Hoffmann, C. O. - Eine ungehaltene Vorlesung über die Schicksale der Waldenser

Hoffmann, C. O. - Eine ungehaltene Vorlesung über die Schicksale der Waldenser

Ich habe Sie eingeladen, mit mir einen Blick in die Geschichte einer religiösen Genossenschaft zu tun, die wie keine zweite ein Anrecht an unserer Teilnahme durch einen jahrhundertlangen Kampf gegen die Hierarchie sich erworben hat. Dem neunzehnten Jahrhundert das in Erinnerung zu bringen, was vordem geschehen ist, um die Freiheit des Gewissens mutvoll vor den Herrschgelüsten des Priestertums zu wahren, also das göttliche Recht vor der Gewalttat menschlicher Satzungen, ist notwendiger geworden als je, denn das Gedächtnis des gegenwärtig lebenden Geschlechts scheint in der Tat für die Lehren der Geschichte so kurz zu sein, dass es heute sich nicht darauf zu besinnen vermag, was gestern mit flammenden Worten gepredigt wurde.

So folgen Sie mir denn für eine kurze Zeit auf den Schauplatz jenes Kampfes, auf den Schauplatz jener heroischen Taten, jener entsetzlichen Leiden um der Wahrheit willen, in die im Nordwesten Piemonts gelegenen Gebirgstäler zwischen Sufa, Briancon, Saluzzo und Pignerol. Es wird sich dort ein Stückchen Geschichte vor Ihren Blicken aufrollen, das so reich ist an Beispielen der Überzeugungstreue, des Opfermutes und der Vaterlandsliebe, wie die Geschichte manches großen Volkes es nicht ist, und doch ist es nur die Geschichte kleiner, ein paar Tausend Seelen zählenden Gemeinden, der Gemeinden der Waldenser, die ihren Namen von ihren Wohnplätzen, den reizenden nach Süden geöffneten Alpentälern, valles im Lateinischen, Vallois im Französischen und in alten Schriften valdes genannt, herleiten. Von Morgen nach Abend und von Mittag nach Mitternacht dehnen sie sich nicht weiter als 12 Meilen aus, so dass sie auf der Landkarte ein ziemlich regelmäßiges 144 italienische Meilen großes Viereck bilden. Von diesen Tälern ist das Tal von Luzerne, auch das von Pelis genannt, weil zwei Flüsse Luzerne und Pelis es bewässern, das größte und schönste, zählt sechs Gemeinden zu Mora, St. Jean, La Tour, am Zusammenfluss der Pelis und Angrogne, Villard, Bobbi und Angrogne. Das Tal Perouse, auch das Tal Cluson, vom gleichnamigen Flusse durchströmt zählt die Gemeinden Pramel, St. Germain und Pomaret mit Envers Pinache dicht am Eingange in das St. Martinstal. Zwischen beiden Tälern wohnen auf neutralem Gebiete die Gemeinden Prarustin, Roche Plate und St. Barthelem. Das dritte Tal ist das schon genannte Martinstal, das berühmteste und durch die Natur am stärksten befestigte, denn es wird auf allen Seiten von hohen, fast das ganze Jahr mit Schnee bedeckten Bergen eingeschlossen und bietet nur einen einzigen steilen und deshalb leicht zu verteidigenden Eingang vom Tale Perouse her. Südlich grenzt es an das Luzerner und westlich an das Tal von Queiras in der Dauphine. Hier wohnen die Gemeinden Villeseche, Mancille und Peal, mit einer auf hohem Berge liegenden Kirche, die einzige, die der Zerstörung während der harten Kämpfe entgangen sein soll.

Im Verlaufe unserer Geschichte werden wir mehrere interessante und wichtige Punkte kennen lernen, welche Zeugen der Ausdauer und des Heldenmuts der Waldenser waren. So erhebt sich nördlich von La Tour der Berg Vandalin mit einer Grotte, welche bis 400 Personen fasst und zu welcher man nur durch eine einzige Felsenöffnung auf schmalen steinernen Stufen hinabsteigen kann. Sie diente oft als einziger leicht zu verteidigender Zufluchtsort für die Verfolgten und war sogar mit einem Brunnen und einem Backofen versehen.

Bei Angrogne liegt der sogenannte Pré du Tour, eine von unersteiglichen Bergen eingeschlossene Tiefe, in welchen die Lehrer der alten Waldenser in Zeiten der Gefahr predigten, und bei Maneille erhebt sich der Berg, an dessen Fuß ein kleines Häuflein der Glaubensstreiter im Jahre 1689 und 90 mit Erfolg gegen die Armee des Königs von Frankreich und des Herzogs von Savoyen, die zu ihrer Vernichtung abgeschickt war, Stand hielt.

Wenden wir nun der Entstehung dieser Gemeinden unsere Aufmerksamkeit zu. Es gibt Historiker, welche behaupten, der Apostel Paulus selbst habe in diesen Tälern die ersten christlichen Gemeinden gestiftet. Sie berufen sich dabei auf eine bekannte Stelle in dem Briefe des Paulus an die Römer Kap. 15 v. 24-28, doch scheint diese Behauptung etwas zu gewagt. Eines aber steht fest, dass schon in den ersten christlichen Jahrhunderten das Evangelium in diesen fern entlegenen Tälern ein sicheres Asyl vor den Verfolgungen der römischen Kaiser gefunden hat. Hier in der glücklichen Abgeschlossenheit erhielt sich die christliche Lehre noch in ihrer ersten, einfachen Form, hier war sie gewissermaßen in einem Bollwerk der ursprünglichen Reinheit gesichert gegen die Zutaten, welche es der Priesterherrschaft schon kurze Zeit nach dem Sieg des Christentums über das Heidentum und nach der Erhebung desselben zur Staatsreligion zu verdanken hatte. Der wilde Streit über den Bilderdienst, über die Sakramente, über die geheimnisvollen Dogmen der Dreieinigkeit, welcher die gesamte römische Welt in Flammen setzte und Jammer und blutige Zerstörung in ihrem Gefolge hatte, die Zänkereien und Rangstreitigkeiten der Priester, ihre gegenseitigen Verwünschungen und Bannflüche drangen nicht hinauf in diese glückliche Alpeneinsamkeit, welche der Geist der Freiheit, der wahren Gottesfurcht und des mutigen Glaubens durchwehte.

So fanden sich die Bergbewohner schon um die Zeit Karls des Großen im schneidendsten Widerspruch mit den Lehren der päpstlichen Kirche. Sie gehörten damals zu dem Sprengel des Bischofs von Turin, des wegen seiner außerordentlichen Geistesgaben berühmten und von Karl dem Großen hochgeschätzten Claudius, der im Jahre 820 laut gegen die Missbräuche der römischen Lehre protestierte und es nicht zugeben wollte, dass Jemand aus seinem Sprengel nach Rom wallfahrte, damit er nicht die Pest des Aberglaubens und der Heuchelei mit zurückbringe.

Dass der Bischof von Rom aufs Äußerste darüber erbittert war, lässt sich leicht denken, aber noch reichte der Arm der strafenden Kirche, noch die Macht des Stellvertreters Christi nicht so weit, dass er die Abtrünnigen hätte treffen können, und so lebten denn die Waldenser im 9. Jahrhundert noch unangefochten, obschon das, an dem sie als am wahren Christentum festhielten, schon längst als Ketzerei verdammt worden war. Die Waldenser taten eben nur, was auch an anderen Orten in Frankreich, England und Deutschland damals noch oft ungestraft und mit der größten Kühnheit und Offenheit geschehen durfte, sie widersetzten sich den Neuerungen und Befehlen der Päpste.

Allein bald fühlte sich der Träger der dreifachen Krone, der Nachfolger Petri, stark genug, um Andersmeinende, um die ungehorsamen Söhne der Mutter Kirche dafür zu züchtigen, dass sie in den päpstlichen Dekreten eben nur Menschenwort sehen wollten und sich sträubten an die Unfehlbarkeit und Göttlichkeit derselben zu glauben. Im 12. Jahrhundert war das Papsttum schon hinlänglich erstarkt, um die unumschränkteste Strafgewalt selbst gegen Fürsten üben zu können und die Welt vor seinen Bannstrahlen zittern zu lassen. Umso mehr ist der Mut eines Mannes zu bewundern, der noch dazu als Laie, denn er war nur ein Kaufmann zu Lyon, gegen die päpstliche Suprematie seine Stimme erhob. Dieser Mann war Petrus Waldus, oder Pierre de Vaux. Von der festen Überzeugung durchdrungen, dass Lehre und Leben der römischen Priester mit den Lehren des Christentums in unversöhnbarem Widerspruch standen, opferte er einen Teil seines Vermögens, um einem Gelehrten, Stephan Emsa, den Auftrag zu geben, die vier Evangelien und einige Stellen aus den altberühmten Kirchenvätern ins Französische zu übersehen. Diese Übersetzung verbreitete er unter seinen Bekannten, die sie begierig verschlangen und für deren weitere Bekanntwerdung sorgten. Waldus selbst scheute sich nicht, auf offenem Markt gegen Roms Anmaßungen zu sprechen und den Grundsatz aufzustellen, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen; ein Grundsatz, der in seiner praktischen Anwendung nichts Geringeres war, als ein förmliches Lossagen von der Autorität des Papstes und der von ihm repräsentierten alleinseligmachenden Kirche. Er geißelte das sittenlose Leben der Mönche, er bestritt die Dogmen vom Fegefeuer, von der Messe, von der Bilderverehrung, er verwarf die Sakramente, mit Ausnahme der Taufe und des Abendmahls, kurz er war ein Reformator im ausgedehntesten Sinne des Wortes, würdig, neben seinen unsterblich gewordenen Nachfolgern, Hus, Luther und Zwingli, genannt zu werden. Alexander III., der damalige Papst, säumte nicht, strenge Maßregeln gegen ihn anzubefehlen. Waldus wurde aus Lyon vertrieben und mit ihm zog ein großer Teil seiner Anhänger nach dem südlichen Frankreich, in die Täler von Pragela, Meane und Queiras, also in der Nachbarschaft der Wohnsitze, welche die Waldenser inne hatten und endlich auch in die waldensischen Täler selbst. Dort wurden sie aufs freundlichste und brüderlichste aufgenommen, sie teilten ja dieselben Gesinnungen, in ihnen lebte ja derselbe Glaube, derselbe Mut, die Wahrheit selbst der Gewalt gegenüber frei zu bekennen. Sie bildeten bald mit den Waldensern eine christliche Gemeinschaft und führten denselben Namen. Es ist jedoch ein Irrtum, wenn man, wie einige Geschichtsschreiber tun, behauptet, die Waldenser hätten ihren Namen von dem Stifter der Lyoner Gemeinde, von Petrus Waldus erhalten, Talleute hießen sie schon viele Jahrhunderte vorher. Denn ein altes von ihnen mit großer Pietät aufbewahrtes Gedicht, welches den Titel „La Nobla leyçon“ (edle Lehre) führt und im Jahre 1100 erschien, also weit früher als Petrus Waldus gezwungen wurde, aus Lyon zu fliehen, erzählt von ihnen und rühmt die Einfachheit ihrer Sitten, die Strenge ihrer Grundsätze, während sie von ihren Gegnern darin als verdammungswürdige Ketzer geschildert und mit dem Namen Vaudés belegt worden. Vaudés aber ist nichts anderes als Valdés oder Vallois. Talleute. Zwei Abschriften dieses Gedichts auf Pergament mit alten gotischen Buchstaben geschrieben, haben sich noch erhalten. Die eine derselben wird in der Bibliothek zu Cambridge in England, die andere zu Genf aufbewahrt. Für unsere Ansicht sprechen auch zwei Wortspiele, die ebenfalls bis auf die neueste Zeit gekommen sind, das eine sagt: sie nennen sich Talleute, weil sie im Tränentale wandeln, während das andere, von ihren Feinden verbreitete, die Benennung davon ableitet, dass sie in einem dichten, finsteren Tal des tiefsten Irrtums lebten. In jenem Gedicht und in diesem letzteren Wortspiel waren es also ihre Widersacher, die ihnen den Namen gewissermaßen als Spottnamen beilegten; erst die Geschichte hat ihn in einen Ehrennamen verwandelt. Ursprünglich nannten sie sich selbst Brüder, wie die ersten Christen dies taten, und unterschrieben sich auch als „Brüder“ in ihrem Glaubensbekenntnis, welches sie in Böhmen dem Könige Wladislaw 1471 übergaben. Ebenso ist ein Brief an Calvin unterzeichnet: „die Ältesten der Brüder, die insgemein Waldenser genannt werden.“ Da sie zur Zeit ihrer Verfolgungen oft genötigt waren, in Höhlen und Schluchten Zuflucht zu suchen, so hießen sie auch Grubenheimer. Öfters verwechselte man sie auch mit andern Glaubenssekten, z. B. mit den Lollarden und nannte sie in Erinnerung an die Vertreibung des Waldus „die Bettler von Lyon,“ obschon diese Benennung auf die älteren Waldenser gar nicht passt; der Schimpf- und Ekelnamen nicht zu gedenken, welche die scharfsinnige Rachsucht Roms erfand, um sie vor der Welt zu brandmarken. Was war nun eigentlich der Grund, so müssen wir fragen, der diese Gemeinden dem tödlichen Hass des Priestertums und den grausamen Verfolgungen aussetzte? Diese Frage ist leicht beantwortet, wenn wir einen Blick in den Katechismus werfen, den einer ihrer Lehrer oder Prediger, die von ihnen Lehrer genannt wurden, im Anfange des 12. Jahrhunderts verfasst und herausgegeben hatte. Der Diakon Rössler in Merseburg gibt in seinem Versuch einer Geschichte der Waldenser folgenden kurzen Auszug: Der Mensch ist ein Geschöpf Gottes, vernünftig und sterblich. Seine Bestimmung ist, Gott zu erkennen, ihn zu verehren und durch seine Gnade selig zu werden. Diese Seligkeit zu erlangen, sind dem Menschen drei Haupttugenden notwendig: Glaube, Liebe, Hoffnung. Der Glaube muss lebendig sein und sich durch Werke äußern.

Unser Glaube, heißt es, beruht auf dem apostolischen Bekenntnis. Der Mensch glaubt an Gott, wenn er Gottes Befehle weiß und beobachtet. Es sind zehn Gebote Gottes. Alle beziehen sich auf zwei Hauptgebote: Liebe Gott über Alles und deinen Nächsten wie dich selbst. Auch Jesus verlangt Glauben. Wir glauben an ihn, wenn wir ihn für wahren Gott und wahren Menschen halten, welcher wegen unserer Erlösung in die Welt gekommen ist. Wir glauben auch an den heiligen Geist, der vom Vater und vom Sohne kommt. Den Gott, den wir glauben, verehren wir durch einen äußeren und inneren Dienst. Äußerlich durch Beugen der Knie, Falten der Hände, Absingen geistlicher Gesänge und Anrufungen, innerlich durch redliche Gesinnung, Wohlgefallen an Allem, was Gott gefällt, vorzüglich durch Glauben, Liebe und Hoffnung. Auch die Liebe, als zweite Haupttugend, gilt ihnen nur etwas in ihrer tatsächlichen Erscheinung, im Liebeswerke selbst, in der Liebe ruhte ihnen der ganze Inhalt der menschlichen Pflichten, zu ihr die heranwachsende Jugend zu erziehen, war die Aufgabe der Eltern und Lehrer. Die dritte zur Seligkeit nötige Eigenschaft ist nach jenem Katechismus die Hoffnung: die gewisse Erwartung der Gnade und der künftigen Herrlichkeit (also noch ganz im Sinne des Urchristentums, das auf die leibliche Wiederkunft des Erlösers und die Stiftung des verheißenen Gottesreiches hoffte). Die Hoffnung, sagt der Katechismus, ist eine Gabe Gottes und kommt von den Verheißungen der Heiligen Schrift. Dass die Waldenser nur zwei Sakramente anerkennen, haben wir schon erwähnt. Sie erklärten auch die Verehrung der Heiligen an besonderen, denselben gewidmeten Festtagen für unstatthaft, die Jungfrau Maria galt ihnen nicht als eine Vermittlerin und Fürsprecherin, sie verwarfen den Bilderdienst, die Verehrung des Kreuzes, den Gebrauch des Weihwassers, die anbefohlenen Fasten, von denen man durch Geld dispensiert werden konnte, die Lehre vom Fegefeuer, sie verwarfen die Autorität des Papstes in Glaubenssachen und nannten die Seelenmessen geradezu eine Erfindung geldgeiziger Priester, auch sahen sie die Messe überhaupt für unverträglich mit dem wahren Gottesdienste a.

Nach Perrins Kirchengeschichte soll ein förmliches Glaubensbekenntnis der Waldenser schon im Jahre 1120 verfasst worden sein. Wir finden es in der vom Prediger Leger fortgesetzten Geschichte der Waldenser Kirche aus einer alten Handschrift abgedruckt. v. Moser hält das Bekenntnis, welches zu Angrogne von allen Geistlichen und allen Familienhäuptern am 12. Dezember 1532 aufgesetzt und beschworen wurde, für das einzige echte. Es wurde dem Abgesandten Cromwells, der sich für diese armen Verfolgten eifrig verwandte, 1655 feierlich überreicht, und befindet sich noch jetzt auf der Universitäts-Bibliothek zu Cambridge. Diese Konfession gilt also als Haupturkunde und enthielt 17 kurze Artikel, in welchen auch die Gnadenwahl, die Vorherbestimmung des Menschen zur Seligkeit, wie sie später Calvin lehrte, aufgenommen ist. Verworfen wird darin aber die Ohrenbeichte und Rache, die Ehelosigkeit, die willkürliche Versetzbarkeit und die gezwungene Armut der Geistlichen.

Einfacher, bestimmter und fasslicher als dieses Glaubensbekenntnis lässt sich kaum ein anderes in jenen Zeiten denken. Aber grade seine Einfachheit war das Verbrechen, welches die Priester in ihm bis zur Ausrottung der daran Glaubenden zu verfolgen beschlossen, grade diese Fasslichkeit lieferte den Brennstoff, an welchem sich der rasende Fanatismus der Römlinge entzündete, der nicht davor zurückbebte die Gluten des Scheiterhaufens anzuschüren zur größeren Ehre Gottes und zur größeren Sicherung der hierarchischen Allgewalt, deren Arm ein kleiner, bisher so glücklicher, so gesegneter Erdwinkel sich zu entziehen drohte.

Unter den Waldensischen Brüdern war die Reformation lange vor der Reformation vollendet, an ihnen war die Reaktion des Papsttums gegen das ursprüngliche Christentum spurlos vorübergegangen und als die übrige Welt, die von dem Strom dieser Reaktion bewusstlos mit fortgerissen worden war, nach beinahe tausend Jahren endlich wieder zur Besinnung kam und sehnsüchtig zurückschaute nach den reinen Anfängen des christlichen Lebens, als sie sich anschickten, nach den Quellen des Heils zurückzupilgern, da fanden sie dort an jenen Quellen treu ausharrend die Bekenner der von Menschensatzungen noch unentweihten Evangelien.

An der Spitze der Waldensischen Gemeinden stand ein Barbe, zu Deutsch eigentlich Oheim, eine Bezeichnung für einen älteren gewissermaßen in einem trauten verwandtschaftlichen Verhältnisse zu den Gemeindegliedern stehenden Mann, zum Unterschied von dem in der römischen Kirche üblichen Pater und Papa, woraus die Benennung Papst entstand. Dieser Barbe durfte heiraten. Sein Amt war die Gemeinde zu belehren, die biblischen Bücher durch Abschreiben zu vervielfältigen und sie dem Volk bekannt zu machen und die in den übrigen Ländern zerstreuten Waldenser Gemeinden von Zeit zu Zeit zu besuchen. Nebenbei trieben diese Lehrer die Arzneikunst und beschäftigten sich auch mit mechanischen Arbeiten. Dass ein faules, oder wie mans beschönigend nennt, beschauliches Mönchsleben Gott wohlgefällig. sei, davon hatten sie natürlich keinen Begriff. Sie fanden es auch in der Ordnung den Gottesdienst in der Landessprache abzuhalten, damit die Gemeinde verstehe, was sie mit Gott und von Gott rede. Außer dem Barben bildeten die Gemeindeältesten und die Diakonen das beratende Konsistorium, welches bei wichtigen Entscheidungen mit sämtlichen Familienhäuptern zur Beschlussfassung zusammentrat. Alle zwei Jahre wurden Generalversammlungen, Synoden gehalten, welche für jede Gemeinde einen Ausschuss, Tafel genannt, zur Verwaltung der Geschäfte bis zur nächsten Synode wählte. Die Waldenser kannten wie die ältesten Christen auch die Kirchenbuße, sie traf Mörder, Ehebrecher, Gotteslästerer und Verräter, wurde aber auch bei geringeren Vergehen gegen die Sittlichkeit verhängt und bestand in längerer Ausschließung vom Abendmahl und darin, dass der Büßende vor der gesamten Gemeinde mit lauter Stimme Gott und seine Brüder um Verzeihung bitten und versprechen musste, künftig keinen Anstoß und Ärgernis zu geben. Ein rühmliches Zeugnis für die sittlichen Zustände innerhalb der Gemeinde war die große Seltenheit solcher Kirchenbußen, die deshalb sogar endlich ganz außer Brauch kamen. Umso auffallender sind die Beschuldigungen und Verlästerungen, mit denen der römische Hof über sie herfiel und sie als wahre moralische Scheusale brandmarkte, ohne jemals auch nur den Versuch eines Beweises zu wagen. Dass sie eben an strenger Sitte und Ehrbarkeit hielten, war der in Laster versunkenen Priesterwelt ein Gräuel. Sie hasste sie eben deshalb, weil an ihnen klar zu erkennen war, wie das Leben nach den göttlichen Geboten und nach der menschlichen Vernunft zu führen sei; ein so lebendiges Beispiel war aber gefährlich für die wohlhäbige Sicherheit und Sorglosigkeit der Kirchendiener und Kirchenfürsten und daher der Verdammung und Verfolgung preiszugeben.

Eine Reihe Jahre nach Vertreibung des Petrus Waldus aus Lyon verlebten die durch die Zugewanderten verstärkten Gemeinden in den Piemontesischen Tälern noch ruhig und unangetastet. Als aber ihre Zahl so anwuchs, dass viele sich genötigt sahen, in den Nachbarländern ein Unterkommen zu suchen, namentlich im südlichen Frankreich, in Italien und selbst in Deutschland, so wandte sich die Aufmerksamkeit Roms ihnen wieder zu und bald war es mit dem friedlichen Leben am Ende, bald mussten die Gemeinden in die tiefste Verborgenheit flüchten, um ihren Gottesdienst zu halten. Aber der Argwohn war einmal geweckt. Papst Johann XXII. blutigen Andenkens, ging zuerst zur offenen Verfolgung über und befahl dem General-Inquisitor von Marseille, Johann von Badis, die verdammlichen Ketzereien in den Tälern von Luzern, Angrogne und Perouse auszurotten. Nun brach eine wilde Hetzjagd über die armen Talleute herein; die Meute der Inquisition ward auf sie losgelassen. Erst begnügte man sich, einzelne hervorragende Personen zu fangen, auf die Folter zu werfen und zu töten, weil sie ihrem Glauben treu blieben, dann kamen ganze Gemeinden an die Reihe, das Schicksal ereilte zuerst die Bewohner von Pragela. Ein bewaffneter Haufe römischer Söldner drang in das Tal, raubte, mordete und plünderte in entsetzlicher Weise und brachte seine Beute ungestraft in Susa in Sicherheit. Papst Gregor IX. nahm gar keine Notiz davon. Noch war es dem Papste nicht gelungen, den Waldensern in ihren eigenen Landesherren, den Herzögen von Savoyen Verfolger zu erwecken, denn die Verordnungen derselben aus den Jahren 1448, 1452, 1466 und 1473 zeigten sich noch günstig für sie gestimmt. Aber diese landesväterliche Gunst fand in den Augen Roms keine Gnade. Sie musste durch Verleumdungen und - wo diese nicht halfen - durch Drohungen unterwühlt werden. Dies gelang endlich, als die Herzogin Jolanthe, von welcher noch die letztgenannte günstige Verordnung erlassen war, die Herrschaft über Savoyen angetreten hatte. Sie war ein Weib, das mag ihre Entschuldigung sein. Genug, es steht fest, dass der Erzbischof von Turin Mönche in die Waldensischen Täler ausschickte, um Bericht über die dortigen Zustände abzustatten. Natürlich schilderten sie diese mit den schwärzesten Farben, und nun erließ der Inquisitor André de Aquapendente nebst dem Bischof von Turin im Jahre 1475 einen Aufruf an die Söhne der heiligen Mutterkirche zum Kampf gegen die halsstarrigen Ketzer. Bald schwammen die Täler in Blut, Scheiterhaufen loderten an allen Orten und die Henkersknechte der Inquisition hatten Arbeit vollauf Tag und Nacht. Die Herzogin - entsetzt über die Gräuel, die unter ihren Augen vorgingen, - glaubte entweder ihren Untertanen die Gelegenheit zur Rettung zu bieten, oder sie war eingeschüchtert durch die Drohungen des Papstes, wenn sie 1476 vielen Magistraten den Befehl zuschickte, alles aufzubieten, um ihre Gemeinen in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Jedenfalls war das Rettungsmittel ein verfehltes. Es fiel keinem Waldenser ein, die dargebotene Hand anzunehmen, um dem Märtyrertum zu entgehen, aber auch dem Papst war keineswegs genug getan. Im Jahre 1487 (andre, jedoch zweifelhafte Angaben nennen das Jahr 1477) erließ Innocenz VIII. eine Bulle gegen die Waldenser, worin er nicht etwa die Absicht aussprach sie in den Schoß der Kirche zurückzuführen, sondern worin er ausdrücklich befahl, sie als „eine verfluchte, mit der verderblichsten Ketzerei befleckte Sekte völlig zu vertilgen und gleich giftigen Ottern zu zerquetschen, um die Völker im Bekenntnis des wahren Glaubens zu befestigen.“ Der Stattalter Christi, der Verkünder der Liebesbotschaft hatte gesprochen, und es fehlte natürlich nicht an frommen und eifrigen Christen, seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Der Doktor beider Rechte, Albert de Capitaneis, wurde zum päpstlichen Bevollmächtigten ernannt, das Kreuz gegen die Waldenser zu predigen, allen die Teil am Kampfe nehmen würden, großen Sündenablass zu verkündigen und ihnen feierlich das Recht zur Plünderung der Waldensischen Ortschaften zuzusprechen. Die Folgen kann sich jeder selbst ausmalen. Durch Drohungen zwang der päpstliche Sendbote den Herzog von Savoyen, den König von Frankreich und andre benachbarte Regenten ein Heer von 24.000 Mann zu stellen, das nun in mehreren Abteilungen in die Waldensischen Täler gleich Räuberhorden hereinbrach. Aber es fand die Einwohner nicht unvorbereitet. Auch sie hatten zu den Waffen gegriffen und schlugen nun mit einer Kühnheit und Todesverachtung, die nur wenige Beispiele in der Geschichte hat, ihre Feinde fast überall zurück. Ein ganzes Jahr hielten sie sich gegen die Übermacht und der heilige Zweck des heiligen Vaters blieb unerreicht, denn der Landesherrscher, Herzog Philipp VII., war durch die Leiden seiner Untertanen gerührt, die Liebe zu ihnen überwog seine Furcht vor dem päpstlichen Bannfluch. Er schickte nach den Tälern einen Bischof, forderte die Waldenser auf, Abgesandte zu ihm zu schicken, die wegen des Ergreifens der Waffen gegen ihn um Verzeihung bitten sollten, dann wolle er ihnen Frieden zusichern. Die Waldenser waren treu ihrem Glauben, aber auch treue Untertanen. Sie fügten sich, baten um Verzeihung, zahlten sogar als Buße eine Summe Geldes an den Herzog und dieser erklärte dagegen, er habe keine besseren Untertanen als sie. Was half ihnen jedoch diese landesväterliche Milde? In ihrer Mitte und zwar in einem Kloster zu Pignerol hatten die Inquisitoren sich eingenistet und führten nun mit ihren Söldnern und allen Mitteln der List und Gewalt einen Guerilla-Kreuzzug, indem sie Einzelne überfallen, fortschleppen und im Geheimen abwürgen ließen. Die Waldenser befanden sich daher immer im Zustande der Vogelfreiheit und konnten Tag und Nacht ihre Waffen nicht von der Seite tun, um zu den gewohnten friedlichen Beschäftigungen zurückzukehren.

Da sie, wie wir sahen, der Reformation längst vorausgeeilt waren, so wurde es den schweizerischen Reformatoren nicht schwer, sie zu einem Anschluss an die große und allgemein gewordene Bewegung zu vermögen. Dies geschah am 12. Dezember 1532 in einer allgemeinen Versammlung zu Angrogne. Natürlich war Rom nicht müßig. Mönche durchstrichen die Täler als Spione der Inquisition und statteten an den Erzbischof von Turin die nötigen Berichte ab, welcher sich zur Abwehr der Ketzereien an den Herzog Carl wandte. In einem Gutsbesitzer Pantalcon Bressour fand dieser ein williges Werkzeug. Dieser fertigte eine Proskriptionsliste aller echten Waldenser an und legte dieselbe dem Ketzergericht vor, welches den Befehl des Herzogs, 28. August 1535, erwirkte, die Verzeichneten sämtlich einzukerkern und zum Übertritt in die alte Kirche zu zwingen, die Hartnäckigen aber zu bestrafen. Mit einem Korps von 500 Mann wollte Bressour diesen Befehl exekutieren, er überfiel die nichts Böses ahnenden unvorbereiteten Talleute und richtete ein großes Blutbad unter ihnen an. Aber unter dem Schutz der auf diesen Schreckenstag folgenden Nacht sammelten sich die aufs Äußerste gebrachten Männer und schlugen ihre Unterdrücker am folgenden Morgen aufs Haupt. Der Zweck Bressours war somit nicht ganz erreicht, und wieder nahm er nun zur Hinterlist seine Zuflucht. Er ließ heimlich so viel als möglich aufgreifen und überlieferte sie dem Märtyrertod oder ließ sie in Gefängnissen verschmachten. Ähnliche Verfolgungen wiederholten sich auch auf Anraten eines Dominikaner-Mönches Thomas Giacomello. Eine große Menge wurde auf die Galeeren geschmiedet und verbrannt. Es folgte nun eine kurze Pause der Ruhe für sie, von 1535-1545, aber sie hatten die Ruhe nicht einer besseren Einsicht des Herzogs, sondern der politischen Lage zu verdanken. Franz I. von Frankreich besetzte die Täler und behielt sie 20 Jahre lang. Franz I. hatte mit den auswärtigen Verhältnissen so viel zu tun, dass er sich um die religiösen Verfolgungen nicht kümmern konnte. Dafür benutzten die Inquisitoren ihre Zeit desto besser und ließen die Ketzergerichte die während 10 Jahre ununterbrochene Arbeit mit frischen Kräften wieder aufnehmen. Es gelang ihnen jedoch nicht, den Mut ihrer Opfer zu beugen, denn gerade um diese Zeit wurde die Übersetzung der ganzen Bibel in die Landessprache zu Ende gebracht und überallhin verbreitet. Erbittert über diese Widerstandsfähigkeit drang der Papst Paul IV. und diesmal mit besserem Erfolg in den König, endlich gegen die Waldenser ernstlich einzuschreiten. Dies geschah. 1556 im Frühjahr erschienen Barthelemi Aimé und Augustin de Ecclesia und forderten sie bei Todesstrafe auf, in die Messe zu gehen. Aber ihre Forderung fand kein Gehör, auch dann nicht, als der König selbst sie wiederholte; die Bedrängten hatten diesmal nichts als Bitten entgegenzusetzen und waren glücklich genug, dass ihnen keine Gewalttat antwortete, da mittlerweile, 1559, der Herzog von Savoyen Emanuel Philibert wieder in Besitz seiner Länder kam und er es sich vorbehalten hatte, das Strafamt zu üben. Und er säumte wirklich nicht. Da traten endlich die Bewohner der Täler zusammen und berieten darüber, ob es wohl erlaubt sei, sich mit den Waffen in der Hand Sicherheit gegen ihre Verfolger zu verschaffen. Die Antwort schien leicht zu finden, und doch ward der Entschluss nicht ohne Widerspruch gefasst, denn Treue und Anhänglichkeit an ihren Landesfürsten war eine der Haupttugenden in diesen Alpentälern. Bald standen die Bewohner derselben kampfbereit. Der Herzog versah sich nichts Gutes, denn er wusste, dass ihm beherzte, todesmutige Männer gegenüberstanden. Er dachte deshalb an einen friedlichen Ausweg und schlug dem Papst, vor, ein Religionsgespräch zu gestatten. Er fand aber taube Ohren in Rom. Nur Gewalt, ward ihm zur Antwort, könne die Schweizer, die als hartnäckige Ketzer bekannt seien, bekehren. Der Herzog entschloss sich also aufs Neue zu diesem verzweifelten Mittel und erwarb dazu auf Anraten ihres Generals Lainez die Beihilfe der Jesuiten, für die er zwei Collegia in seinen Landen stiftete. Unterdessen durchstrich der Jesuit Possevin in weltlicher Kleidung die waldensischen Täler und kundschaftete die Versammlungsplätze der Gemeinden aus. Als ihm dies geglückt war überfiel er mit den herzoglichen Soldaten bei Nacht einen derselben, den Flecken St. Germain im Tal von Perouse und begann das Ketzergericht in schaudererregender Weise. Die Priester wurden bei langsamen Feuer verbrannt und die Weiber genötigt, Holz dazu heranzuschleppen. Die Gefangenen wurden in Pignerol dem Scheiterhaufen überliefert. Es half wenig, dass die, die dem Blutbad entgangen waren, zu den Waffen geeilt und ihre Peiniger geschlagen hatten. Mit List und Versprechungen brachte man sie dahin, Frieden zu schließen und außerdem 16.000 Goldtaler als Lösegeld zu zahlen. Kaum waren sie entwaffnet und das Geld zusammengebracht, so begann Possevin ihrer Leichtgläubigkeit hohnlachend das Verfolgungswerk aufs Neue, er verbrannte die Bibelübersetzungen und Gebetbücher der Waldenser, wo er sie fand, zwang ihnen katholische Priester auf und brachte die Widerspenstigen in den Flammen der Scheiterhaufen zur Raison.

Zur höchsten Verzweiflung getrieben, rafften die Betrogenen sich nochmals auf, vernichteten die herzogliche Armee in einer Hauptschlacht und nötigten den Herzog, dessen eigenes Land auf diese Weise verwüstet und dessen Finanzen erschöpft waren, am 5. Februar 1561 zu einem Vergleich, worin er den Waldensern freie Religionsübung und den aus der Heimat Entflohenen und ihrer Güter Beraubten sichere Rückkehr und Zurückerstattung des Verlorenen versprach.

Ja, er hatte es versprochen, und bei diesem Versprechen blieb es denn auch. In der Tat aber wurden die Grausamkeiten nicht einen Augenblick ausgesetzt, früher geschahen sie offen, jetzt heimlich und aus dem Hinterhalt, früher im Auftrag des Landesherren, jetzt ohne dessen Befehl durch den Grafen Trinité, der sich sogar mit Zustimmung des Herzogs französische Soldaten zu Hilfe holte. Jedenfalls wäre den Talleuten ein hartes Los gefallen, wenn Trinité nicht 1565 gestorben und ein zweiter Vergleich mit dem Herzog zu Stande gekommen wäre. Aber trotz dieses Vergleichs erschien wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel noch in demselben Monat der Befehl, dass alle Waldenser binnen acht Wochen ihre Heimat und überhaupt das herzogliche Gebiet bei Todesstrafe verlassen sollten. Schon war man mit der Austreibung in voller Arbeit, da erbarmte sich ein deutscher Fürst, der empört darüber war, wie der Herzog sein Wort hielt, der Armen. Es war Kurfürst Friedrich von der Pfalz. In Kraftausdrücken, wie sie jener Zeit angemessen waren, schrieb er an Emanuel Philibert und hat ihn, diesen Unmenschlichkeiten Einhalt zu tun. Dies fruchtete für einige Jahre und brachte die viel Geängsteten sogar über die Pariser Bluthochzeit 1572 glücklich hinweg, obschon ihnen Castracaro, ein Kriegsoberster des Herzogs, ein Nachspiel derselben zugedacht hatte. Emanuel Philibert starb 1580. Sein Sohn Carl Emanuel war von milderem Charakter. Das Gerechtigkeitsgefühl behielt bei ihm die Oberhand. Er entsetzte die Geißel der Täler, Castracaro, seiner Stelle, und da dieser Miene machte sich zu wiedersetzen, ließ er ihn lebenslänglich einsperren. Im Jahre 1582 bestätigte er alle Freiheiten und Rechte der Talbewohner und die Ruhe und Sicherheit kehrte endlich in diese unglückliche Gegend zurück.

In den Augen der Pfaffen war eine solche Ruhe natürlich ein Gräuel. Sie bohrten und minierten so lange bis sie 1602 dem Herzog eine neue Verordnung abgepresst hatten, welche die Freiheiten der Waldenser nach vielen Seiten wieder beschränkte. So ward es durch dieselben verboten, Religionshandlungen außerhalb der drei Täler von Luzerne, Perouse und St. Martin vorzunehmen und Schulen anzulegen, gemischte Ehen zwischen Waldensern und Katholiken wurden untersagt und erstere für unfähig erklärt, öffentliche Ämter, namentlich Notariatsstellen zu bekleiden. Auch sollten die Katholiken nichts, was es auch sei, den Waldensern verkaufen oder zur Miete überlassen. Doch blieb es bei dieser Härte nicht lange und es trat wieder eine mildere Handhabung des Gesetzes ein; denn der Herzog hatte bei den Unruhen in Montferrat und in dem Krieg mit Spanien erfahren, mit welcher Treue und Liebe gerade die Talbewohner Gut und Leben für ihn einsetzten.

Für den Frieden, der sie nun beglückte, hatten sie natürlich keine andere Garantie als den guten landesväterlichen Willen des Herzogs. Ihre Feinde blieben dieselben, nur dass ihr Einfluss eine Sinnesänderung bei ihrem Fürsten nicht bewirken konnte. Nach seinem Tode folgte ihm Victor Amadeus I. nicht bloß in der Herrschaft, sondern auch in der milden Gesinnung und als dieser 1637 starb, dessen Witwe Christina als Vormünderin ihres Sohnes.

Der Störenfried lauerte in Rom. Papst Gregor XV. hatte eine Gesellschaft zur Ausbreitung des katholischen Glaubens gestiftet, Urban VIII. deren Privilegien erweitert. Diese Gesellschaft entsandte überall hin, wo die Kirche gefährdet schien, Missionen, und 1650 auch eine nach Turin, die den Zweck und Befehl hatte, die Waldensischen Ketzer zu bekehren oder zu vertilgen. Mitglieder derselben waren sowohl Männer als Frauen. An ihrer Spitze standen der Erzbischof und die Markgräfin von Pianasse. Diese spannen gleich giftigen Spinnen ein Netz der Bosheit, der jesuitischen Hinterlist und des moralischen und religiösen Betruges über das ganze Land, und vorbei war es mit dem kurzen Traum des Glückes und der Gewissensfreiheit. Wie es diese Gesellschaft anfing, ehe sie mit offener Gewalt vorschritt, schildert Rössler in kurzen Worten folgendermaßen: Durch die feinsten Gewebe der Bosheit stürzten sie Familien ins Unglück und boten ihnen dann Rettung unter der Bedingung an, dass sie sich in die Messe zu gehen verpflichteten; unter derselben Bedingung versprachen sie Andern Befreiung von Strafen für Verbrechen, zu welchen sie dieselben mit unerhörter List verführt oder mit Gewalt gezwungen hatten: sie setzten ansehnliche Preise für diejenigen aus, die wider die Waldenser auftreten und ihnen etwas Strafwürdiges zur Last legen würden, ja sie schoben Befehle unter, durch welche sie zu allen nur ersinnlichen Gewalttätigkeiten gegen sie ermächtigt wurden.

Kurz, es wurde ein System eingeführt, welches bestimmt war, den Boden der Sittlichkeit und der Treue für immer zu unterhöhlen. Aber sie hatten sich doch verrechnet. Die Saat, die sie säten, ging nicht auf, um zu ihrem Zweck zu kommen, mussten sie wieder zur offenen Gewalttat greifen. Der Markgraf Pianasse rückte an der Spitze eines Heeres ein, überfiel und verwüstete die Gemeinden St. Jean und La Tour. Aber nicht ohne den heftigsten Widerstand zu finden. Da nahm er denn zu teuflischer List seine Zuflucht. Am 21. April 1655 lud er die Gemeinden vor sich, empfing sie mit herzlicher Freundlichkeit und Herablassung, versprach, es werde Alles ganz gut werden, wenn sie sich nur gedulden und auf kurze Zeit in jeder Gemeinde ein Regiment Fußvolk und zwei Abteilungen Reiter aufnehmen wollten. Die guten Leute glaubten seinen Worten. Die Soldaten beeilten sich, von der Gastfreundschaft Gebrauch zu machen, rückten in das Luzerner Tal, besetzten die festen Plätze, warfen wie Mordbrenner Feuer in die Dörfer und bemächtigten sich der arglosen, auf Gegenwehr nicht gefassten Männer. Auf ein am dritten Tage gegebenes Zeichen begann die Mordszene, von welcher damals lebende Augenzeugen eine Schilderung entwerfen, die man nur mit Entsetzen wiederholen kann. Der Mord war als ein Akt des wohltätigen Mitleids anzusehen, im Vergleich mit den Qualen, welche die raffinierteste Bosheit erfand, um die Ketzer im Namen der heiligen Kirche zu züchtigen. Spitze Pfähle wurden den Gefangenen in den Leib getrieben, Mund, Ohren und Wunden wurden mit Pulver gefüllt und dieses angezündet, an Mauern zerschmetterten die Unmenschen Kinder, oder rissen sie mitten voneinander. Wir wenden zitternd unsern Blick von solchem Schauspiel und würden es für das Phantasiegemälde eines erhitzten Gehirnes halten, wenn nicht zufälliger Weise notariell abgefasste Aktenstücke sich erhalten hätten, welche die grässliche Wahrheit der Tatsachen bestätigten. Hier noch einige dieser Tatsachen, wie sie v. Moser erzählt. Die vom Mord und Blutdurst ganz besessenen und wütenden Soldaten stiegen auf die höchsten Spitzen der Berge, banden den dahin Geflüchteten die Köpfe zwischen die Beine und stürzten sie in die Tiefe. In dem Dorfe Tillard trieben sie mit 150 Weibern und Kindern erst ihre Lust, schlugen ihnen hernach ihre Köpfe ab und spielten damit Kegel, viele Kinder brieten sie am Feuer, fraßen ihr Gehirn und endeten diese kannibalische Mahlzeit nicht eher, als bis sie Bauchgrimmen bekamen. Weibern und Jungfrauen schnitten sie den Leib auf, taten Salz, Pulver und Steine hinein und warfen sie ins Feuer. Die Zahl der Gemordeten gibt unser Gewährsmann auf 4.000 und der in Schnee oder Feuer Umgekommenen auf 2.000 an. 13 bis 1400 flüchteten in die französische Dauphiné. Wider alles Erwarten verordnete König Ludwig XIII. auf Mazarins Vorstellung, dass die Geflüchteten in aller Freiheit und Sicherheit sich da aufhalten sollten. Vielleicht rührte sich sein Gewissen, denn Ludwig war den Gräuelgeschichten selbst nicht fremd.

Die bedrängten Waldenser wandten sich nun um Hilfe an die Schweizer-Kantone, und diese richteten, nachdem sie einen allgemeinen Buß- und Bettag ausgeschrieben und eine Kollekte gesammelt hatten, ein kräftiges Schreiben an den Turiner Hof, und da dieses nicht fruchtete, sandten sie einen eigenen Gesandten. Gemeinsam mit ihnen unterhandelten nun auch Cromwell und die Generalstaaten der Niederlande im Interesse ihrer schmählich geängstigten Brüder. Nachdem auch Ludwig von Frankreich seine Vermittlung angeboten hatte, gelang es endlich, zu Pignerol einen Vergleich zu Stande zu bringen, der aber zu sehr übereilt wurde, ehe noch England und die Niederlande ihre völlige Zustimmung gegeben hatten, und deshalb ziemlich ungünstig für die Waldenser ausfiel. Man hatte es dem Herzog nicht ausreden können, sie für Empörer anzusehen. So kam es denn, dass es ihnen untersagt blieb, öffentlich Gottesdienst zu halten, sie durften nur an gewissen Orten der Täler wohnen und erhielten dagegen großmütiger Weise nur die Zusicherung, dass man keine Kinder ihrer Familien während ihrer Minderjährigkeit zwingen wolle, den römischen Glauben anzunehmen.

Da es dem Protektor Englands nicht gelungen war, einen vorteilhafteren Vergleich zu ermitteln, so suchte er ihnen auf andere Weise durch Stiftung eines Unterstützungsfonds nützlich zu sein, aus welchem jährlich bestimmte Summen an waldensische Prediger; Lehrer und Arme gezahlt werden sollten. Dies geschah auch so lange er die Herrschaft inne hatte. Sein Nachfolger Karl II. zog jedoch diese Gelder zurück mit der Erklärung, er sei nicht Willens Beschlüsse eines Thronräubers auszuführen. Die Generalstaaten der vereinigten Niederlande boten indes alle Mittel auf, um die bedrängte Lage der viel Geprüften zu mildern. Mit ihnen wirkten zu gleichem Zweck der König von Schweden Carl Gustav, der Leider schon 1600 starb, und Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst, erhabenen Andenkens, der eine allgemeine Beisteuer für sie in seinen Staaten ausschrieb und am französischen Hofe ihr eifrigster Fürsprecher wurde.

Noch aber war die Zeit harter Prüfungen nicht vorüber. Im Jahre 1685 wurde von dem alt und fromm gewordenen König Ludwig XIV. das Edikt von Nantes aufgehoben. Die unmittelbare Folge dieses Schrittes heuchlerischer Bußfertigkeit war die Verbannung der Waldenser aus ihrem Vaterland. Der Herzog hatte sich zu diesem Schritte durch die Drohungen seines mächtigen Nachbars gezwungen gesehen. Zu Tausenden wandten sie mit schwerem Herzen den geliebten Tälern den Rücken. Aber obschon sie in der Schweiz, in Holland, in Brandenburg, Hessen und Württemberg die gastfreieste Aufnahme fanden, sie konnten ihre Heimat nicht vergessen. Mehrere Hunderte von ihnen kehrten 1689 nach der Schweiz zurück, sammelten sich am Genfer See und fassten unter Anführung ihres Predigers Heinrich Arnaud den heldenmütigen Entschluss, die Wohnsitze ihrer Väter mit dem Schwert in der Hand sich zurückzuerobern. Und sie führten ihn wirklich aus; nahmen ihren Marsch durch Savoyen und schlugen die Franzosen, welche ihnen den Übergang über die Piemontesische Grenze wehren wollten. Unter den hartnäckigsten Kämpfen besetzten sie die Anhöhen und eroberten Belsille. 10.000 Franzosen und 12.000 Savoyer unter Catinat, den später der Marquis Fouquire ersetzte, wurden gegen sie gesendet und bemächtigten sich des St. Martinstales und Basilles. Die Waldenser suchten in ihren unzugänglichen Bergschluchten Zuflucht, wären aber doch der Übermacht erlegen, wenn nicht glücklicherweise der Herzog von Savoyen sich mit Ludwig erzürnt und den Entschluss gefasst hätte, sich die Suprematie Frankreichs vom Hals zu schütteln.

Der Herzog wandte sich nun an die, welche er kurz vorher noch Empörer gescholten hatte und diese edlen Herzen, alles Leid, alle Verfolgung vergebend und vergessend eilten herbei, ihren Fürsten gegen das drohende Frankreich zu schützen und die Grenzen ihres Vaterlandes zu verteidigen. Natürlich wollte der Herzog sich für diese aufopfernde Treue dankbar erweisen. Er rief 1694 die Vertriebenen aus ihrer Verbannung zurück, verkündete allgemeine Amnestie und ließ die Kerker öffnen, in denen 17.000 Waldenser ihres Glaubens wegen geschmachtet hatten. Allein nur 3.000 von ihnen durften die Luft der Freiheit wieder einatmen, die übrigen waren den Leiden erlegen. Der kühne Prediger Arnaud wurde vom Herzog zum Obersten ernannt und erhielt vom König Wilhelm III. von England ein Regiment Fußvolk.

Nun, endlich sollte man meinen, seien die Talbewohner am Ziel ihrer Drangsale angekommen. Waren doch nun ihre Freiheiten feierlich verbrieft und die bündigsten Verheißungen gegeben. Allein bei dem Akt der Gnade hatte der Herzog vergessen, Roms Einwilligung einzuholen. Wie aber von Seiten des Klerus die Sache angesehen wurde, kann jeder sich leicht denken. Er forderte unnachsichtliche Strenge gegen die Ketzer, wurde aber anfangs kurz abgewiesen. Nun steckte sich die ganze Inquisitions-Sippschaft hinter den französischen Gesandten und dieser erwirkte vom Papst einen Befehl zur Prüfung des den Waldensern erteilten Freibriefes. Das Dekret der Inquisition lautete dahin: dass das aus Anstiftung einiger ketzerischen Fürsten und Staaten erlassene Edikt Sr. Königl. Hoheit, vom 23. Mai für ungültig und kraftlos und dessen Inhalt als gottlos und wider Gottes Gebot, die heiligen Canones und apostolischen Constitutiones streiten, zu erklären sei. Zugleich befahl diese Verordnung allen Erzbischöfen, Bischöfen, Inquisitoren wider alle Ketzer oder die der Ketzerei Verdächtigen ohne Rücksicht auf das Edikt oder andere Privilegien oder Gnaden ferner, wie sie zuvorgetan, zu prozedieren. Der Herzog protestierte gegen einen solchen Eingriff in seine Hoheitsrechte, erklärte das römische Edikt für null und nichtig und verbot bei Lebensstrafe die Publikation desselben in seinen Staaten.

Der erste Streich war also vorläufig glücklich abgewendet. Den Künsten der Diplomatie und des Jesuitismus gelang es jedoch schon 1696, eine Annäherung an Frankreich zu Wege zu bringen und es ward am 28. August ein geheimes Bündnis abgeschlossen, in dessem siebenten Artikel bedungen wurde, dass der Herzog bei harter Lebensstrafe allen denen, die in den Tälern von Luzerne unter dem Namen Waldenser wohnen, anbefehlen solle, in religiöser Beziehung keinerlei Verbindung mit den französischen Untertanen zu haben, keine Heirat mit ihnen zu schließen und sich jenseits der Grenze nicht nieder zu lassen. Auch sollte der Herzog alle Franzosen, die sich etwa in jenen Tälern niedergelassen hatten, binnen zwei Monaten ausweisen. Dies geschah wirklich und wiederum mussten einige Tausend der liebgewordenen neuen Heimat den Rücken kehren. Sie gingen, aber nicht nach Frankreich zurück, sondern nach der Schweiz, wo sie gastfreundlich den Winter über untergebracht wurden. Im darauf folgenden Sommer setzten sie ihren Wanderstab weiter und zogen nach Holland und Deutschland, wo sie Aufnahme fanden und namentlich in Württemberg, Hessen und Brandenburg Kolonien bildeten.

Herzog Victor Amadeus empfing für seine Schwachheit und Treulosigkeit aber sehr bald seine Strafe und die Vertriebenen fanden nochmals Gelegenheit feurige Kohlen auf sein Haupt zu sammeln und zu zeigen, dass ihre religiösen Grundsätze den Lehren Jesu besser entsprächen und ihre Taten diesen Grundsätzen gemäßer seien als die ihrer papistischen und jesuitischen Feinde. Die Verbindung Savoyens mit Frankreich ward 1703 aufgegeben und dafür eine Allianz mit dem deutschen Kaiser geschlossen. Ludwig XIV. antwortete darauf mit einer Kriegserklärung am 4. Dezember. Da war die Not groß. Der Herzog richtete an seine treuen Talbewohner ein äußerst huldvolles Schreiben mit den ausgedehntesten Verheißungen und rief sie auf zur Verteidigung des Vaterlandes. Und wieder kamen sie und wieder opferten sie als echte Söhne des Vaterlandes für ihren Fürsten Blut und Leben. Beinahe 30 Jahre genossen sie nun Ruhe und Freiheit. Victor Amadeus II., nun König von Sardinien, war aber 1730 der Herrschaft müde und wollte die Krone niederlegen, vorher aber noch zu guter Letzt mit Gott und dem Papst sich versöhnen. Dies glaubte er nicht besser bewerkstelligen zu können, als wenn er den Verhetzungen der Klerisei sein Ohr leihend, wiederum eine schwere Verfolgung über die Waldenser verhing. Er erließ nach einigen vergeblichen Bekehrungsversuchen am 20. Juni ein Edikt, wodurch den Talbewohnern befohlen wurde, entweder die katholische Religion anzunehmen, oder binnen einem halben Jahre, also mitten im Winter, die Heimat zu verlassen. Das war Dankbarkeit! Victor Amadeus abdizierte im September; ihm folgte sein Sohn Carl Emanuel III., von dem man ein milderes Verfahren erwartete. Aber man täuschte sich. Vergebens schrieb Friedrich Wilhelm I. von Preußen einen rührenden Brief zu Gunsten der Waldenser. Er blieb ohne Folgen. Die Auswanderung begann aufs Neue und wieder wurden in Deutschland neue Kolonien gegründet.

Es bleibt uns nur noch wenig über die fernere Geschichte der Waldenser zu sagen. Die in der Heimat Gebliebenen harrten mit beispiellosem Mut aus und ließen sich durch immer wieder kehrende Verfolgungen nicht irre machen an ihrem Glauben. Von Zeit zu Zeit flossen ihnen Unterstützungen aus Holland, England und Deutschland zu. Die französische Revolution und die darauf folgende Napoleonische Herrschaft verschafften ihnen endlich Ruhe vor dem Hasse Roms. Die Restauration brachte sie freilich wieder unter sardinische Herrschaft, doch übte Victor Emanuel eine mildere Praxis. Er duldete sie wenigstens und hatte nichts dagegen, dass ihnen von außen Hilfe und aufmunternde Teilnahme zufloss. So wurde von ihm noch im Jahre 1824 die Bewilligung erteilt, ein Hospital in den Tälern zu errichten. Zu diesem Zweck wurde denn auch bei uns in Preußen von dem hochseligen Könige die Genehmigung zu einer Kollekte für die in vieler Beziehung noch immer hart Bedrängten, erteilt.

Dieser Zug der wahrhaft frommen und echt christlichen Gesinnung, welche den edlen Monarchen beseelte, gibt mir Gelegenheit heut, am Jahrestage seines Todes, meine Vorlesung mit einer Erinnerung an ihn zu schließen, mit der Erinnerung an den Fürsten, der in Sachen der Glaubensfreiheit als erhabenes Muster voranleuchtete, der schon bei seinem Regierungsantritt dem Wöllnerschen System ein Ende machte und dessen religiöses Bekenntnis nach den von Bischof Eylert herausgegebenen Charakterzügen Friedrich Wilhelms III. folgendes war. Der Glaube ist der freieste Akt (die freieste Äußerung) der menschlichen Seele, und wie er allein das Werk des Individuums (der einzelnen Person) ist, so lässt er sich nicht gebieten. Ich habe in dieser Angelegenheit nichts zu befehlen und bin nicht Herr der Kirche. Ihr alleiniger Herr und Meister ist der Gründer und Lenker; ich bin nur sein Diener.“ (Aus dem Jahre 1816). Die gelehrten Theologen reden immer von dem Glauben und Systeme (Lehrgebäude der Lutheraner und Reformirten) und wollen ihm nichts vergeben, anstatt von Christus und dem, was er gelehrt und gewollt hat, ehe an Luther und Calvin gedacht wurde. Man bleibt kurzsichtig bei dem Werke der Reformation stehen und will nicht darüber hinaus zu dem Herren und Heiland selbst, der doch Alles und allein Meister ist. Ich ehre die Bekenntnisschriften, aber ihre Spitzfindigkeiten in Glaubenssachen und ihre opponierenden Distinktionen (widersprechenden Begriffszersplitterungen) über Gnadenwahl und Gegenwart Christi im heiligen Abendmahl hindern die Vereinigung nicht. Wo sie das tun, sieht man nicht auf die echte Gottesfurcht, sondern auf die starre Glaubensformel, also mehr auf den Buchstaben, welcher tötet, als auf den Geist, welcher lebendig macht.“

Eine ungehaltene Vorlesung über die Schicksale der Waldenser
von C. O. Hoffmann

Berlin, 1854
Im Selbstverlage des Verfassers.
Holzgartenstraße 8

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