Spurgeon, Charles Haddon - Hände voll Honig.

Spurgeon, Charles Haddon - Hände voll Honig.

Und Simson trat aus dem Wege, dass er das Aas des Löwen besähe. Sieh, da war ein Bienenschwarm in dem Aas des Löwen, und Honig. Und er nahm ihn in seine Hand und aß davon unterwegs; und ging zu seinem Vater und zu seiner Mutter, und gab ihnen, dass sie auch aßen. Er sagte ihnen aber nicht an, dass er den Honig von des Löwen Aas genommen hatte.“
Richt. 14, 8. 9.

Es war ein sonderbarer Vorfall, dass ein unbewaffneter Mann einen Löwen in der Fülle seiner Kraft erschlug; und noch sonderbarer, dass ein Schwarm Bienen das trockne Gerippe in Besitz nahm und es mit Honig füllte. In jenem Lande wird durch wilde Tiere, Vögel, Insekten und die trockne Hitze ein toter Körper bald von aller Verwesung gereinigt, und die Knochen sind rein und weiß; dennoch bildet das Töten des Löwen und das Finden des Honigs eine merkwürdige Erzählung. Diese sonderbaren Umstände wurden später der Gegenstand eines Rätsels; aber um das Rätsel wollten wir uns diesmal nicht kümmern. Simson selber ist ein Rätsel. Er war nicht nur ein Rätselmacher, sondern war selbst ein schwer zu erklärendes Rätsel: mit seinem persönlichen Charakter habe ich diesmal wenig oder nichts zu tun. Wir ruhen heute nicht in dem Hause von „Gajus, meinem Wirt,“ wo die Pilger sich mit einer Schüssel voll Nüssen nach Tisch die Zeit vertreiben, sondern wir sind auf dem Marsche und müssen dem wichtigeren Geschäft obliegen, diejenigen, welche sich in unserer Gesellschaft befinden, zu erfrischen und anzufeuern. Ebensowenig wollen wir Schwierigkeiten erörtern, sondern wie Simson den Honig nahm, ohne gestochen zu werden, so wollen wir Lehren herausziehen ohne Debattieren. Wir haben in unsren Tagen so viel zu tun, dass wir praktischen Gebrauch von jedem Ereignis machen müssen, das uns im Worte Gottes vorgeführt wird. Mein einziger Zweck ist, die Verzagenden zu ermuntern und alle Kinder Gottes zu größerem Fleiße in seinem Dienste anzuregen. Ich halte dafür, dass der Text mit Recht zu diesem Zweck zu gebrauchen ist. Mit Hilfe des Heiligen Geistes mögen wir, selbst nach diesem langen Zeitraum, Honig in dem Löwen finden.

Der besondere Teil des Ereignisses, der in diesen zwei Versen erzählt wird, scheint von denen übergangen zu sein, die über Simsons Leben geschrieben haben; ich nehme an, dass er zu unbedeutend erschienen ist. Sie beschäftigen sich sehr viel mit seinem Festrätsel, aber sie übergehen die viel natürlichere und lobenswertere Tatsache, dass er den Honig in seine Hand nahm und ihn seinem Vater und seiner Mutter darbot. Dies ist der kleine Auftritt, auf den ich eure Blicke lenken möchte. Es scheint mir, dass der israelitische Held, einen erschlagenen Löwen im Hintergründe, die Hände voll Honigscheiben und von Honig triefend, den er seinen Eltern darbietet, ein schönes Bild ist, würdig des größten Künstlers. Und was für ein Vorbild haben wir hier von unsrem göttlichen Herrn und Meister, Jesus, dem Überwinder von Tod und Hölle. Er hat den Löwen getötet, der Ihn und uns anbrüllte. Er hat „Sieg“ gejauchzt über all unsre Feinde. „Es ist vollbracht,“ war sein Triumphgesang; und nun steht Er inmitten seiner Gemeinde, die Hände voll Süßigkeit und Trost, die Er denen darbietet, von denen Er sagt: „der ist mein Bruder, und meine Schwester, und meine Mutter.“ Jedwedem von uns, der an Ihn glaubt, gibt Er die süße Frucht, die Er uns durch den Sturz seiner Feinde bereitet hat; Er heißt uns kommen und essen, damit unser Leben versüßt und unser Herz mit Freuden erfüllt werde. Mir scheint der Vergleich äußerst passend und anregend: ich sehe unsren triumphierenden Herrn mit Süßigkeit beladen, die Er all seinen Brüdern darbietet und sie einladet, an seiner Freude teilzunehmen.

Aber, Geliebte, es steht geschrieben: „Gleichwie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt.“ Alle, die wahre Christen sind, gleichen in gewissem Maße dem Christus, dessen Namen sie tragen, und sein Bild ists, dem wir schließlich gleichgestaltet werden sollen. Wenn Er erscheinen wird, so werden wir Ihm gleich sein, denn wir sollen Ihn sehen, wie Er ist; und mittlerweile werden wir in dem Verhältnis, wie wir Ihn jetzt sehen, „verkläret in dasselbige Bild, von einer Klarheit zu der andren, als vom Herrn, der der Geist ist.“ Das Vorbild Simsons mag wohl als das Symbol jedes Christen in der Welt dienen. Die göttliche Gnade hat dem Gläubigen in seinen geistlichen Kämpfen geholfen, und er kennt „den Sieg, der die Welt überwindet, nämlich unsren Glauben.“ Er hat weit überwunden durch Den, der uns geliebt hat, und steht nun unter seinen Mitmenschen und ladet sie ein, zu Jesu zu kommen. Mit dem Honig in seinen Händen, an dem er selbst stets sich erfreut, zeigt er die himmlische Süßigkeit allen um ihn her und spricht: „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist; wohl dem, der auf Ihn trauet.“ Ich bin früher wohl mit dem beliebten Künstler Gustave Doré zusammengetroffen und habe ihm Gegenstände an die Hand gegeben. Lebte er noch, und hätte sich eine andre Gelegenheit geboten, so wäre ich in ihn gedrungen, ein Bild von Simson, wie er den Honig darbietet: Stärke, die Süßigkeit austeilt, auszuführen; und es hätte als eine beständige Erinnerung an das dienen können, was der Christ sein sollte — ein Sieger und ein Tröster, Löwen erschlagend und Honig verteilend. Der treue Diener Gottes ringt mit den Mächten des Bösen; aber mit weit größerer Freude spricht er zu seinen Freunden und Gefährten und sagt: „Esset das Gute, und lasset eure Seele sich an Süßigkeit erfreuen.“ Stellt dieses Bild vor das Auge eures Geistes, und nun lasst mich darüber sprechen.

Drei Striche mögen hinreichen. Zuerst, das Leben des Gläubigen hat seine Kämpfe; zweitens, das Leben des Gläubigen hat seine Süßigkeit; und drittens, das Leben des Gläubigen bringt ihn dahin, von dieser Süßigkeit andren mitzuteilen. Hier ist Raum für nützliche Betrachtung.

I.

Zuerst also, das Leben des Gläubigen hat seine Kämpfe. Ein Christ werden, heißt in die Reihen der Krieger eintreten. Ein Gläubiger werden, heißt eine Pilgerschaft antreten, und die Straße ist oft rau; die Hügel sind steil, die Täler sind dunkel. Riesen versperren den Weg, und Räuber lauern in den Winkeln. Wer darauf rechnet, ohne Kampf in den Himmel gleiten zu können, ist in einem großen Irrtum befangen. Kein Kreuz, keine Krone; kein Krieg, kein Sieg; kein Ringen, kein Singen. Diese Kämpfe, wenn wir Simson als unser Vorbild nehmen, beginnen früh im Leben des Gläubigen. Während Simson noch ein Kind war, trieb ihn der Geist im Lager Dan — sehet den letzten Vers im dreizehnten Kapitel; und sobald er auf der Schwelle des Mannesalters steht, muss er sich mit einem Löwen messen. Gott, der beabsichtigte, dass sein Knecht die Philister schlagen und ihrer stolzen Bedrückung seines Volkes Israel Einhalt tun sollte, begann früh, den Helden für den Kampf seines Lebens zu erziehen. Als daher Simson hinging, ein Weib zu nehmen und an die Weinberge zu Thimnath kam, da kam ihm ein junger Löwe brüllend entgegen. Ja, und es wird nicht lange dauern, bis der junge Gläubige, der noch nicht mit den Mächten der Finsternis gerungen hat, das Brüllen des Löwen hört und sich dem großen Feinde gegenübersieht. Sehr bald lernen wir den Wert des Gebetes: „Erlöse uns von dem Bösen!“ Die meisten Knechte des Herrn sind Kriegsmänner von Jugend auf gewesen. Von außen Streit, selbst wenn im Innern keine Furcht ist. Dieser frühe Kampf mit dem wilden Tier war von Gott beabsichtigt, um ihn seine Kraft, wenn er unter dem Einfluss des Geistes stünde, kennen zu lehren und ihn für seine künftigen Kämpfe mit Israels Feinden zu erziehen. Er, der die Philister erschlagen soll, bis er sie Haufen bei Haufen gelegt, durch seine bloße Tapferkeit, muss damit beginnen, dass er einen Löwen mit seinen bloßen Händen zerreißt. Er sollte den Krieg in derselben Schule lernen, wie ein andrer und ein größerer Held, der später sagte: „Also hat dein Knecht geschlagen, beide, den Löwen und den Bären. So soll nun dieser Philister, der unbeschnittene, sein, gleichwie deren einer.“ — Soldaten werden durch den Krieg gemacht. Man kann nicht Veteranen heranbilden oder Sieger erschaffen, ausgenommen durch Schlachten. Wie bei den Kriegen der Armeen, so ist es in geistlichen Kämpfen; die Menschen müssen zum Sieg über das Böse herangebildet werden durch den Kampf damit. Deshalb ist es „einem Manne gut, dass er das Joch in seiner Jugend trage;“ dann wird es seine Schulter in späteren Jahren nicht wund reiben. Es ist sicherlich eine gefährliche Sache, ganz und gar frei von Leiden zu sein. In der seidenen Robe verliert der Soldat seine Tapferkeit. Seht auf Salomo, einen der größten und weisesten, und doch möchte ich sagen, einen der kleinsten und törichtesten der Menschen. Es war sein verhängnisvolles Vorrecht, auf einem goldenen Throne zu sitzen und sich in dem Glänze wolkenlosen Glücks zu sonnen, und daher ging sein Herz bald irre, und er fiel von seiner hohen Stellung herab. Salomo hatte in seinen jungen Tagen kein Leid, denn kein Krieg wütete und kein Feind, der des Nennens wert gewesen, lebte. Sein Leben floss sanft dahin, und er ward in einen träumerischen Schlaf gelullt, den Schlaf der Wollüstigen. Er wäre weit glücklicher gewesen, wenn er gleich seinem Vater von seinen frühesten Tagen an zu Kampf und Leiden berufen worden wäre; denn dies hätte ihn vielleicht gelehrt, fest auf der Zinne des Ruhms zu stehen, auf welche die Vorsehung Gottes ihn gestellt. Lerne also, o junger Bruder, dass, wenn du wie Simson ein Held für Israel sein sollst, du früh an Leiden und Wagen in der einen oder andren Form gewöhnt werden musst. Wenn du beiseite gehst, und dich Betrachtungen hingeben willst in der Stille eines Weinbergs, so mag dir ein junger Löwe brüllend entgegenkommen; eben wie unser Herr und Meister in den ersten Tagen seines öffentlichen Dienstes in die Wüste geführt ward, um vom Teufel versucht zu werden.

Diese Kämpfe, lieben Freunde, mögen oft sehr schrecklich sein. Unter einem jungen Löwen ist nicht ein noch nicht ausgewachsener, sondern ein Löwe in der Fülle seiner ersten Kraft zu verstehen, dessen Schritt noch nicht langsamer und dessen Wut noch nicht gezähmt ist durch die zunehmenden Jahre. Frisch und wütend, ist ein junger Löwe eine der schlimmsten Bestien, denen ein Mensch begegnen kann. Lasst uns erwarten, als Nachfolger Christi starken Versuchungen, grimmigen Verfolgungen und schweren Prüfungen zu begegnen, die zu ernsten Kämpfen führen. Rechne nicht darauf, du, der du jetzt den Harnisch anlegst, dass du ihn bald ablegen werdest, oder dass er, wenn du ihn ablegst, ebenso glänzend sein werde, als er heute ist. Er wird durch Blut und Staub verdunkelt sein und durch manchen Schlag gelitten haben; vielleicht wird dein Feind einen Weg finden, ihn zu durchbohren oder dich wenigstens zwischen seinen Fugen zu verwunden. Ich wollte, dass ein jeder begönne, ein Krieger des Kreuzes zu sein, aber ich wollte, dass er zu gleicher Zeit die Kosten überschlüge; denn es ist kein Kinderspiel, und wenn er es dafür hält, so wird er bitter enttäuscht werden. Es wird einem jungen Gläubigen plötzlich ein Zweifel in den Sinn kommen, von dem er nie zuvor gehört, und wird ihm entgegenbrüllen wie ein junger Löwe; auch wird er nicht sofort sehen, wie er ihn beseitigen kann. Oder er mag in besondere Verhältnisse gestellt werden, wo seine Pflicht den zartesten Gefühlen seiner Natur zuwider zu laufen scheint; auch hier wird der junge Löwe ihm brüllend entgegenkommen. Oder jemand, vor dem er tiefe Hochachtung hat, mag ihn schlecht behandeln, weil er ein Nachfolger Christi ist, und die Zuneigung und Hochachtung, die er für diesen Mann hegt, mag ihm den Widerstand umso schwerer machen: hier ist es ihm auch, als wenn ein Löwe brüllte. Oder er mag durch einen schmerzlichen Todesfall oder einen harten Verlust leiden. Oder er mag eine Krankheit haben, die mit Schmerzen und Niedergeschlagenheit verbunden ist, und diese mögen den Schatten des Todes auf seinen Geist werfen; so dass wiederum ein junger Löwe ihn anbrüllt. Bruder, Schwester, lasst uns hierauf rechnen und nicht dadurch mutlos werden, weil in all diesem das Leben unsres Geistes ist. Durch solche Lektionen wie diese werden wir gelehrt, Gott zu dienen, Mitgefühl für unsre Mitchristen zu haben und die Hilfe unsres gnädigen Heilandes zu schätzen. Durch all dieses werden nur der Erde entwöhnt und dahin gebracht, nach jener ewigen Herrlichkeit zu dürsten, die an uns soll offenbar werden, von der wir mit Wahrheit sagen können: „Es wird kein Löwe da sein und wird kein reißend Tier darauf treten.“ Diese gegenwärtigen Übel sind zu unsrem künftigen Besten, ihr Schrecken ist zu unserer Unterweisung. Leiden werden uns gesandt, so ziemlich aus demselben Grunde, aus welchem den Kanaanitern verstattet ward, im heiligen Lande zu wohnen, damit Israel den Krieg lernen und gerüstet sein möchte zu Schlachten gegen auswärtige Feinde.

Diese Kämpfe kommen früh und sind sehr schrecklich: und außerdem treten sie an uns heran, wenn wir am wenigsten darauf vorbereitet sind. Simson jagte nicht nach wilden Tieren; er ging einem viel zarteren Geschäfte nach. Er wandelte in den Weinbergen von Thimnath und dachte an nichts weniger als an Löwen, und „siehe,“ sagt die Schrift, „da kam ein junger Löwe brüllend ihm entgegen.“ Es war ein merkwürdiges und erschreckendes Ereignis. Er hatte seinen Vater und seine Mutter verlassen und war ganz allein; er konnte keinen herbeirufen, ihm in seiner Begegnung mit dem wütenden Angreifer beizustehen. Das Mitgefühl der Menschen ist überaus köstlich, aber es gibt Punkte in unsrem geistlichen Kampfe, wo wir nicht darauf hoffen können. Für einen jeden gibt es Pfade im Leben, die zu schmal sind, als dass zwei nebeneinander darauf zu gehen vermöchten. Auf gewissen Felsenspitzen müssen wir allein stehen. Wie unsre Eigentümlichkeiten verschieden sind, so müssen auch unsre Leiden, die unsren Eigentümlichkeiten angepasst sind, verschieden sein. Jeder einzelne hat ein Geheimnis, in das kein Freund sich mischen darf, denn jedes Leben hat sein Mysterium und seinen verborgenen Schatz. Schäme dich nicht, junger Christ, wenn dir Versuchungen begegnen, die dir ganz sonderbar erscheinen: Jeder von uns hat das Gleiche von seinen Prüfungen gedacht. Du bildest dir ein, dass keiner leidet, wie du es tust, während dich noch keine denn menschliche Versuchung betreten hat, und Gott machen wird, dass die Versuchung so ein Ende gewinne, dass du sie könntest ertragen. Doch für eine Zeitlang magst du in Gemeinschaft mit deinem Herrn zu treten haben, da Er „die Kelter allein trat und niemand unter den Völkern mit Ihm war.“ Ist dies nicht zu deinem Besten? Ist dies nicht der Weg zur Stärke? Was für eine Art Frömmigkeit ist es, die von der Freundschaft der Menschen abhängt? Was für eine Religion ist es, die nicht allein stehen kann? Mein Lieber, du wirst allein zu sterben haben, und du brauchst deshalb Gnade, dich in der Einsamkeit zu ermutigen. Die teure Gattin kann dich weinend bis ans Ufer des Flusses begleiten, aber in den kalten Strom kann sie nicht mit dir gehen; und wenn du keine Religion hast, die dich in der Einsamkeit des Lebens aufrechthält, was wird sie dir in dem grimmen Alleinsein des Todes nutzen? Deshalb halte ich es für einen glücklichen Umstand, dass du zu einsamem Kampf berufen wirst, damit du deinen Glauben prüfen und sehen kannst, aus welchem Stoff die Hoffnung gemacht ist.

Der Streit war umso schlimmer für Simson, da er nicht nur ganz allein, sondern auch „gar nichts in seiner Hand hatte.“ Dies ist der merkwürdigste Punkt in der ganzen Erzählung. Er hatte kein Schwert und keinen Speer eines Jägers, den gewaltigen Feind zu verwunden; er hatte nicht einmal einen guten Stecken, die Angriffe abzuwehren. Simson stand als ein unbewaffneter und ungerüsteter Mann vor einer wütenden Bestie. So sind auch wir geneigt, bei unsren ersten Versuchungen zu denken, dass wir keine Waffe für den Krieg haben, und wir wissen nicht, was zu tun. Wir rufen aus: „Ich bin unvorbereitet! Wie kann ich diese Prüfung bestehen? Ich kann den Feind nicht fassen, um mit ihm zu ringen. Was soll ich tun?“ Hieran wird der Glanz des Glaubens und die Herrlichkeit Gottes offenbar werden, wenn du den Löwen erschlägst und es von dir gesagt wird: „und hatte doch gar nichts in seiner Hand“ — nichts als das, was die Welt nicht sieht und nicht schätzt.

Nun geht einen Schritt weiter, denn die Zeit erlaubt uns nicht, hier länger zu verweilen. Ich fordere euch auf, daran zu denken, dass der Geist Gottes es war, durch den der Sieg gewonnen ward. Wir lesen: „Und der Geist des Herrn geriet über ihn und zerriss ihn, wie man ein Böcklein zerreißet.“ Lasst den Heiligen Geist uns in unserer Not helfen, und wir brauchen weder Gesellschaft noch Waffe; aber ohne Ihn, was können wir da tun? Bischof Hall sagt: „Wenn jener brüllende Löwe, der umhergeht und sucht, weil er verschlinge, uns allein in den Weinbergen der Philister findet, wo ist unsre Hoffnung? Nicht in unsren Fersen, denn er ist schneller als wir; nicht in unsren Waffen, wir sind von Natur unbewaffnet; nicht in unseren Händen, die schwach und matt sind, sondern in dem Geiste Gottes, durch den wir alles vermögen. Wenn Gott in uns kämpfet, wer kann uns widerstehen? Es ist ein stärkerer Löwe in uns als der, der gegen uns ist.“

Hier ist das eine, was uns not tut, — mit Kraft aus der Höhe angetan zu werden: mit der Kraft des Heiligen Geistes. Mit der Hilfe des Geistes Gottes wird der Sieg des Gläubigen vollständig sein: der Löwe soll nicht weggetrieben, sondern zerrissen werden. Umgürtet mit des Geistes Macht soll unser Sieg ebenso leicht wie vollkommen sein: Simson zerriss den Löwen, als wenn er ein kleines Lamm oder ein Ziegenböcklein wäre. Gut sagte Paulus: „Ich vermag alles durch Den, der mich mächtig macht, Christus.“ Die Sünde wird bald überwunden, die Versuchungen werden rasch zurückgewiesen, die Trübsal wird freudig ertragen, die Verfolgung fröhlich erduldet, wenn der Geist der Herrlichkeit und des Friedens auf uns ruhet. „Mit Gott sind alle Dinge möglich;“ und da der Gläubige mit Gott ist, so geschieht es, dass alle Dinge ihm möglich sind, der da glaubet.

Wenn wir von allen Teufeln in der Hölle umgeben wären, so brauchten wir sie keinen Augenblick zu fürchten, wenn der Herr auf unserer Seite wäre. Wir sind mächtiger als alle Legionen der Hölle, wenn der Geist mächtig in uns ist. Wenn wir von Satan niedergeschlagen würden, bis er seinen Fuß auf unsre Brust gesetzt, um das Leben selbst aus uns heraus zu pressen, so wollten wir doch, wenn der Geist Gottes uns hilfe, die Hand ausstrecken und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes, ergreifen und die Heldentat des „Christian“ wiederholen, als er dem „Apollyon“ so schwere Wunden beibrachte, dass er seine Drachenflügel ausbreitete und davon flog. Deshalb fürchtet euch nicht, ihr Angefochtenen, sondern traut auf den Geist Gottes, und euer Kampf wird bald in Sieg sich wandeln. Zuweilen ist unser Kampf einer mit der vergangenen Sünde. Wir fragen zweifelnd: „Wie kann sie vergeben sein?“ Die Versuchung verschwindet vor einem Blick auf den sterbenden Erlöser. Dann brüllen die angeborenen Lüste uns an, und wir überwinden sie durch das Blut des Lammes, denn „das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.“ Zuweilen führt eine rasende Leidenschaft oder eine starke Gewohnheit Krieg wider uns, und dann überwinden wir durch die Kraft des heiligenden Geistes Gottes, der in uns ist und allezeit in uns bleiben soll. Oder auch ist es die Welt, die uns versucht, und unsre Füße wären fast geglitten; aber wir überwinden die Welt durch den Sieg des Glaubens, und wenn Satan wider uns Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Leben aufreizt, so werden wir dennoch davon befreit werden, denn der Herr ist eine feurige Mauer um uns her. Das inwendige Leben widersteht tapfer aller Sünde, und Gottes Hilfe wird den Gläubigen gegeben, um sie in dem Augenblicke dringender Not vor allem Übel zu bewahren; eben wie Er seinen Märtyrern und Bekennern geholfen hat, das rechte Wort zu sprechen, wenn sie unvorbereitet berufen wurden, ihren Widersachern gegenüberzutreten. Kümmere dich deshalb nicht darum, o, du auf Jesum Vertrauender, wie grimmig dein Feind heute sein mag! Wie der junge David den Löwen und den Bären erschlug und den Philister dazu, ebenso sollst du von Sieg zu Sieg gehen. „Der Gerechte muss viel leiden, aber der Herr hilft ihm aus dem allen.“ Deshalb tretet mit Löwenmut den Löwen entgegen, die euch zu verschlingen suchen.

II.

Nun also kommen wir zu unsrem zweiten Teil, der ist: Das Leben des Gläubigen hat seine Süßigkeit. Wir töten nicht allezeit Löwen, wir essen zuweilen Honig. Manche von uns tun beides zu gleicher Zeit: wir töten Löwen und hören doch nicht auf, Honig zu essen; und wahrlich, es ist ein Süßes geworden, um Christi willen in den Kampf zu gehen, dass es eine Freude ist, „ob dem Glauben zu kämpfen, der einmal den Heiligen vorgegeben ist.“ Derselbe Herr, der gesagt hat: „Seid männlich und seid stark“, hat auch gesprochen: „Freut euch.“

Das Leben des Gläubigen hat seine Süßigkeit, und diese ist die auserlesenste: denn was ist süßer denn Honig? Was ist freudenvoller als die Freude eines Heiligen? Was ist glücklicher als das Glück eines Gläubigen? Ich will mich nicht herablassen, einen Vergleich zwischen unserer Freude und der Lustigkeit der Toren zu ziehen: ich will nicht weiter gehen als bis zum Gegensatz. Ihre Lustigkeit ist wie das Krachen der Dornen unter einem Topf, die Feuer speien, Lärm machen und aufflackern, aber es ist keine Hitze da, und sie sind bald aus: nichts kommt danach, es dauert lange, bis der Topf kocht. Aber des Christen Freude ist wie ein stetes Kohlenfeuer. Ihr habt den Kamin voll brennend roter Kohlen gesehen und die ganze Masse derselben schien ein glühender Rubin, und jeder, der aus der Kälte ins Zimmer kam, war froh, sich die Hände zu wärmen, denn es strömte eine lebendige Hitze aus und wärmte den Körper bis ins Mark hinein. So sind unsre Freuden. Ich wollte lieber die Freude Christi fünf Minuten lang haben, als in der Lust der Toren ein halbes Jahrhundert lang schwelgen. Es ist mehr Seligkeit in der Träne der Buße als in dem Lachen der Lustigkeit; unsre heiligen Schmerzen sind süßer als des Weltlings Freuden. Aber, o, wenn unsre Freuden voll werden, göttlich voll, dann sind sie unaussprechlich wie jene droben, und der Himmel beginnt hienieden. Weintet ihr nie vor Freuden? Vielleicht sagt ihr: „Nicht seitdem ich Kind war.“ Ich auch nicht: aber ich bin immer ein Kind geblieben, soweit die göttliche Freude in Betracht kam. Ich kann oft vor Freuden weinen, wenn ich weiß, an wen ich glaube, und gewiss bin, dass Er mir meine Beilage bewahren kann bis an jenen Tag.

Unser ist eine Freude, die das Nachdenken vertragen kann. Ihr könnt es wagen, auf den Boden derselben zu blicken und ihre Grundlage zu prüfen. Es ist eine Freude, die nie alt wird; ihr könnt sie jahrelang genießen und nie übersättigt sein; ihr könnt wieder und immer wieder zu ihr zurückkehren und sie stets so frisch wie je finden. Und das Beste daran ist, dass keine Reue darauf folgt. Es tut euch niemals leid, dass ihr so fröhlich gewesen. Die lustigen Leute der Welt empfinden bald Überdruss an ihrem Becher; aber uns tut es nur leid, dass wir nicht noch froher gewesen, denn unsre Fröhlichkeit heiligt. Uns wird kein Grad der Freude versagt, den wir möglicherweise erreichen können, denn unsre ist eine gesunde, Gesundheit gebende Wonne. Christus ist die Fülle der Freude für sein Volk, und uns ist geheißen, uns völlig seiner zu erfreuen. Christen haben ihre Süßigkeit und diese ist wie Honig und Honigseim, das Beste vom Besten.

Von diesen Freuden ist eine Fülle da; denn Simson fand, sozusagen, ein lebendige Honigquelle, da er einen Bienenschwarm entdeckte. So reichlich war der Honig, dass er eine große Masse nehmen und in seiner Hand tragen und damit hinweggehen und ihn andren bringen konnte. In der Liebe Christi, in der Vergebung der Sünde, in der Annahme in dem Geliebten, in der Ruhe in Gott, in der völligen Ergebung in seinen Willen, in der Hoffnung des Himmels ist eine solche Freude, dass niemand sie messen kann. Wir haben in den köstlichen Verheißungen Gottes solch einen lebendigen Schwarm von Bienen, um Honig zu bereiten, dass weit mehr Freude für uns da ist, als wir zu genießen vermögen. Es ist noch unendlich viel mehr von Christo über unsren Begriff hinaus, als wir je zu begreifen imstande gewesen sind. Wie selig, aus seiner Fülle zu empfangen, von seiner Süßigkeit zu genießen, und dennoch zu wissen, dass unendliche Güte stets noch zurückbleibt. Vielleicht haben einige von euch soviel von Christo genossen, dass ihr kaum mehr ertragen konntet; aber eure größten Freuden sind nur wie winzige Muscheln, die von einer einzigen Welle gefüllt werden, während der ganze grenzenlose Ozean weit über euren Gesichtskreis hinaus wogt. Wir haben außerordentlich große Freude, ja, überflüssig Freude. Unsres Meisters Hochzeitsmahl ist nicht so spärlich eingerichtet, dass wir für einen neuen Gast einen neuen Stuhl zu holen brauchten oder bei uns selber denken müssten, dass wir besser täten, nicht aufs Ungefähr einzuladen, damit wir nicht durch zu großes Gedränge belästigt würden. Nein, die Säulenhallen der Barmherzigkeit, in denen der König sein Fest hält, sind so ungemein weit, dass es unser lebenslanges Geschäft sein wird, sie mit Gästen zu versehen, indem wir sie nötigen, hereinzukommen, auf dass sein Haus voll werde und sein königliches Fest zehntausend mal zehntausend Herzen froh mache.

Lieben Freunde, wenn ihr wissen wollt, worin unsre Freude besteht, so will ich einen Augenblick dabei stehen bleiben, obwohl ich schon darauf hingedeutet habe. Unsre Freuden finden sich oft da, wo früher unsre Kämpfe waren. Wir nehmen unsren Honig aus den Löwen, die für uns oder von uns erschlagen worden sind.

Da ist zuerst unsre Sünde. Ein schrecklicher Löwe! Aber es ist ein toter Löwe, denn die Gnade ist noch mächtiger geworden als die mächtige Sünde. O Brüder, ich habe nie von irgend einer Süßigkeit in der ganzen Reihe menschlicher Freuden gehört, die dem Gefühl der vergebenen Sünde gleichkäme. Völlige Vergebung! Freie Vergebung! Ewige Vergebung! Seht, sie funkelt, wie der Tau des Himmels. Zu wissen, dass Gott meine Sünde ausgetilgt hat, ist ein Bewusstsein, reich an unaussprechlicher Seligkeit. Meine Seele begann die Gesänge der Seraphim zu hören, als sie den Ton hörte: „Ich vertilge deine Missetat wie eine Wolke und deine Sünde wie den Nebel.“ Das ist auserlesener Honig für dich!

Der nächste tote Löwe ist das überwundene Verlangen. Wenn ein dem Willen Gottes zuwiderlaufender Wunsch in dem Herzen aufgestiegen war, und ihr spracht: „Nieder mit dir! Ich will dich niederbeten. Du pflegtest mich zu überwältigen; ich geriet in eine Gewohnheit und war bald von dir besiegt; aber ich will dir nicht wieder nachgeben. Durch Gottes Gnade will ich dich überwinden;“ — ich sage, wenn ihr zuletzt den Sieg erlangt habt, dann durchzieht eine so süße Zufriedenheit euer Herz, dass ihr mit unaussprechlicher Freude erfüllt werdet; und ihr seid innig dankbar, dass der Geist Gottes euch geholfen, euren eignen Geist zu besiegen. So habt ihr wiederum geistlichen Honig gegessen.

Wenn ihr in eurem Innern fühlt, dass ihr eine starke Versuchung überwunden habt, so ist euer Gesang umso lauter und euer Dank umso freudiger, je grimmer und schrecklicher sie gewesen ist. Um wieder zu Bunyan zurückzugehen: als Christian durch das Tal des Todesschattens bei Nacht gegangen und ganz herausgekommen war, und nun die Sonne aufging, da sah er zurück. (Eine Pause.) Dieser Blick währte lange, dafür stehe ich euch. Was für Gedanken hatte er beim Zurückblicken. Er konnte so eben jenen schmalen Pfad mit dem Sumpfmoor auf der einen und dem tiefen Graben auf der andren Seite unterscheiden; er konnte die Schatten sehen, in denen die Kobolde schrien und die feurigen Augen erglänzten. Er sah beim Sonnenlicht zurück und dachte bei sich: „O, welche Güte ist mit mir gewesen! Ich bin durch all das hindurchgegangen, und doch bin ich unverletzt!“ Was für ein fröhlicher Überblick war es für ihn! O, die Freude, durch eine Versuchung hindurchgegangen zu sein, ohne unsre Kleider befleckt zu haben! Was müssen Sadrach, Mesech und Abednego gefühlt haben, als sie aus dem feurigen Ofen traten und nicht einmal versengt waren, und man keinen Brand an ihnen riechen konnte! Glückliche Männer waren sie, in der Mitte des siebenmal heißeren Ofens am Leben geblieben zu sein, wo alles andre verzehrt wurde. Hier ist wiederum „ein Stück Honigseim.“

Wir finden ferner Honig in einem andren erschlagenen Löwen; nämlich in unsren Leiden, nachdem wir instandgesetzt worden sind, sie zu ertragen. Dies ist das Metall, aus dem unsre Freudenglocken gegossen werden. Aus dem Erz unserer Trübsale machen wir die Posaunen unsres Triumphs. Nicht der ist der glückliche Mann, der keine Leiden gesehen hat, sondern: „selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewähret ist, wird er die Krone des Lebens empfahen.“

Auch der Tod. O, der Honig, der in einem toten Tode gefunden wird. Der Tod ist in der Tat tot. Wir triumphieren über ihn und fürchten uns nicht mehr vor ihm, als kleine Kinder sich vor einem toten Löwen fürchten. Wir zupfen ihn am Barte und sagen: „O, Tod, wo ist dein Stachel? O, Grab, wo ist dein Sieg?“ Wir sehen sogar mit Freuden auf die Zeit unsres Abscheidens hin, wenn wir diesen schweren Erdenleib verlassen und auf Geisterflügeln uns zu unsrem Vater und unsrem Gott schwingen werden. Ihr seht, hier ist reicher Vorrat an Honig für Gottes Volk; und wir zögern nicht, ihn zu essen. Lasst andre sagen, was sie wollen, wir sind ein glückliches Volk, glücklich in dem Heiligen Geist, glücklich in Gott, unsrem Vater. So haben Gläubige ihre Süßigkeiten.

III.

Aber das dritte ist der Punkt, bei dem ich verweilen möchte. Das Leben des Gläubigen führt ihn dahin, von dieser Süßigkeit mitzuteilen. Sobald wir den Honig der vergebenen Sünde geschmeckt und die Seligkeit empfunden haben, die Gott für sein Volk in Christo Jesu aufbehalten hat, so fühlen wir, dass es beides, unsre Pflicht und unser Vorrecht ist, die gute Botschaft andren mitzuteilen. Hier lasst mein im Geist entworfenes Bild in unserer Mitte stehen: der starke Mann, Besieger des Löwen, der in seiner Hand den Honig seinen Eltern darbietet. Wir sollen nach dieser Gestalt gesonnt werden.

Und zuerst, wir tun dies augenblicklich. Sofort wenn ein Mensch bekehrt ist, würde sein Instinkt, wenn er sich diesem überließe, ihn dahinführen, seinen Mitmenschen es zu erzählen. Ich weiß, den Augenblick, als ich aus jener kleinen Kapelle herauskam, in der ich den Heiland gefunden, wünschte ich, meine Freude zu verkünden. Ich hätte mit dem Dichter ausrufen mögen:

„Nun sag' ichs Sündern allerwärts:
Den Heiland fand mein sehnend Herz;
Ich weis' auf sein vergoss'nes Blut
Und zeig', wo man in Frieden ruht.“

Mich verlangte danach, zu erzählen, wie glücklich meine Seele sei und welche Befreiung von der zermalmenden Last der Sünde ich gefunden. Mich verlangte danach, alle andren kommen, dem Herrn vertrauen und lebendig gemacht zu sehen! Ich hielt keine Predigt, aber ich denke, ich hätte dies ganze Evangelium in dieser ersten Stunde verkünden können. Fühltest du, mein Freund, nicht ganz ähnlich? Sehnte sich deine Zunge nicht, auszusprechen, was der Herr für dich getan? Vielleicht bist du einer von jenen abgemessenen und zurückhaltenden Leuten, die sehr begabt im Halten ihrer Zunge sind; und deshalb verließest du die Füße Jesu mit Schweigen, — ein Schweigen, über das die Engel sich wunderten. Ist es dies, weshalb du deinen Mund seitdem immer gehalten hast? Vielleicht würdest du, wenn du damals angefangen hättest, zu sprechen, dein Zeugnis bis auf diesen Tag fortgesetzt haben. Ich wiederhole meine Behauptung, dass es der Instinkt jeder neugeborenen Seele ist, die frohe Botschaft, welche die Gnade im Herzen verkündet hat, mitzuteilen. Gerade wie Simson nicht sobald den Honig geschmeckt hatte, als er einen Teil davon zu seinem Vater und seiner Mutter trug, so eilen wir, unsre Nachbarn zu Christo einzuladen. Mein lieber, junger Freund, sobald du nur die Freude des Herrn kennst, tue deinen Mund in ruhiger, demütiger Weise auf und lasse dich nie unter die Taubstummen zählen. Lass dich durch niemand abhalten, dein Herz zu erleichtern. Folge nicht dem schlechten Beispiel derer, die stumme Hunde geworden sind durch ihre Feigheit am Anfang.

Der Gläubige wird bei denen beginnen, die ihm am nächsten stehen. Simson brachte den Honig seinem Vater und seiner Mutter, die nicht weit weg waren. Bei jedem von uns würde es das Natürlichste sein, einem Bruder, einer Schwester, einem Mitarbeiter oder einem Freunde davon zu erzählen. Es wird eine große Freude sein, sie den Honig essen zu sehen, der unsrem Gaumen so schmackhaft ist. Es ist sehr natürlich, wenn Eltern wünschen, ihren Kindern sogleich von der göttlichen Liebe zu erzählen — habt ihr alle das getan? Ihr betet für eure Kinder, aber viele von euch würden das Werkzeug zur Erhörung ihrer eignen Gebete sein, wenn sie mit ihnen einzeln sprechen wollten. Dies mag schwer erscheinen, aber einmal angefangen, wird es bald leicht werden: und in der Tat, wenn es schwer wäre, so sollten wir schon aus diesem Grunde danach streben, es zu tun. Sollten wir nicht manches Schweres für Den tun, der für uns alles Schwere überwand? Wenigstens versagt euren eignen Kindern nicht das persönliche Zeugnis ihres Vaters oder ihrer Mutter von der außerordentlichen Macht der Gnade und der unaussprechlichen Süßigkeit der göttlichen Liebe. Sagt es denen, die euch am nächsten sind.

Der Gläubige wird dies tun, so gut er kann.

Simson brachte, wie ihr seht, seinem Vater und seiner Mutter den Honig in schlichter und schneller Art und fuhr mit Essen fort, während er ihn trug. Wenn ich meinem Vater und meiner Mutter Honig geben wollte, würde ich es in zierlicher Weise tun: wenigstens würde ich ihn in eine so anständige Schüssel legen, wie unsre Küche nur hätte; aber es waren keine Schüsseln und Teller da draußen in dem Weinberge, von Thimnath, und daher waren seine Hände die einzigen Präsentierteller, auf denen Simson den Leckerbissen darbieten konnte: „er nahms in seine Hand und ging zu seinem Vater und zu seiner Mutter, und gab ihnen, dass sie auch aßen.“ Vielleicht denkst du: „Wenn ich mit den Menschen von der wahren Religion sprechen soll, so möchte ich es gern in Poesie tun.“ Tue es lieber in Prosa, denn vielleicht würden sie deinen Versen mehr Aufmerksamkeit zuwenden als deinem Thema. Gib ihnen den Honig in deinen Händen, und wenn keine Schüssel da ist, können sie die Schüssel nicht beachten. „Ja, aber ich möchte es gern in sehr passender Weise tun,“ sagt der eine, „es ist eine sehr wichtige Sache, ich möchte gern durchaus richtig sprechen.“ Mein Urteil ist, da du wahrscheinlich nicht in solcher Geschwindigkeit eine richtige Ausdrucksweise erlangen wirst, und deine Freunde sterben können, während du deine Grammatik und deine Rhetorik lernst, so tätest du besser, ihnen von Jesu zu sagen, so gut du es jetzt vermagst. Sage ihnen, dass Leben in einem Blick auf Jesum ist. Erzähle ihnen die Geschichte einfach, wie ein Kind dem andren erzählt. Trage den Honig in deinen Händen, wenn er auch überall abtröpfelt: kein Schaden wird aus dem Überfließen entstehen, denn es sind überall Kleine, die auf solche Tropfen warten. Wenn du das Evangelium überall hintröpfeln und alle Dinge versüßen ließest, so würde das keine Verschwendung sein, sondern rund umher ein gesegneter Gewinn. Deshalb sage ich euch, redet von Jesu Christo, so gut ihr könnt, und hört nie damit auf, so lange das Leben dauert.

Aber dann tat Simson etwas andres, und jeder wahre Gläubige sollte es auch tun: er erzählte seinen Eltern nicht nur von dem Honig, sondern er brachte ihnen welchen. Ich lese nicht: „Und er sagte seinem Vater und seiner Mutter von dem Honig,“ sondern ich lese: „Und er nahms in seine Hand.“ Nichts ist so mächtig als eine Darstellung der Gnade vor den andren. Sprecht nicht davon, sondern tragt sie in euren Händen. „Ich kann das nicht tun,“ sagt einer. Ja, du kannst es, durch dein Leben, deine Gemütsart, deinen Sinn, dein ganzes Verhalten. Wenn deine Hände Gott dienen, wenn dein Herz Gott dient, wenn dein Antlitz vor Freuden strahlt im Dienste Gottes, so wirst du die Gnade überall hintragen, wohin du gehst, und die, welche dich sehen, werden sie wahrnehmen. Du wirst kaum nötig haben, zu sagen: „Kommt und nehmt an der Gnade teil;“ denn die Gnade Gottes in dir wird selbst einladen und anziehen. Lassen wir unser Leben voll von Christo sein und wir werden Christum predigen. Ein heiliges Leben ist die Beste der Predigten. Seelen gewinnen geschieht durch ein gewinnendes Leben sicherer als durch gewinnende Worte.

Beachtet auch, dass Simson es mit großer Bescheidenheit tat. Wir haben eine Menge Leute heutzutage, die keine Maus töten können, ohne es in einer christlichen Zeitung zu verkünden; aber Simson tötete einen Löwen und sagte nichts davon. Er hält den Honig in seiner Hand für seinen Vater und seine Mutter — er zeigt ihnen den; aber uns wird ausdrücklich gesagt, dass er weder seinem Vater noch seiner Mutter erzählte, dass er ihn aus dem Gerippe des Löwen genommen. Der Heilige Geist findet Bescheidenheit etwas so Seltenes, dass Er Sorge trägt, ihrer zu erwähnen. Beim Erzählen eurer Erfahrung seid weise und vorsichtig. Sagt viel von dem, was der Herr für euch getan hat, aber wenig von dem, was ihr für den Herrn getan habt. Ihr habt keine große Anstrengung nötig, um in diesem Punkt kurz zu sein, denn ich fürchte, dass nicht viel da ist, auch wenn alles erzählt wird. Äußert kein Wort des Selbstruhms. Lasst uns Christum voran stellen und die Freude und Seligkeit, die durch den Glauben an Ihn kommt; und von uns selber brauchen wir kein Wort zu sprechen, ausgenommen um unsre Sünden und Mängel zu beklagen.

Die Summe von dem, was ich zu sagen habe, ist dies: wenn wir Freude in Christo geschmeckt haben, wenn wir die Tröstungen des Geistes kennen gelernt haben, wenn der Glaube eine wirkliche Macht für uns gewesen und Frieden und Ruhe in uns gewirkt hat, so lasst uns diese selige Entdeckung andren mitteilen. Wenn ihr das nicht tut, merkt euch, dann habt ihr gerade den Zweck verfehlt, um deswillen Gott euch gesegnet hat. Ich hörte neulich von einer Ansprache in einer amerikanischen Sonntagsschule, die mir sehr gefiel. Der Lehrer sagte zu den Knaben: „Hier ist eine Uhr. Wozu ist sie?“ Die Kinder antworteten: „Um die Zeit anzuzeigen.“ „Wohl,“ sagt er, „gesetzt, meine Uhr zeigt nicht die Zeit an, wozu ist sie dann gut?“ „Zu nichts gut.“ Darauf nahm er einen Bleistift heraus. „Wozu ist dieser Bleistift?“ „Um damit zu schreiben.“ „Gesetzt, dieser Bleistift wollte keinen Strich machen, wozu ist er gut?“ „Zu nichts gut.“ Dann zog er ein Taschenmesser heraus, „Wozu ist dies?“ Es waren amerikanische Knaben, deshalb riefen sie: „Um damit zu schnitzeln;“ d. h. um damit Experimente an allem zu machen, was ihnen in den Weg kommt. „Aber,“ sagte er: „gesetzt, es will nicht schneiden, wozu ist es dann gut?“ „Zu nichts gut.“ Darauf fragte der Lehrer: „Was ist der Hauptzweck des Menschen?“ und sie erwiderten: „Gott zu verherrlichen.“ „Aber gesetzt, ein Mensch verherrlicht Gott nicht, wozu ist er dann gut?“ „Zu nichts gut.“ — Das stellt sehr klar den Punkt vor Augen, um den es hier sich handelt; es gibt viele Bekenner, von denen ich nicht sagen will, dass sie zu nichts gut sind, aber mich deucht, wenn sie sich nicht bald aufraffen, um Gott zu verherrlichen dadurch, dass sie die Süßigkeit der Liebe Gottes verkünden, so wird es ihnen hart ergehen. Gedenkt daran, wie Jesus von dem dummgewordenen Salz sagte: „es ist hinfort zu nichts nütze.“ Wozu wurdet ihr bekehrt? Wozu ward euch vergeben? Wozu wurdet ihr erneuert? Wozu werdet ihr hier auf der Erde gelassen, als um andren die frohe Botschaft des Heils zu verkünden und so Gott zu verherrlichen? Geht also aus mit euren Händen voll von dem Honig göttlicher Liebe und bietet ihn andren dar.

Ihr müsset sicherlich dadurch Gutes tun: ihr könnt unmöglich Schaden tun. Simson lud nicht seinen Vater und seine Mutter ein, den Löwen zu sehen, als er lebendig war und brüllte, — er hätte in diesem Fall Schaden anrichten können, indem er sie erschreckte oder sie einer Gefahr aussetzte; die Sache mit dem Löwen besorgte er allein, und als es an den Honig kam, da wusste er, dass selbst seine Mutter sich dabei nicht beunruhigen könnte; deshalb lud er sie beide ein, seinen Gewinn zu teilen. Wenn ihr in einen Seelenkampf geratet, macht eure Not nicht all euren Freunden bekannt, sondern fechtet männlich in Gottes Namen; aber wenn ihr die Freude Christi und die Liebe des Geistes habt, und die Gnade reichlich in eurer Seele ist, dann verkündet die Botschaft rund umher. Ihr könnt durch ein solches Verfahren keinen Schaden stiften: die Gnade tut Gutes und kein Leid. Selbst wenn ihr einen Fehler dabei macht, werdet ihr kein Unheil anrichten. Das Evangelium, das auf den Boden verschüttet wird, ist nicht verloren. Gutes und nur Gutes muss daraus kommen, wenn man das Heil durch Jesum Christum bekannt macht.

Es wird viel besser für euch sein, von der Süßigkeit des Christenglaubens zu erzählen, als Rätsel über die Lehren desselben zu machen. Simson machte nachher ein Rätsel über seinen Löwen und den Honig: und dies Rätsel endigte mit Streit und Blutvergießen. Wir haben gewisse Christen ihr Leben damit zubringen gesehen, dass sie Rätsel über den Honig und den Löwen machten, indem sie zähe, dogmatische Fragen aufstellten, die selbst Engel nicht beantworten können: „Löse mir dies Rätsel,“ sagten sie, und dann endete die Sache mit Streit, und die brüderliche Liebe ward in dem Kampf ermordet. Es ist viel besser, eure Hände voll Honig denen zu bringen, die bedürftig sind, damit sie von demselben essen, als zu mäkeln und zu debattieren. Kein Unheil kann daraus entstehen, wenn ihr erzählt, was der Herr für eure Seele getan hat, und es wird euch von schädlichen Dingen abhalten. Deshalb möchte ich alle Christen anregen, von Tag zu Tag damit fortzufahren, bedürftigen Sündern von Christo zu erzählen, damit sie kommen und an Ihm teilnehmen.

Wenn ihr dies tut, werdet ihr den Menschen viel mehr Gutes erweisen, als Simson seinen Eltern erweisen konnte, denn unser Honig ist Honig der Ewigkeit, unsre Süßigkeiten sind solche, die bis zum Himmel währen und dort am besten genossen werden. Ruft andre herbei, zu schmecken und zu sehen, dass der Herr freundlich ist, und darin werdet ihr viel Freunde finden. Ihr werdet euer eigenes Vergnügen mehren, indem ihr das Werk des Herrn in euren Händen gedeihen seht. Was für eine Seligkeit erwartet Christen, die nützlich gewirkt haben, wenn sie in den Himmel eingehen, denn dort werden ihnen viele entgegenkommen, die ihnen vorangegangen und zu deren Bekehrung sie das Werkzeug gewesen sind. Ich singe oft innerlich, wenn ich wahrnehme, dass ich kaum in eine Stadt oder ein Dorf gehen kann, ohne dass jemand mich aufstöbert, um zu sagen: „Unter Gott verdanke ich meine Errettung Ihren Predigten oder Ihren Büchern.“ Was wird die Seligkeit des Himmels sein, wenn wir die antreffen, die zur Gerechtigkeit sich kehrten, weil wir das Wort des Lebens verkündeten! Unser Himmel wird zu sieben Himmeln werden, wenn wir diese dort sehen. Wenn ihr nichts getan habt, als in eurem Leben die köstlichen Folgen der Gnade dargestellt, so habt, ihr wohl getan. Wenn ihr euren Gefährten Wahrheiten angeboten, die Süßigkeit für euch waren, und versuchtet, in gebrochenen Worten zu sagen: „O, dass ihr diesen Frieden kenntet!“ so wird es euch unaussprechliche Freude machen, die in der Herrlichkeit anzutreffen, die durch solche einfache Mittel zu Christo gezogen wurden.

Gott mache euch alle zu seinen Zeugen in den Kreisen, in denen ihr euch bewegt. Amen.

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