Psalm 35
35:1 Ein Psalm Davids. HERR, hadere mit meinen Haderern; streite wider meine Bestreiter.
35:2 Ergreife Schild und Waffen und mache dich auf, mir zu helfen!
35:3 Zücke den Spieß und schütze mich gegen meine Verfolger! Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe!
Was lehrt mich dies liebliche Gebet? Es soll heute mein Abendgebet sein; aber zuvor möchte ich gern Belehrung und Erbauung daraus schöpfen. Die Stelle zeigt mir vor allem, daß David von Zweifeln heimgesucht ward; denn wie hätte er sonst beten können: „Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe,“ wenn er nicht manchmal von Zweifeln und Ängsten erfüllt war? Darum will ich ganz getrost sein, denn ich bin nicht der einzige unter den Heiligen, der sich über seinen Kleinglauben zu beklagen hat. Wenn ein David zweifelte, so darf ich nicht schließen, ich sei kein Christ, weil ich Zweifel empfinde. Unsre Schriftstelle erinnert mich, daß David sich nicht zufrieden gab, wenn er von Zweifeln und Befürchtungen zu leiden hatte, sondern daß er seine Zuflucht sogleich zum Gnadenthrone nahm und um Versicherung bat; denn das achtete er mehr, denn viel seines Gold. Auch ich muß nach einer bleibenden Gewißheit streben darüber, daß ich angenehm gemacht bin in dem Geliebten, und darf mir keine Ruhe gönnen, wenn seine Liebe nicht ausgegossen ist in mein Herz. Wenn mein Bräutigam mich verlassen hat, so muß und will meine Seele fasten. Auch das erfahre ich, daß David wußte, wo er völlige Versicherung erlangen konnte. Er nahte sich seinem Gott im Gebet und rief: „Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe!“ Ich muß viel mit Gott allein sein, wenn ich ein deutliches Gefühl der Liebe Jesu in mir erfahren will. Wenn mein Gebet ermattet, dann wird das Auge meines Glaubens trübe. Viel im Gebet, viel im Himmel, lässig im Gebet, lässig im Wandel. Ich sehe, daß David keine Ruhe hatte, bis ihm seine Versicherung aus göttlicher Quelle zufloß. „Sprich zu meiner Seele.“ Herr, sprich Du es! Nichts Geringeres als ein göttliches Zeugnis im Herzen kann den wahren Christen befriedigen. Noch mehr: David ruhte nicht, bis seine Versicherung einen lebendigen, persönlichen Grund empfangen hatte. „Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe.“ Herr, wenn Du zu allen Heiligen so sprächest, nur zu mir nicht, so wäre es nichts. Herr, ich habe gesündigt, ich verdiene das Lächeln Deiner Liebe nicht; ich darf kaum darum flehen; aber ach! sprich zu meiner Seele, ja, zu meiner Seele: „Ich bin deine Hilfe.“ (Charles Haddon Spurgeon)
35:4 Es müssen sich schämen und gehöhnt werden, die nach meiner Seele stehen; es müssen zurückkehren und zu Schanden werden, die mir übelwollen.
35:5 Sie müssen werden wie Spreu vor dem Winde, und der Engel des Herrn stoße sie weg.
35:6 Ihr Weg müsse finster und schlüpfrig werden, und der Engel des HERRN verfolge sie.
35:7 Denn sie haben mir ohne Ursache ihr Netz gestellt, mich zu verderben, und haben ohne Ursache meiner Seele Gruben zugerichtet.
35:8 Er müsse unversehens überfallen werden; und sein Netz, das er gestellt hat, müsse ihn fangen; und er müsse darin überfallen werden.
35:9 Aber meine Seele müsse sich freuen des HERRN und sei fröhlich über seine Hilfe.
35:10 Alle meine Gebeine müssen sagen: HERR, wer ist deinesgleichen? Der du den Elenden errettest von dem, der ihm zu stark ist, und den Elenden und Armen von seinen Räubern.
35:11 Es treten frevle Zeugen auf; die zeihen mich, des ich nicht schuldig bin.
35:12 Sie tun mir Arges um Gutes, mich in Herzeleid zu bringen.
35:13 Ich aber, wenn sie krank waren, zog einen Sack an, tat mir wehe mit Fasten und betete stets von Herzen;
35:14 ich hielt mich, als wäre es mein Freund und Bruder; ich ging traurig wie einer, der Leid trägt über seine Mutter.
35:15 Sie aber freuen sich über meinen Schaden und rotten sich; es rotten sich die Hinkenden wider mich ohne meine Schuld; sie zerreißen und hören nicht auf.
35:16 Mit denen, die da heucheln und spotten um des Bauches willen, beißen sie ihre Zähne zusammen über mich.
35:17 Herr, wie lange willst du zusehen? Errette doch meine Seele aus ihrem Getümmel und meine einsame von den jungen Löwen!
35:18 Ich will dir danken in der großen Gemeinde, und unter vielem Volk will ich dich rühmen.
35:19 Laß sich nicht über mich freuen, die mir unbillig feind sind, noch mit Augen spotten, die mich ohne Ursache hassen!
35:20 Denn sie trachten Schaden zu tun und suchen falsche Anklagen gegen die Stillen im Lande
35:21 und sperren ihr Maul weit auf wider mich und sprechen: „Da, Da! das sehen wir gerne.“
35:22 HERR, du siehst es, schweige nicht; Herr, sei nicht ferne von mir!
35:23 Erwecke dich und wache auf zu meinem Recht und zu meiner Sache, mein Gott und Herr!
35:24 HERR, mein Gott, richte mich nach deiner Gerechtigkeit, daß sie sich über mich nicht freuen.
35:25 Laß sie nicht sagen in ihrem Herzen: „Da, da! das wollten wir.“ Laß sie nicht sagen: „Wir haben ihn verschlungen.“
35:26 Sie müssen sich schämen und zu Schanden werden alle, die sich meines Übels freuen; sie müssen mit Schande und Scham gekleidet werden, die sich gegen mich rühmen.
35:27 Rühmen und freuen müssen sich, die mir gönnen, daß ich recht behalte, und immer sagen: Der HERR sei hoch gelobt, der seinem Knechte wohlwill.
35:28 Und meine Zunge soll reden von deiner Gerechtigkeit und dich täglich preisen.