Markus, Kapitel 2
2:1 Und über etliche Tage ging er wiederum gen Kapernaum; und es ward ruchbar, daß er im Hause war.
Dazu brauchte es keiner polizeilichen Anmeldung, keines Plakats am Fenster, keiner Anpreisung auf der Gasse. Ist Jesus wirklich in einem Hause, einem Verein, einer Unternehmung, einem Menschen, dann schlägt die Lohe aus dem Fenster! Dann gibt es Jesus-Wirkungen, die keine geistreiche Rede und keine goldstrotzende Tasche erzwingen können. Seine stille Hilfe, sein Seelentakt, seine Friedensworte, seine Liebestaten sind so besonders, daß das niemand nachmachen kann. Jesus ist originell und wirksam wie kein anderer. - War er heute in meinem Hause? Wenn keine fremde Seele etwas davon gemerkt hat - steht's gefährlich damit. Wenn wir Hausgenossen auch nichts davon wissen, braucht es erst recht kein Fremder zu glauben. Warum war er nicht da? Weiß ich keinen Grund für sein Fernbleiben? Was schuld daran ist, muß fortgeschafft werden. - War Jesus in meiner Arbeit? In meinen Reden vor anderen oder mit anderen, in meinem Briefeschreiben, in meinem Grübeln und Sinnen, in meiner Unterhaltung und Erholung? Darüber sich abends klar werden, das kann's schaffen, daß man Buße tue über einen versäumten, leeren, nutzlos gelebten Tag.
O, Herr Jesu, vergib, daß wir heute nicht besser auf deinen Besuch geachtet. Wir beteten dreimal: Komm, Herr Jesu, sei unser Gast - aber keiner kümmerte sich darum, ob du auch kamst. Und wenn du kamst, ob du bliebst. Erbarme dich meines Hauses, Herr Jesu, und wirke darin zum Segen. Amen. (Samuel Keller)
2:2 Und alsbald versammelten sich viele, also daß sie nicht Raum hatten auch draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort.
2:3 Und es kamen etliche zu ihm, die brachten einen Gichtbrüchigen, von vieren getragen.
2:4 Und da sie nicht konnten zu ihm kommen vor dem Volk, deckten sie das Dach auf, da er war, und gruben's auf und ließen das Bett hernieder, darin der Gichtbrüchige lag.
Der Glaube ist erfinderisch. Das Haus war voll, die Menge versperrte den Zugang zur Tür, aber der Glaube erfand einen Weg, wie man dennoch zum Herrn gelangen, und den gichtbrüchigen Menschen zu Ihm bringen könne. Wenn wir die Sünder nicht mit den gewöhnlichen Mitteln dahin bringen können, wo der Heiland ist, so müssen wir außerordentliche Mittel anwenden. Wo der Fall dringend ist, da dürfen wir uns nicht von Gefahren und Unannehmlichkeiten abwendig machen lassen. Der Herr Jesus war dort, um zu heilen, und mochte nun auch vorfallen, was da wollte, der Glaube wagte alles, damit ihre arme gichtbrüchige Last möchte Vergebung der Sünden empfangen. O, dass wir doch einen kühnern Glauben hätten! dass ein mutigeres Heilandsvertrauen unter uns verbreitet wäre! Wollen wir nicht heute solchen Glauben für uns suchen, liebe Seelen; und nicht für uns allein, sondern auch für unsre Mitpilger, und wollen wir nicht heute suchen, irgendeine Liebestat zu vollbringen, um Seelen zu retten und den Herrn zu verherrlichen?
Die Welt macht unausgesetzt neue Erfindungen; der Erfindungsgeist kommt allen Wünschen des irdischen Dichtens und Trachtens zu Hilfe; kann der Glaube nicht auch erfinden und durch irgendein neues Mittel die Verworfenen erreichen, die rings um uns her liegen? Es war die Gegenwart Jesu, welche den Mut, der alle Schwierigkeiten siegreich überwindet, in den vier Trägern des Gichtbrüchigen wirkte: ist denn nicht der Herr jetzt auch unter uns? Haben wir heute früh sein Angesicht gesucht und erblickt? Haben wir seine heilende Macht an unsern Seelen erfahren? Wenn dem also ist, dann hinein durch Türen, Fenster, Dächer! Brechet alles auf, was euch hindert, und schaffet, dass ihr arme, elende Seelen zu Jesu bringt. Alle Mittel sind gut und anständig, wo Glaube und Liebe es in Wahrheit darauf abgesehen haben, Seelen zu gewinnen. Wenn der leibliche Hunger kann durch Mauern brechen, so kann der Hunger nach Seelen in seinem Ziel nicht aufgehalten werden. O Herr, mache uns geschickt, neue Mittel zu erfinden, wie wir Deine armen sündenkranken Menschen erreichen können, und gib uns Mut, sie über alle entgegenstehenden Hindernisse hinweg und zu Dir zu bringen. (Charles Haddon Spurgeon)
2:5 Da aber Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gichtbrüchigen: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben.
Die Vergebung der Sünden gehört unverkennbar zu den höchsten Gütern, deren ein Mensch überhaupt teilhaftig werden kann. Lesen wir Markus 2, l-12, so finden wir hier einen Elenden, dem zwei kostbare Gnaden miteinander geschenkt worden sind. Jesus vergab ihm seine Sünden und heilte seinen Leib. Das war viel auf einmal! Vor Jesus als dem Fürsten des Lebens muss alles weichen, was Unordnung und Zerrüttung ist. Sünde, Krankheit, Tod finden in Ihm den großen Meister, der alles wieder zurechtbringt. Macht, Sünden zu vergeben, liegt in Seiner Hand. Die Vergebung der Sünden ist eine Tat Gottes. Gott sei Dank! Jesus hat in den Tagen Seines Erdenlebens angefangen, Sünden zu vergeben. Er hat vielen ihre Last und ihre Bürde weggenommen; denn Er hat Sein kostbares Blut vergossen für die Sünden aller Sünder. Nun fährt Er immer fort, auf Erden Sünden zu vergeben. Nach Seiner herrlichen Auferstehung hat Er vom Vater den Heiligen Geist gesandt. Und der Geist ist unter uns. Wo Jesus als der Sünderheiland verkündigt wird, wo Seelen sind, die unter ihrer Sündenlast seufzen, da ist Gott der Heilige Geist tätig zugegen. Er spricht das Wort des Herrn hinein in die Herzen: Dir sind deine Sünden vergeben! Dir, auch dir sind sie vergeben! Deine, deine eigenen Sünden sind dir vergeben! Dies Wort ist ein klares, ein bestimmtes, ein gewisses Wort. Wem der Heilige Geist es hat in die Seele hineinsprechen können, dem kann's niemand mehr ausreden. Die Vergebung ist eine Tatsache, sie bringt gewaltige Veränderungen mit sich. Der Reichtum der Gnade Jesu bedeckt alles. (Markus Hauser)
Kann man denn Glauben sehen? Jesus sah ihn schon, ehe sie eine Tat des Glaubens ausführten, weil er in Menschenherzen lesen kann. Aber in dem Augenblick, als die Träger die platten Fliesen des Daches wegrissen, konnte jedermann ihren Glauben sehen. Da war eine Anstrengung, eine Tätigkeit, die nur vom Glauben bewirkt sein konnte. Schau in dein Leben: wo ist da solch ein Schritt offenbar geworden, der ohne Glauben ganz unerklärlich und auch nie geschehen wäre. Gibt es keine Entscheidung, keine Wahl, keine Selbstverleugnung, die sich im letzten Grunde nur durch das heimliche drängende Glaubensleben erklären läßt? Dann dürfte dein Einfluß auf andere Menschen in religiöser Hinsicht recht ärmlich und schwächlich bleiben; denn das Beispiel zieht stärker als alle Reden. Etwas anderes ist, ob Jesus deinen Glauben sieht. Ist das in deinem Innenleben die eine heimliche gesunde Seite, daß er deinen Glauben anerkennt, dann sei stille! Dann wird schon die Überfülle und der Überschwang des heimlichen Erlebens sich Bahn brechen, und dein Leben wird Zeugnis ablegen davon, daß Jesus deinen Glauben sah!
Lieber Herr, ich bitte dich, stärke meinen Glauben, daß er eine wirkliche Kraft und einen starken Trieb bekomme. Du bist mein Zeuge! Der du ins Verborgene siehst - hilf mir zum Leben aus Glauben öffentlich! Amen. (Samuel Keller)
2:6 Es waren aber etliche Schriftgelehrte, die saßen allda und gedachten in ihrem Herzen:
2:7 Wie redet dieser solche Gotteslästerung? Wer kann Sünden vergeben denn allein Gott?
2:8 Und Jesus erkannte alsbald in seinem Geist, daß sie also gedachten bei sich selbst, und sprach zu Ihnen: Was denkt ihr solches in eurem Herzen?
2:9 Welches ist leichter: zu dem Gichtbrüchigen zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder: Stehe auf, nimm dein Bett und wandle?
2:10 Auf das ihr aber wisset, daß des Menschen Sohn Macht hat, zu vergeben die Sünden auf Erden, (sprach er zu dem Gichtbrüchigen):
Eine einzige Sünde kann manchmal dem Menschen zu schaffen machen. Was wird das geben, wenn einmal alle aufwachen? Man mache sich doch mit Jesus bekannt; bei ihm ist Vergebung. (Johann Albrecht Bengel)
2:11 Ich sage dir, stehe auf, nimm dein Bett und gehe heim!1)
Auch jetzt spricht der HErr Jesus zu vielen Kranken: stehe auf, ob Er sie gleich nicht so plötzlich gesund macht, wie den Gichtbrüchigen. Neben dem Gebrauch dienlicher Arzneimittel vermag hierin das Gebet des Gerechten viel, wenn es ernstlich ist; wenn nämlich der Geist Gottes zu diesem Gebet einen Antrieb gibt, und es selber in der Seele wirkt. Das Gebet das Glaubens kann dem Kranken helfen, daß ihn der HErr aufrichte, Jak. 5,15.16. Gott handelt aber hierin nach Seinem hohen und unbegreiflichen Majestätsrecht. Er läßt auch Kranke genesen, um deren Genesung Niemand betet. Ja Er läßt auch solche Leute zuweilen wieder gesund werden, welche Andern zur Plage leben, und über deren Tod sich Viele freueten. Hinwiederum läßt Er Gerechte bald sterben, um deren Genesung andere Gerechte zu beten versucht haben, die aber durch das Beten nichts haben ausrichten können, weil sie nur nach einer guten menschlichen Neigung und nicht im Glauben beten konnten. Auch läßt Er zuweilen gottlose Leute schnell und ohne ein Zeichen der Buße und Begnadigung dahin sterben, ehe sie alt werden, und ehe das Maß ihrer Sünden, wenn man es nach der Zahl der Jahre schätzen sollte, voll zu sein schiene. Andere Gottlosen haben eine längere Gnadenzeit. Warum? Niemand kann diese Frage beantworten. Warum mußten Saul und sein wackerer Sohn Jonathan zugleich sterben? Warum der König Manasse, der viel Böses that, lange leben und regieren, und der fromme Josias, der noch viel Gutes hätte anrichten wollen, als ein junger König sterben? Warum wurde der Apostel Jakobus bald nach der Himmelfahrt Jesu getödtet, und sein Bruder Johannes bis zu einem hohen Alter erhalten? Wer kann diese Frage zur Genüge beantworten? Genug ist’s, wenn man mit Moses sagen kann: die Werke des HErrn sind unsträflich, Alles, was Er thut, das ist recht. Treu ist Gott, und kein Böses an Ihm; gerecht und fromm ist Er. Auch ist aus solchen Wegen und Gerichten Gottes zu schließen, daß ein langes Leben nicht durchaus für ein großes Gut zu halten sei, weil es Gott sonst allen Gerechten angedeihen ließe, und daß es zur ewigen Wohlfahrt nicht darauf ankommen, wie lange, sondern wie wohl Einer lebe. Lasset uns die Gnadenzeit wohl anwenden, alldieweil sie da ist, weil wir ihre Dauer nicht wissen, und das ewige Leben zum Ziel unserer Wünsche machen. Wenn ein Gerechter auf dem Krankenbett liegt, und bei sich selbst wahrnimmt, daß der HErr dießmal nicht zu ihm sagen werde: stehe auf und gehe hin an deine Arbeit: so kann er sich der Rede Petri Matth. 14,28. erinnern, der zu dem HErrn Jesu, da Er auf dem Wasser lief, sagte: HErr, bist Du es, so heiß mich zu Dir kommen; wie auch der Antwort Jesu, der zu Petrus sprach: komm her. Ei nun, wenn der HErr Jesus zu einem Gerechten sagt: komm her, so ist’s erfreulicher, als wenn Er zu ihm spricht: stehe auf und gehe. Durch jenes Wort beruft Er den Arbeiter zur Ruhe, durch dieses weiset Er ihn wieder an die Arbeit. (Magnus Friedrich Roos)
2:12 Und alsbald stand er auf, nahm sein Bett und ging hinaus vor allen, also daß sie sich entsetzten und priesen Gott und sprachen: Wir haben solches noch nie gesehen.2)
2:13 Und er ging wiederum hinaus an das Meer; und alles Volk kam zu ihm, und er lehrte sie.
2:14 Und da Jesus vorüberging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zoll sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! Und er stand auf und folgte ihm nach.
2:15 Und es begab sich, da er zu Tische saß in seinem Hause, setzten sich viele Zöllner und Sünder zu Tische mit Jesu und seinen Jüngern; denn ihrer waren viele, die ihm nachfolgten.
Auch aus Mahlzeiten kann man schöne Gelegenheiten machen, wo Seelen, die noch fern vom Reich Gottes sind, herbeigebracht werden können. Hier ist Jesus so freundlich mit den Leuten umgegangen; da haben sie gesehen seine Unschuld, seine Leutseligkeit und seine Begierde, ihnen zu helfen. Das erwirbt Liebe. (Johann Albrecht Bengel)
2:16 Und die Schriftgelehrten und Pharisäer, da sie sahen, daß er mit den Zöllnern und Sündern aß, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum ißt und trinkt er mit den Zöllnern und Sündern?
2:17 Da das Jesus hörte, sprach er zu ihnen: Die Starken bedürfen keines Arztes, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, zu rufen die Sünder zur Buße, und nicht die Gerechten.
2:18 Und die Jünger des Johannes und der Pharisäer fasteten viel; und es kamen etliche, die sprachen zu ihm: Warum fasten die Jünger des Johannes und der Pharisäer, und deine Jünger fasten nicht?
2:19 Und Jesus sprach zu ihnen: Wie können die Hochzeitsleute fasten, dieweil der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten.
2:20 Es wird aber die Zeit kommen, daß der Bräutigam von ihnen genommen wird; dann werden sie fasten.
2:21 Niemand flickt einen Lappen von neuem Tuch an ein altes Kleid; denn der neue Lappen reißt doch vom alten, und der Riß wird ärger.
2:22 Und niemand faßt Most in alte Schläuche; sonst zerreißt der Most die Schläuche, und der Wein wird verschüttet, und die Schläuche kommen um. Sondern man soll Most in neue Schläuche fassen.
2:23 Und es begab sich, daß er wandelte am Sabbat durch die Saat; und seine Jünger fingen an, indem sie gingen, Ähren auszuraufen.
2:24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Siehe zu, was tun deine Jünger am Sabbat, das nicht recht ist?
2:25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen was David tat, da es ihm not war und ihn hungerte samt denen, die bei ihm waren?
2:26 Wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjathars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand durfte essen, denn die Priester, und er gab sie auch denen, die bei ihm waren?
2:27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbat willen.
2:28 So ist des Menschen Sohn ein HERR auch des Sabbats.