwilligen Enthaltung von dem völligen Genuß der göttlichen Herrlichkeit der Menschen Lehrer sein, allenthalben versucht werden, damit Er mit unserer Schwachheit Mitleiden haben könnte, und in der Schwachheit zum Heil der Menschen gekreuzigt werden. Dank sei Ihm für dieses Alles gesagt! Er pflanze Seinen demüthigen und lautern Sinn in uns, nach welchem wir einander lieben, hochachten, und ohne Eigennutz dienen, insonderheit aber Ihm und dem Vater durch die Kraft des Heiligen Geistes leben sollen. (Magnus Friedrich Roos)
2:8 er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Jesus ist der große Lehrer der Demut des Herzens. Täglich haben wir von Ihm zu lernen. Siehe, wie der Meister einen Schurz nimmt und seinen Jüngern die Füße wäscht. Nachfolger in Christi Fußstapfen, willst du dich nicht auch selbst erniedrigen? Siehe, Er ist ein Knecht der Knechte, gewiss, da kannst du nicht stolz bleiben! In diesem einen Satz lässt sich seine ganze Lebensgeschichte zusammenfassen: „Er erniedrigte sich selbst.“ Hat Er sich auf Erden nicht ein Kleid der Ehren nach dem andern ausziehen lassen, bis Er endlich nackt ans Kreuz geschlagen wurde? und hat Er nicht hier noch sein Letztes geopfert und sein Herzblut vergossen und sich für uns dargegeben, bis man Ihn endlich, den Ärmsten, in ein erborgtes Grab legte? Wie tief wurde unser Erlöser erniedrigt! Wie können wir daher stolz sein? Stelle dich unter das Kreuz und zähle die Purpurtropfen, durch welche du bist versöhnt und gereinigt worden; siehe die Dornenkrone; schaue seinen zerschlagenen Rücken, aus dessen weitgeöffneten Wunden die geronnenen Ströme purpurnen Blutes herabhängen; siehe, wie seine Hände und Füße vom rauen Eisen der Nägel zerrissen sind, und wie seine ganze Leidensgestalt dem Hohn und Spott bloßgestellt ist; betrachte den Kummer, die Todesangst und die Schmerzen unsäglicher innerer Leiden, die sich in seinen Zügen ausprägen; höre seinen durchdringenden Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Und wenn du dich vor diesem Kreuz nicht überwältigt niederwerfen musst, so hast du es nie erblickt; wenn du nicht erniedrigt wirst in der Gegenwart des Herrn Jesu, so hast du Ihn noch nicht erkannt. Du warst so ganz und gar verloren, dass dich nichts andres mehr erretten konnte, als das Opfer des eingebornen Sohnes Gottes. Darum beuge dich in Demut zu seinen Füßen. Ein Gefühl der erstaunlichen Liebe Christi zu uns hat mehr Kraft, uns zu demütigen, als selbst das Bewusstsein unsrer Schuld. Möge der Herr uns dahin bringen, dass wir sein Kreuz auf Golgatha betrachten, dann werden wir uns nicht ferner in prahlerischem Stolz an uns selber weiden, sondern uns demütig zu seinen Füßen legen, als solche, die viel lieben, weil ihnen viel vergeben ist. Der Stolz kann nicht unter dem Kreuz leben; wir aber wollen darunter sitzen und lernen und das Gelernte im Leben üben. (Charles Haddon Spurgeon)
Jesus ist allen, welche Ihm gehorsam sind, ein Urheber ewiger Seligkeit geworden. Er selbst hat aus dem, was Er litt, Gehorsam gelernt. Über alle Himmel wurde Er erhöht, Er ist durch alle Himmel hindurchgegangen, Er hat einen Namen erlangt, der über alle Namen ist. Warum? Weil Er gehorsam ward bis zum Tode, ja, bis zum Tode am Kreuz. Vor einigen Tagen standen wir an Bethlehems Krippe. Dort war der Anfang des Gehorsamsweges Jesu, und bis zum Kreuze wich Er weder zur Rechten noch zur Linken. Der Weg des Hauptes ist der Weg Seiner Glieder, die Schule des Bräutigams ist die Schule der Braut. Die Erlösung aller Kreaturen war der eine Hauptzweck des Leidens und Sterbens unseres Herrn, das „Gehorsam lernen“ war der andere. Der Gehorsam stellt in die Fußtapfen des Herzogs der Seligkeiten. Reinigung von aller Sünde ist die eine Frucht der Verbindung, Ähnlichwerdung die andere. Und diese beiden sind untrennbar. Niemand kann gesinnt werden, wie Jesus Christus war, der nicht zuvor der Erlösung in Seinem Blute teilhaftig wurde. Kein Sünder kann selig werden durch Christi hohes Verdienst, der nicht auch den Weg des Gehorsams gehen will. Dein Leben ist kurz, vertändle ja keine Zeit, bitte um Vergebung der Sünden, ziehe an den Herrn Jesum Christum, wandle in der Kraft des Heiligen Geistes den schmalen Weg des Gehorsams, auf welchem niemand irregeht. Nur ein im Blute des Erlösers Gewaschener, ein mit Gott Versöhnter vermag in Jesu Fußtapfen zu wandeln. Blicke stets auf das Kreuz des Herrn, so kannst du allezeit den Weg des Gehorsams gegen Gottes Willen gehen. (Markus Hauser)
Am Kreuz ist der Sohn Gottes in die völligste Verbindung mit dem Menschen eingegangen, da hat Er es am vollkommensten erfahren, was es heißt, ein Menschensohn, ein Glied des unter dem Fluch stehenden Geschlechts geworden zu sein. Durch den Tod hat der Fürst des Lebens die Macht des Todes überwunden; und nur durch den Tod kann ich an diesem Sieg Anteil haben.
Das Leben, das Er mitteilt, ist ein Leben aus dem Tode; jede neue Erfahrung der Kraft dieses Lebens hängt von der Gemeinschaft mit seinem Tod ab. Dieser Tod und das Leben sind unzertrennbar. Jegliche Gnadengabe, die Jesus der Lebendige austeilt, kommt uns nur zu durch die Gemeinschaft mit Jesus dem Gekreuzigten. Jesus kam und nahm meine Stelle hier ein; ich muß nun seine Stelle einnehmen und dort bleiben. Es gibt nur einen Ort, der sowohl sein als mein ist - das ist das Kreuz. Ihm gehört es aus freier Wahl, mein ist es durch den Fluch der Sünde.
Wenn Jesus an meine Stelle tritt, so bleibt Er, was Er war, der Geliebte des Vaters; aber in Gemeinschaft mit mir teilt Er meinen Fluch und stirbt meinen Tod. Wenn ich an seine Stelle trete, so bin ich noch immer, was ich von Natur war, der Verfluchte der den Tod verdient; aber vereinigt mit Ihm nehme ich teil an seinem Segen und empfange sein Leben.
Liebes Kind Gottes! Das Kreuz Christi ist ein großes Geheimnis. Ich fürchte, es gibt viele Christen, die sich damit begnügen, auf das Kreuz zu schauen, wo Jesus für ihre Sünden starb, die aber wenig Verlangen tragen nach Gemeinschaft mit dem Gekreuzigten. Sie wissen kaum, daß Es sie mit seinem Kreuz vereinigt; oder sie begnügen sich damit, die gewöhnlichen Leiden dieses Lebens, die die Kinder der Welt ebenso sehr zu schmecken bekommen, als ihren Anteil am Kreuz Christi zu betrachten. Sie haben gar keinen Begriff davon, was es heißt, mit Christus gekreuzigt zu sein. Die Hingabe des eigenen Willens, die Verleugnung des Fleisches mit Wünschen und Genüssen, die Trennung von der Welt und ihrer ganzen Art zu denken und zu handeln - das sind die Kennzeichen dessen, der das Kreuz Jesu auf sich genommen hat, der danach strebt, sagen zu können: „Ich bin mit Christus gekreuzigt; ich bleibe in Christus dem Gekreuzigten.“
Wir wissen, wie Petrus Jesus als den Sohn des lebendigen Gottes erkannte und bekannte, während ihm doch das Kreuz noch ein Ärgernis war (Mt 16, 16.17.21.23). - Der Glaube an das vergebende, reinigende Blut, an die erneuernde Kraft des Lebens Jesu kann nur zur Reife gelangen, wenn die Seele unter dem Kreuz bleibt und in lebendiger Gemeinschaft mit Jesus dem Gekreuzigten danach trachtet, Ihm ähnlich gemacht zu werden.
Herr Jesus, unser gekreuzigter Erlöser, lehre uns nicht nur an dich zu glauben, sondern in dir zu bleiben, und dein Kreuz nicht nur als den Grund unserer Vergebung, sondern auch als die Richtschnur unseres Lebens anzunehmen. (Andrew Murray)
Auch den ersten Gemeinden wurde es schwer, beisammen zu bleiben. Ihre Gemeinschaft stand nicht auf einem natürlichen, volkstümlichen Boden und war nicht durch ein Gesetz zusammengebunden. Ihr Grund war einzig Christus und seine gebende Gnade. Die Gemeinschaft verlangt aber von uns die Entsagung. Jeder muss dem anderen Platz gönnen und sich selbst beschränken, jeder zum anderen kommen und sich selbst vergessen. Wenn jeder spricht und keiner hört, jeder regiert und keiner gehorcht, jeder für seine Ehre kämpft und sie nicht auch den anderen gibt, dann ist die Gemeinde zerrissen. Dennoch, obwohl die Gemeinschaft, die uns Jesus bereitet, den natürlichen Willen des Menschen gegen sich hat, ist sie fest begründet. Denn das, was sie gefährdet, vergeht, wenn wir auf Jesus sehen. Er zeigt uns die Entsagung, ohne die es keine Gemeinschaft gibt, in einer Herrlichkeit, mit der das, was innerhalb der Gemeinde geschehen muss, nicht vergleichbar ist. Die Gestalt Gottes und die Gestalt des Knechtes und Menschen sind durch eine gewaltige Entfernung voneinander getrennt. Jesus einigt aber beides in sich. Als der Sohn ist er in Gottes Gestalt, also Herr, der spricht und es geschieht, der gebietet und es wird ihm gehorcht. Er nahm aber die Gestalt des Knechtes an, der keinen eigenen Willen und kein Eigentum hat, dem nichts gehört und der nichts für sich erwirbt, sondern gehorcht und dient. Die Knechtsgestalt trug er, weil er die des Menschen an sich nahm, denn für den Menschen ist es die richtige Lebensform, dass er der Knecht Gottes sei. Aber nicht nur das zeigt Jesus der Gemeinde, wie man sich entäußert und erniedrigt, sondern auch, dass die Erniedrigung zur Erhöhung führt. Weil Jesus die Knechtsgestalt trug und das menschliche Leben bis zum Tod erlitt, hat ihn Gott zum Herrn über alles erhöht. Auch in der Gemeinde wird jeder, der sich um der anderen willen beschränkt, erniedrigt und gehorsam wird, erfahren, dass seine Erniedrigung ihn zur Erhöhung führt. Ist auch das, was er zu leisten hat, nur klein, so hat es doch die Segensmacht des Gott dargebrachten Dienstes bei sich und der Gehorsam, mit dem er auf seinen eigenen Willen verzichtet, wird zum heiligen Opfer, mit dem er in der Nachfolge und Gemeinschaft Jesu bleibt.
Zu Dir trete ich, dem Sohn, der Knecht war, dem Herrn, der gehorchte, dem Fürsten des Lebens, der getötet ward, damit ich in Deinem Licht erkenne, wie eigensüchtig ich bin, und damit ich Dir nicht widerstrebe, sondern willig diene, wenn Du unter uns Deine Gemeinde baust. Amen. (Adolf Schlatter)
Weil der HErr Jesus Knechtsgestalt angenommen hatte, so war Er innerlich und äußerlich zubereitet zu dienen, und Sich nicht bedienen zu lassen. Hätte Er wollen dem Genuß nach Gott gleich sein, so hätte Er überall von allen Geschöpfen eine solche Bedienung angenommen, bei welcher Er nur hätte befehlen, nicht aber gehorchen können. Auch hätte Er überall und allezeit auch Seinen menschlichen Willen gethan, wie es jetzt geschieht, da Seine Menschheit auf dem göttlichen Thron verklärt ist. Allein Er erniedrigte Sich in den Tagen Seines Fleisches selbst unter Seine Eltern, unter die Obrigkeit, noch mehr aber unter Seinen himmlischen Vater. Er lernte, indem Er litt, Gehorsam, Hebr. 5,8. Er übte Sich so im Gehorsam, daß Er immer Seinen menschlichen Willen, auch wenn er vor dem Leiden ein Grauen hatte, dem Willen Seines Vaters unterwarf. Er that und litt solche Dinge aus Gehorsam, die der menschlichen Natur höchst beschwerlich waren. Er ließ Sich von Seinem Vater geben, was er haben, offenbaren, was Er wissen wollte. Er bat Ihn um Alles, und tröstete Sich dessen, daß der Vater bei Ihm sei, und Ihn nicht allein lasse, Joh. 8,29., daß Seine Sache des HErrn und Sein Amt Seines Gottes sei, Jes. 49,4., und daß der HErr Ihm helfe, und Derjenige nahe sei, der ihm Recht spreche, Jes. 50,7.8. Im Gefühle Seiner Niedrigkeit sagte Er: Ich suche nicht Meine Ehre, Joh. 8,50., Ich suche nicht Meinen Willen, Joh. 5,30. Er hatte nicht Gefallen an Sich selbst, insofern Er ein Geschöpf war, Röm. 15,3. Er verwunderte Sich, daß der Vater Seiner als eines Menschen gedenke, und sich Seiner als eines Menschenkindes annehme, Ps. 8,5., weil es Ihm nämlich vor Augen war, wie gering, ja wie gar nichts die menschliche Natur, auch wenn sie ganz rein ist, gegen Gott sei. Am Kreuz dachte Er sogar: Ich bin ein Wurm und kein Mensch, Ps. 22,7. Seine Erniedrigung und Sein Gehorsam ging nicht nur bis zur Armuth, bis zu einer unansehnlichen und beschwerlichen Wohnung, Kost und Arbeit, bis zur Erduldung schmählicher Reden und anderer Beschwerden, sondern bis zum Tod, welcher die tiefste Demüthigung der menschlichen Natur ist, und unter allen Todesarten bis zur schmählichsten, nämlich bis zum Tod am Kreuz. Er lebte also in einem beständigen Gehorsam auf Erden, und starb aus Gehorsam am Kreuz. er litt nicht, weil Er mußte; Er starb nicht, weil Er nimmer leben konnte, sondern litt und starb nach dem Gebot Seines Vaters freiwillig im lautersten Gehorsam. Er war ein Knecht des Vaters, wie Er Jes. 49,6. 52,13. genannt wird. Sein ganzer Lauf war lauter Gehorsam; darum konnte man von Ihm sagen: gleichwie durch Eines Menschen Ungehorsam viele Sünder worden sind, also auch durch Eines Gehorsam werden Viele gerecht, Röm. 5,19. Gelobet sei Dein heiliger Name, HErr Jesu. Dein Gehorsam und die Bezahlung der vielen Sündenschulden, die ich durch meinen Ungehorsam gemacht habe, sei meine Gerechtigkeit. Sie sei aber auch mein lebendiges Vorbild, das sich in meiner Seele abdrücke. Nimm als ein göttlicher Lehrer meine Vernunft gefangen unter dem Gehorsam des Glaubens, und beuge meinen Willen unter Deine heiligen Gebote, und unter die weisen und heilsamen Schickungen Deiner Vorsehung. (Magnus Friedrich Roos)
2:9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist,
2:10 daß in dem Namen Jesu sich beugen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind,
2:11 und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der HERR sei, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Herr Jesu, lebendiger Heiland, Du hast Dich nach Deiner Auferstehung Deinen vorerwählten Zeugen durch so mancherlei Erweisungen als lebendig dargestellt, und von da an als Gottes Sohn in der Kraft nach dem Geist der Heiligkeit bewiesen: ach. so gehe denn mein armes Herz nicht vorbei, sondern offenbare Dich mir auch, daß ich Dich sehe in Deiner Lebenskraft, besonders an dem Abend dieses Tages. Ja, laß mich nur Dein Herz sehen, getreuer Heiland, welches Du in Deiner Auferstehung den Deinen geoffenbaret hast; so genüget mir. Dein treues Herz hat sich am ersten nach den Elenden umgesehen; ja, die Allerelendesten waren die nächsten an Deinem Herzen. Maria Magdalena, von welcher Du sieben Teufel ausgetrieben hattest, durfte Dir am ersten Deine für sie insonderheit durchgrabenen Füße küssen. Petro, der Dich dreimal verleugnet hatte, ließest Du es am ersten mit Namen durch Deine Engel und Jüngerinnen sagen: daß Du ihm zu gut von den Todten auferstanden seiest; ja, er durfte Dich und Dein Herz der Lieb zu den tiefgefallenen Sündern am ersten unter allen Aposteln sehen. Thomas hatte sich so sehr verirrt und verwirrt durch seinen Unglauben und durch seine Härtigkeit des Herzens; und Du hast ihn mit so besonderer Treue und Erbarmung wieder angenommen. Ach, so bitte ich noch einmal flehentlich und inniglich: gehe doch an mir nicht vorbei in diesen Tagen, an diesem Abend, in dieser Nacht. Ich bedarf Deiner Erscheinung und der Offenbarung Deines treuen Herzens so wohl, als jene, Deine Jünger und Jüngerinnen nimmer. Ich bin viel elender als Maria Magdalena; denn ich liebe Dich noch lange nicht so wie sie, und habe Dich gestern und heute nicht so vor Aufgang der Sonne, nicht mit so heißen Thränen, nicht ohne so alle Vernunftbedenklichkeit in lauterer Liebesbrunst gesucht, wie sie. Ich bin viel elender als Simon Petrus; denn es hat weder die Predigt von Deinem Kreuz, noch das Wort des Lebens von Deiner Auferstehung, welches ich in diesen Tagen so reichlich gehört, mein Herz so zerschmelzet, und meine Augen so zu Thränenquellen gemacht, wie Petri Herz auf einen einzigen Blick von Deinem Angesicht wie Wachs zerschmolzen, und seine Augenlider wie Wasser flossen über sein Verderben. Ich bin viel elender als Thomas; denn Thomas blieb nur acht Tage im Unglauben, ich aber, ach Du Herr, wie lange? So wende Dich denn zu mir in Gnaden. Nahe Dich zu mir. Neige Dein Herz zu meinem Herzen, so neiget sich mein Herz zu Deinem Herzen. Rühre es, so lebet es. Entzünde es, so glühet es. Oeffne es, so thut es Dir sich auf, daß Du eingehen und es mit Deiner Liebe durchdringen kannst. Was hilft mir’s, daß ich lebe, wenn ich nicht in Dir lebe, und wenn Du nicht in mir lebest? Wie kann ich ruhig schlafen in dieser Nacht, wenn Deine Liebe nicht mein Panier über mir ist? Wo soll ich hin in meinem Leiden, wenn mir’s Deine Liebe nicht heiligt und versüßt? Und wie fürchterlich und schrecklich wird das Ende meines Lebens sein, wenn ich Dich, den Ersten und Letzten und Lebendigen, der allein die Schlüssel der Hölle und des Todes hat, nicht in meinem Herzen wohnend und herrschend habe? Darum erfülle auch an mir Deine theure Verheißung: „Ich lebe, und ihr werdet auch leben. Und wer da lebet und glaubet an mich, der soll nimmermehr sterben.“ Ich glaube es, lieber Herr, hilf mir von meinem Unglauben.
Durch Deine Auferstehung und Himmelfahrt hilf mir, lieber Herr Gott. O Leben, leb’ in mir, und laß in Dir mich leben. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
Die Erhöhung und Verklärung Jesu Christi folgte nicht nur auf Seine Erniedrigung und Entäußerung Seiner selbst, sondern Er wurde auch durch diese als der Mittler zwischen Gott und Menschen würdig, jene zu empfahen. Gott hat Jesum Christum erhöhet, weil Er Sich selbst vorher erniedriget hatte. Gott hat Ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, weil Er vorher freiwillig des völligen Genusses der göttlichen Herrlichkeit mangeln, und anstatt der vorliegenden Freude das Kreuz erdulden wollen. Die Erniedrigung ging bis zum Tod am Kreuz, die Erhöhung aber reicht über Alles hinaus, was in dieser und in der zukünftigen Welt genannt werden mag. Bei der Enthaltung vom völligen Genuß der göttlichen Herrlichkeit nahm Er die Gestalt und den Namen eines Knechts an Sich, und litt und that was einem Knecht zusteht: bei Seiner Verklärung aber gab Ihm der Vater einen Namen, der über alle Namen ist, und den Niemand weiß als Er selbst, Offenb. 19,12. Dieser Sein Name ist Seine hohe Würde, mit welcher der völlige Genuß und Gebrauch der göttlichen Herrlichkeit und Macht verbunden ist. Die Würde, die der Vater Jesu Christo gegeben hat, ist so groß, daß kein Mensch und kein Engel sie ganz verstehen und begreifen kann, es sollen und müssen aber wegen derselben sich alle Kniee derjenigen, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind, vor Ihm beugen, und wer nicht freiwillig seine Kniee vor Ihm beugen will, wird durch die Offenbarung Seiner Herrlichkeit dazu genöthigt werden. Alle Zungen müssen bekennen, daß er der HErr sei, und mit einer unermeßlichen Kraft und Weisheit herrsche. Indem aber die Geschöpfe ihre Kniee vor Ihm beugen oder Ihn anbeten, und indem sie mit ihren Zungen bekennen, daß Er der HErr sei, so gereicht Solches zur Ehre Gottes des Vaters, der Ihn über Alles erhöhet, und Ihm einen Namen, der über alle Namen ist, gegeben hat.
Wir sind auf Erden, und sollen da unsere Kniee vor Jesu Christo beugen und Ihn unsern HErrn nennen. Wir wollen es auch gern thun, wie wir denn durch die Erlösung, die Er ausgeführt hat, auf’s Höchste dazu verpflichtet sind. Er nehme uns zur rechten Zeit in den Himmel auf, damit wir daselbst Ihm eine reinere Anbetung leisten und ein völligeres Lob geben können. Diejenigen, die unter der Erde sind, wissen auch von Ihm, weil Er nach Seinem Tod zur Hölle abgestiegen, und als ein Geist zu den Geistern im Gefängniß hingegangen ist. Diese wissen, daß Er der HErr sei, und zittern vor Ihm, diesen ist, wenn ihnen Seine Zukunft vor Augen gestellt wird, so zu Muth, wie Offenb. 6,15.16.17. geschrieben steht. Diese werden Ihn auch am jüngsten Tag mit großer Furcht einen HErrn nennen, wie Matth. 7,22. 25,11.24.44. Luk. 13,25. gesagt wird. Vor der Gesellschaft dieser Unglückseligen bewahre uns die Gnade Jesu Christi, und Sein Geist mache uns zur freiwilligen Anbetung und Verehrung Seiner immer mehr tüchtig. (Magnus Friedrich Roos)
Als der HErr Jesus Sich selbst entäußert und erniedriget hatte, und gleichwie ein anderer Mensch, ja in Knechtsgestalt unter den Menschen wandelte, ja zuletzt zwischen zwei Uebelthätern am Kreuz hin, wurde Er von Vielen gar nicht erkannt, von Einigen nur als ein großer Prophet gepriesen, von vielen Zungen aber gröblich geschmähet; denn es wurde in den Tagen Seines Fleisches erfüllet, was Ps. 69,10-13. geweissaget war: Ich eifere Mich (hier) zu Tod um Dein Haus, und die Schmach derer, die Dich schmähen, fallen auch Mich. Und ich weine und faste bitterlich, und man spottet Mein dazu. Ich habe einen Sack angezogen, aber sie treiben das Gespött daraus. Die im Thor sitzen, waschen (plaudern) von Mir, und in den Zechen singet man von Mir. Imgleichen was Ps. 22,7.8. geschrieben steht: Ich bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und Verachtung des Volks. Alle, die Mich sehen, spotten Mein, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf. Dieser Jesus ist’s aber, den der Vater erhöhet hat, und dem Er einen Namen gegeben hat, der über alle Namen ist, daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen alle derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erden sind, und alle Zungen bekennen, daß Jesus Christus der HErr sei, zur Ehre Gottes des Vaters. Es ist hier nicht nur von den Knieen und Zungen der Gerechten, sondern von allen ohne Ausnahme die Rede. Der HErr Jesus Christus wird im Himmel als der HErr auf dem göttlichen Thron gesehen, auf der Erde wird geprediget, daß Er der HErr sei, in der Hölle hat Er Sich als HErr durch Seine Höllenfahrt gezeigt: wer aber auch bei Leibesleben oder nach dem Tod nichts von Ihm gewußt hat, wird Ihn als den HErrn am Tage Seiner herrlichen Erscheinung kennen lernen. Denn da werden Ihn alle Augen sehen, alle Völker werden vor Ihm versammelt werden, und auch diejenigen, die Er verdammen wird, werden zu Ihm sagen: HErr, HErr, s. Matth. 7,22. 25,11.24.44. Wenn aber alle Zungen bekennen werden, daß Jesus Christus der HErr sei, so wird solches zur Ehre Gottes des Vaters geschehen. Jesus Christus selbst wird dadurch auf’s Höchste geehrt, daß Ihn alle Zungen den HErrn im höchsten Grad nennen: denn weil es alle Zungen thun, so wird dadurch angezeigt, daß Er der HErr über Alles sei, und zwar der allerhöchste HErr, weil Er auf dem göttlichen Thron zur Rechten des Vaters sitzt, folglich so hoch erhaben ist, als der Vater. Weil aber der Vater Ihn nach Seiner menschlichen Natur erhöhet, und Ihm einen Namen gegeben hat, der über alle Namen ist, so gereicht das Bekenntniß aller Zungen, daß Jesus Christus der HErr sei, auch zur Ehre Gottes des Vaters. Der Vater wird geehrt, wenn Jesus geehrt wird, weil Er der Vater Jesu Christi ist. Wir, denen das Evangelium von Christo geprediget, und unter Anderem gesagt wird, Er sei darum gestorben und wieder auferstanden, daß Er über Todte und Lebendige ein HErr sei, sollen Ihn mit Freuden anbeten, gern die Kniee vor Ihm beugen, und mit einer innigen Ehrerbietung und Zufriedenheit bekennen, daß Er auch unser HErr sei. Dank sei Ihm, daß Er uns erkauft hat mit Seinem Blut, und uns erlöset hat von der Obrigkeit der Finsterniß, und uns unter Ihm und in Seinem Reich will leben lassen in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die Ihm gefällig ist. (Magnus Friedrich Roos)
2:12 Also, meine Liebsten, wie ihr allezeit seid gehorsam gewesen, nicht allein in meiner Gegenwart sondern auch nun viel mehr in meiner Abwesenheit, schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.1)
Dieser kurze, aber nachdrückliche Ausspruch des Apostels Paulus ermuntere mich auf’s Neue am Abend des heutigen Tages zur ernstlichen Sorgfalt für meine eigene und Anderer Seligkeit. Es ist unglaublich, wie sorglos die Menschen in Ansehung ihrer eigenen und Anderer Seligkeit sein können. Gemeiniglich ist das Geschäft ihrer Seligkeit das Letzte, was sie vornehmen. Sie haben so viel Anderes, ihrer Vorstellung nach Wichtigeres für sich selbst und Andere zu sorgen und zu schaffen, sie haben Fleiß anzuwenden, daß sie oder die Ihrigen geschickt, reich, brauchbar für diese Welt werden, und vergessen darüber ganz, zu schaffen, daß sie selig werden. Und wenn dann auch der Geist Gottes durch’s Wort der Wahrheit sie zu dem Wunsch, zu einigem Bestreben, zu einiger Bemühung, selig zu werden, erweckt hat, wie leicht nehmen sie’s oft noch! Und wenn sie endlich auch für sich selbst mit redlichem Ernste trachten, daß sie selig werden, wie träg und nachläßig sind sie nicht, an Anderer Seligkeit zu arbeiten! Nicht so! sagt der Apostel, sondern schaffet, daß ihr selig werdet, arbeitet an eurer gemeinschaftlichen Wohlfahrt und Seligkeit in meiner Abwesenheit so gut, als während meiner Gegenwart fort mit Furcht und Zittern.
Mit Furcht und Zittern etwas thun heißt in der Bibel gewöhnlich etwas mit allem Bedacht, mit allem Ernst, mit der größten Sorgfalt thun. In diesem Sinn ermahnt Paulus Eph. 6,5. die Knechte, daß sie ihren leiblichen Herren mit Furcht und Zittern gehorsam sein sollen, mit einer solchen edlen Einfalt des Herzens, als ob sie Christo diesen Gehorsam zu beweisen hätten. Und 2 Kor. 7,15. verbindet er auch wieder Gehorsam und Furcht und Zittern, da er von Titus sagt: er gedenke an ihrer aller (der Korinther) Gehorsam, wie sie ihn mit Furcht und Zittern haben aufgenommen. Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern, heißt demnach: arbeitet an eurer eignen und Anderer Seligkeit mit solchem Bedacht, mit solchem Ernst, mit so gewissenhafter Treue und Sorgfalt fort, wie ein Knecht oder eine Magd unter den Augen ihrer Herrschaft, gegen welche sie Ehrfurcht haben, zu arbeiten pflegen. Ja, denkst du vielleicht, ich bin ein schwacher Mensch: wohlan! Paulus setzt deßwegen gleich V. 13. hinzu: denn Gott ist’s, der in euch wirket beide, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen. Ihr könnet’s freilich nicht, aber Gott kann’s. Schon daß ihr wollet, ist ein Zeichen, daß Gott etwas in euch gewirkt hat. Gott, der mit Seinen Wirkungen zu Belebung eurer Erkenntniß den Anfang gemacht, und einen guten Willen, eine Lust, selbst selig zu werden, und Andere selig zu machen, gewirkt hat, wirkt auch das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen, wirkt, wenn ihr nur die einmal geschenkte Kraft gebraucht, zu schaffen, daß ihr selig werdet, auf’s Neue, und immer wieder auf’s Neue in euch. Gott ist’s, der in euch wirket beide, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen: aber ihr seid’s, die durch Gottes Wirkung im Anfang und Fortgang der Bekehrung Kräfte empfangen, zu wollen und zu vollbringen das Gute, und zu schaffen, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.
Gott wirke auch in mir beide, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen, und setze mich dadurch in den Stand, an meiner und Anderer Seligkeit mit redlichem Bedacht und gewissenhafter Sorgfalt zu arbeiten.(Magnus Friedrich Roos)
2:13 Denn Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.
Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf, 1 Mos. 8,21. Wenn also ein guter Wille und ein gutes Werk bei dem Menschen entsteht, so ist Gott der Urheber und nicht das menschliche Herz. Gott, welcher der Schöpfer des Menschen ist, will auch, nachdem er ein verdorbenes Geschöpf geworden ist, ihn wieder zurecht bringen, und da Er nicht einmal einen guten Willen in ihm findet, diesen Willen wirken. Weil aber der gute Wille bald wieder erstickt, wenn keine weitere Kraft dazu käme, so will Er auch diese schenken. Er will die Seele stärken, das Gute, das sie will, ohne Trägheit und Furcht zu thun, und etwa auch dem Leib dazu die nöthigen Kräfte geben. Dieses Alles will Er nach Seinem Wohlgefallen thun. Wenn Jemand fragte, ob dann der Mensch, das verdorbene Geschöpf, werth sei, daß Gott in ihm wirke, so muß man antworten: Nein, sondern Gott thut’s nach Seinem Wohlgefallen. Sein Wohlgefallen, dessen Gegenstand immer etwas Gutes ist, ist die Ursache Seiner Gnadenwirkungen. Er hat kein Gefallen am Tode des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe, darum wirkt Er auch das Wollen und das Vollbringen dazu in ihm.. Weil auch, in dem Dienst, welchen die Bekehrten, die schon ein geistliches Leben empfangen haben, Ihm leisten sollen, der guten Dinge viele sind, so schafft Er, daß der Eine dieses Gute will und vollbringt, der Andere jenes, da dann durch die verschiedenen Gaben, Kräfte und Bedienungen eine mannigfaltige und doch harmonische Bemühung, Seine Ehre zu befördern und Sein Reich auszubreiten, entsteht, wozu Er Sein Gedeihen gibt. Weil auch Gott nicht nur das Vollbringen, sondern auch das Wollen wirkt, so ist klar, daß Er Niemand zwinge; denn bei dem Zwang ist kein Wille. Man erzwingt nur das äußerliche Werk, von welchem der Wille innerlich abgeneigt ist. Gott wirkt aber das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen, und macht dadurch Sein Volk tüchtig, ihm willig zu dienen im heiligen Schmuck. Das göttliche Wirken geht bei denen, die dessen gewürdigt werden und ihm bei sich Raum lassen, so weit, daß sie Alles ohne Murmeln und ohne Zweifel, folglich in der Liebe und im Glauben thun, und daß sie ohne Tadel werden, und lauter Gottes Kinder sind, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem sie scheinen als Lichter in der Welt, damit, daß sie halten ob dem Wort des Lebens, V. 14.15.16.
Lasset uns aber die Wahrheit, daß Gott beide das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen wirke, nicht zur Faulheit und Sicherheit mißbrauchen. Nur diejenigen thun Solches, welche diese Wahrheit nicht verstehen und auf einen Zwang zum Guten warten, welcher doch hier nicht versprochen und auch der Ehre Gottes und der Natur der Seele nicht gemäß ist. Gott wirkt zuerst. Er wirkt zuerst, noch ehe wir Ihn darum bitten, Er wirkt stufenweise. Wenn Er aber wirkt, soll sich die Seele Ihm nicht wieder entziehen und sich nicht wieder von Ihm wegwenden, sondern unter Seinem göttlichen Antrieb selber auch mit Furcht und Zittern schaffen, daß sie selig werde, V. 12. Die Wirkung Gottes macht willig und thätig.(Magnus Friedrich Roos)
Fragest du aber: Wie muß man denn anfangen, fromm zu werden, ober was muß man tun, daß Gott in uns anfange? Antwort: Ei, hörst du nicht, daß kein Tun, kein Anfangen in dir ist, fromm zu werden? Also wenig auch Zunehmen und Vollenden in dir ist. Gottes allein ist Anfangen, Fördern und Vollenden. Alles, was du anfängst, ist Sünde und bleibt Sünde, es gleiße, so hübsch es wolle; du kannst nicchts denn sündigen, tue, wie du willst. Darum ist kein andrer Anfang, fromm zu werden, denn daß dein König zu dir komme und fange in dir an. Nicht suchest du ihn, er findet dich: denn die Prediger kommen von ihm, nicht von dir; ihre Predigt kommt von ihm, nicht von dir; dein Glaube kommt von ihm, nicht von dir, und alles, was Glaube in dir wirket, kommt von ihm, nicht von dir. Wo er nicht kommt, da bleibest du wohl außen; und wo nicht Evangelium ist, da ist kein Gott, sondern eitel Sünde und Verderben. Darum frage nur nicht, wo anfangen sei, fromm zu werden; es ist kein Anfangen, als wo dieser König kommt und gepredigt wird. (Martin Luther)
DIesen gnedigen und reichen Trost/ sollen wir allezeit bey uns betrachten/ uns zu stercken und zu ermanen/ Das wir in Gottes erkentnis/ anruffung und rechtem Gottesdienst/ fortfaren.
Denn hie spricht S. Paulus/ Wo Gott dieses Füncklin im hertzen angezündet hat/ das wir das heilige Euangelium lieben und werd achten/ und wolten Gott gern recht erkennen und anruffen/ Da wölle auch Gott forthin hülffe thun/ das wir in unserm Beruff seliglich dienen mögen/ und Frucht schaffen.
Diese Verheissung sol die Schwachen stercken und fort treiben/ Gott mit ernst anzuruffen/ So werden sie gewislich hülffe erfaren/ Wie Christus spricht/ Bittet so wird euch gegeben werden. (Philipp Melanchthon)
—
DIesen reichen Trost sollen wir wol mercken. Wo Gott das füncklin in dir angezündet hat/ das dein Hertz gern Gott recht ehren/ anruffen und jm dienen wolte/ Da wil er auch fot helffen und stercke geben.
Darumb ob du gleich deine schwacheit fülest/ und der Teuffel viel hindernis machet/ So lasse doch nicht abe/ sondern thue/ in Gottes anruffung/ dein arbeit in deinem Beruff. So wird Gott mit sein/ dich stercken und bewaren/ das du jn recht ehrest und anruffest/ Und dir helffen/ das dein arbeit nicht vergeblich/ sondern dir und vielen fromen Leuten/ nützlich sey.
Denn Er wil nicht/ das alles menschlich Geschlechte vergeblich geschaffen sey/ Sondern es müssen etliche sein/ die jm gefellig sind/ und etwas wircken/ das jm wol gefelt.
Diese sind alle/ so das Euangelium lernen/ lieben und annemen mit rechtem Glauben/ und angefangenem gehorsam. (Philipp Melanchthon)
—
DIesen Trost sollen wir allezeit betrachten uns zu stercken. Denn so uns Gott zu seiner erkentnis und nötigen Emptern beruffet/ Ist es nicht müglich menschlicher schwacheit/ die grossen fahrligkeit/ die folgen/ one Gottes hülff zu uberwinden.
Aber dieser Spruch erinnert uns / Das Gott gewislich seine angefangene Gaben in uns stercken/ und uns helffen wil/ So wir den anfang haben/ das ist/ so wir gern wöllen Gott dienen und jn anruffen. (Philipp Melanchthon)
Beides muss ich haben, sowohl das Wollen als auch das Vollbringen, und beides kann ich mir selbst nicht geben. Beides ist Gottes Werk in mir. Was wäre mein Wollen, wenn es vom Vollbringen geschieden bliebe und sich nicht im Wirken vollendete? Das Gute wollen, aber nicht vollbringen nannte Paulus mit gutem Grund einen geplagten, mühsamen Stand, von dem wir erlöst werden müssen. Aus Gottes Hand empfangen wir nicht gute Gesinnung, die nichts hervorbringt, weil sie bloß Gesinnung sein will, nicht einen guten Willen, der beständig scheitert, wenn er handeln soll, sondern Wollen und Vollbringen ist Gottes Gabe. Ebenso deutlich ist aber, dass uns mit dem Vollbringen allein nicht geholfen wäre. Ein Wirken, in dem keine Liebe und keine Seele steckt, ein Dienst, den wir uns gegen unseren Willen abzwingen, ist ebenso sehr ein Jammer als das bloße Wünschen und Wollen, das nicht handeln kann.
Wie unnütz und unfruchtbar bleibt auch emsiges Wirken, wenn es im erzwungenen Gottesdienst stecken bleibt, den wir nur deshalb, weil wir müssen, ableisten! Vollends wenn wir an das Ziel denken, von dem Paulus redet, daran, dass wir unsere Seligkeit zu wirken und unsere Rettung zu gewinnen haben, die uns von Gericht, Schuld und Strafe befreit, wie sollten wir zu diesem Ziel gelangen ohne ein Wollen, das zum Vollbringen wird, und ohne ein Vollbringen, das aus unserem gesammelten, ernsten Wollen erwächst? Beides, sagt mir Paulus, brauchst du und beides gibt dir Gott. Er bewegt dich von innen her im Grund deines Lebens und er bereitet dir auch die Gelegenheit, die du zum Handeln brauchst. Die innere und die äußere Seite deines Lebens steht unter seiner Leitung und seine Gnade ist die von außen und von innen dich führende Macht. Nun wolle und wirke. Wozu gibt mir Gott das Wollen? Eben dazu, dass ich will. Wozu bereitet er mir das Wirken? Dazu, damit ich handle und arbeite und das Werk vollende, das mir zugewiesen ist. Wirke aber, sagt mir Paulus, mit Furcht und Zittern, eben deshalb, weil Gott es ist, der dir das Wollen und Vollbringen schenkt. Was von Gott gegeben wird, muss mit Sorgfalt erfasst und bewahrt werden. Ich darf das nicht verschleudern und verderben, was er mir gibt. Von Gott geschenktes Wollen darf ich nicht durch meinen Widerwillen entkräften und von Gott mir bereitetes Wirken verpflichtet mich zur ernst erwogenen und sorgsam vollzogenen Tat. Weil aber die Furcht an dem entsteht, was Gott mir gibt, bleibt sie mit dem Glauben eins.
Wie könnte ich übermütig und eigenwillig werden, da ich, heiliger Gott, unter dein Wohlgefallen gestellt bin? Damit geschehe, was Dein Wohlgefallen beschlossen hat, handelst Du an uns nach deiner Gnade und führt du uns mit starker Hand durch alles hindurch, was uns als Gefahr umringt. Gib mir, dass ich bewahre, was Du mir gibst, und dorthin gehe, wohin Du mich rufst. Amen. (Adolf Schlatter)
2:14 Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel,
2:15 auf daß ihr seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt,
Es gibt Leute, die sich selbst für fromm halten, weil sie Vieles wissen, oder weil sie etwas Sonderbares und Neues wissen, da es doch gemeiniglich nur ein alter, schon lange widerlegter Irrthum ist, oder weil sie äußerliche Uebungen und Gebräuche mitmachen, welche sie bei frommen Christen wahrnehmen. Solche Leute betrügen sich gemeiniglich selbst, und Andern wird ihre Heuchelei bälder offenbar, als ihnen selbst. Es ist nie keine gründliche Bekehrung in ihnen vorgegangen. Sie sagen, sie erkennen Gott, und mit den Werken verleugnen sie Ihn. Sie haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie, oder sie zeigen an, daß sie diese Kraft nicht haben. Sie wollen der Schrift Meister sein, und wissen nicht, was sie sagen oder was sie setzen, 1 Tim. 1,7. Ganz anders beschreibt Paulus rechtschaffene Christen, indem er ermahnungsweise sagt: seid ohne Tadel, daß man nämlich mit Recht nichts an euch tadeln kann (denn aus Haß und Unverstand tadelt man oft, was gut ist), und seid lauter, daß Niemand Ursache findet, sich an euch zu ärgern; seid unsträfliche Gottes-Kinder: seid, wie es Kindern Gottes gebührt, die ihres Vaters Geist haben, Ihn kindlich fürchten und lieben, und in Seiner Liebe ruhen, und bedenket, daß Kinder Gottes keiner Untreue oder Schalkheit bezüchtigt werden sollen. Seid solche Kinder Gottes nicht im Winkel, nicht zwischen vier Mauern, nicht in einem besondern gelobten Land, welches jetzt nirgends ist, sondern mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr nach Gottes Willen als zerstreut leben müsset. Freilich müsset ihr dabei beobachten, was Ps. 26,4.5.6. steht: ich sitze nicht bei den eitlen Leuten, und habe nicht Gemeinschaft mit den Falschen; ich hasse die Versammlung der Boshaftigen, und sitze nicht bei den Gottlosen; ich wasche meine Hände in Unschuld, und halte mich, HErr, zu Deinem Altar. Doch könnet ihr übrigens die Welt nicht räumen. Ihr müsset mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht wohnen, und auch in äußerlichen Dingen mit demselben zu thun haben: aber hier muß sich die Kraft eurer Gottseligkeit zeigen. Euer Glaube muß die Welt überwinden. Ihr sollet mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß keine Gemeinschaft haben, sondern sie vielmehr strafen. Ihr sollet, kurz zu sagen, euch unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht als Kinder Gottes Ihm zur Ehre beweisen. Unter den Leuten dieses Geschlechts, die in der Finsterniß wandeln, und inwendig lauter Finsterniß sind, scheinet ihr als Lichter in der Welt, wie denn Christus zu Seinen Jüngern gesagt hat: ihr seid das Licht der Welt. Ihr sollt Gott erkennen, den die Welt nicht kennet, verständig auf’s Seelenheil sein, alldieweil die Leute jenes Geschlechts unverständig sind, und andern mit euren Worten und Werken vorleuchten, daß sie von euch und an euch lernen können, wie ehrwürdig, heilig und vergnüglich das wahre evangelische Christenthum sei. Ein Christ, der nach dieser Ermahnung gebildet ist, ist ein wahrer Christ. Ach, daß deren Viele zu unserer Zeit wären! Der HErr kennet die Seinen; es trete aber ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet. (Magnus Friedrich Roos)
2:16 damit daß ihr haltet an dem Wort des Lebens, mir zu einem Ruhm an dem Tage Christi, als der ich nicht vergeblich gelaufen noch vergeblich gearbeitet habe.
Paulus theilet hier das menschliche Geschlecht in zwei Haufen, und nennt den einen Kinder Gottes, den andern aber ein unschlachtiges und verkehrtes Geschlecht. Diejenigen, die zu diesem Geschlecht gehören, wollen zwar die Namen unschlachtig oder störrig und verkehrt von sich ablehnen, werden aber doch, wenn sie ihren Sinn nicht ändern, als solche am Tage Jesu Christi offenbar und zu Schanden werden. Gottes Kinder müssen unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht wohnen, denn Gott hat ihnen bisher kein eigenes Land gegeben. Der Waizen muß auf dem Acker Gottes das Unkraut neben sich dulden, weil ihm Gott bisher keinen abgesonderten Theil dieses Ackers eingeräumt, und durch Seine Engel noch keine äußerliche Scheidung zwischen beiden gemacht hat. Bei dieser Verfassung aber liegt den Kindern Gottes ob, ihrer selbst wohl wahrzunehmen, daß sie von dem Sinn des ungeschlachten und verkehrten Geschlechts nicht angesteckt werden, an ihrem eiteln Wandel und bösen Werken keinen Antheil nehmen, und aus der Festung ihres Gnadenstandes nie entfallen. Ihren Theil von Leiden, die ihnen dieses Geschlecht verursacht, sollen sie gern übernehmen, übrigens aber als Lichter in der finstern Welt scheinen, weil doch ein jedes Kind Gottes durch die Wiedergeburt ein Licht von dem HErrn empfangen hat, ja ein Licht in Ihm worden ist. Diesen Lichtstand nun soll man bewahren, und ob dem Wort des Lebens halten. Gleichwie nämlich der Tod herrscht, wo die Finsterniß herrscht, also ist da ein geistliches Leben, wo ein geistliches Licht ist. Gott erleuchtet durch Sein Wort; dieses Wort ist aber auch ein Wort des Lebens, weil es ein geistliches Leben, das ewig ist, gibt und verspricht. Die Welt achtet es für nichts, sondern behilft sich mit dem Schimmer ihrer durch Lüste verkehrten und ohnehin nicht weit reichenden Vernunft, und wandelt hin im Licht ihres Feuers, und in Flammen, die sie angezündet hat, Jes. 50,11., ist aber dabei in Ansehung der geistlichen Dinge, die das Reich Gottes in sich faßt, für todt zu achten; aber Kinder Gottes, die ein Licht in dem HErrn sind, halten ob dem Wort des Lebens. Sie glauben es, und richten sich in ihrem Thun und ganzen Wandel darnach. Das Wort des Lebens ist ihr Rathgeber und ihre Richtschnur, aber auch ihr Trost und ihre Erquickung, und verschafft ihnen die geistliche Stärke, welche sie zur Erduldung der Leiden und zur Ausrichtung des Willens Gottes nöthig haben. So lange der Baum, den David Ps. 1. beschreibt, an diesem Wasserbach stehen bleibt, wird er fruchtbar bleiben, und seine Blätter werden nicht verwelken. Wir haben uns zu prüfen, ob wir durch die Wiedergeburt Kinder Gottes und Lichter in der Welt worden, und ob wir solche geblieben seien. Ach daß wir durch nichts verdunkelt werden, sondern immer brennende und hell scheinende Lichter bleiben! Ach daß das lange Wohnen unter Mesech und in den Hütten Kedars, das ist das lange Wohnen und Wandeln unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, uns nicht gegen ihre Weise gleichgiltig und demselben ähnlich mache! Ach daß das Wort des Lebens uns immer leite und zum Sieg über die Welt stärke! (Magnus Friedrich Roos)
2:17 Und ob ich geopfert werde über dem Opfer und Gottesdienst eures Glaubens, so freue ich mich und freue mich mit euch allen.
2:18 Dessen sollt ihr euch auch freuen und sollt euch mit mir freuen.
Der Tag, an dem der römische Soldat Paulus vor die Mauer Roms hinausführen und dort enthaupten wird, war für Paulus ein Tag voll von Freude, und er freute sich an ihm nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Gemeinde. Er gratuliert ihr dazu, dass sein Wirken dieses Ende finden wird. Darum erwartet er auch von ihr, dass sie an seinen Tod nicht bekümmert denke, sondern an ihm einen Grund zur Freude habe, wieder nicht nur um seinet, sondern auch um ihretwillen. Woran hat er sich gefreut? Daran, dass nun die Not des irdischen Lebens und die Mühsal seines Amts zu Ende sei? Nein; denn er hat im selben Brief der Gemeinde gesagt, er wisse nicht, was er mit stärkerem Verlangen begehren solle, den Tod, der ihn zu Christus führt, oder das Leben, das ihn in der Arbeit erhält und wieder zur Gemeinde bringt. Sie weiß also, dass er des Lebens und der Arbeit nicht müde ist. Oder sonnt er sich in der Herrlichkeit, die er gewinnen werde, wenn er als der Zeuge Jesu getötet wird? Soll ihm die Gemeinde dazu gratulieren, dass er die sonderlich glänzende Krone des Märtyrers erwerben wird? Freilich könnte er sich an seinem Tod nicht freuen, wenn er nicht die gewisse Hoffnung hätte und wüsste, dass ihm der Herr den Kranz der Gerechtigkeit nicht versagen wird, weil er den Glauben bewahrt hat. Paulus hält aber seinen Gedanken bei dem fest, was jetzt an ihm geschehen wird, und freut sich nicht nur an dem, was ihm drüben zuteil werden wird, sondern an seiner Hinrichtung. Denn diese ist sein Opfer. Er hat sein Blut, das der ihn tötende Soldat verschüttet, sein Trankopfer genannt. Wenn ein Israelit auf den Altar in Jerusalem ein Tier als sein Opfer legte, so wurde gleichzeitig Wein am Fundament des Altars als Trankopfer ausgegossen. Ebenso begleitet das Opfer, das Paulus mit seinem Tod Gott darbringt, das Opfer der Gemeinde. Dieses ihr Opfer ist ihr Glaube. Damit preist sie Gottes herrliche Gnade und gibt ihm, was wir Menschen ihm geben können. Was können denn wir ihm geben, was ihn zu ehren vermöchte? Dies, dass wir ihm glauben. Ohne den Glauben gibt es keine Gabe und keinen Gottesdienst, der ihn ehren könnte. Zum Glauben der Gemeinde fügt nun Paulus seinen Tod, den er um Jesu willen erleidet, hinzu ihrem Glauben zur Stärkung und Bestätigung, und deshalb weil er glaubend in den Tod geht, wird ihm sein Todestag zum Festtag, zum heilsamen Tag auch für die Christenheit, an dem sie sich freuen soll. Damit hat uns Paulus nochmals gesagt, wie Großes uns damit gegeben ist, dass unser Leben im Glauben an Gottgebunden ist.
Nun, Herr, will ich Dir wieder für den hellen Glanz danken, den Dein Wort auf alles legt, was uns begegnet. Es wäre eine harte Not, wenn Dein Wort nicht auch unser Sterben verklärte. Es bringt uns Schwachheit und bittere Pein, aber auch den Anlass, Dir zu glauben, ohne zu sehen, um Deines Wortes willen, Deiner Gnade gewiss, der ganzen und ewigen. Wo aber der Glaube ist, da ist auch Freude; denn da wirst Du erkannt und gepriesen. Amen. (Adolf Schlatter)
2:19 Ich hoffe aber in dem HERRN Jesus, daß ich Timotheus bald werde zu euch senden, daß ich auch erquickt werde, wenn ich erfahre, wie es um euch steht.
2:20 Denn ich habe keinen, der so gar meines Sinnes sei, der so herzlich für euch sorgt.
2:21 Denn sie suchen alle das ihre, nicht, das Christi Jesu ist.
Selbstsucht verdirbt die edelsten Triebe. Der Trieb zum Wirken ist eine Ähnlichkeit mit Gott. Er ist von Ihm in unser Inneres gelegt. Wie schade nun, dass auch dieser schöne, beglückende Lebenstrieb verdorben ist! Die Seligkeit ist nicht der Zweck des Dienens. Selig werden wir aus Gnaden, - dienen sollen wir zur Verherrlichung Gottes. Nicht dienen zum Erwerben, sondern dienen, um andere zu beglücken, dienen zur Entfaltung der neuen Natur. Ansehen, Ruhm, Ehre, Lob sucht ein reines Herz nicht; es gibt sich selbstlos hin, als verstünde sich alles von selbst, als könnte es gar nicht anders sein; so lebt es dem Werke, der Ehre, der Verherrlichung Gottes. Dies will gelernt sein. Nur wenn wir bereits in Christo neue Geschöpfe geworden sind, können wir in Wahrheit sagen: Unser keiner lebt sich selber und keiner stirbt sich selber; leben wir, so leben wir dem Herrn. Röm. 14, 7. 8. Auch ein „im Dienen reines Herz“ bleibt nur in täglichem Überwinden rein; es muss stets die Selbstsucht, die Ehrsucht, die eitle Einbildung und die Trägheit besiegen. Jage danach, in deinem Tun selig zu sein. Wie denn? Wandle vor Gott, diene Ihm allein, ringe danach im Gebet, dieses rein und lauter tun zu können. Wer dem Herrn ähnlich wird im Dienen, in selbstloser Hingabe, der kommt Ihm näher, wird Ihn stets klarer erkennen, wird Ihn endlich sehen, wie Er ist, und wird auch den Vater zu schauen vermögen. Gelobt sei Gott, dass Er diesen Trieb zum Wirken hineingelegt hat in die Menschennatur. Diene nicht, um Menschen zu gefallen oder dir einen Namen zu erwerben, sondern allein zu Gottes Ehre. Dienen sei dir ein bewusster Lebenstrieb; das bringt dir Freude, Segen und reines Lebensglück. (Markus Hauser)
2:22 Ihr aber wisset, daß er rechtschaffen ist; denn wie ein Kind dem Vater hat er mir gedient am Evangelium.
2:23 Ihn, hoffe ich, werde ich senden von Stund an, wenn ich erfahren habe, wie es um mich steht.
2:24 Ich vertraue aber in dem HERRN, daß auch ich selbst bald kommen werde.
2:25 Ich habe es aber für nötig angesehen, den Bruder Epaphroditus zu euch zu senden, der mein Gehilfe und Mitstreiter und euer Gesandter und meiner Notdurft Diener ist;
2:26 sintemal er nach euch allen Verlangen hatte und war hoch bekümmert, darum daß ihr gehört hattet, daß er krank war gewesen.
2:27 Und er war todkrank, aber Gott hat sich über ihn erbarmt; nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich, auf daß ich nicht eine Traurigkeit über die andern hätte.
Ist das derselbe Mann, der da schreibt: Freuet euch in dem Herrn allewege ? Und hier verrät er, daß er schon so manche Traurigkeit erlebt habe und durch die Genesung des kranken Freundes in schwerer Zeit nur noch an dem Geschick vorbeigekommen sei, eine Traurigkeit über die andere zu haben. Dergleichen Menschliches macht uns die Bibel so lieb. Ihre Helden haben Fleisch und Blut wie wir. Es geht auf und nieder; wie der Eimer bald tief hinunter in den dunklen Brunnen muß, dann wieder heraufgewunden wird, um den Segen, den er da unten geholt, zur Labe anderer zu spenden. So taucht der Herr seine Leute in dunkle Tiefen der Traurigkeit. Sie wissen nicht gleich warum? Es tut weh, und wir fürchten uns, im dunklen Wasser zu ertrinken. Aber da gibt's wieder einen Ruck an dem Seil der Brunnenwinde und es geht aufwärts. Oben zeigt sich's, daß wir nicht vergeblich in jener Tiefe waren. Es ist etwas Neues an Kraft oder Erkenntnis oder Erfahrung aus jenen traurigen Stunden mit ans Licht gebracht worden, woran sich andere den Glauben können stärken lassen. So kann die Traurigkeit ihre besondere Kraft und ihre geheime Frische verleihen, die es ohne dunkle Tiefen nicht gegeben hätte.
Herr, du bist weise und gerecht in all deinem Tun, und wir wissen nichts! Vergib uns die Zaghaftigkeit der dunklen Stunden und daß wir es so oft vergessen, was für Segen sie uns und andern schon gebracht haben. Amen. (Samuel Keller)
2:28 Ich habe ihn aber desto eilender gesandt, auf daß ihr ihn seht und wieder fröhlich werdet und ich auch der Traurigkeit weniger habe.
2:29 So nehmet ihn nun auf in dem HERRN mit allen Freuden und habt solche Leute in Ehren.
2:30 Denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tode so nahe gekommen, da er sein Leben gering bedachte, auf daß er mir diente an eurer Statt.
Nachdem der Apostel im Anfange dieses Kapitels zur Liebe und Demuth nach dem großen Vorbilde Christi ermahnt hat, giebt er den Philippern Nachricht von zwei treuen Gehülfen bei der Verkündigung des Evangeliums, Titus und Epaphroditus. Auch an mich ist die hohe Ermahnung gerichtet, mit Furcht und Zittern zu schaffen daß ich selig werde. Es ist ja dies die Aufgabe aller Stunden, aller Tage des ganzen Lebens; es giebt dies erst unserm sonst so kurzen und eitlen Leben, auf Erden eine Bedeutung und einen wahren, ewigen Werth. Dies eine Geschäft immerdar vor den Augen unverrückt, und wir haben nicht umsonst gelebt und geliebt, nicht umsonst uns gefreut, nicht umsonst gelitten und geweint, gearbeitet und gekämpft. Aber freilich ist diese Aufgabe für unsere eigenen Kräfte viel zu hoch, und wir können nur mit Furcht und Zittern daran denken. Gottlob, daß der Apostel hinzusetzt: Denn Gott ist es, der da wirket in uns beides, das Wollen und das Vollbringen, nach Seinem Wohlgefallen. Im Werke des Heils ist Er Anfang, Fortgang und Ende. Er giebt uns, was wir uns selbst zu geben nicht vermögen; Er giebt uns in Christo wieder, was wir in der Sünde verloren, Heil, Leben und Seligkeit; Er giebt Wollen und Vollbringen, beides vom dem ersten Zuge des neuen göttlichen Lebens an bis zu dem Höchsten und Seligsten, zu der vollen Freiheit, Macht und Herrlichkeit der Kinder Gottes, und Er hat sein gnädiges Wohlgefallen daran. Sind wir eitel, Er ist wahrhaftig! sind wir untreu, Er ist getreu; vermögen wir nichts, Er vermag Alles; haben wir von uns nichts, er giebt uns Alles. Haben wir in uns nur Unreines und Sünde, Er macht uns rein und heilig, Er macht in uns Alles neu. Herr Jesu, ich glaube es Dir; o mache auch in mir Alles neu und fahre fort zu wirken Wollen und Vollbringen des Guten nach Deinem Wohlgefallen, damit ich durch Dich vor Gott gerecht und selig werde. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)