Kapff, Sixtus Carl von - Am Erscheinungsfest, das zugleich Missionsfest war.

Kapff, Sixtus Carl von - Am Erscheinungsfest, das zugleich Missionsfest war.

Text: Jes. 60 1 - 6.
Mache dich auf, werde Licht; denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des HErrn gehet auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich, und Dunkel, die Völker; aber über dir gehet auf der HErr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Heiden werden in deinem Lichte wandeln, und die Könige im Glanz, der über dir aufgehet. Hebe deine Augen auf und siehe umher; diese Alle versammelt kommen zu dir. Deine Söhne werden von Ferne kommen und deine Töchter zur Seite erzogen werden. Dann wirst du deine Lust sehen und ausbrechen, und dein Herz wird sich wundern und ausbreiten, wenn sich die Menge am Meer zu dir bekehret und die Macht der Heiden zu dir kommt. Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die Läufer aus Midian und Epha. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen, und des HErrn Lob verkündigen.

„Lobet den HErrn alle Heiden, preiset ihn alle Völker. Denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit. Hallelujah!“ Dieser Lobgesang des 117ten Psalm enthält die große Verheißung, „dass noch alle Völker der Erde einstimmen werden in das Lob GOttes.“ Das wird dann erfüllet werden, wenn der Sohn, die Ehre des Vaters, König ist über alle Lande“ (Sach. 14, 9.). Er, zu dem der Vater in den Tiefen der Ewigkeit gesprochen hat: „du bist mein Sohn, heute habe Ich dich gezeugt, heische von mir, so will Ich dir die Heiden zum Erbe geben und der Welt Ende zum Eigentum“ (Ps. 2, 7. 8.), weswegen der 72ste Psalm verheißt: „Alle Könige werden Ihn anbeten, alle Heiden werden Ihm dienen und Ihn preisen. Gelobet sei sein herrlicher Name ewiglich! Alle Lande müssen seiner Ehre voll werden. Amen. Amen.“ - Die Erfüllung dieser weitaussehenden Verheißung begann durch den wundervollen Stern, der im fernen Morgenlande die Geburt des Weltheilandes ankündigte, und durch den das Licht, das in Bethlehem über der Menschheit aufgegangen war, seinen Friedensschimmer auch in die finstern Gefilde des Heidentums hineinleuchten ließ. Als die Ersten, die dem Lichte folgten, sehen wir die Weisen in unserem Evangelium vor dem JEsuskind anbeten und ihre Schätze auftun. Diesen Erstlingen des Heidentums sind Tausende und aber Tausende gefolgt, und von Jahrhundert zu Jahrhundert und von Volk zu Volk hat die Kirche Christi sich immer weiter ausgebreitet, und bis auf diesen Tag ist in ein Land nach dem andern der Freudenruf unseres Textes gedrungen: „Mache dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des HErrn gehet auf über dir.“ Auch in unser Land, auch in unser Thal ist dieser Ruf gedrungen, und wo einst in dichten Wäldern ein rohes Volk vor rohen Götzenbildern anbetete, da steht jetzt das Kreuz als das Panier eines christlichen Volkes, und da feiern wir jetzt ein Missionsfest zum Dank für das, was der HErr von jenen ersten Weisen an bis auf uns herab an Weisen und Thoren, an Hohen und Niederen, an Heiden und Juden getan hat.

Doch wenn wir herumblicken auf der weiten Erde, wie viel Land ist noch da, das Christo nicht huldigt, wie viele Völker, die nichts von Ihm wissen, und wie viele selbst in der Christenheit, die Ihm den Rücken kehren! Ach, da gilt noch immer der Schmerzensruf unseres Textes: „Finsternis bedecket das Erdreich und Dunkel die Völker.“ Ja, wenn die, denen das Licht aufgegangen war, in immer tieferem Abfall wieder eine gräuliche Finsternis hereinziehen, wo ist da noch Grund zur Hoffnung? Da ist Hoffnung, wo der HErr sein Licht aufsteckt. Das hat Er getan durch die Verheißungen unseres Textes und so vieler anderer Stellen seines Wortes, und dass seine Worte erfüllt werden, das zeigt Er uns doch durch viele erfreuliche Tatsachen, mit welchen unsere Zeit besonders durch das Missionswerk den Sieg seiner heiligen Reichssache ankündigt. Daran wollen wir auch jetzt unsere Hoffnung aufrichten, indem wir betrachten

Die Verheißungen des Missionswerkes.

Wir sehen

  1. was der HErr dem Missionswerk verheißt,
  2. was das Missionswerk uns verheißt.

HErr! HErr! dein Reich komme! Amen.

I.

Was der HErr dem Missionswerk, d. h. der Ausbreitung seines Reiches auf der Erde verheißt, das sagt unser Text. Er wendet sich an Jerusalem und das Volk Israel, und verheißt ihm, dass der HErr über ihm aufgehe und seine Herrlichkeit über ihm erscheine. Dies ist geschehen durch die Erscheinung Christi unter dem Volk Israel. JEsus sagt: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolget, der wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh. 8, 12.). Dieses Licht hätte alle Israeliten erleuchtet zum ewigen Leben, wenn sie es angenommen Hätten. Aber weil die Meisten es verwarfen, deswegen müssen wir sagen, dass die Verheißung, die in unserem Text und so vielen andern Stellen dem Volk Israel gegeben wird, noch lange nicht erfüllt ist. Israel ist zerstreut in alle Welt und gehört zu den Völkern, die von Finsternis und Dunkel bedeckt sind. Demnach muss nach unserem Text noch eine andere Zukunft Israels bevorstehen, da die Worte an ihm wahr werden: die Herrlichkeit des HErrn erscheinet über dir; es muss noch dahin kommen, dass Israel nicht bloß nach einzelnen Theilen, sondern als Volk sich bekehrt zu Christo, und so wieder in die Rechte des alten Bundes- und Verheißungs-Volkes eintritt. Dann erst werden die allumfassenden Verheißungen unseres Textes erfüllt: „die Heiden werden herzukommen zu deinem Lichte (nach dem Hebräischen) und die Könige zu dem Glanz, der über dir aufgeht. Hebe deine Augen auf und siehe diese Alle versammelt kommen zu dir.“

Dieses Wort passt auf keine Zeit der bisherigen Geschichte Israels. Als die Heiden Christen wurden, da hatte Israel sich abgewendet von Christo, und es war da kein Jerusalem und kein Zion und kein Volk mehr, zu dem der HErr hätte sagen können: „diese Heiden alle kommen zu dir.“ Dann erst kann das gesagt werden, wenn erfüllt ist, was wir weiter lesen: „deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter zur Seite erzogen“ d. h. auf den Armen getragen, an der Hand geführt werden. Israels Kinder werden aus der Zerstreuung in allen fernen Ländern wieder nach Jerusalem kommen und ihren Gesalbten, Christum, als ihren rechtmäßigen König anbeten, und dann wird geschehen, was unser Text sagt: „Du, Volk Israel, du wirst deine Lust sehen und ausbrechen, und dein Herz wird sich wundern und ausbreiten (nach dem Hebräischen: von heiligem Schauer ergriffen sich freuen), wann sich die Menge am Meer zu dir bekehrt und die Macht der Heiden zu dir kommt.“ Wann hat Israel je sich so gefreut über eine Menge bekehrter Heiden? Von dem Allem war bisher gerade das Gegenteil. Aber was GOtt gesprochen hat, das wird geschehen. Israel wird wiederhergestellt werden und wird die Heiden zur Nacheiferung im Glauben an den Messias reizen, so dass von Israel aus ein Glanz neuen Lebens über die Heidenwelt ausgeht.

Ja, auch die, welche jetzt so tiefe Verachtung gegen Israel zeigen, die Muhamedaner, werden dem bekehrten Israel zufallen und nach seinem Vorbild Christum anbeten. Das sagt unser Text mit den Worten: „Die Menge der Kamele wird dich bedecken, die Läufer aus Midian und Epha; sie werden aus Saba Alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HErrn Lob verkündigen. Alle Herden in Kedar sollen zu dir versammelt werden und die Böcke Nebajoths sollen dir dienen.“ Hier sind arabische Hauptstämme genannt, die sich entweder nie zum Christentum bekehrt haben, oder doch nie so, dass gesagt werden könnte: „Alle.“ Aber unser Text verheißt, alle diese Stämme Ismaels, die später ganz in die Gewalt des falschen Propheten gekommen sind, sollen zu Israel und Jerusalem kommen und mit ihm des HErrn Lob verkündigen. Wie wunderbar erscheint diese Verheißung, wenn wir an die jetzige Feindschaft der Muhamedaner gegen Israel und gegen Christum denken! Wie wird es doch noch so ganz anders werden auf der jetzt so elenden, zerrissenen Erde!

Diese große Veränderung schildert das ganze Kapitel, aus dem unser Text genommen ist. So begierig werden die Völker nach dem Heil in Christo sein, dass sie fliegen wie die Wollen und wie die Tauben zu ihren Fenstern; wie die Tauben zu ihrer Heimat eilen, so suchen die Völker ihre geistliche Heimat in Jerusalem, nicht in dem, das im Schutt und unter dem Fluche lag und noch liegt, sondern in dem, das neu hergestellt werden wird, zu dem unser Textkapitel sagt: „Fremde werden deine Mauern - das hat bereits angefangen - bauen und ihre Könige werden dir dienen. Denn in meinem Zorn habe ich dich geschlagen und in meiner Gnade erbarme ich mich über dich. Und deine Thore sollen stets offen stehen Tag und Nacht, dass der Heiden Macht zu dir gebracht werde. Es werden auch gebückt zu dir kommen, die dich unterdrückt haben, und Alle, die dich gelästert haben, werden niederfallen zu deinen Füßen und werden dich nennen eine Stadt des HErrn, ein Zion des Heiligen in Israel. Weil du bist die Verlassene und Gehasste gewesen, da Niemand ging - wie buchstäblich ist dies erfüllt worden - will ich dich zur Pracht ewiglich machen und zur Freude für und für.“ Das Alles ist noch nie erfüllt worden, und wer es geistlich deuten wollte, müsste die Hälfte der Worte als nichtssagend, die Hälfte als übertrieben erklären. So aber darf man mit dem Worte GOttes nicht umgehen, sonst könnte man am Ende die heiligsten Wahrheiten als poetische Ausschmückung und Übertreibung erklären.

Was unser Kapitel sagt, das sagen viele andere Stellend In allen Propheten kommt auf die Drohung der Strafgerichte über Israel die Verheißung einer herrlichen Wiederherstellung Israels, einer Gnaden- und Friedenszeit, wo GOtt ihnen alle ihre Missetat vergeben, aus allen Völkern sie sammeln und einen neuen Bund mit ihnen machen werde, indem sie auf ganz andere Weise, als unter dem alten Bund, sein Volk sein sollen und Er ihr GOtt. Da wolle Er sie von aller Unreinigkeit reinigen und seinen Geist in sie geben, dass sie ein neues Volk werden, dass GOttes Name durch sie unter den Heiden geheiligt werde, und sie sollen in dem Land wohnen, das ihre Väter gehabt haben, aber es soll dann sein, wie ein Lustgarten, was zerrissen war, soll gebaut, was verheert war, gepflanzt werden, und die zerstörten Städte sollen voll Menschenherden sein“ (Jer. 31, 33 ff. Ezech. 34, 36.37.). „Da soll dann Israel, nachdem ihr Gefängnis gewendet ist, das werte Land sein, von allen Heiden selig gepriesen und zu Lob und Ehren gemacht unter allen Vollem (Mal. 3, 12. Hos. 3, 5. Mich. 4, 1-5. Zeph. 3, 20.).

Im Neuen Testament sagt JEsus Luc. 21, 24.: „Jerusalem werde von den Heiden zertreten werden, bis dass der Heiden Zeit erfüllt wird“ und das Gericht wieder über die Heiden kommt. Dieses „bis“ zeigt deutlich an, dass die jetzige Zertretung Jerusalems ein Ende haben und eine Erlösung ihm kommen wird. Diese Erlösung kündigt Paulus Röm. 11, 25. an: „Blindheit ist Israel einestheils widerfahren, so lange, bis die Fülle (die Ergänzung) der Heiden zur Kirche Christi eingegangen sei und also das ganze Israel selig werde.“ Also das ganze Volk Israel soll noch bekehrt und selig werden. Das wird geschehen, wann der HErr stimmt. Nach allen Stellen, die seine Wiederkunft in der Herrlichkeit ankündigen, ist vor dieser eine so bedeutende Veränderung zum Guten nicht zu hoffen; vielmehr nimmt in der letzten Zeit der Abfall von Christo so überhand, dass ein ganzes Heer von Antichristen unter zehn Königen sich zu der satanischen Fahne des Hauptantichristen schlagen und gegen die wahren Jünger JEsu zu Felde ziehen wird. Da bedeckt im höchsten und letzten Grade Finsternis das Erdreich und Dunkel die Völker. Aber der HErr wird kommen in den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit, als der König aller Könige und HErr aller Herren, und wird das ganze antichristliche Heer vertilgen und seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, und alle Königreiche der ganzen Erde werden Ihm gegeben werden, so dass Er allein König sein wird und alles Gesetz von Ihm ausgehen.

Das ist das tausendjährige Friedensreich, von dem Jesaias (9) sagt: „Des Friedens wird kein Ende sein in seinem Königreich;“ das ist die Zeit der schönsten und ehrenvollsten Entwicklung unserer Erde, in welcher die unsere Sehnsucht längst erregenden Verheißungen GOttes erfüllt werden an allen Vollem. Israel wird sich bekehren, wenn es Den gesehen hat, welchen seine Väter zerstochen, gekreuzigt haben, und dann werden sie diese ihre Schuld beklagen, wie man klaget um ein einiges Kind, und werden sich um ihren Messias betrüben, wie man sich betrübet um ein erstes Kind. Das sagt Sacharia (12, 10.) und bezeichnet damit die Zeit, da die Bekehrung Israels geschehen werde. Der Anblick des Gekreuzigten in seiner göttlichen Majestät wird auf das Volk Israel einen so gewaltigen Eindruck machen, dass sie nimmer widerstehen können, sondern in Buße und Glauben Ihm huldigen müssen.

Ebenso aber wird dann die Bekehrung Israels den tiefsten Eindruck auf die Heiden machen. Wenn ein lange im Unglauben Versunkener zum Glauben an Christum kommt, so ist das eine gewaltige Predigt für alle andern Ungläubigen. Solche Prediger werden die in Masse zu Christo bekehrten Israeliten für die ganze Heidenwelt sein, schon ohne Worte, aber gewiss auch durch das Wort, das sie den Heiden verkündigen werden. Nicht leicht hat ein Volk so viele natürliche Gaben für den Missionsdienst, wie die Israeliten. Sie werden mit Macht unter den Heiden Christum den Gekreuzigten und Verherrlichten predigen, und da werden dann die vielen Verheißungen erfüllt werden, dass noch alle Heiden auf der Erde sich bekehren sollen zu GOtt und seinem Gesalbten. So sagt der HErr schon zu Abraham: „In deinem Samen sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde.“ David, nachdem er Christi Leiden geschildert, sagt Ps. 22, 28.: „Es werde gedacht aller Welt Ende, dass sie sich zum HErrn bekehren und vor Ihm anbeten alle Geschlechter der Heiden.“ Jesajas verheißt: „der HErr wird auf dem Berge Zion die Hülle wegtun, womit alle Völker verhüllet sind, und die Decke, damit alle Heiden zugedeckt sind. Denn Er wird den Tod verschlingen ewiglich. Und der HErr HErr wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volkes in allen Landen.“

Nach den Worten des HErrn soll „die ganze Erde seiner Erkenntnis) und Ehre voll werden, wie mit Wellen des Meeres bedeckt“ (Jes. 11, 9. Hab. 3, 14.), und: „Christus soll nicht bloß das verlorene Israel wiederbringen, sondern auch das Licht der Heiden sein und das Heil GOttes bis an der Welt Ende“ (Jes. 49, 6.). Nach Zeph. 2, 11. „wird der HErr alle Götzen auf Erden vertilgen, und es sollen Ihn anbeten alle Inseln der Heiden, ein Jeglicher an seinem Ort.“ Jerusalem wird zwar der Zentralpunkt des großen Friedensreiches sein, wohin die Völker oft kommen, von wo sie aber wieder in ihre Orte gehen, um dort, wie in Jerusalem, anzubeten, was im alten Bund nicht so war. Nach Zeph. 3, 9. „sollen alle Völker den Namen des HErrn anrufen und Ihm dienen einträchtig“ -wie weit sind wir davon noch entfernt, wie viel Zwietracht, auch unter Gläubigen! Aber dann wird nach Sach. 14, 9. „der HErr für Alle nur Giner sein und sein Name nur Einer, „ und „vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang soll sein Name herrlich werden unter allen Heiden“ (Mal. 1, 11.).

O, wer sehnt sich nicht, diese herrliche Zeit unserer Erde zu erleben! Und wer freut sich nicht mit innigster Teilnahme des teuren Missionswerkes, dem so große Verheißungen gegeben sind! Freilich ist Alles, was bis jetzt durch das Missionswerk geschah, klein gegen der Völkerbekehrung im tausendjährigen Reiche; aber doch ist Alles, was jetzt geschieht, eine ungemein wichtige und notwendige Vorbereitung zu den herrlichen Erfolgen, die wir noch hoffen, und auch schon diese Vorbereitung hat große Verheißungen von dem HErrn. Er sagt Matth. 24, 14.: „es wird gepredigt werden das Evangelium vom Reich in der ganzen Welt, zu einem Zeugnis über alle Völker, und dann wird das Ende kommen.“ Hier ist zwar nicht die Bekehrung aller Völker verheißen, denn die geschieht erst nach dem Ende des gegenwärtigen Weltlaufes, d. h. nach der Zukunft des HErrn: aber doch ist verheißen, dass das Missionswerk wirklich alle Theile der Erde durchdringen werde, wozu der HErr auch den ausdrücklichen Befehl gibt in den Worten: „Gehet hin und lehret alle Völker, und gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur“ (Matth. 28, 19. Marc. 16, 15.).

So verheißt uns das Wort des HErrn, dass das Licht, das in Ihm aufgegangen, als eine allerleuchtende und allbeseligende Sonne unsere ganze Erde überstrahlen solle, so dass Israel, Ismael und alle Heiden, Sem, Ham und Japhet und ihre Millionen Kinder mit einander noch auf dieser Erde das große Lob JEsu Christi singen und vor Ihm alle Kniee sich beugen und alle Zungen schwören und sagen: „im HErrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke“ (Jes. 45, 23.). Das verheißt der HErr dem Missionswerk. Wir wollen nun

II.

dieses selbst kurz in's Auge fassen und sehen, was das Missionswerk uns verheiße. Es ist ein schön grünendes Saatfeld, das die reichste Ernte verspricht, und wenn auch hie und da mit Schnee bedeckt, wie jetzt unsere Felder, so wird die Frühlingsauferstehung nur um so schöner sein. Unglaublich viel ist seit Anfang unseres Jahrhunderts auf diesem Felde geschehen. Vor vierzig Jahren schlummerte noch fast alle Teilnahme für die Heiden in der Christenheit, namentlich in Deutschland, und nur wenige Missionare standen wie verlassene Vorposten einsam als kleine Fünklein in der ungeheuren Nacht des Heidentums draußen. Jetzt1) arbeiten 28 evangelische Missions-Gesellschaften mit zahlreichen Hilfszweigen, und 5000, mit den Laiengehilfen der Methodisten 11.000 Arbeiter stehen draußen unter fast allen Vollem und werfen das Netz aus auf 900 Missionsstationen, und die Summe, die alle Jahre diesen Gesellschaften zufließt, beläuft sich auf 7 Millionen Gulden. In England allein sind über 20 verschiedene religiöse Gesellschaften fürs In- und Ausland, die in Einem Jahr 10 Millionen Gulden für das Reich GOttes verwenden. Die englische Bibelgesellschaft allein hat seit 37 Jahren über 30 Millionen Gulden ausgegeben und 11 Millionen Bibeln und Testamente verbreitet. In Europa sind 54 Haupt-Bibelgesellschaften, in Deutschland und der Schweiz 37 mit zahlreichen Hilfsgesellschaften. Alle Bibelgesellschaften zusammen haben schon über 20 Millionen Bibeln und Testamente verbreitet, und das Wort GOttes in 160 fremden Sprachen den Völkern, die in Finsternis saßen, zugebracht. Bedenken wir, dass Eine Bibel ein Missionar ist, so ist gar nicht zu berechnen, wieviel diese 20 Millionen schriftliche Missionare wirken müssen. Von dieser Bibel- und Missionstätigkeit scheu wir denn auch schöne Früchte in der Heidenwelt. Wo noch vor 20 und noch vor 10 Jahren die roheste Wildheit und der schändlichste Götzendienst herrschte, da blinkt jetzt das Kreuz von christlichen Kirchen herab, und Schaaren, deren Blutdurst keine Macht zu zügeln im Stande war, sitzen begierig zu den Füßen der Missionare. So in Neuseeland, dessen Einwohner in beständigen Kriegen lebten und ihre höchste Lust darin fanden, Menschenfleisch aufzufressen und das Blut der grausam Gemarterten zu trinken wie Wasser, so dass z. B. einer ihrer Häuptlinge mit seinen Leuten hinging und ohne Ursache 1000 Mann erschlug, wovon 300 gebraten und aufgefressen wurden; wenn Missionare kamen, so erschienen die Kannibalen am Ufer und befühlten das Fleisch der weißen Männer, ob es wohl fett und schmackhaft wäre. Das war noch vor wenigen Jahren: jetzt aber sind in diesem schauerlichen Lande 10 Missionsstationen mit 26 Missionaren und über 40 bekehrten Neuseeländern als Lehrern, 2000 Menschenfresser sind bekehrt, 30.000 im Unterricht, und ein einziger Missionar hat nur innerhalb zweier Jahre 426 meist Erwachsene getauft, wovon nur 10 wieder in grobe Sünden, keiner aber vom Christentum abfiel. Bei der letzten jährlichen Schulprüfung erschienen 1500 Menschen, die vorher nur blutige Keulen, Schwerter und Spieße geschwungen hatten, und setzten sich wie Kinder zu den Füßen der-Lehrer; sie waren zum Theil vier Tagreisen weit her, gekommen. 10.000 Testamente unter ihnen werden mit solcher Begierde gelesen, dass ein Häuptling eine Reise von drei Wochen machte, um ein Testament zu erhalten. Dabei zeigt sich die Macht des Wortes GOttes auch darin, dass die Versuche der katholischen Priester von dem Volke selbst verworfen werden, und Viele, die in das römische Netz gefangen waren, zur evangelischen Kirche übertraten, weil die katholische Religion zu viel Ähnlichkeit mit ihrer alten heidnischen habe.

Auf den Sandwichsinseln war noch vor 20 Jahren ein tief versunkenes Volk, das sich durch Unsittlichkeit, Kriege, Menschenopfer und Mord der Kinder vollends aufgerieben hätte. Eine einzige Frau hat 17 eigene Kinder ermordet. Jetzt ist sie bekehrt, jetzt ist dort ein christliches Volk, ein geordneter Staat, Künste und Gewerbe blühen, und Druckerpressen und Erziehungsanstalten verbreiten Licht unter allen Ständen. Im Jahr 1840 allein ist die Zahl der Christen um 10.000 gewachsen, und 34 Predigt- und Schulhäuser wurden neu gebaut, wozu die junge Gemeinde selbst über 10.000 Gulden beitrug.

Christlich gewordene Neger rechnet man jetzt im Ganzen etwa 100.000. Die Abschaffung des Sklavenhandels, wofür England 240 Millionen Gulden zahlte, hilft viel auch zur wahren Freiheit. Auf der großen Insel Jamaica sind so viele Neger bekehrt, dass man die Mission dort jetzt aufgeben und zu einer förmlichen Kirche erheben will. In Einem Jahr sind zu der Kirche der Baptisten 3000 Neger hinzugetreten, so dass diese Kirche jetzt 27.700 Getaufte, 19.000 Alte und 17.200 Kinder im Unterricht hat. Die Brüdergemeinde hat auf dieser einzigen Insel 12.000 bekehrte Seelen. Die Methodisten haben in Ostindien 80.000 Kommunikanten; in Einem Jahr wuchs die Zahl um 3000. In Ostindien überhaupt erlangt die Sache Christi solche Siege, dass Heiden und Muhamedaner laute Besorgnisse über den Sturz ihrer Religionen haben; ganze Stämme werfen ihre Götzen weg, und oft geht es wie bei dem Scharnarstamm, dem ein bekehrter Hindu mehrere Jahre lang predigte, ohne dass sich Jemand änderte. Aber als er, ohne eine Frucht zu sehen, starb, da erwachte der ganze Stamm, sie versammelten sich und einer ihrer Anführer trat in den Götzentempel mit dem Ruf: „O Christe, hilf uns!“ Dann schlug er mit seinem Beil den Hauptgötzen zusammen. Die Andern zerstörten die übrigen Bilder und Altäre und schleiften den Tempel. Eine- Menge umherstehender Heiden lästerte und drohte, aber das erweckte Volk rief: „Diese elenden Götter sind nichts, der HErr JEsus Christus allein ist GOtt, und Ihn beten wir Alle an. Er wird uns beschützen bis an's Ende.“

Solche Siege Christi werden immer häufiger. In der Hauptgötzenstadt Benares wandten sich die Heiden an die Missionare mit der Bitte, sie möchten ihnen nur den Kastenunterschied lassen, und dass sie sich nicht Christen, sondern Verehrer des HErrn nennen dürfen, so werde ihr halbes Volk, d. h. Millionen von Heiden ihnen zufallen. Überall sind offene Thüren, in ganz Australien, in ganz Afrika, selbst in Schoa und bald vielleicht auch wieder in Abessinien, unter abgestandenen Christen, Muhamedanern, Heiden und Juden; auf Madagaskar ist zwar noch Verfolgung, aber dafür herrliches Märtyrertum vieler Blutzeugen, deren Blut gewiss auch eine neue Saat der Kirche wird. Auf den weiten Gefilden Ostindiens sind ganze Felder reif zur Ernte, auch in Hinterindien wird vielleicht bald Großes geschehen, da haben sich z. B. viele Karen bekehrt, und da sie zur Strafe 600 Gulden zahlen mussten, haben sie auch das letzte Geräte verkauft, aber von Christo haben sie nicht gelassen. Selbst China's verschlossene Pforten werden aufgetan, und vielleicht bald, wenn der Donner der englischen Kanonen verhallt und, der Stolz und die Macht dieses ungeheuren Reiches gebrochen ist, werden die Posaunen der Friedensboten zu den 360 Millionen Chinesen erschallen. Überall verkündet Alles große Veränderungen, das ganze Morgenland geht einer Umwälzung entgegen und die tote Ruhe von Jahrhunderten ist bis auf den Grund erschüttert. Sind in 40 Jahren gegen 300.000 Heiden und Muhamedaner Christen worden2), wie Vieles ist von der so reichlich ausgestreuten Saat zu hoffen!

Auch unter Israel regt es sich mächtig. Die englische Judenmission hat 21 Missionsstationen mit zahlreichen Arbeitern und Schülern, und in London ist eine Gemeinde von 320 getauften Juden und 80 Schulkindern. Ein Rabbi in Konstantinopel sagte: „Tausende von Juden würden Christen, wenn sie nicht Verfolgung fürchteten.“ Alle Judenmissionare berichten aus den verschiedenen Ländern, dass das ganze Judentum mit seinem Rabbinismus und Talmud erschüttert sei. Nur ist leider statt des alten Aberglaubens neuer Unglaube unter den Juden, namentlich in Europa, herrschend geworden.

Als ein höchst merkwürdiges Zeichen der Zeit haben wir anzusehen, dass in Jerusalem auf dem Berge Zion eine christliche Kirche gebaut wird, in welcher drei Missionare in hebräischen Gottesdiensten Christum predigen vor einem zahlreichen Judenvolk. Ja, im vorigen Jahr hat England und Preußen das Wort: „Könige sollen deine Pfleger und Fürstinnen deine Säugammen sein, „ der Erfüllung näher gebracht, indem sie ein evangelisches Bistum in Jerusalem gegründet haben, und ein Hospital und eine Anstalt für Handwerker unternehmen, wodurch der Mission im heiligen Lande große Hoffnungen erblühen.

So verheißt uns das Missionsfeld auf allen Punkten eine neue Zeit, den Sturz der falschen Religionen und eine herrliche Erneuerung unsres Geschlechtes auf der ganzen Erde. Daher ist das große Werk der Mission so geeignet, auch in der schläfrigen Christenheit neues Leben zu wecken, und schon in mancher Gemeinde hat die Bekanntmachung der Missionsnachrichten neuen Eifer für die Sache JEsu und seines Reiches entstammt. Wenn Tausende armer Heiden mit heißer Begierde ihre Hände ausstrecken nach dem Wort des HErrn, wie schnöde erscheint uns da unser Undank und unsere Gleichgültigkeit! Wenn wir die Gräuel der Nicht-Christen sehen, wie teuer wird uns da, was wir als Christen zu genießen haben! Und wenn wir sehen, wie die Götzen den Dagon gleich zu Boden fallen vor dem Kreuze Christi, wie stärkt das unsere Zuversicht, dass noch alle seine Feinde, auch die unter uns, vor denen wir oft zagen, zum Schemel seiner Füße gelegt werden müssen!

Aber wenn das Missionswerk uns so große Verheißungen und Segnungen bringt, müssen dann nicht auch wir Ihm Etwas bringen und geben? So Vieles schon geschehen ist, so ist es doch wenig gegen das, was noch geschehen muss. Noch schmachten3) gegen 800 Millionen Menschenseelen ohne einen Heiland; noch raubt der Sklavenhandel alle Jahre 500.000 Menschen; noch sind 30.000 Missionare nötig, damit auf je 20.000 Heiden nur ein Missionar komme. Da gibt es auch für uns noch viel zu tun, viel zu beten, viel zu geben und viel zu wirken. So lasst uns nicht müde werden, den Arm des Gebets auszustrecken über Europa und Amerika, Asien, Afrika und Australien, und über alle Völker zu rufen: „Dein Reich komme!“ Aber lasst uns auch trachten, dass wir selbst immer bessere Christen werden und Jedes in seinem Theil durch frommen Wandel ein Missionar werde für seine Umgebungen! Der HErr aber schenke uns Allen die große Mission, die Sendung seines Heiligen Geistes, und erneure dadurch alles Totengebein in uns und außer uns, dass wir mit vielen Millionen zu der großen, unzählbaren Schaar gehören, die Johannes nach unserem Lehrtext im Himmel sähe, aus allen Heiden, Völkern und Sprachen, vor dem Throne GOttes stehen und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und Palmen in den Händen, die schrien mit großer Stimme und sprachen: „Heil sei Dem, der auf dem Stuhle sitzt, unserem GOtt und dem Lamm!“ Amen.

1)
Dies war geschrieben im Jahr 1842. Seither haben sich obige Zahlen zum Theil bedeutend vermehrt.
2)
Jetzt rechnet man über 670.000 Bekehrte.
3)
Die Zahl der Erdenbewohner zu 1200 Millionen angenommen.
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