Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Frucht der wahren und ernsten Buße.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von der Frucht der wahren und ernsten Buße.

Christus ruft: Thut Buße!

Der Grund und Anfang eines Heiligen Lebens ist die selige Buße. Denn wo wahre Buße, da ist Vergebung der Sünden; wo Vergebung der Sünden, da ist die Gnade Gottes; wo die Gnade Gottes, da ist Christus; wo Christus, da ist sein Verdienst; wo das Verdienst Christi, da ist Genugthuung für die Sünden; wo Genugthuung für die Sünden, da ist Gerechtigkeit; wo Gerechtigkeit, da ist ein fröhliches und ruhiges Gewissen; wo Ruhe des Gewissens, da ist der heilige Geist; wo der heilige Geist, da ist die ganze heilige Dreieinigkeit; wo die heilige Dreieinigkeit, da ist das ewige Leben. Also wo die wahre Buße, da ist das ewige Leben; wo die wahre Buße nicht ist, da ist weder Vergebung der Sünden, noch die Gnade Gottes, noch Christus, noch sein Verdienst, noch Genugthuung für die Sünden, noch Gerechtigkeit, noch ruhiges Gewissen, noch der heilige Geist, noch die Heilige Dreieinigkeit, noch das ewige Leben. Was also zögern wir mit unserer Buße? Warum verschieben wir sie auf Morgen? Weder der morgende Tag, noch die wahre Buße stehet in unserer Kraft und Gewalt. Und nicht bloß von dem morgenden Tage, sondern auch von dem heutigen werden wir einst Rechenschaft geben müssen im Gericht. Der morgende Tag ist nicht so sicher, als das Verderben denen gewiß ist, die keine Buße thun. Gott hat dem Bußfertigen Vergebung zugesagt, aber den morgenden Tag hat er nicht zugesagt. Die Genugthuung Christi gilt nur dem in Wahrheit zerknirschten Herzen. Unsere Untugenden scheiden uns und unsern Gott von einander, zeuget der Prophet Jesaia (59,2.); aber durch die Buße kehren wir wieder zurück zum Herrn. Erkenne die Schuld deiner Sünde und traure darüber; so wirst du merken, daß Gott in Christo dir wieder gnädig geworden ist. Ich vertilge deine Missethat, spricht der Herr Jes. 41,22. Also unsere Sünden waren zur Strafe aufgeschrieben im Himmel. Verbirg dein Antlitz von meinen Sünden, bittet der Prophet Ps. 51,11. Also stellet Gott unsere Missethat vor sich Ps. 90,9. Herr, kehre dich doch wieder zu uns, bittet Mose Ps. 90,14. Also die Sünden scheiden uns und unsern Gott von einander. Unsere Sünden antworten wider uns, klaget Jesaja 59,12. Also klagen sie uns an vor dem Richterstuhle der göttlichen Gerechtigkeit. Reinige mich von meiner Sünde, bittet David Ps. 51,4. Also die Sünde ist die häßlichste Unreinigkeit vor Gott. Heile meine Seele, denn an dir allein hab ich gesündiget, bittet derselbe Ps. 51,6. Also die Sünde ist eine Krankheit der Seele. Ich will den aus meinem Buche tilgen, der an mir sündiget, spricht der Herr 2. Mos. 32,33. Also um der Sünden willen werden wir aus dem Buche des Lebens getilgt. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, bittet der Psalmist Ps. 51,13. Also um der Sünden willen werden wir von Gott verworfen. Nimm deinen heiligen Geist nicht von mir Ps. 51,13. Also durch die Sünden wird der heilige Geist aus dem Tempel des Herzens getrieben, wie die Bienen durch den Rauch, und die Tauben durch üblen Geruch verscheucht werden. Gib mir Freude und Wonne Ps. 51, 10. Also die Sünden ängsten die Seele und saugen das Mark des Herzens aus. Das Land ist entheiliget von seinen Einwohnern, denn sie übergehen das Gesetz, ruft Jesaia 24,5. Also die Sünde ist ein ansteckendes Gift. Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir, spricht der Heilige Sänger Ps. 130,1. Also durch die Sünde werden wir hinunter gezogen zur Hölle. Ehedem waren wir todt in Sünden, spricht der Apostel Eph. 2,1. Also die Sünde ist der geistliche Tod der Seele. Durch die Sünde, die den Tod gebiert, verliert der Mensch Gott. Gott ist das unendliche und unbegreifliche Gut; Gott also verlieren ist das unendliche und unbegreifliche Uebel. Wie Gott das höchste Gut, so ist die Sünde das höchste Uebel. Züchtigungen und Trübsale sind keine wahren Uebel, weil aus ihnen viel Gutes Hervorgeht. Ja, weil sie selbst gut sind, so ist offenbar, daß sie vom höchsten Gute, von Gott nämlich, herrühren, von dem nichts kommen kann als Gutes; sie waren im höchsten Gut, nämlich in Christo; das höchste Gut aber ist nicht theilhaftig wahren Uebels; sie führen auch zum höchsten Gut, nämlich zum ewigen Leben. Durch das, was er litt, ist Christus zu seiner Herrlichkeit eingegangen Luc. 24,26.; durch viel Trübsal müssen die Christen in das Reich Gottes gehen Ap. Gesch. 14,22. Das höchste Uebel ist also die Sünde, weil sie vom höchsten Gute abziehet. Um wie viel du dich Gott nahest, um so viel entfernst du dich von der Sünde.

Um wie viel du dich der Sünde nahest, um so viel weichst du von Gott. Wie heilsam ist also die Buße, die uns von der Sünde entfernet und uns zu Gott zurückführt! In Wahrheit die Sünde ist eben so groß, als der groß ist, der durch die Sünde beleidiget wird; den aber mögen Himmel und Erde nicht fassen. Wiederum aber ist auch die Buße so groß, als der groß ist, zu dem wir durch die Buße zurückkehren. Den Sünder klagt an das Gewissen, das er beschweret, der Schöpfer, den er beleidiget, das Vergehen, deß er sich schuldig gemacht, das Geschöpf, das er gemißbraucht, der Teufel, dem er Gehör gegeben hat. Wie heilsam die Buße, die von solchen Anklagen befreiet!

Darum laßt uns eilen, eilen zu dem so gesegneten Heilmittel wider solche Krankheit! Wenn du erst im Tode Buße thuest, so verlässest du nicht die Sünden, sondern die Sünden verlassen sich. Du wirst kaum Einen finden, der im Tode wahre Buße gethan, außer jenem einzigen Schächer am Kreuze. Vierzehn Jahre habe ich dir gedient, sprach Jacob zu Laban 1 Mos. 31, 41., es ist nun Zeit, daß ich für mein Haus sorge; und du, wenn du so viele Jahre der Welt und dem zeitlichen Leben gedienet hast, ist's nicht billig, daß du anfangest für deine Seele zu sorgen? Unser Fleisch mehret Tag für Tag die Sünde, darum möge der Heilige Geist Tag für Tag von derselben uns reinigen. Christus ist gestorben, auf daß die Sünde in uns stürbe, und wir wollen, daß das lebe und herrsche in unsern Herzen, was zu ertödten der Sohn Gottes selbst gestorben ist.

Christus ziehet mit seiner Gnade nicht eher ein in das Herz eines Menschen, als bis Johannes der Täufer ihm den Weg bereitet durch die Buße. Gott schüttet das Oel seiner Erbarmung nur in ein gründlich gereinigtes Gefäß. Gott tödtet zuerst durch Zerknirschung, um nachmals lebendig zu machen durch den Trost des heiligen Geistes; zuerst führet er in die Hölle durch ernsten Schmerz, um nachmals durch Mittheilung der Gnade herauszuführen aus der Hölle 1 Sam. 2,6. Elias hörete erst einen großen starken Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, und nach dem Winde ein Erdbeben, und nach dem Erdbeben ein Feuer; Hernach aber kam ein stilles, sanftes Sausen 1 Kon. 19,11 ff.: so auch gehet der Empfindung der göttlichen Liebe ein Schrecken, dem Troste eine Trübsal voraus. Gott verbindet deine Wunden nicht eher, als bis du sie erkennst und beweinst; er deckt nicht eher zu, als bis du deine Blöße offenbarest; er verzeiht nicht eher, als bis du anerkennst; er rechtfertiget nicht eher, als bis du dich verdammst; er tröstet nicht eher, als bis du alles Trostes dich entledigest. Solche Buße wirke Gott in uns durch den heiligen Geist!

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