Zuletzt angesehen: 1. Korinther, Kapitel 13

1. Korinther, Kapitel 13

1. Korinther, Kapitel 13

13:1 Wenn ich mit Menschen-und mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle.
Nicht dazu verpflichtet uns Paulus, dass wir über die Liebe reden, sondern dazu, dass wir in ihr reden. Reden wir über die Liebe, so kann die Rede leicht nicht mehr sein als der laute Schall eines Tamburin. Eine Christenheit, die von der Liebe spricht, haben wir in großem Umfang; aber es liegt am Tag, dass sie damit noch nicht zum Dienst Gottes fähig ist und noch kein heilsames Wort besitzt. Ich muss die Liebe haben; das macht mein Wort stark, sieghaft und zum Werkzeug eines fruchtbaren Gottesdienstes. Mein Wort kann zwei verschiedenen Zwecken dienen. Entweder stellt es mich dar, bringt zum Ausdruck, was mich bewegt, zeigt meinen Zustand, sei es meine Armut, wenn es klagt, sei es meinen Reichtum, wenn es meine Ziele verkündet, die anderen anwirbt, und braucht, an mich anzieht und mir folgsam macht. Paulus sagt, so bleibe das Wort Schellengetön, auch wenn es höchste Wissenschaft und höchste Kunst darstellt. Starken Beifall kann man freilich so erwerben; denn der Mensch bewundert den Menschen gern, wenn er seine Größe vor ihm ausstellt. Aber einen echten Erfolg, der vor Gott besteht und für die Menschen heilsam ist, schafft mein Wort nicht, wenn es in mir seinen Gegenstand hat. Nun kann aber mein Wort auch von der Liebe seine Gestalt bekommen. Dann erhält es sein Ziel und seinen Inhalt durch das, was die anderen sind und bedürfen. Dann spreche ich mit ihnen von ihren Sünden nicht, um sie zu erniedrigen, sondern um sie aufzurichten, spreche von meiner Erkenntnis nicht, um mich als den Wissenden zu beweisen, sondern um ihnen das zu zeigen, was ihr Auge mit Licht und ihre Vernunft mit Wahrheit beschenkt, spreche von Gottes Gnade nicht dazu, um mich oder meine Kirche oder die Christenheit zu erhöhen, sondern um Gottes Gabe denen zu bringen, die mich hören. So wird das Wort dem untertan, was der Hörer ist und braucht, und dadurch ist es mächtig. Es gibt auch für unsere Rede keine Macht anders als durch den Dienst und keinen Erfolg anders als durch die Entsagung. Denn auch unsere Rede gedeiht nur dann, wenn sie Gott vor Augen hat, und verfällt, wenn der Mensch sie an sich selber kettet.
Unser Mund, der sprechen kann, unser Ohr, das hören kann, sind, Vater, die Zeugen Deiner wunderbaren Güte. Mit dem Wort führst du uns zusammen, öffnest uns füreinander, schließest Inwendiges auf und machst Verborgenes wahrnehmbar. Und nun füllst Du unser Wort mit Deinem Wort und machst, dass wir von Deiner Gnade reden dürfen. Aber nur gebeugt und in der Ferne als der, der um Dein Vergeben bittet, kann ich vor Dir stehen, wenn ich an mein Reden denke. Vergib die eitle Leere und den stolzen Schmutz meiner Worte. Geber der Liebe, heile meine Rede. Amen. (Adolf Schlatter)

13:2 Und wenn ich weissagen könnte und wüßte alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, also daß ich Berge versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.
Der warnende Finger des Paulus zeigt hier auf ein finsteres Rätsel hin. Ist es denn möglich, dass ein Mensch durch das Vollmaß der Erkenntnis in das Licht gestellt ist und sich doch dem Licht entzieht und nicht zum Kind des Lichtes wird? Er entzieht sich aber dem Licht, wenn er die Erkenntnis hat, ohne die Liebe zu haben. Kann ich denn Gott kennen, ohne zu sehen, was er ist, nämlich dass er Liebe ist, und kann ich ihn kennen, ohne von ihm gekannt zu sein mit jenem Blick seiner Gnade, die seinen Willen in uns wirksam macht? Und wie ist es möglich, dass ich allen Glauben habe, Glauben, der mich zum Gebieter über die Berge und Herrn der Welt macht, ohne dass ich Liebe habe? Ist nicht jeder Glaube das Ergreifen der göttlichen Liebe? Wie kann ich anders Berge bewegen als so, dass ich Gottes allmächtige Gnade anrufe und sie für mich habe? Nun soll ich aber Gottes Gnade nicht nur wissen, sondern glauben und nicht nur von ihr reden, sondern sie begehren und nicht nur nach ihr verlangen, sondern sie auch erfahren, und dennoch selber ohne Liebe sein? Dieses Rätsel ist aber nicht die Ausgeburt einer düsteren Sorge, die Paulus in einer dunklen Stunde grundlos gequält hätte, sondern hat in dem, was wir sind und tun, starken Grund. An allem, was uns begabt, bereichert und stärkt, entsteht eine Frage, die nicht von selbst ihre Antwort findet, die, ob ich das mir Gegebene an mich ziehe und deshalb schätze, weil es mich stärkt und mein Leben verklärt, und daran satt bin, dass ich selber zur Erkenntnis gelangt und zum Glauben gekommen bin, oder ob ich mir von Gottes Liebe und Gabe die Verwerflichkeit meiner Eigensucht zeigen lasse und sie in den Tod gebe. Gewiss gibt es keine Erkenntnis Gottes, die uns nicht zur Tat beruft und in den Dienst seiner Güte stellt, und gewiss gibt es keinen Glauben, der nicht geschäftig und tätig wäre, wobei das, was der Glaube begehrt, durch die Liebe geschieht. Allein dies tritt dann ein, wenn nicht mein boshafter Wille dazwischen fährt und aus dem, was Gottes ist, mein Eigentum macht, das ich missbrauche, indem es mir einzig mir selber dienen soll. Keine Steigerung der Erkenntnis und keine Kräftigung des Glaubens überwindet diese Gefahr; denn sie steigt mit der Größe unserer Begabung. Abgewehrt wird sie nur durch die Buße, durch die Öffnung des Ohrs für Gottes Gericht, das meine Eigensucht verdammt, und für sein gnädiges Wort, das mir Gottes helfenden Willen teuer macht.
Ich erschrecke vor dem, was wir Menschen fertig bringen, vor der Allgewalt unserer Eigensucht, die auch im Licht Deiner Erkenntnis nicht ersterben will. Darum aber, weil Dein Wort mir die Größe meiner Not und Schuld enthüllt, ist es mein Heil. So führt es mich zu Dir. Amen. (Adolf Schlatter)

13:3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib brennen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze.
Selbstaufopferung bis zum Wahnsinn kennen Heiden und Mohammedaner auch; ist das gleichbedeutend mit Heiligung? Selbstaufgabe, wie der Buddhismus sie lehrt, verträgt sich mit lieblosem Herzen sehr gut; ja es ist sogar nur eine besondere Form der Ichsucht. Es gibt auch in der Christenheit solche Elendjäger, die sich nicht genug tun können in der Übernahme von Lasten und Elend. Einen solchen Elendgänger kannte ich, der meinte vor fünfzehn Jahren, er müsse jede Trübsal suchen, damit er alle Tage in „Furcht und Zittern“ bleibe. Das war sein Christentum. Gott hat ihm, seinem Hause, seiner Arbeit Berge von Leid aufgeladen, bis er endlich merkte, daß er mit dem Brennen seines Leibes keinen Schritt näher zu Gott komme. Wenn wir nicht in der Liebe Jesu einen Junghorn haben, darin wir täglich unsere Seele erfrischen, kann all das fremde Elend uns verzagt und müde machen. Ich habe viel Geld in meinem Leben weggegeben, aber selten danach Freude dadurch erlebt, weil ich nicht Zeit hatte, mir die Bittsteller genau anzusehen. Für die Ewigkeit haben alle diese Gaben wenig Sinn oder Segen: man wollte oft nur die Leute los werden, und fast täglich kommen neue Bitten. Aber Liebe kann man nicht weggeben, ohne reicher zu werden!
Herr Jesu, erbarme dich über meine Opfer. Entsündige sie, heilige sie, damit nicht alles vergeblich sei. Ich bitte dich für alle die Leute, die mich bitten! Erbarme du dich und hilf ihnen innerlich zurecht. Mir selbst zuerst alle Tage. Amen.(Samuel Keller)


Liebestat ohne Liebe, das ist die schlimmste Entstellung, zu der es unsere Frömmigkeit bringen kann, die hässlichste Verkleidung unserer Eigensucht. Paulus denkt an die beiden Wege, auf denen die Liebe zur Tat und Arbeit gelangt. Sie gibt dem Menschen, was er bedarf; ihm dienen wir mit unserer Habe; und sie opfert für Gottes Ehre, was sie kann; weil er Gott ehren und ihm allein gehorchen wollte, gab der jüdische Märtyrer den Leib den Flammen preis. Von dem, was hier wie eine Tat der Liebe aussieht, nimmt Paulus alle Beschränkung weg. Nicht nur eine ärmliche Gabe wird hier dem Darbenden gereicht; das geschieht freilich oft genug, ohne dass die Liebe das Geben beseelt; vielmehr wird hier die ganze Habe für die anderen fruchtbar gemacht; und nicht nur eine kleine Entsagung, die bald überstanden ist, bezeugt hier, dass der Opfernde Gott vor Augen hat, sondern das bitterste, qualvollste Martyrium, das den Leib völlig zerstört, soll hier bezeugen, dass der Entsagende die Größe Gottes ehrt. Aber keine Häufung der Wohltat und des Leidens schafft für die fehlende Liebe den Ersatz. Wie viel fällt von dem, was wir tun, als leer und vergeblich dahin! Wir geben oft und es sieht so aus, als ob es eine Wohltat sei, und doch ist keine Liebe drin, die wirklich zu helfen versucht. Uns soll in Wahrheit nützen, was wir tun, und doch nützt uns diese falsche Liebe nichts. Manches geschieht eifrig und willig zu Gottes Ehre und doch klebt unser Blick dabei an uns selbst. Der Märtyrer besteigt den Scheiterhaufen und greift dabei nach dem ewigen Kranz, der ihn nun immer schmücken soll, flucht denen, die ihn töten, und erhebt sich über die, die nicht desselben Heldentums fähig sind. Das von deiner Eigensucht befleckte Opfer, sagt Paulus, nützt dir nichts. Auch ein solcher Vorgang legt, so traurig er ist, für die Herrlichkeit der Liebe Zeugnis ab. Es gäbe keine unechte Liebe, würde uns nicht die echte gegeben, Wohltat, die wirklich helfen will, Opfer, das Gott in Wahrheit preist. Was die Liebe tut, würde nicht nachgemacht, strahlte nicht ihr Glanz in jedes Auge, auch in das, das von der Eigensucht geblendet ist, und von den Gaben der echten Liebe hat Paulus nicht gesagt, sie nützen dir nichts. Sie tragen eine segnende Kraft in sich, nicht nur für den, der sie empfängt, sondern auch für den, der sie gibt.
Das, Vater, ist die wonnige Süßigkeit Deiner Gnade, dass sie uns zum Geben rüstet. Du machst aus allen Deinen Gaben die Liebe zur größten. Schenke sie mir. Bleibe ich in Deinem Wort, dann ist meine Liebe behütet und vor dem geschützt, womit meine Eigensucht sie verderben will. Amen. (Adolf Schlatter)

13:4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht,
Uns fehlt es oft an dieser Langmut für ein ganz bestimmtes Verhältnis; andern gegenüber sind wir sehr langmütig. Aber diesem einen Menschen gegenüber, dem wir schon so oft gezeigt hatten, wie er uns mit seinem Fehler das Leben verbittert, scheint es uns, als wäre es wichtiger, er bekehrte sich zu unserer Ansicht, er änderte sich endlich, als daß wir noch länger mit ihm Geduld haben sollten. Vielleicht konserviert Gott jene Art so lange, bis wir gelernt haben, sie nicht nur mit heimlichem Ächzen zu tragen, sondern so viel langmütige Liebe bekommen haben, wie uns not tat. Wir bergen uns gern in Gottes Langmut; wann werden wir so viel von unseres Vaters Art uns angeeignet haben, daß der bittere Beigeschmack der Ungeduld aus unserer Liebe weicht. Kindern und Jünglingen sieht man den Mangel an Langmut leichter nach; erwachsene, reife Christen sollten keinen Anlaß mehr zu dieser Ausstellung geben, und wenn sie selbst merken (wie ich), daß sie es doch getan, tut ihnen diese häßliche grüne Stelle am reifenden Halm überaus weh. Das kann einem einen gründlichen Bußtag bereiten, auch wenn Jubilate oder Kantate im Kalender steht.
Lieber Heiland, laß deine Langmut nicht nur meine Fehler tragen, sondern sie auch schlagen, ausmerzen, wegtreiben. Gib mir Gnade, daß ich auf diesen Punkt aus dem Seufzen über mich herauskomme in das Jauchzen über dich. Ich sehne mich nach deiner Art, deiner Liebe und Geduld. Amen.(Samuel Keller)

13:5 sie stellet sich nicht ungebärdig, sie suchet nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,

13:6 sie freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber der Wahrheit;

13:7 sie verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles.
Wirklich, alles glaubt sie? Haben wir nicht reichlich Grund zum Verdacht und zur bangen Sorge im Verkehr mit den Menschen? Wird nicht die Liebe, wenn sie alles glaubt, dem Spiel und Trug der Menschen ausgeliefert? Spricht nicht tausendmal die Erfahrung von Aufopferung, die vergeblich geschah, von Liebe, die umsonst sich mühte und schließlich, vielleicht erst nach heißem Kampf, zusammenbrach? An dem, was die Menschen sind und tun, entsteht die Furcht oft genug und Grund zum Zweifel bieten sie uns reichlich dar und sie haben das Vermögen, der Liebe hartnäckig zu widerstehen. Das hat Paulus noch viel reichlicher erfahren als wir, weil seine Liebe weit stärker war als die unsrige. Er bleibt aber dabei: aus der Liebe entsteht kein Zweifel, keine Ermüdung, kein Unterliegen. Ich freilich kann zweifeln, mich fürchten, erliegen und in Lieblosigkeit, die die Menschen verachtet, versinken; aber die Liebe kann dies nicht. Sie glaubt alles. Im Verkehr mit jedem Menschen, sei er, was er sei, vor jeder Lage, mögen Schuld und Elend so gewaltig sein, kann sie nur das Eine, nur glauben. Wie kommt denn die Liebe in mich hinein? Sie ist die Wirkung und Frucht der göttlichen Liebe und deshalb glaubt sie und hat eine gewisse und starke Zuversicht in sich, die keinen Bruch erträgt und keine Schranken kennt; denn sie hat Gott vor Augen und seine sieghafte Macht. Wollte ich nur mit dem rechnen, was mein Wohlwollen einem Menschen bieten kann, so müsste ich freilich auf den Erfolg meiner Liebe verzichten. Dürfte ich das aber noch Liebe heißen? Ist ein gottloser Verkehr mit den anderen Liebe? Solche Liebe, die sich auf das gründet, was ich in mir selber finde, bleibt verhüllte Eigensucht. Meine Liebe muss reicher sein als mein Besitz, wie könnte sie sonst dem anderen geben, was er braucht? Sie muss sehender sein als mein eigenes Auge, wie könnte sie ihm sonst helfen? Sie muss stärker sein als meine Kraft. Diese reicht nicht aus, um einen Menschen zu seinem Ziel emporzutragen. Das ist sie dadurch, dass sie mit Gottes Liebe einig ist. Weil ich bei der Arbeitsamkeit meiner Liebe Gott für mich habe, kann ich den Zweifel vertreiben, der an meiner Liebe nagt und sie lähmt, und kann im heißen Ringen, mit dem sich die Furcht der Liebe widersetzt, den Sieg gewinnen nach dem Wort des Johannes: die vollendete Liebe vertreibt die Furcht.
Glauben, Vater, kann ich für die Menschen nur, weil ich Dir glaube, und sie lieb haben kann ich nur, weil ich Deine Liebe kenne. Mit meiner müden, zagenden und zweifelnden Liebe flüchte ich mich zu Dir. Schütze, pflege und stärke das Pflänzchen, das Deine Hand in mich gepflanzt hat. Amen. (Adolf Schlatter)

13:8 Die Liebe höret nimmer auf, so doch die Weissagungen aufhören werden und die Sprachen aufhören werden und die Erkenntnis aufhören wird.

13:9 Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk.
Wenn in unsern Kreisen über die Grenzen menschlicher Wissenschaft geredet wird, ist man schnell fertig, allerlei Fragen der Natur, von denen man nichts versteht - manche Einwände der Bibelkritik, von denen man wenig weiß, von der Hand zu weisen: Unser Wissen ist Stückwerk! Es kommt nur auf den Glauben an! Merkwürdig, sobald es aber Punkte der eigenen Schriftauffassung oder der Heiligung oder des christlichen Lebens anlangt, finden dieselben Leute, daß der andere Spruch auf sie passe: „Ihr habt die Salbung und wisset alles.“ (Obschon dort nach den besten Lesarten „alle“ und nicht „alles“ steht!) Warum sollte man nicht auch jetzt bescheidener von seinem christlichen Wissen denken und zugeben, daß auch dieses Stückwerk ist? Wie viel Zertrennung und Sektierertum wäre nicht vorgekommen, wenn wir etwas geringer von uns selbst und unserem Wissen dächten! Es sind doch oft verschiedene Auffassungen möglich. Muß deine Rechthaberei allein angeben, was rechtgläubige Schriftlehre ist? Wenn die Liebe stärker wäre und die Demut größer, und die Erkenntnis, daß unser Wissen Stückwerk bleibt, zum Allgemeingut erhoben würde, kämen wir besser miteinander aus.
Herr, du weißt alles! Und wir müssen oft genug die Hand auf unsern Mund legen, weil wir so vieles nicht wissen. Leite du deine Leute durch deinen Heiligen Geist zur Liebe und zur Demut, damit du geehrt werdest. Amen. (Samuel Keller)

13:10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören.

13:11 Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind und hatte kindische Anschläge; da ich aber ein Mann ward, tat ich ab, was kindisch war.
Paulus lehrt hier, was die Natur mit sich bringe, daß nämlich junge Leute anders, als die Männer seien, daß sie andere Neigungen, eine andere Sprache, andere Geberden und andere Handlungen haben, als man im männlichen Alter habe. Es bringt aber die Natur in jungen Jahren nicht nur allerlei Kindereien und Bübereien mit sich, sondern es bringt auch die Natur mit sich, daß man solche selbst zu seiner Zeit, nämlich im männlichen Alter ablege: denn, da ich ein Mann ward, so that ich ab, was kindisch war, wie man auch an den Thieren sieht, daß sie als jung „barren“, und solches, wenn sie älter werden, von selbst unterlassen. Ich habe schon oft Gott gedankt, daß dieser Spruch in der Bibel steht, indem ich bei der heutigen Art, da man so sehr auf das Schöne und Frühzeitige sieht, mir nicht zu helfen wüßte. Es sind in diesem Spruch zwei Lehren, und zwar l) daß man jungen Leuten auch Kindereien und Bübereien gestatten müsse, und 2) daß man die Zeit erwarten solle, da sie solche selbst ablegen. Es giebt aber unterschiedliche Ursachen, warum man keine Kinderei und Büberei gestatten will; denn Einige denken nicht zurück, wie sie in jungen Jahren gewesen und meinen, junge Leute sollen eben auch so sein, wie sie jetzt sind; Einigen sind Kindereien und Bübereien unerträglich, weil sie moros sind, und keine Freude an jungen Leuten haben; Einige Machen sich eine besondere Ehre daraus, daß sie so gesetzte und gescheite Kinder haben und lassen deßwegen keine Kinderei und Büberei aufkommen; Einige sorgen, die Kindereien und Bübereien möchten jungen Leuten hangen bleiben; Einige machen es in der Kinderzucht bloß Andern nach, entweder aus Unwissenheit, oder aus Menschengefälligkeit oder aus einem Vorurtheil. Es giebt auch Leute, welche zwar wohl einsehen, daß die Natur die Kindereien und Bübereien mit sich bringe; aber sie können nicht warten, bis junge Leute solche selbst ablegen, und suchen deßwegen solche den jungen Leuten entweder mit Gewalt, oder durch Einprägung der Schande, oder durch Erregung des Ehrgeizes abzuthun. Wenn man nun Achtung giebt, was es für Folgen hat, wenn man bei jungen Leuten keine Kinderei und Büberei leiden will, daß sie theils schüchtern, verdrießlich und kränklich, theils lieblos, theils hochmüthig, theils heimtückisch werden; es geschiehet auch, wann sie Lust bekommen, so findet man, daß sie alsdann desto kindischer und bübischer sind. Es ist aber ein großer Unterschied zwischen Kindereien und Bübereien und zwischen Sünden. Denn jene fallen von selbst weg, diese aber bleiben und nehmen zu. Gleichwohl aber kann man auch den Kindereien und Bübereien nicht den völligen freien Lauf lassen, indem sonst ein wildes Wesen entstehen würde; es erfordert oft auch die Roth oder gewisse Umstände, daß man wenigstens zu gewissen Zeiten der Kinderei und Büberei Einhalt thun muß. Weil es zweierlei junge Leute giebt, nämlich gute und böse, so findet man auch zwischen beiderlei Kindereien und Bübereien einen merklichen Unterschied, wenn man Achtung giebt, was Gutes und Böses mit solchen unterläuft. Ungeachtet die Kindereien und Bübereien in den männlichen Jahren abgelegt werden, so müssen sie dennoch nützlich sein, weil die Natur nichts umsonst thut: ja, es wäre eine Frage, ob man ohne Kindereien und Bübereien ein rechter Mann werden könnte. (Johann Flattich)


Gibt es ein einziges Wort Jesu, das ich ganz richtig und vollständig verstanden habe? Das gibt es nicht und kann es nicht geben. Gibt es in meinen Gedanken über die Natur, über die Weltgeschichte, über die gegenwärtigen Zustände unseres Volks und unserer Kirche, über mich selbst und meinen eigenen Zustand, einen Gedanken, der ganz richtig und völlig wahr wäre? Das gibt es nicht und kann es nicht geben. Es gibt keine Erkenntnis, die bleibt. Was war doch Paulus für ein wunderbar begnadeter Lehrer gerade auch in diesem Wort, mit dem er die verwelkende Vergänglichkeit aller unserer Gedanken ausgesprochen hat! Warum gibt es keine vollständige Erkenntnis, nicht einmal dann, wenn sie zur Weissagung wird, also mit der inneren Ermächtigung verbunden ist, dieses Wort im Namen Gottes zu sagen? Weil ich, der Erkennende, nicht vollkommen bin. Warum denkt ein Kind nicht wie ein Mann? Weil es ein Kind ist und erst dann wie ein Mann denken kann, wenn es ein Mann geworden ist. So kann auch ich erst dann Vollkommenes denken, wenn ich vollendet worden bin. Ich bin aber noch unfertig, nicht am Ziel, sondern unterwegs, und darum ist mein geistiger Besitz provisorisch und mir für die jetzige Stunde gegeben. Zwar ist mir Großes geschenkt, was ich nicht vergeuden darf; es ist mir aber bis auf die Zeit gegeben, in der mir noch Größeres geschenkt werden wird. Soll ich deshalb schweigen, weil ich nichts Vollkommenes sage? Damit würde ich Gottes Gabe missachten. Ich bin nicht allein das Kind, während die anderen die Vollkommenen sind. Wir wandern Hand in Hand und handeln gegen Gottes guten Willen, wenn wir stumm nebeneinander wandern. Das Wort ist uns gegeben, damit es von einem zum andern ströme, weil jeder dem andern mit seinem Besitz dienen soll. Dies aber ist uns unmöglich geworden, wenn wir auf Paulus hören, da wir eigensinnig unsere Gedanken zanken und sie den anderen herrisch aufzwingen. Sind wir nicht am Ziel, sondern auf der Wanderung, so bedeutet dies: auch das, was wir denken und wissen, ist bewegt und muss beweglich bleiben, nach beiden Seiten hin, so, dass wir lernen, und so, dass wir verlernen.
Du bist nicht der Gott der Weisen, sondern der Gott der Glaubenden und machst nicht unsere Gedanken zu unserer Gerechtigkeit, sondern unseren Glauben. Ich danke Dir für jede Erkenntnis, die Du mir geschenkt hast, und danke Dir, dass das, was ich erfasst habe, nicht Deine letzte und höchste Gabe ist, weil Du uns zu jenem Tag bereitest, an dem wir erkennen von Angesicht zu Angesicht. Amen. (Adolf Schlatter)


Paulus vergleicht also seinen irdischen Zustand mit einem kindischen und seinen himmlischen mit einem männlichen. Wie ist’s aber möglich, daß Paulus von sich selbst so hat schreiben können, da er doch ein Apostel war, und den HErrn gesehen hatte, und das Evangelium von keinem Menschen, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen hatte, Gal. 1,12., ja, ehe er den ersten Brief an die Korinther schrieb, bis in den dritten Himmel und bis in’s Paradies entzückt worden war? Aber eben diese Entzückung, bei welcher er unaussprechliche Worte hörte, die kein Mensch sagen kann, hat ihn ohne Zweifel gelehrt, den sehr großen Unterschied zwischen einem irdischen Menschen und einem himmlischen Menschen einzusehen, welcher nach V. 12. darin besteht, daß jener, wenn er auch Gesichte hat, nur etwas Räthselhaftes, das einer Auslegung bedarf, als in einem Spiegel, worin sich das Wesen sichtbar macht, sieht, dieser aber Gott geradezu von Angesicht zu Angesicht sieht, und daß jener alles nur nach gewissen Theilen, dieser aber vollkommen erkennt, wie er selbst von Gott erkannt wird. Um aber diesen Unterschied ein wenig faßlicher zu machen, vergleicht er auch den irdischen Zustand dem kindischen Stand und Alter, da man wie ein Kind redet, wie ein Kind klug ist, und kindische Anschläge hat: den himmlischen aber mit einem männlichen, da man abthut, was kindisch ist. Nun waren freilich die Apostel unter allen Kindern, das ist unter allen Menschen, die auf Erden leben, die Verständigsten. Weil sie bei der Verkündigung des Evangeliums nichts redeten, als was Christus durch sie wirkte, Röm. 15,18., so redeten sie alsdann die reinste Wahrheit oder das lauterste Wort Gottes. Ihre Klugheit war von oben. Ihre Anschläge waren nicht fleischlich, 2 Kor. 1,17. Und doch waren sie Kinder, wenn man sie mit dem Zustand vollendeter Gerechten verglich. Stand es nun bei ihnen so, was wollen wir von uns denken? Uns gilt zwar die Ermahnung des Paulus: werdet nicht Kinder am Verständniß, sondern an der Bosheit seid Kinder, 1 Kor. 14,20. Wir sollen also in der Vergleichung mit andern irdischen Menschen, unter denen wir leben, keine unverständigen Kinder sein; aber in der Vergleichung mit denjenigen, die Gott von Angesicht zu Angesicht sehen, werden wir immer Kinder bleiben. Wir werden im Stand der Vollkommenheit nicht mehr so denken, so reden, und solche Anschläge fassen wie jetzt. Zwar werden wir dasjenige, was wir bei Leibesleben durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes aus dem Wort Gottes erkannt haben, nicht für falsch erklären, aber doch werden wir einsehen, wie unsere Erkenntniß so schwach und eingeschränkt gewesen sei, und in diesem Betracht sie ablegen. Aber eben damit werden wir auch die mannigfaltige Mühseligkeit und Traurigkeit, die mit unserer gegenwärtigen Erkenntniß verbunden ist, ablegen. Wir werden Männer sein, die nimmer wachsen, und eben darin wird die vollkommene Ruhe bestehen, daß wir zu keiner neuen Stufe der Weisheit und Heiligkeit werden aufsteigen dürfen; wobei wir aber doch nicht läugnen wollen, daß Gott und durch die Mannigfaltigkeit Seiner Offenbarungen und Mittheilungen ewiglich ergötzen werde. Ach Gott, wie klein sit der Mensch auf Erden! Wie herrlich das Ziel, wozu er berufen ist! Bringe uns zu diesem Ziel. (Magnus Friedrich Roos)

13:12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich's stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.
Paulus preiset im dreizehnten Kapitel des ersten Briefes an die Korinther die Liebe sehr hoch, und legt ihr den Vorzug vor allem andern Guten bei, das sich bei einem Christen befinden kann. Nichts ziert sonst den Menschen mehr als die Erkenntniß, und wenn diese in vielen Fällen nicht durch einen forschenden Fleiß, sondern durch eine göttliche Offenbarung erlangt wird, und man deßwegen weissagen kann (1 Kor. 14,29.30.31.), so ist sie sehr ansehnlich. Allein Paulus sagt 1 Kor. 13,8.: die Liebe höret nimmer auf, so doch die Weissagungen aufhören werden, und das Erkenntniß (insofern es Stückwerk ist) aufhören wird. Aber nicht nur nach der Dauer hat die Liebe den Vorzug vor den Weissagungen und vor der Erkenntniß, sondern auch nach der innerlichen Beschaffenheit derselben. Unser Wissen, sagt er V. 9., ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk. Er, der bis in den dritten Himmel entzückt worden war, wußte etwas weiteres als andere Menschen von der himmlischen Vollkommenheit; und deßwegen vergleicht er ferner alles Wissen und Weissagen derer, die auf Erden sind, V. 11., einem kindischen Wesen, den himmlischen Zustand aber einem männlichen, wodurch jenes abgethan werde. Er sagt ferner V. 12.: wir sehen jetzt als erleuchtete Seher oder Propheten, denen die Augen geöffnet sind. Aber wie sehen wir? Wir sehen Gott nicht geradezu: denn so hat Ihn kein Mensch gesehen, und so kann Ihn keiner sehen, 1 Tim. 6,16. Wir sehen Ihn vermittelst eines Spiegels. Gott spiegelt Sich in etwas, oder Er offenbart Seine Herrlichkeit in etwas und durch etwas, und so sehen wir Ihn. Aller Propheten Gesichte waren von dieser Art; und deßwegen konnten sie, wenn sie das Ansehen der Herrlichkeit Gottes, welche sie sahen, beschrieben, von Farben, von einem Feuer, Glanz, Kleid, von einem Sitzen, und von einer Menschengestalt reden; welches Alles doch von dem Wesen Gottes, welches geistlich und unermeßlich ist, nicht gesagt werden kann. Allein Gott spiegelte Sich in der allerreinsten himmlischen Materie, und offenbarte Sich durch dieselbe dem Seher, da dann ein solches Bild entstand, welches für ihn und für Alle, denen er’s beschrieb, sehr lehrreich war. Paulus sagte aber, wenn die Propheten Gott auf diese Weise als in einem Spiegel sehen, so ist dasjenige, was sie sehen, ein Räthsel, das ist etwas, über dessen eigentliche Bedeutung man nachdenken muß. Gott ist nach Seinem geistlichen Wesen kein feuriges, glänzendes, sitzendes Bild. Was bedeutet aber dieses Feuer, dieser Glanz mit seinen Farben, dieses Sitzen u.s.w.? Hier ist eine Auslegung nöthig, wie bei einem Räthsel. Dasjenige, was man sieht, bedeutet etwas Anderes, da man nicht sieht. Diesem prophetischen Sehen aber, von welchem in der Bibel viele Beschreibungen vorkommen, ist das Sehen von Angesicht zu Angesicht entgegengesetzt, welches Off. Joh. 22,4. von den Bewohnern des Neuen Jerusalems gesagt wird, und über alle unsere Begriffe geht. Jetzt erkenne ich, sagt Paulus ferner, stückweise, daß ich nämlich jedesmal nur ein Stück eines jeden Dinges betrachte, und so in der Betrachtung von einem Stück zum andern fortschreite: alsdann aber werde ich erkennen, gleichwie ich, von Gott, erkannt bin. Ich werde nämlich nach der Weise Gottes das Ganze unmittelbar und mit einem Blick übersehen, folglich der eingeschränkten und mühsamen Betrachtungen überhoben sein.(Magnus Friedrich Roos)

13:13 Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.1)
Das ist ein Hochgesang, ein Psalm auf die Liebe, wie es keinen zweiten in der Welt giebt. Wer kennte ihn nicht von seiner Jugend an? Wer hätte ihn nicht schon auswendig gelernt? Er verdient, daß ihn alle Kinder in der Schule auswendig lernen, wie denn das auch in guten Schulen geschieht. Paulus beschreibt den Korinthern die Liebe, weil sie, verleitet von Eitelkeit, mit andern Gaben oft lieber prunkten, als daß sie in der Liebe ihr Christenthum bewiesen. Wenn aber Paulus sie so herrlich beschrieb, so konnte er’s, weil er sie selbst in seinem Herzen trug, weil er nur durfte ausströmen lassen, wovon sein Herz voll war, und weil er ein Bild vor sich hatte, von welchem er alle Züge entnahm, das Bild Jesu Christi, dessen Liebe ihm klar vorleuchtete und die er alle Tage von neuem erfuhr an seinem Herzen. Es ist dreierlei, was Paulus von der christlichen Liebe rühmt: 1) ihren Vorzug vor allen andern, auch den höchsten Vorzügen V. 1-3. 2) ihre segensreichen Wirkungen und Offenbarungen V. 4-7. 3) ihre ewige Dauer V. 8-13. Wenn man das so liest, so geht’s Einem wie mit einem herrlichen Bilde, das mit allem Glanze einer himmlischen Schönheit und Wahrheit in die Augen leuchtet und das keines Auslegers weiter bedarf, der seine Vorzüge besonders heraushebt. Es bleibt Einem nur übrig, in tiefster Seele zu verstummen, und frei von aller eitlen Empfindelei an sich die Frage zu halten: „wie? wenn nun einst ich nach dem Maaßstabe dieser Liebe gerichtet werde?“; nach der Frage den Wunsch laut werden zu lassen: o daß sie in meinem Herzen wohnte, mich erfüllte, mich ganz in Gottes Bild gestaltete! und den Wunsch in das Gebet zu verwandeln: „Herr, gieb mir diese Liebe; vergieb mir, was ich bisher gegen sie gesündiget habe; gieße Deinen eignen Liebesgeist über mich aus, damit ich liebe, wie Du uns geliebet hast und in Liebe mit Dir im Reich der Liebe ewig vereint bleibe.“ Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Gott ist in uns, wenn wir Ihn lieben. Die Liebe ist das Element, die wunderbare Atmosphäre, in der Er sich offenbaren kann. Überall ist ja der Allgegenwärtige, aber nur da kann Er sich recht bemerkbar machen, nur da kann Sein Innewohnen kräftig verspürt werden, wo die Liebe zu Ihm völlig ist. Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm. Das ist wahre Seligkeit! - Wir haben Frieden und Freude, wenn wir Ihn lieben. Jesus ist unser Friede. Diesen Frieden und diese Freude kann niemand von uns nehmen. Die Freude am Herrn ist unsere Stärke. - Wir können in dieser Liebe alle Menschen, ohne Ausnahme, lieben. Die Liebe ist von Gott, Er hat die ihm feindlich gegenüberstehende Welt geliebt; darum können auch wir das tun, wenn Seine Liebe in uns ist. Diese Tatsache ist des Missionseifers tiefe Wurzel. Die Liebe kann tragen, leiden, dulden, hoffen, wirken. - Sie macht entschieden für den Herrn. Das halbe, geteilte, der Welt sich anbequemende Wesen verschwindet gänzlich. Wo die Liebe wohnt, verliert Satan den Boden, der Sünde Ketten zerbrechen, die Weltliebe erstirbt, die Sinnlichkeit wird besiegt, das Herz wird rein, es hängt nur noch am Herrn. - Die Liebe ist eine Siegesmacht. Die ganze Welt liegt im argen, aber der Gott der Liebe ist mit uns, in Ihm und in Seiner Liebe überwinden wir weit. Und erquickende Wonne ist jedesmal des Siegers Teil. - Die Liebe ist eine gewinnende Macht. Durch Seine Liebe hat uns der Heiland überwunden; in Seiner Liebe stehend, zünden auch wir in manchem Herzen ein Liebesfeuer an. Liebe, o Seele, den Herrn, und du bist selig in Ihm! (Markus Hauser)


Die genannten drei: Glaube, Hoffnung, Liebe, bleiben, d. h. sie können uns nicht genommen werden, wenn wir sie nicht freiwillig hergeben. Es sind Güter des Herzens, die dem Menschen ganz eigen sind, über die Niemand anders gebieten kann. Wenn wir unsern inneren Menschen darauf hin richten, dann kann kein König und Kaiser da eingreifen. Welt und Satan können uns alles nehmen, aber diese drei Stücke nimmermehr, wenn wir einmal im Glauben JEsum ergriffen haben, oder wenn wir's eben uns nicht nehmen lassen wollen. Sie haben wir in unserer Gewalt; und es ist Untreue oder Krankheit, wenn sie sich bei uns verlieren. Wer bei gesunden Sinnen sich diese drei: Glaube, Hoffnung, Liebe, nehmen läßt, der giebt sich selbst auf, und muß immer sagen, es fehle eben an ihm, und sei ganz seine Schuld. Warum lässest du dir's nehmen? Etwa den Glauben an den, der droben im Himmel waltet, warum lässest du dir denn den nehmen? Das ist ein schlechtes Kind, das sich das nehmen läßt. Einem leiblichen Kinde fällt es nicht ein, daß es je denken sollte, sein Vater und seine Mutter seien sein Vater und seine Mutter nicht. Wenn der Vater, wie es denn unverständige, harte Väter giebt, sein Kind fast totschlägt, so sagt das Kind immer noch Vater; und wenn die Mutter es fast verhungern läßt, so nennt das Kind sie doch noch Mutter, und weiß es doch eigentlich nicht, glaubt es nur, weil man's ihm gesagt hat, daß es sein Vater und daß es seine Mutter sei. Darum sage ich noch einmal: Wenn wir bei gesunden Sinnen uns den Glauben, daß wir Kinder des Vaters im Himmel sind, nehmen lassen, wenn wir das Kindschaftsgefühl, wie wir's namentlich um JEsu willen haben dürfen und sollen, uns nehmen lassen, so geben wir uns selbst ans: und wer ist Schuld an allem Elend, das daraus folgt? So ist es auch mit der Hoffnung. Wenn wir uns ans Jenseits, das Ziel unserer Hoffnung, nicht mehr anzuklammern wissen, wie mögen wir in den Stürmen dieser Welt bestehen? Da müssen wir wohl untersinken; aber warum lassen wir uns die Hoffnung nehmen?
Am allermeisten aber fehlt's, wenn die Liebe nicht bleibt, wie sie sollte und könnte, wenn wir sie festhalten wollten. Von dieser Liebe heißt es : „Sie ist die größeste unter ihnen.“ Bekommt ein Mensch ein kaltes Herz, giebt er sich dem Ärger, Neid, Zorn, der Rachsucht hin, dann wankt alles. Verliert ein Mensch sein Gemüt, - denn dieses erstirbt, wenn die Liebe weicht, - dann kann man ihm für nichts mehr stehen, auch nicht für seinen Glauben und nicht für seine Hoffnung. Im Gemütsleben liegt ja auch der Glaube, sofern er ein Vertrauen, eine Zuversicht ist; und im Gemütsleben liegt die Hoffnung, die vor Sehnsucht das Herz schwellen macht. Wenn nun dieses Gemütsleben sich nicht liebend äußert und liebend Herzen anzuziehen weiß, dann kommt der Mensch zurück, immer weiter zurück, auch im Glauben und in der Hoffnung. So gibts allerdings Menschen genug, die von diesen drei Hauptstücken rein nichts mehr haben.
Gott bewahre uns und helfe uns, daß wir uns nicht Eines von den Dreien nehmen lassen. Die Liebe festhalten muß aber das Wichtigste seyn. Denn wenn auch, etwa durch Anfechtungen der Finsternis, unser Glaube wanken will, wenn unsre Hoffnung verdunkelt werden will, lasset uns nur die Liebe uns nicht nehmen. Das ist das Kläglichste, wenn man sich die Liebe nehmen läßt, die man schon damit festhalten könnte, daß man sie nur übte. Ist sie da, dann ist der Glaube nicht weit, und ist die Hoffnung nicht weit; und am Ende reicht man, wenn das Gefühl von Glauben und Hoffnung, wie es in krankhaften Anfechtungen wohl geschehen mag, gewichen scheint, mit der Liebe aus. Gott helfe uns neben Glauben und Hoffnung vornehmlich lieben! (Christoph Blumhardt)


Diese drei bleiben, nur diese drei. Die Erkenntnis bleibt nicht. Kann ich denn glauben, ohne dass Gewissheit in mir ist? Geschieht nicht das Glauben dadurch, dass ich das, was sich mir zeigt, als Wahrheit erfasse, und ist die Wahrheit nicht gestern, heut und in Ewigkeit wahr? Den, dem ich glaube, behandle ich als Wirklichkeit. Wer an die Natur glaubt, sagt, dass die natürlichen Vorgänge, die ihn berühren, die wirksamen Mächte seien, die sein Erleben bestimmen. Dagegen sagt er damit nicht, dass seine Vorstellungen und Deutungen der natürlichen Vorgänge vollkommen und unwandelbar seien, sondern weiß sehr wohl, dass jeder Vorgang ein unergründliches Geheimnis bleibt. Ich glaube an Jesus; das heißt, ich sehe in seiner irdischen Geschichte und in seiner gottheitlichen Gegenwart die wirksame Macht, die mich erfasst Deshalb sind aber meine Gedanken über Jesus und sein Wirken nicht von jeder Beschränkung und Beengung frei. Ich glaube an Gott, das heißt, ich weiß mich von seinem Willen regiert und von seinem Wirken umfasst, sage aber nicht, dass meine Gedanken so hell und reich wären, dass er für mich aufhörte, der verborgene Gott zu sein. Von unserem Anschluss an Jesus, den wir im Glauben herstellen, hat Paulus gesagt, er bleibe, weil durch den Glauben zwischen mir und ihm ein Band geschaffen ist, das nicht zerreißt. Dasselbe hat er von unserem Hoffen gesagt, weil unserem Leben damit die Bewegung gegeben ist, die uns bis zum Ziele trägt. Aber auch das Dritte, auch die Liebe bleibt, obwohl das, was sie schafft, dem Bedürfnis des heutigen Tages dient und sich darum beständig wandelt, wie unsere Verhältnisse sich ändern. Dennoch bleibt die Liebe, weil sie Gottes Willen tut, und was eins mit Gott geworden ist, das hat Bestand und unvergängliche Wirkung, die beide reich macht, den, der in der Liebe handelt, und den, dem er sie gibt. Wir haben beide durch die Liebe etwas empfangen, was der Zeit überlegen ist. Denn indem sie unseren Willen mit Gottes Willen einigt, stiftet sie zwischen uns eine Gemeinschaft, die nicht vergeht.
Du bleibst für und für, ewiger Gott. Darum bleibt Dein Werk in mir. Denn mein Glauben führt zum Schauen und mein Hoffen zum Empfangen und meine Liebe wird von jeder Hemmung frei. Amen. (Adolf Schlatter)


Der Apostel Paulus, welcher zum Schluß des vorhergehenden Kapitels vermahnet hatte, daß ein Christ nach den besten Gaben streben müsse, und sich erboten, einen köstlichen Weg diesfalls zu zeigen, handelt jetzt von der Liebe - und will, daß darnach jedermann am meisten trachten solle.
Er zeiget im Anfang, wie nothwendig diese Tugend sey, so zwar, daß ohne dieselbe auch die vortrefflichsten Gaben weder uns noch andern etwas nützen würden. Darnach zählet er unterschiedliche Früchte und Eigenschaften der Liebe auf, durch welche man ihre Art und Beschaffenheit auf das deutlichste erkennen - und sich darnach als an den gewissesten Kennzeichen prüfen kann. Endlich stellet er eine Vergleichung an zwischen etlichen Gaben des heiligen Geistes - und zeiget, daß die Wissenschaft und Erkenntniß göttlicher Dinge in diesem Leben nur Stückwerk sey, und ziehet daher die drei Tugenden, Glaube, Liebe, Hoffnung, vor, so zwar, daß er unter denselben der Liebe den Vorzug deßwegen gibt, weil die Liebe auch in jenem Leben bleiben werde, während hingegen der Glaube und die Hoffnung dort, wo man alles bekommen und schauen wird, was man hier glaubet und hoffet, aufhören sollen.
Wie wir nun nebst dem Glauben, durch welchen wir bei Gott zu Gnaden kommen, und neben der Hoffnung der verheißenen Herrlichkeit billigerweise auch die Liebe in unserm Herzen und Leben zeigen sollen, ohne welche weder ein rechtschaffener Glaube, als der durch die Liebe thätig ist, noch eine gegründete Hoffnung der Seligkeit seyn kann, - so werden wir's nach angestellter Prüfung gar sehr zu beklagen Ursache haben, daß die Liebe in der meisten Herzen erkaltet sei, indem sich - anstatt der von dem Apostel gerühmten herrlichen Früchte derselben - gerade das Gegentheil, nämlich Ungeduld, Neid, Haß, Verleumden, Zanken, Schelten und dergleichen, insgemein in dem Leben gar vieler an den Tag leget.
Um so viel mehr haben wir also Ursache, nach dieser so rar gewordenen Tugend, an welcher uns so viel gelegen ist, mit größtem Eifer zu streben - und Gott herzlich zu bitten, daß Er solche durch den Geist der Liebe in unser aller Herzen wirken und erhalten - und die bittere Wurzel, die so vieler Menschen Seelen und Leben vor Seinen heiligen Augen verwerflich machet, mehr und mehr schwächen und ausreuten wolle. (Veit Dieterich)


Da hast du das Wesentliche des Christenthums beisammen. Diese drei hat der heilige Geist zusammen gefügt, und der Gemeine des Herr n auf Erden als das allen ihren Glieder n Notwendige übergeben. Du kannst hier nicht eins von dem andern trennen. Willst du den Glauben haben ohne die Liebe, so heißt es: „In Christo Jesu gilt nur der Glaube, der durch die Liebe thätig ist“ (Gal. 5, 6.). Willst du die Hoffnung haben ohne den Glauben an Christum, so heißt es: „Da ihr ohne Christum waret, hattet ihr keine Hoffnung, und waret ohne Gott in der Welt“ (Ephes. 2, 12.). Willst du die Liebe haben ohne den Glauben, so heißt es: „Darinnen steht die Liebe: nicht daß wir Gott geliebet haben, sondern daß er uns geliebet hat, und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden“ (1 Joh. 4, 10.). Beachtet aber nicht blos den unzertheilbaren Zusammenhang dieser drei, sondern auch ihre Folge. Wiewohl der Apostel die Liebe als die größeste unter ihnen hervorhebt, so stellt er sie doch nicht voran, sondern läßt ihr den Glauben und die Hoffnung vorangehen. Denn die göttliche Heilsordnung ist nicht die, daß wir Glauben und Hoffnung zu Gott haben sollen, weil wir ihn geliebt und seine Gebote gehalten haben; sondern, daß wir ihn lieben und seine Gebote halten, weil wir aus Gnaden durch den Glauben an Christum sind gerecht und Erben des ewigen Lebens geworden nach der Hoffnung. Dennoch ist die Liebe die größeste Glaube und Hoffnung bleiben uns, so lange wir Fremdlinge und Pilgrimme auf Erden sind. Da halten wir uns im Glauben an den Unsichtbaren, als sähen wir ihn; da sind wir wohl selig, doch nur in der Hoffnung, denn es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Aber wenn es nun heißt: „Wir haben den Lauf vollendet!“ dann wird der Glaube zum Schauen, und die Hoffnung zur Erfüllung. Dann glauben und hoffen wir nicht mehr, sondern sehen und genießen, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben. Aber die Liebe bleibt, und wer hier in Glauben und Hoffnung geliebt hat, wie wird der im Schauen und Genießen lieben! (Carl Johann Philipp Spitta)

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
bibel/nt/07_1kor/1_kor_kapitel_13.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain