Kapff, Sixtus Carl von - Am Karfreitag.

Kapff, Sixtus Carl von - Am Karfreitag.

Text Joh. 19,30:
Es ist vollbracht.

Gnade sei mit Euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die da sind vor seinem Stuhl, und von JEsu Christo, welcher ist der treue Zeuge und Erstgeborene von den Toten und ein Fürst der Könige auf Erden, der uns geliebt hat und gewaschen von den Sünden mit seinem Blut, und hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor GOtt und seinem Vater, demselbigen sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Seele, geh' auf Golgatha,
Setz' dich unter JEsu Kreuze,
Und bedenke, was dich da
Für ein Trieb zur Buße reize.
Willst du unempfindlich sein,
O so bist du mehr als Stein.

Schaue doch das Jammerbild
Zwischen Erd' und Himmel hangen,
Wie das Blut mit Strömen quillt,
Dass ihm alle Kraft vergangen!
O wie häufet sich die Not!
Es ist gar mein JEsus tot!

Tot der Fürst des Lebens, tot der, der Alle geliebt hat, wie kein Freund mehr liebt, der nie eine Sünde getan bat, der unsere durch die Sünde vor GOtt und den Engeln verächtlich gewordene Menschennatur wieder zu Ehren gebracht und zur Vereinigung mit GOtt uns den Weg gezeigt hat, Er, der Eins war mit dem Vater, in dem die ganze Welt ihren Ursprung, ihre Kraft und ihr Ziel hat, Er ist tot und tot am Kreuz, verhöhnt von dem Volk, dessen Segen und Krone Er war, zermartert von schuldbedeckten Händen, als Verbrecher geachtet selbst von solchen, die ihn einst bewundert hatten und denen sein Tod als Beweis seiner Schuld galt. In dieser tiefsten Schmach sehen wir heute den Leib, der ein Tempel GOttes war, als blasse Leiche mit Blut bespritzt am Fluchholz hangen. Da

Fließt ihr Augen, fließt von Tränen,
Und beweinet meine Schuld,
Brich, mein Herz, vor Schmerz und Sehnen
Über's Lämmlein voll Geduld,
Das für mich und meine Not
Willig ging in Not und Tod.
Seele, nimm, nimm seine Schmerzen
Aller Art recht tief zu Herzen.

Denn für wen hat Er diese Schmerzen durchgemacht, für wen ist das geheimnisvolle Wunder seines Todes geschehen? Das sagt uns der Prophet mit den Worten: „Wir hielten Ihn für den, der von GOtt geschlagen und gemartert wäre, aber Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Unsere Strafe liegt auf Ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Diese Offenbarung des Geistes allein gibt uns Licht über das sonst schreckensvolle Dunkel des Leidens und Todes JEsu. Was Er nach unserem heutigen Passionsabschnitt zu dem Schächer sagte: „heute noch wirst du mit mir im Paradies sein,“ das ruft sein Geist von seinem Kreuz herab allen heilsbegierigen Seelen zu. Die ganze Menschheit ist so todeswürdig wie der Schächer, und im tiefsten Höllenjammer müssten Alle, wie er, sagen: wir sind billig in dieser Verdammnis und empfangen, was unsere Taten weich sind. Aber wie JEsus auf dieses Bekenntnis der Schuld und auf den Hilferuf: „gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst,“ dem Verbrecher den Himmel verhieß, so sollen in Kraft seines Opfertodes Alle aus der Todes- und Höllen-Not der Sünde erlöst und zu dem verlorenen Paradies wiedergebracht werden.

Dass das die Frucht des Todes JEsu sei, das hat Er unmittelbar vor dem letzten Hauch mit Einem Wort gesagt, in dem Ewigkeiten enthalten sind, mit dem Wort: „es ist vollbracht,“ es ist vollkommen erfüllt und vollendet Alles, was der ewige Liebesvorsatz GOttes unserem verlorenen Geschlecht zugedacht und was die heilige Gerechtigkeit GOttes von uns gefordert hatte, alle Rechte GOttes sind erfüllt, alle seine Gebote befolgt, aller Fluch der Sünde getilgt, alles Gericht aufgehoben, alle unsere Feinde überwunden, alle Gerechtigkeit, wie sie allein vor GOtt gilt, erworben und so die Hölle zugeschlossen und der Himmel eröffnet. Das Alles ist durch das gottmenschliche Leben JEsu geschehen, und das Ewigkeitswerk seines Lebens ist durch seinen Tod vollbracht worden. Denn GOtt war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm selber, durch das Leben und durch den Tod seines Sohnes. Was in seiner Geburt angefangen und was in seinem Leben herrlich ausgeführt worden, das ist vollbracht in seinem Tode. Darüber wollen wir jetzt weiter nachdenken, indem wir unter dem Segen des HErrn betrachten:

Wie durch den Tod JEsu unsere Versöhnung vollbracht worden sei,

  1. sein ganzes Leben' war versöhnend für uns,
  2. sein Tod aber hat unsere Versöhnung vollendet,
  3. darum soll Christi Tod unser Tod und Christi Leben unser Leben sein.

Großer Hohepriester unseres ohne Dich ewig verlorenen Geschlechtes, wir fallen nieder vor Deinem Kreuz und beten mit tiefstem Dank an Deine unaussprechliche Liebe, mit der Du an unserer Statt den ganzen Fluch der Sünde auf Dich genommen und durch den schmählichsten Martertod uns die höchste Ehre und das seligste Leben erworben hast. Ach, HErr! lass Deine Todespein nicht an uns verloren sein, und schenke auch heute uns Allen die Ewigkeitsfrüchte Deines blutigen Leidens und Sterbens, dass wir in Deinen Wunden ewiges Heil und in Deiner Verklärung ewige Herrlichkeit finden mögen. Amen.

I.

„Es ist vollbracht.“ Mit diesem Wort sagte der Heiland, dass die Versöhnung unseres Geschlechtes durch sein Leiden und seinen Tod vollendet worden sei. Wenn wir aber über diese Versöhnung genauer nachdenken, so müssen wir sagen, dass sein Tod nur die letzte Vollendung dessen war, was schon das ganze Leben JEsu leistete. Das sagt Paulus (Röm. 8,3.): „das dem Gesetz unmöglich war, nämlich uns gerecht zu machen, sintemal es durch das Fleisch geschwächt war, weil wir als fleischlich von Natur das Gesetz nicht erfüllen können, das tat GOtt und sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches und verdammte die Sünde im Fleisch dessen, den Er für uns zur Sünde, zum Sündopfer gemacht hat, auf dass die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns erfüllt werde, die wir nun nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.“

Nach diesen Worten hat GOtt die Gerechtigkeit, die Er von uns fordern muss und die wir aus eigener Kraft nie leisten können, in der Person Christi zu ihrer Erfüllung gebracht. Schon dadurch, dass der Sohn GOttes die Gestalt des sündlichen Fleisches annahm und in dieser seiner Menschheit vollkommen rein und heilig ohne Sünde blieb, schon dadurch ist die Gerechtigkeit, die das Gesetz fordert, in Christo, als dem Stellvertreter der Menschheit, verwirklicht und durch Ihn auch uns möglich gemacht worden. Christus ist dadurch der zweite Adam geworden, in welchem unsere Menschheit neu geschaffen wurde. Als das heilige Ebenbild GOttes ist Christus das Urbild, der Anfang und das Haupt einer neuen Menschheit, in der das Bild GOttes, das wir in Adam verloren haben, wieder hergestellt wird.

Durch Adam ist die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde der Tod, das ganze geistliche und leibliche Elend des Sündenfluches, Tod im Herzen, Tod in unseren Gebeinen, Tod in allen irdischen Dingen, Tod im Grab und der andere Tod der Hölle in der Ewigkeit.

Wie sehr dieser Tod und das Grundverderben der Sünde zu allen Menschen hindurchgedrungen ist, davon ist die Passionsgeschichte der auffallendste Beweis. Das ganze Volk Israel wurde aus Hass gegen die Wahrheit und Heiligkeit JEsu zum Mörder an dem, der nie eine Sünde getan hatte, das Mitleid, das sonst selbst ein Verbrecher findet, versagten sie JEsu, und sahen wie wilde Tiere ihre Lust an seinen Qualen, spotteten Ihn über seine Wunder, aus denen doch die reinste Liebe und die herrlichste GOttesmacht hervorleuchtete, da war auch keine Spur von dem Dank, den man doch sonst gegen jeden menschlichen Wohltäter fühlt, und indem schauerlichen „Kreuzige, kreuzige ihn!“ wie in den Spottreden unter seinem Kreuze selbst - da zeigte sich die tiefste Versunkenheit, deren unser Geschlecht fähig ist, daher der Geist JEsu sie Ps. 22 mit den grimmigsten Tieren, mit großen, fetten Farren und brüllenden, reißenden Löwen vergleicht.

Das waren Menschen und ihre Natur ist unsere Natur, und keines von uns darf sagen: ich hätte es nicht so gemacht. Unser irdischer Sinn, unsere Weltlust, unser Hochmut und unsere Fleischlichkeit ist heute noch derselben Feindschaft gegen GOtt und seinen heiligen Gesalbten fähig. Auch in dem feigen Pilatus mit seiner schnöden Menschenfurcht und mit seinem Handeln wider das Gewissen, auch darin sehen wir unser Bild; ebenso in der Verleugnung des Petrus, die in unserem Leben vielfach sich wiederholt; ebenso in dem Fliehen der Jünger, die aus Kreuzflüchtigkeit ihren HErrn und liebsten Freund verließen; ja selbst im Verrat des Judas sehen wir die Lügenhaftigkeit und Heuchelei, den Geiz und Eigennutz unserer zu allem Bösen fähigen Natur, von der Paulus sagt: „es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder und mangeln alle des Ruhms, den sie als GOttes Bild vor GOtt haben sollten,“ Alle sind unter der Sünde, wie im Alten und Neuen Bund geschrieben steht: „da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht Einer, sie sind Alle abgewichen und allesamt untüchtig geworden, da ist nicht, der Gutes tue, auch nicht Einer,“ so dass alle Welt vor GOtt schuldig, sünde- und fluchbeladen auf tausend Gerichtsfragen nicht Eins antworten kann, sondern dem Zorn GOttes und der ewigen Verdammnis verfallen ist.

Vergleichen wir damit das Leben JEsu, so strahlt uns das reinste Bild einer Heiligkeit an, die zu aller Zeit und unter allen Umständen frei blieb von aller Sünde. Als Kind war Er seinen Eltern untertan, ward stark im Geist und nahm zu an Weisheit und Gnade bei GOtt und den Menschen, und seine liebste Freude war, zu sein in dem, was seines Vaters ist. Als Jüngling unterzog er sich n Armut und Niedrigkeit allen den Mühseligkeiten und schweren Arbeiten, die das Zimmerhandwerk seines Pflegevaters mit sich führte, und über seine ganze Jugend und ihre fleckenlose Heiligkeit konnte GOtt sein vollkommenes Wohlgefallen bei seiner Taufe im dreißigsten Jahr aussprechen. Sein Lehramt aber führte er so, dass Niemand ihn einer Sünde zeihen konnte, dass selbst seine bittersten Feinde, selbst Pilatus und Herodes, Nichts auf ihn bringen konnten, und er feierlich als unschuldig erklärt zum Tod verurteilt wurde, bloß um des wahrsten Bekenntnisses willen von seiner Gottheit. Überall in seinem Leben sehen wir nichts als Liebe, Sanftmut, Demut, stillen Leidenssinn, Verleugnung alles Glückes und aller Ehre der Welt, vollkommene Erfüllung aller Gebote GOttes.

Durch dieses heilige Leben hat JEsus die Gerechtigkeit, die GOtt in seinem Gesetz fordern muss, vollkommen in sich dargestellt und alle Rechte GOttes so erfüllt, dass seine menschliche Natur alle Rechte der göttlichen Natur sich erworben hat und so kein Feind sagen kann, Er habe die göttliche Natur wie einen Raub dahin genommen, rechtlich hat Er Alles verdient, was zur Herrlichkeit der göttlichen Natur gehört. Aber für sich selbst hatte Er ja das nicht nötig, denn Er war seinem Wesen nach von Ewigkeit GOtt und Eins mit dem Vater in göttlicher Herrlichkeit. Diese seine Gottheit war keines Zuwachses fähig und jede Berührung mit der Menschheit war für sie nur eine Selbstbeschränkung und Selbstentäußerung. Um seinetwillen hätte Er also weder Mensch werden, noch als Mensch leben und viel weniger als Mensch sterben sollen. Seine allgenugsame, unveränderliche Gottheit konnte dadurch nichts gewinnen. Folglich müssen wir bei der beständigen Lehre der Schrift bleiben, dass Er sein ganzes menschliches Leben bloß um unsertwillen angenommen, durchlebt und im Tod geopfert hat, so dass Alles, was Er von seiner Geburt bis zu seinem Tod und bis zur Himmelfahrt gelitten, getan und errungen, für uns und uns zu gut geschehen ist.

Wie Adam der Repräsentant der gefallenen Menschheit, so ist Christus der zweite Repräsentant oder Stellvertreter unseres ganzen Geschlechtes, nur mit dem großen Unterschied, dass wir in Adam unsere Sünde und unseren Tod sehen, in Christo unsre Gerechtigkeit und unser Leben, daher Paulus sagt (Röm. 5,18.): „wie durch Eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, also ist auch durch Eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen, denn gleichwie durch Eines Menschen Ungehorsam Viele Sünder geworden sind, also auch durch Eines Gehorsam werden Viele Gerechte.“ In seinem tuenden Gehorsam hat Er alle Forderungen des Gesetzes erfüllt, wie Er in seinem leidenden Gehorsam alle Schuld und Strafe unseres Ungehorsams auf sich genommen hat.

So steht sein Leben als ein rein menschliches in vollkommener Heiligkeit da, und alle unsere Unheiligkeit und Sünde wird dadurch versöhnt, oder nach dem hebräischen Sprachgebrauch, bedeckt. Sein vollkommener Gehorsam deckt unseren Ungehorsam zu, seine reine Heiligkeit überstrahlt alle unsere Unheiligkeit, und um seiner völlig vor GOtt wohlgefälligen Gerechtigkeit willen schaut der Vater Uns in Ihm als unserem Stellvertreter an, wie wenn wir nicht gesündigt hätten, als fromm und gerecht, als seine lieben Kinder, die in seinem eingebornen Sohn als dem Genossen unserer Menschheit wieder zu ihrem verlorenen Kindes- und Himmelsbürger-Recht gekommen sind. Darum schämt Er sich nicht, uns Brüder zu heißen; weil Er unsere Natur an sich genommen hat, will Er uns mit sich erben lassen und all' das Seine uns mitteilen, daher Er (Joh. 17,22.) über seine Jünger als die Erstlinge unseres Geschlechtes sagt: „Ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, dass sie Eins seien, gleichwie wir Eines sind, Ich in ihnen und Du in mir, auf dass sie vollkommen seien in Eins, und die Welt erkenne, dass Du mich gesandt hast (als ihr Heil) und liebst sie, gleichwie Du mich liebst.“ Um des heiligen JEsus willen will der Vater uns, deren Natur JEsus angenommen, lieben, wie Er Ihn liebt und das vollkommene Wohlgefallen, das Er an seinem einzig der Liebe werten Sohn hat, will Er über uns ausbreiten, weil Er die Glieder nur anschaut im Haupt, die Kinder Adams nur in ihrem neuen Stellvertreter Christo.

So sind wir durch das heilige Leben JEsu, durch seine Liebe, mit der Er sein Verdienst uns mitteilt, versöhnt mit GOtt, zur Vereinigung mit Ihm geheiligt in Christo JEsu. Diese Versöhnung ist aber

II.

erst durch den Tod JEsu zu ihrer ganzen Vollendung gekommen, daher konnte Er erst im Augenblick seines Todes mit laut triumphierender Stimme in Himmel, Erde und Hölle hinein ausrufen: „Es ist vollbracht!“ JEsus konnte seine Heiligkeit und Seligkeit uns nicht zueignen, wenn nicht unsere Unheiligkeit mit ihrem Fluch und Tod getilgt war. Die Gerechtigkeit GOttes konnte von ihren Rechten durchaus nichts vergeben, denn Gerechtigkeit und Gericht ist seines Stuhles Festung, d. h. ist die Befestigung seiner Herrschaft; würde GOtt sich nicht als gerecht offenbaren, so würde die Menschheit die Sünde als unbedeutend ansehen und sich immer tiefer in die Sünde und so in den Sündenfluch hineinstürzen, ja dadurch sich selbst völlig ruinieren und ewig verderben. GOtt allein ist Leben und Seligkeit, außer GOtt ist kein Friede, kein Glück und kein Leben, wie für uns ohne Sonne kein Licht. Daher fordert die Liebe GOttes, dass die Sünde, die unser Verderben ist, gestraft werde, damit sie durch die Strafe uns entleide und wir aus Allem, was uns unselig macht, in GOtt als die alleinige Seligkeit eingehen. Deswegen straft GOtt die Sünde; höbe Er diese Strafe nur so ohne Weiteres auf, so würde nur größerer Leichtsinn und so schrecklichere Sünde die Folge sein. Deswegen fordert die Gerechtigkeit GOttes nicht bloß, dass wir das Gesetz erfüllen und so in Gemeinschaft mit Ihm seien, sondern auch, dass wir, wenn wir das Gesetz nicht erfüllen, gestraft werden, um so eine Sehnsucht nach Ihm zu bekommen.

Aber was hilft die Sehnsucht, wenn keine Kraft da ist, aus dem Jammer der Sünde sich in GOtt hineinzuschwingen, und wie kann GOtt seine Liebe denen schenken, die seiner strafenden Gerechtigkeit auf ewig verfallen sind? In dieser Not hat die unendliche Liehe und Weisheit GOttes als das einzige Mittel das erkannt, dass der, dessen Lust von Anfang war bei den Menschenkindern, der als das der Welt zugekehrte Antlitz GOttes von jeher der Mittler zwischen GOtt und den Menschen war, dass Er, wie der Mittler der Schöpfung und Weltregierung, so nun auch der Mittler der Erlösung sei; und Ihn selbst hat seine Liebe getrieben, dass Er sich freiwillig als Bürge für uns darstellte und nicht nur unsere Natur anzog, um uns in sich zu heiligen, sondern auch unsere ganze Schuld und allen Fluch und Strafe der Sünde auf sich nahm, nach dem Wort des Propheten: „Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen, der HErr warf unser Aller Sünde auf Ihn, unsere Strafe liegt auf Ihm, auf dass wir Friede hätten, durch seine Wunden sind wir geheilt, Er hat sein Leben zum Schuldopfer gegeben, ist den Übeltätern gleich gerechnet, hat Vieler Sünde getragen und für die Übeltäter gebeten“ (Jes. 53.).

So nur können wir die Furchtbarkeit der Leiden und Todesqualen JEsu begreifen. Dass GOtt seinen heiligen, unschuldigen Sohn so entsetzlich leiden ließ, das wäre ein ewiger Vorwurf gegen die Gerechtigkeit GOttes, wenn wir nicht wüssten, dass die Sünden aller Menschen an JEsu abgestraft werden sollten, weil Er als unser Bürge und Stellvertreter alle unsere Schuld bezahlen und unsere Strafe erdulden wollte. Deswegen ließ er sich ganz wie der ärgste Verbrecher behandeln, sprach kein Wort bei den schnödesten Beschuldigungen und Anklagen, die alle wahr sind bei uns, ja Er ließ eine ganze Flut von Lästerungen und Spottreden über sich ergehen, ließ in Fesseln sich von einem Gericht zum anderen schleppen, ließ sich geißeln, mit der Dornenkrone verwunden, anspeien, sein Gesicht mit Fäusten zerschlagen, und endlich Hände und Füße durchbohren und ans Fluchholz des Kreuzes sich hängen als ein Spott der Leute und Verachtung des ganzen Volks.

Das Alles hatten wir, an deren Stelle Er war, tausendfach verdient, der ganze Himmel musste sich von unserer Sünde abkehren, und die ganze Hölle durfte an uns ihren Hohn und ihre Wut auslassen und uns peinigen mit ewiger Pein. Aber an unserer Statt hat JEsus alle diese Pein auf sich genommen. Deswegen zitterte Er in Gethsemane unter den Gerichten GOttes, deswegen war Er am Kreuz sogar von GOtt verlassen, das Schrecklichste was es geben konnte für Ihn, der mit GOtt Eins war; da musste es Ihm sein, wie wenn unser Leib keine Luft mehr hat zum Atmen, da musste Er die ganze Qual der Hölle durchmachen; denn ohne GOtt sein, das ist die Hölle. In diesen Schmerzen von Innen und von Außen konnte Er nach Psalm 22 rufen: „Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Gebeine haben sich zertrennt, mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs, meine Kräfte sind vertrocknet wie ein Scherben, meine Zunge klebt an meinem Gaumen, und du legst mich in des Todes Staub,“ oder nach Psalm 69: „Ich muss bezahlen, das ich nicht geraubt habe, die Schmach bricht mir mein Herz und kränkt mich, ich warte, ob es Jemand jammerte, aber da ist Niemand, und auf Tröster, aber ich finde keine.“ So sehen wir Ihn am Kreuz:

Herz in Todespresse; Mund voll Todesnässe;
Augen im Vergehen; Glieder voller Wehe;
Hände, d'rin ich sehe Blutrubinen stehen;
Haupt voll Gottesmajestät,
Blutig, wund und überlaufen Von den Zornestaufen.
Brust voll Todesmühen; Füße wie im Glühen;
Stirne die der Kranz Überall macht bluten;
Rücken, von den Ruten Aufgehauen ganz;
Lippen, ach wie todesblass;
Wangen, aufgeschwoll'n vor Schmerze,
Ihr brecht mir mein Herze.

Alle diese Qual hätte ich verdient auf ewig zu leiden um meiner tausendfachen Übertretungen, Versäumnisse und Sündenbefleckungen willen. Und Alles das hat mein JEsus erduldet an meiner Statt, und weil Er sich für mich geopfert hat, so darf ich so frei und absolviert davon gehen wie Barrabas, der Mörder und Aufrührer, frei ausging.

O Wunderlieb', o Lieb' ohn' alle Maße,
Die dich gebracht auf diese Marterstraße,
Kein Menschenherz vermag es auszudenken,
Was dir zu schenken.

Wie in Adam Alle gestorben sind, so sollen in Christo Alle lebendig gemacht werden. Denn „es ist das Wohlgefallen GOttes gewesen, dass in Ihm, dem ewigen Sohn, alle Fülle wohnen sollte und Alles durch Ihn versöhnt würde zu Ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, damit dass Er Frieden machte durch das Blut an seinem Kreuz durch sich selbst (Kol. 1,20.). Er ist der Mittler des neuen Testaments, auf dass durch den Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen, die unter dem ersten Testament waren, die so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen (Ebr. 9,15.).“ Alle Sünden aller Menschen vor und nach Christo in allen Zeiten und an allen Orten sind durch den Opfertod Christi auf ewig versöhnt und eine ewige Gerechtigkeit für Alle erworben. Wie ist das möglich? Wie kann der Eine sterben für Alle, für Millionen und aber Millionen fluchbeladener Seelen? Das konnte Er als der ewige Sohn des ewigen GOttes. Für uns leiden konnte Er, weil Er ohne Sünde und daher nicht des kleinsten Leidens schuldig war, aber für Alle konnte sein Verdienst gelten um seiner ewigen Gottheit willen.

Als der wahrhaftige GOtt, der die Welt geschaffen und erhält, ist Er mehr, als die ganze Welt, wie der Töpfer mehr ist, als Millionen Scherben1), die er gemacht hat. Um dieser göttlichen Erhabenheit willen hat Alles an JEsu einen Ewigkeitscharakter, einen unendlichen, alles Menschliche übersteigenden Wert und eine ewige Kraft und Bedeutung. So hatte das ganze Leben, Leiden und Sterben JEsu einen unendlichen Wert und konnte vollkommen so gelten, als ob alle Menschen heilig gelebt und die Strafen der Sünde ewig erduldet hätten. Deswegen sagt Paulus: „ist Einer für Alle gestorben, so sind sie Alle gestorben.“ Weil der Sohn GOttes als Stellvertreter Aller den Fluch und die Strafe der Sünde auf sich genommen hat, so sieht es die ewige Liebe GOttes an, als hätten Alle das erfüllt, was, die Gerechtigkeit GOttes fordern musste. Das unendlich bedeutende Leiden und Sterben JEsu hat der Gerechtigkeit GOttes vollkommen genug getan und die ganze Abscheulichkeit, Fluch- und Höllenwürdigkeit der Sünde ist durch die Strafe, die der Sohn GOttes durchmachte, ins hellste Licht gesetzt, so dass nun kein Feind sagen kann, GOtt habe sein Gesetz aufgehoben und seine Drohungen nicht erfüllt.

Das strengste Recht über die Sünde ist an JEsu vollzogen, und Er hat als unser Bürge unsere ganze Schuld bezahlt, und zwar freiwillig, so dass Niemand sagen kann, es sei ihm Unrecht geschehen. Denn Er selbst sagt: „Niemand nimmt mein Leben von mir, sondern ich lasse es von mir selber.“ So ist durch den Opfertod JEsu Alles geleistet, was die Gerechtigkeit GOttes über die Sünder ergehen lassen musste, und um der unendlichen Bürgschaft willen darf die unendliche Schuld der ganzen Menschheit als bezahlt angesehen und also uns vergeben werden. Deswegen heißt Christus die Versöhnung für unsere und der ganzen Welt Sünde, dessen Blut als Blut des Sohnes GOttes uns rein macht von aller Sünde. Nun darf die erlöste Menschheit mit Paulo triumphieren und sagen: „Ist GOtt für uns, wer mag wider uns sein? Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat verschont, sondern hat Ihn für uns Alle dahin gegeben. Wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken? Wer will nun die Auserwählten GOttes beschuldigen? GOtt ist hie, der da gerecht macht. Wer will verdammen? Christus ist hie, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten GOttes und vertritt uns.“

So ist durch das heilige Leben und durch das unschuldige Leiden und Sterben des Sohnes GOttes Alles vollbracht, was zu unserer und aller Menschen Seligkeit in alle ewige Ewigkeiten nötig war. Dies Alles aber wird innerlich lebendig und zur Kraft neuen seligen Lebens nur bei den Seelen, die sich durch die bis in den Tod treue Liebe JEsu zu dem treiben lassen, was wir noch kürzlich

III.

betrachten, dass Christi Tod unser Tod und Christi Leben unser Leben sein soll. Soll die ganze Bedeutung des Wortes JEsu „es ist vollbracht“ uns gelten, so muss auch in uns und von uns etwas vollbracht werden. Vollbracht, beendigt und vorübergegangen sein muss das Leben der natürlichen Fleischlichkeit und Sünde, da das irdisch gesinnte Herz nicht nach GOtt fragt und gegen seine Liebe wie gegen seinen Ernst, gegen den Himmel wie gegen die Hölle gleichgültig ist. Nicht sage ich: um in JEsu versöhnt zu werden, darfst du keine Sünde mehr tun, da würde kein Mensch versöhnt; aber das verlangt der HErr, dass wir keine Sünde mehr tun wollen, dass wir aus dem Sündenelend uns Heraussehnen nach dem Heil und der Gerechtigkeit GOttes, dass wir die Lust und den Hochmut des alten Menschen aufgeben und neue Menschen werden wollen, dass wir in der Welt nicht mehr, sondern im Himmel, in GOtt unser Glück und unsere Heimat suchen. Solches Bereuen, Hassen und Lassen der Sünde, das ist notwendig, wenn wir der Versöhnung in Christo teilhaftig werden wollen. Die Sünde, die Ihm die größten Schmerzen, ja den bittersten Tod verursacht hat, die müssen wir als den schändlichsten Gräuel fliehen und meiden, weil wir durch jede mutwillige Sünde JEsum aufs Neue kreuzigen.

Deswegen sagt Paulus: „wir seien durch die Taufe schon mit Christo begraben in den Tod, mit Ihm gepflanzt zu gleichem Tod, unser alter Mensch sei mit Ihm gekreuzigt, auf dass der sündliche Leib aufhöre und wir hinfort der Sünde nicht dienen“ (Röm. 6,4.6.). Solches Absterben der Sünde geschieht in einer wahren Buße und Bekehrung und ohne das werden die Früchte des Todes JEsu uns nicht zu Teil. Nicht ein äußerlicher Glaube an die äußere Geschichte des Todes JEsu erlangt die Versöhnung, sondern ein Glaube, der aus der Sünde und Natur aus- und in JEsum eingeht, ein Glaube, der mit Ihm in innere Vereinigung kommt, so dass Er unser Haupt wird, wir seine Glieder. Nur vermöge dieser Lebensgemeinschaft zwischen uns und Christo können wir Ihn als unseren Stellvertreter ansehen. Stellvertreter leichtsinniger Sünder und Welt- und Mammons- und Bauchdiener - das will JEsus nicht sein, denn Er ist kein Sündendiener, sondern Sündentilger. Sein Tod muss daher in uns ein Tod der Sünde und fleischlichen Natur werden, ein Kreuzigen unseres Fleisches samt seinen Lüsten und Begierden. Dazu treibt uns die Liebe zu Ihm, der uns bis in den Tod geliebt und unnennbare Schmerzen und Martern um unserer Sünde willen erduldet hat. Sterben wir so mit Ihm der Welt und Sünde, so wird auch sein Leben unser Leben, so ist unser Tod, unser ganzer Sündenfluch auf ewig in Ihm getilgt und die Gemeinschaft der Liebe mit Ihm stärkt uns, Ihm zu leben, Ihm zu leiden, Ihm zu sterben und als sein Eigentum in seinem Reich zu leben in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit.

Und wenn da auch noch täglich die Sünde uns anklebt und uns träge macht, wenn nur das Herz Ihm angehört und wenn wir nur aus jeder Sünde uns in Buße erneuern mit dem festen Vorsatz, keine Sünde mehr zu tun; so wird dann die Liebe JEsu doch immer mächtiger in uns und unser Wesen durch seinen heiligen Geist je mehr und mehr verklärt in sein Bild von einer Klarheit in die andere, da unser Sinn der ist:

Ach, ich muss, ich muss dich lieben,
Und dir leben,
Seel' und Leib Ewig bleib'
Deinem Dienst ergeben.

Was wir nicht vermögen, das will der heilige Geist in uns vollenden, Christum und seine Liebe in uns verklären, dass sein Leben immer mehr unser Leben werde und wir trachten, in die GOttes- und JEsus-Ähnlichkeit immer tiefer einzudringen und so das in Adam verlorene Ebenbild GOttes wieder zu erlangen. Da geht's freilich durch viele Stufen, bis das letzte „es ist vollbracht“ auf Erden, und das seligste „es ist vollbracht“ im Himmel dann von uns ausgesprochen werden kann, wenn auch unser nichtiger Leib in der Auferstehungsherrlichkeit verklärt wird, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leibe.

Dann grüß' ich dich, du gold'ne Stadt,
Die lauter neue Wunder hat;
Ich schaue dich und deine hohe Pracht,
O dass ich wär' schon längst dahin gebracht!

Aber jetzt schon singen die Erlösten:

Wie freut sich mein ganzer Sinn, Dass ich schon eingeschrieben bin
In der verlobten Glieder Zahl Durch meines holden Königs Wahl!
Wie gerne mach' ich mich mit Nichts gemein,
Weil ich ein reines Glied der Braut will sein! Amen.

1)
ursprünglich auch Topf, aus Ton hergestellter Gegenstand, erst später ein Bruchstück
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