Harms, Claus - Zweyte Predigt. Wie Christus noch immer seine Anhänger den Weg zur Freude durch die Traurigkeit nehmen lasse.

Harms, Claus - Zweyte Predigt. Wie Christus noch immer seine Anhänger den Weg zur Freude durch die Traurigkeit nehmen lasse.

(687. Muth und Treue, nicht zu wanken.)

Darum, wie uns der Apostel ermahnt Hebr. 40: Lasset uns halten an dem Bekenntniß der Hoffnung und nicht wanken, denn er ist treu, der sie verheißen hat!

Gewöhnlich, meine Lieben, stellt man sich vor, daß es jetzt viel leichter sey, an dem Bekenntniß der Hoffnung, an unserm Christenglauben, fest zu halten, als es in den ersten Zeiten des Christenthums gewesen ist. Wie man die Sache nimmt.

Allerdings, wer bloß auf das sieht, was vor Augen ist, der muß es so finden. Nehmen wir das zu allernächst Liegende. Nicht allein, daß wir dürfen frey hierher gehn, um unsere gemeinschaftliche Andacht zu halten, sondern wir werden gerufen, es zu thun, und der uns wollte stören darin, der würde sich bürgerliche Strafen zuziehn. Eben so sind allerwärts Schulen errichtet, dahin wir unsere Kinder schicken können, daß sie in den Lehren des Christenthums Unterricht erhalten und einen bessern, als ihnen die meisten Eltern zu geben im Stands sind. Frey können wir lesen in unsern Wohnungen mit den unsern die heilige Schrift, auch beten und singen mit ihnen, was uns niemand wehrt. Frey können wir allwo mir sind, unsern Glauben bekennen, er schließt uns von keiner Verbindung aus, im Gegentheil ein Christ zu seyn, das ist eine Bedingung geworden, unter welchen allein jemand Antheil an dem öffentlichen Leben und dessen Werk nehmen darf. So war es im Anfang nicht. In unserm Gesangbuche gibt No. 882 Nachricht davon, wie es im Anfang gewesen ist, und noch mehr, noch andere Dinge, zum noch größeren Entsetzen davor werden uns von der Geschichte aus jener Zeit erzählt. Es fließen jetzt nicht so viele Thränen, kann man behaupten, als damals Blut floß für das Christenthum. Es mögen jetzt wohl Thränen fließen, daß man so wenig Christ ist, andere schwerlich. Daher sage ich, wer auf das sieht, was vor Augen ist, der muß es so finden, daß es jetzt leichter sey, als in der ersten Zeit, in dem Bekenntniß unserer Hoffnung, in unserm Christenglauben festzuhalten. Nein, der Umstand muß uns doch zweifelhaft mit diesem Urtheil machen, daß gleichwohl das Christenthum so wenig bekennet, behauptet und demselben gemäß auch gelebet werde. Holen wir nicht aus der Ferne diesen Beweis, frage sich ein jeder nur selbst, ob er den Pflichten eines aufrichtigen Bekenners Jesu ein Genügen thue. Bin ich nicht, so wolle sich ein jeder fragen, manchmal gewesen in dem Fall, wo ich meinen Glauben hätte bekennen sollen wider die Spötter und ich schwieg? wo ich eine Ueberzeugung hätte behaupten sollen wider einen getauften Heiden oder einen unbeschnittenen Juden, und statt dessen gab ich ihm Beyfall? oder ich verbarg meine Seele vor ihm und gab den Schein des Beyfalls? Und wie denn das Leben ein wohl so kühnes Zeugniß ist, als die Rede nur seyn kann, habe ich meinen Glauben bewiesen mit meinen Werken und von schlechtem Ansinnen gesagt: „das thut kein Christ“ wie von der löblichen That: „da muß ein Christ mit dabey seyn?“ Frage sich jeder so, wie viel ihrer hier sind, die ihr Bekenntniß abgelegt haben an diesem Altar, oder in welchem andern Heiligthum Gottes sie ihre Knie gebeugt haben bey dem großen Gelübde, die in späteren Tagen noch, da sie Vater und Mutter verließen und annahmen deren letzte Vermahnung, oder in welcher anderen Feyerstunde ihres Lebens ein entscheidender Vorsatz von ihnen gefaßt wurde; hieltet ihr ihn? bliebet ihr der Stunde treu, d. h. der Tugend, welche auch eine Religion damals ward? oder kann der Apostel zu euch, wie zu den Galatern sagen; Ihr liefet fein; wer hat euch bezaubert, der Wahrheit nicht zu gehorchen? Lieben, wenn das nicht bey diesem und jenem sondern wenn bey Vielen dieß der traurige Fall ist, muß man denn nicht annehmen, das Christenthum sey noch immer schwer zu halten? wenn auch andere, so habe es seine Gefahren nach wie vor, um derentwillen Viele dem Glauben untreu werden, Mehrere vielleicht, als zu jener Zeit, da Kaiser Nero Christen an Bäume hing und sie als Fackeln brennen ließ, zur Erleuchtung und Erlustigung? Ihr werdet weinen und heulen, sagte Jesus, aber die Welt wird sich freuen. Wenn er Freuden verhieße, nichts als Freuden, wahrlich, so müßte doch sein Reich viel größer seyn, als es befunden wird.

Das hat er nicht gethan; wollen wir denn von ihm gehen und unsern Glauben verläugnen? Nein, ob es auch schwer ist, daran zu halten und nicht zu wanken, laßt uns feste seyn, in dem Bekenntniß unserer Hoffnung, meine Brüder, und den Leiden ins Gesicht sehen, die uns entgegen kommen dieserhalb. Der Christenglaube ist uns gegeben, schon zu uns in unsere Wiege hinein hat man ihn gelegt, daß wir ihn erkämpfen in späteren Jahren und es uns mögen sauer um ihn werden lassen dergestalt, als wenn wir ihn, das theure Gut, nicht hätten anders, als durch unsere Arbeit um ihn, durch unsere Leiden für ihn, und so durch die Traurigkeit zur Freude kommen. Jesus weiset noch immer den Weg zur Freude durch die Traurigkeit. Das sey heute unsere Erwägung.

Evangelium Joh. 16,16-23.

Die Zeiten sind wahrlich so verschieden nicht, als man annimmt und vorbildet. Wir können dieß Evangelium gerne mitten in unsere Zeit stellen und stoßen wenig an. Unser Thema:

Wie Jesus noch immer seinen Jünger den Weg zur Freude durch die Traurigkeit nehmen lasse.

Da wir denn sehen
I. daß es so ist;
II. nicht anders seyn kann;
III. uns aber nicht abschrecken muß.

Man hat oftmals von den Christen gesagt, daß sie das Leben nicht anders genießbar fänden, als wenn sie es in Thränen tunketen. Nun ja, denen ließ sich wohl noch begegnen mit einem Dichtervers, der bey solchen Menschen nicht unbeliebt und unbelobt ist, mit diesem: Wer nie sein Brodt mit Thränen aß, wer nie die langen Mitternächte auf seinem Lager weinend saß, der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte. Wenn unser Leben denn in Thränen getunkt wird und also genossen, wer läßt und wer lehrt es uns thun? Können wir denn anders? Aber leben wir nicht weiter in diese Vorstellung hinein, welche, die Leiden überhaupt umfaßt, sondern nur an ihr zu unserer Betrachtung über, die auf das eigentliche Christenleiden geht insbesondere, und sehen, daß es wirklich noch immer so ist, daß Jesus noch immer seine Anhänger den Weg zur Freude durch die Traurigkeit nehmen lasse. Es ist so. Jesus hat diesen Weg gezeigt, mit Worten, die nicht allein an seine Apostel gerichtet sind oder an die damalige Zeit. Im Evangelio zwar, da redet er zu seinen Jüngern, die sind es, welchen er sagt: Ihr werdet weinen und heulen, ihr werdet traurig seyn, ihr habt nun Traurigkeit, doch eure Traurigkeit soll in Freude verkehret werden. Er deutet es ihnen an, daß er sie verlassen werde, denn er gehe zum Vater, in diesem Hingange würden die Feinde eine gewonnene Sache, sie aber, seine Freunde, eine verlorne Sache finden, doch käme er wieder, über ein Kleines würden sie ihn sehn und ihr Herz würde sich freuen, und diese Freude würde niemand von ihnen nehmen. Aber nicht bloß diesen einzelnen Vorgang hat der Herr vor Augen, in derselben Rede an seine Jünger geht er in ihre weitere Zukunft hinein, V 2: Sie werden euch in den Bann thun, es kommt die Zeit, daß, wer euch tödtet, wird meinen, er thue Gott einen Dienst daran. Und eben wie der Herr mit ihnen in die fernere Zukunft hineingeht, eben so ist er auch nicht bey ihnen, bey den Zwölfen, bey den Siebenzig stehen geblieben, er hat aller, er hat auch unser gedacht. Ich bitte nicht allein für sie, betet er Joh. 17. sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden. Es ist ein misliches Werk, lieben Zuhörer und hat der Christenheit sehr geschadet, was zu den Aposteln und was zu uns, was für jene Zeit und was für alle Zeit gesagt worden sey, das von einander scheiden wollen auf ein Haar, worin viele sich rechte Meister dünken, und fehlen so weit, daß von allen Christenthumslehren kaum eine übrig bleibt, die uns denn angeht. Doch sollen wir Christenthum behalten. Da lassen sie sich denn vernehmen also: Das und das hätte Jesus gesagt, was wir sagen, wenn er jetziger Zeit aufträte. Wohl, wenn ihr es wißt, so brauchte er ja nicht zu kommen. Nein, Christen, wir gehen sicherer zu Werk, wenn wir ihn und seine Apostel beym Worte bleiben lassen, die schon sich selbst erklären, wie eine Lehre, eine Aufforderung, ein Trost gemeinet sey, ob für die damalige Zeit nur oder für alle Zeit, nach jener Regel: Die Bibel ist ihre eigene, beste Erklärerin. Im gegenwärtigen Fall aber, was den betrifft, da haben wir der Aeußerungen Christi so viel und auf die verschiedensten Anlässe, daß es niemand in Abrede stellen kann, er habe allen seinen Anhängern den Weg der Traurigkeit, als den Weg zur Freude gewiesen. Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget mir nach, der ist mein nicht werth. Wer mein Jünger seyn will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, wie vielmehr werden sie seine Hausgenossen also heißen. Und hatte er denn nicht in jener Bergpredigt das ganze Volk vor sich, als er sprach: Seelig seyd ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerley Uebels gegen euch, so sie daran lügen. So ist es dieselbe Rede, die Christus führte, wenn Paulus sich ausdrückt in jenem Worte, das durch die Zeit zu einem Gemeinspruch geworden ist, Act. 14 22: Wir müssen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen.

Es ist so, Jesus weiset noch immer den Weg zur Freude durch die Traurigkeit hindurch. Jener eben angeführte Spruch Pauli hätte nicht ein Gemeinspruch werden können, wär es nicht geworden, wenn nicht die Folge der Zeit ihn bestätiget hätte. Durch den Hergang, wie der sich gewiesen hat jederzeit, ist uns die Traurigkeit als die Mutter der Freude gewiesen. Was die ersten Jahrhunderte betrifft, da noch die großen öffentlichen Verfolgungen Statt gefunden, leidet es keinen Zweifel, ich erinnerte eingangs daran; da ist der Angstweg, der Thränen- und Blutweg so stark betreten worden, daß, so lange es eine Geschichte des Christenthums gibt, kein Gras darüber wachsen wird, zu einem Zeugnisse, so lange die Erde steht. Allein auch da die Zeiten ruhiger wurden, aus allen Jahren sind Stimmen zu uns gekommen, die da klagen in Traurigkeit und stuften, daß es ihnen schwer falle, Christi zu bleiben und sich nicht der Welt gefangen zu geben. Besonders laut erschallen solche Stimmen zu der Zeit, wenn Irrglauben und Misglauben eingedrungen war in die Kirche, oder, nein, nicht oder, sondern und, denn es hängt wie Ursach und Wirkung zusammen - und Sittenlosigkeit, Lasterhaftigkeit besonders überhand genommen, die dann nicht wollten nachsprechen, wie ihnen die falschen Lehrer vorsprachen, die dann nicht wollten nachthun, wie ihnen die schlechten Menschen vorthaten, die hatten einen harten Stand. Es sind Bekenntnisse auf uns gekommen, daß sie zehnmal lieber wollten ihr Leben lassen, oder auf eine wüste Insel gehen, als so alle Tage kämpfen, arbeiten, sorgen, sich ängsten, mit sich und ihrem Werk unzufrieden seyn, daß es so wenig leiste zur Förderung des wahren Christenthums, die kaum, so viel Zeit hatten, um das Schweißtuch zu nehmen und sich abzutrocknen, oder an den Bach zu gehn, um den Speichel ihrer Feinde abzuwaschen. Aber Jesus wollte es so, diesen Weg der Traurigkeit sollten sie gehen. Und so will er noch, beständig will er so. Indessen damit eure Gedanken nicht sehn, wohin ich sie nicht lenken will, so frage sich jeder, der sich einen Christen nennen darf: was er, er zu thun finde in der Sache des Christenthums, im äußerlichen Bau desselben, zu welchem keineswegs die Lehrer in Kirchen und Schulen, hohen und niedern, allein berufen sind, zu welchem jeder berufen ist; was er zu thun finde, um die Ehre Jesu Christi vor denen zu retten, welchen der Nacken bey Nennung dieses heiligen Namens steif ist, um den Glauben an die Erlösung durch sein Blut aufrecht zu erhalten vor denen, die sich aus ihren vermeintlichen Tugenden einen hohen Thurm bauen, und von demselben herab auf die Feste unsers Glaubens ihr Geschoß werfen. Ob er nicht traurige Stunden und Tage habe und befallen werde manchmal von großer Müdigkeit, wenn er, wie einst Israels Kinder thaten, mit der einen Hand arbeitet und die Waffen halten muß in der andern. Das ist der äußerliche Bau. Allein dasselbe geht in jeglicher Christenseele vor, und wer daselbst nicht schon fertig geworden, oder wenigstens vorgerückt ist im Bau, der lasse den Bau außer sich und bleibe zu Hause, der mache das Haus rein von Zweifeln, die ihn anfallen, der mache das Haus rein von Lüsten, die wider das Christenthum streiten, der beuge, was starr ist in ihm, netze, was dürr ist in ihm, der stärke, was schwach ist in ihm! Ach, Brüder, hier ist viele Arbeit und viele Traurigkeit. Es geht nicht also von, Stauen damit, als die Seele wünschte Darum ist sie so traurig. Doch Christus hat uns diesen Weg gewiesen, wenn wir wollen kommen zu der Freude.

Und warum eben den Weg? Es ist so, und zweytens, es kann nicht anders seyn. Denn allerdings, er, der so viel Mitleid hatte mit unserer Schwachheit, er, der so freundlich alle Mühseligen und Beladenen zu sich rief, daß er ihnen die Last abnehme, und sie Ruhe fänden bey ihm für ihre Seele, er hätte allerdings einen andern Weg uns gewiesen, wenn es einen gäbe, wenn nur eine Möglichkeit gewesen wäre, leichteres Weges uns zu der Freude zu bringen, die unser warm nach überstandener Angst und Traurigkeit Aber es ist kein anderer Weg O wie sehr Mißverstehen diejenigen unser Christenthum, und wie lügen diejenigen unserm Glauben nach, welche von ihm sagen, er mache den Menschen träge und lege ihnen mit dem Vertrauen auf Christi Verdienst ein Ruhepolster unter! Menschen ohne Kenntniß und ohne Erfahrung sprechen so, wenn sie es nicht bey besserem Wissen wider ihr Gewissen, aus teuflischer Bosheit thun. Es gießt kein schwereres Werk als das Glauben an Jesum Christum ist, und ob auch die himmlische Erbarmung so wenig dabey zu thun uns übrig gelassen hat, daß es wie nichts erscheint, - wir sollen bloß die Gnadenmittel, das Wort und die Sacramente brauchen und dem dadurch an uns wirkenden heiligen Geist nicht widerstreben, - so ist es doch ein großes Werk, vor welchem der Natur graut. Fleisch und Blut sich sträubt, es wie den Tod fürchtet, wie es denn sein Tod auch wirklich ist. Fleisch und Blut, so können wir sagen auch in diesem Sinn, können das Reich Gottes nicht ererben. Sehet, das ist das Verdienst des Todes Christi auf Erden: Im Himmel ist es unsere Begnadigung vor Gott, eine Sache zwischen Vater und Sohn, die wir glauben und nicht daran klauben sollen; seines Todes Verdienst auf Erden ist das Vorbildliche darin, wie es besonders der Apostel Paulus ausgesprochen hat, daß wir mit Christo sterben sollen, um auch mit ihm zu leben. Das ist die Summa des ganzen Christenglaubens. Und solches geht begreiflicher Weise nicht an ohne Traurigkeit. Merken wir das Gleichniß im Evangelio. Ein Weib, wenn sie gebieret, so hat sie Traurigkeit, denn ihre Stunde ist kommen; wenn sie aber das Kind geboren hat, denket sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, daß der Mensch zur Welt geboren ist. Ich möchte darin mehr als ein bloßes Gleichniß finden. Können wir es nicht zugleich als eine Lehre nehmen? Auf dieselbe Art muß es zugehn, wenn der Christ geboren werden soll, wenn der Mensch zu dem freudigen Christendaseyn und Leben kommen will. Erinnert euch an jenes Wort des Herrn, das er zu Nicodemo sagte: Ihr müsset von neuem geboren werden. Es sey denn, daß jemand geboren werde aus dem Wasser und Geist, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Hier zeigt die Schwierigkeit und die Traurigkeit sich uns von einer doppelten Seite.

Darum zuvörderst können wir nicht zur Freude kommen außer auf dem von Christo gewiesenen Weg der Traurigkeit, weil die Welt nicht von uns ablassen will. Der gehören wir an, in diese werden wir geboren, Fleisch vom Fleisch, in der Welt wachsen wir auf und ziehn tägliche Nahrung aus ihr; sobald der Mensch zum Nachdenken über sich und zum klaren Bewußtseyn kommt, wird er es inne, daß er sein Leben habe in ihr. So, ists mit allen Menschen, seit jener große Fall der Menschheit geschehen. Zwar ist die Taufe der Kinder eine Reklamation Gottes durch Jesum Christum, beschattet durch Gott den heiligen Geist. Die Erklärung, das Kind solle der Welt nicht angehören, und der erste Anfang einer Erlösung aus ihren Banden, in welcher die Welt das neugeborne schon frei zu halten sucht, o könnten wir es bewahren! gäbe es einen Winkel auf der Erde, oder könnten wir das Haus also dicht verschließen, daß die Welt und der weltliche Sinn nicht hineindränge! Es ist nicht möglich, und immer mehr wird es von der Welt ergriffen, durchdrungen, erfüllet, und leider immer mehr geben die Meisten der Welt sich hin, so wie sie zu? nehmen an Jahren, und immer fester werden die Bande, mit welchen die Christo geweihte, zum höhern Leben bestimmte Seele umschlungen wird von der Welt. Nun, in einer Stunde der Gnaden geschieht's, daß der bessere Mensch hervorbrechen will und verlassen die Welt, die ihm dann in ihrer Sündhaftigkeit erscheint. Doch da treten zu und wehren ihm, ob sie es können, alle, mit welchen er in der Genossenschaft des sündlichen Genusses der Welt lebte bisher, der eine braucht Drohungen, Lockungen der andere, Feindschaft, Haß, Verfolgung, Verachtung kündigen alle ihn an. Das ist die Traurigkeit von der Einen Seite her, ob sie auch stärker bey dem einem, als bey dem andern ist, die neue Geburt findet ohne Weh und Angst nicht Statt; ist eine Stunde der Traurigkeit nach einem Naturgesetz im Gnadenreich.

Es kann nicht anders seyn. Die Traurigkeit von der andern Seite her ist diese. Der Mensch läßt nicht ohne Traurigkeit von der Welt. Sie hat ihn an sich gezogen, er liebet sie und mag von ihr nicht lassen. Ob er es auch wohl erkennt, daß er nimmer mit ihr glücklich seyn könne, er ist tausendmal von ihr hintergangen in Untreue; er hat's tausendmal erfahren, daß ihre Freuden einen bittern Nachgeschmack hatten, und wenn er jemalen sich im Maaße versah, verwandelte sich, was sie ihm bot, in leibes- und seelentödtendes Gift, gleich? Wohl kann er sich von ihr nicht losreissen. Aber es soll doch geschehen. Nicht von Seiten der Welt, als welche nur mit ihren Sünden ihn immer mehr fesselt und ihn gar nicht zu tief in Knechtschaft erniedrigen kann, er fühlt es zuletzt nicht mehr; aber von Seiten der göttlichen Gnade, die nicht den Tod des Sünders will, und von Seiten Jesu, der ihn zu erlösen kommt, geschieht es, daß der bessere Mensch in ihm hervorbrechen will. Das würde den Tod des bisherigen Menschen bewirken: allen bisherigen Freuden muß er entsagen, keiner Lust darf er von da an länger nachgehn, von dem unrechtmäßigen Gut darf er keinen Schilling behalten, aller weltlichen Ehre muß er sich entkleiden, d. h. den Hochmuth oder die Freude an seine Größe ganz aufgeben, wie Zachäus von seinem Maulbeerbaum herabsteigen, nun Jesus bey ihm einkehren will, gar nicht mehr seyn, der er gewesen bis dahin, sich verläugnen und ganz entwerden. Sagt, ob das wohl könne geschehen ohne Traurigkeit? Erst kommen die sieben Bußpsalmen, darnach das Dank dem Herrn.

Im Grade wird die Traurigkeit verschieden sinn bey dem einen und bey dem andern. Wessen Blut, das in den Adern fließt, weniger vom Feuer der Sünde durchdrungen ist, wessen Seele früher und tiefer die Lehren der Religion, die sollen es thun, aufgefaßt hat, wer eine bessere Zucht und Vermahnung zum Herrn in seiner Kindheit und Jugend genossen und immer gute Exempel vor Augen gehabt hat, dessen Traurigkeit wird geringer seyn. Wer dagegen noch gar nicht über sich selbst traurig gewesen ist, noch nimmer sich vor sich selbst geschämet hat, wer solche Stunden einer göttlichen Traurigkeit, 2 Cor. 7, 10., nimmer erlebet hat und nicht begreift, wie man auf, solche Art traurig seyn könne, der lasse sich sagen, daß er noch kein Christ geworden ist, daß er auf den Weg zur Freude noch gar keinen Fuß gesetzet hat.

Muß denn dieser Weg, der traurige Weg, durchaus betreten werden? fragt die alte Natur in uns. Will sie eine mildere Antwort hören, so geh sie zu andern, zu Christo nicht, noch wer im Namen Jesu zu den Gemeinden redet, denn der bleibet dabey und spricht: Es muß seyn. Freylich es sind vor Christo und nach ihm viele Wege versucht, empfohlen, angepriesen, und in unsern Zeiten besonders ist der Weg der Besserung, welcher die Buße nicht vorhergeht, angewiesen und angerühmt worden; und ihrer sind viel, die darauf wandeln. Mögen sie, ein Sündenweg ist solcher Tugendweg. Ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen, und schon bricht s hervor hie und da, was es mit dem Gutseyn ohne Christsenn für ein Bewandniß habe. Bestecke ich aber diese heilige Stätte nicht, daß ich solcher Lehre auch mit einer Sylbe nur Beyfall gäbe, sondern bleibe ich bey der Ordnung des Heils, wie sie im Worte Gottes gegründet ist, und weise auf den Weg, den Jesus selber gewiesen hat. Das schrecke ab? Mag es, mir steht keine Abänderung frey. Das schrecke ab? Nein, wir müssen uns nichts abschrecken lassen. Einen doppelten Grund führt unser Evangelium an, es nicht zu thun. - Das ist der eine: Die Traurigkeit ist doch nur kurz. Das lieget in dem Worte: Ueber ein Kleines, das liegt in dem Gleichnisse von der Gebährerin, da wird die Zeit wahrend welcher sie Angst habe, nur eine Stunde genannt. Bleiben wir in diesem Gleichnisse. - Je stärker der Schmerz, je schneller kommt die Freude. Deß tröstet euch, ihr Wenigen hier - o was wollte ich, es wären eurer Viele, die eben zu dieser Zeit in den Schmerzen der Wiedergeburt gehen. Es treibt euch, es drangt euch, ihr habet nicht Bleibens, nicht Ruh, könnet im Haufe nicht bleiben, aber die Gesellschaft ist euch noch mehr zuwider, ihr geht in die Natur, ja, ihr sehet, da bricht nun alles neu hervor, nur ihr selbst könnet nicht das Fest des neuen Auflebens feyern. Ihr geht in das Gotteshaus, und eben um euch zu Hülfe zu kommen, begegnet euch das Wort von solcher Traurigkeit, es hilft euch aber nicht, sondern vermehret die Traurigkeit. - Laßt es! auch das ist Hülfe. Ihr geht mit demselbigen hinab in euer Haus, bittet Gott, daß er euch gehe Gebet und Schmerz und Thränen, der neue Mensch wird nicht anders geboren, als auf diesem Wege. Gehet hin, über ein Kleines möcht es geschehen seyn. Die Traurigkeit ist nur kurz. Kurz, wird erwiedert, ich habe sie mein Lebtag empfunden. Antwort: Da muß sie nimmer stark gewesen seyn. Du nennst wohl so die leichte Unzufriedenheit, welche dich zuweilen berühret hat; den flüchtigen Wunsch, den du zuweilen gehabt hast, ein besserer Mensch, ein Christ, zu werden. Laß diese Zwerge Riesen werden und in der Gestalt stehen vor dir! laß zusammenrücken, was meilenweit auseinander liegt, bis auf Schrittes Nähe, daß diese deine bessern Stimmungen dicht auf einander folgen, und sich durch einander mit einander verstärken! Je stärker Schmerz, je kürzer Schmerz.

Das muß keinen abschrecken. Der andere Grund: die Freude ist eine lange Freude. So spricht der Herr im Evangelio: Und eure Freude soll niemand von euch nehmen. In jenem Gleichnisse: Denket sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, daß der Mensch zur Welt geboren ist. Beschreiben diese Freude, wer kann es? Hat jemand Worte für das Gefühl, mit welchem eine Mutter ihr Neugebornes ansieht? Der könnte auch beschreiben, wie demjenigen zu Muthe sey, der nun eben sich zu einem neuen Leben geboren sieht. Wir müssen wohl stehen bleiben bey der Abwesenheit alles Schmerzes. „Denket sie nicht mehr an die Angst“ das Gewissen ist still geworden, alle Furcht gewichen, das Herz ruhig, das Gebet nun nicht heftig mehr, das Weinen höret auf, und die letzte Thräne, die noch im Auge steht, hat sich verwandelt auf ihrem Wege, darum steht sie länger, und wie die Sonne im Tropfen, spiegelt in ihr der Himmel sich ab, der nun gewonnen ist, und die erlangte Freude, die niemand von der Seele nehmen kann. Brechen wir ab hier, ob auch der Gedanken noch viele sind, die sich an? knüpfen, und schließen mit dem Wunsch: daß eine jede Seele, die diese Predigt gehört hat, möge von Christo sich den Weg der Traurigkeit zu solcher Freude hindurch williglich führen lassen. Es ist die letzte Predigt vor dem Bußtage, den wir in dieser Woche feyern, sie sey auch des Bußtages Bereitung.

Nur eins werde noch ausgesprochen von mir, ein Wort an die, welche nach längerer oder kürzerer Abwesenheit heute wiederum eingetreten sind zur Theilnahme an unsern Gottesdiensten, wie an diejenigen auch, welche heute zum erstenmal mit uns in die Gemeinschaft des Wortes getreten sind. Geliebte Jünglinge, ihr habt den Empfang vernommen. Die Predigt war nicht schmeichelnd und lockend, aber ihr habt zugleich gehört, weshalb sie es nicht seyn konnte, und daß sich keiner müsse abschrecken lassen. Also auch ihr nicht! Und ihr das um so weniger, je leichter das Blut in euern Adern stießt, je freyer ihr seyd von Aufsicht über euch und strengem Anhalt. Als die Freyen, sagt die heutige Epistel, und nicht als hattet ihr die Freyheit zum Uebel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes. Wie von Neuem tretet ihr denn heute, tretet ihr an dieser Stätte in den Gehorsam Gottes. So war es auch gemeint, als die Eurigen euch beym Abschiede Gott befohlen: Gott befohlen, mein Sohn, Gott befohlen, mein Bruder. Darum macht ihr denn auch billig, wie ein frommer Spruch das lehret,, den Anfang mit Gott, auf das ihr gehet unter Gottes Heil und Segen nun an euer, euch hier beschiedenes Werk. Dasselbe will mit reinen Händen angefaßt werden, mit reiner Seele bearbeitet werden, dann gelingt es, und hat noch keinem gefehlt. Auch euch wird es dann nicht fehlen! Es wird behalten Gut bleiben, was ihr an Kenntniß, an Tugend, an Frömmigkeit hieher gebracht habt, und der Gott des Segens wird es vermehren zehnfältig. Ob auch Andere alle Tage in Freuden leben, ihr aber zuweilen traurig seyd: den Weg hat Jesus gewiesen, und dem Weinen hat er eine Verheißung gegeben, dem Lachen keine. Lasset sie!

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_c/christologische_predigten/harms_cp_2.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain