Frommel, Emil - Die zehn Gebote Gottes in Predigten - Erstes Gebot. 3.

Frommel, Emil - Die zehn Gebote Gottes in Predigten - Erstes Gebot. 3.

Die Gnade unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.

Text: 2. Mose 20,2-3.
Ich bin der HErr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthause geführt habe. Du sollst keine andere Götter neben mir haben.

Geliebte Freunde! Wir sind das letztemal vor dem ersten Gebot gestanden. Es hat hmein geleuchtet in die neuen Götzentempel der Christenheit mit seinem: „Du sollst keine andere Götter neben mir haben;“ es hat umwerfen wollen die selbstgemachten Götter, gebildet nach eigenen Gedanken, die da tot, ohne Ernst und Heiligkeit sind. Wir haben die Götzen des Herzens geschaut, die Welt mit ihrer Lust, mit ihrem Geld und Gut, den groBen Götzen Menschenfurcht und Menschenliebe und den gefährlichsten das eigene Ich. Jammervoll ist der Mensch bestellt, der sich ihnen hingibt; denn in der Zeit der Not hören sie nicht und helfen sie nicht, es geht ihren Dienern wie zur Zeit Eliä den Priestern Baals, da sie zu ihm riefen: „Baal, erhöre uns,“ da war keine Stimme, noch Antwort, noch Aufmerken; in der Zeit der Not müssen sie den gerechten Spott hinnehmen: „Ruft lauter, denn euer Gott dichtet, oder hat zu schaffen, oder ist über Feld, oder schläft vielleicht!“

Dies Gebot will sie alle niederreißen und zertrümmern; aber nicht nur das - es will dem allein wahren und lebendigen Gott den Altar aufbauen; denn einen Gott muss das Herz haben, vor dem es die Knie beugt, und einen Altar, auf dem es opfert.

Nun, den rechten Gott und seinen rechten Dienst lehrt dich dies Gebot; denn wenn der HErr dir verbietet, keine andere Götter neben ihm zu haben, so gebietet er dir damit zugleich, Ihn als den allein wahren Gott

  1. über alle Dinge zu fürchten,
  2. über alle Dinge zu lieben,
  3. und ihm allein zu vertrauen.

1) Ihn über alle Dinge fürchten.

Furcht, liebe Freunde, gibts genug in der Welt. Wer doch all die Angst- und Schreckbilder zählen könnte, die den Leuten auf der Seele liegen und sie quälen; gibts doch Menschen, die aus lauter Furcht zusammengesetzt scheinen. Furcht vor den Menschen nach Unten und Oben, Furcht vor der Armut und Not, Furcht vor Krankheit und Tod. Es gibt aber eine Furcht, die ist die rechte Arznei gegen alle Furcht und treibt sie aus, wer diese Furcht gelernt, der hat alle andere Furcht verlernt. Das ist die Furcht des HErrn. Sie kommt aus einer rechten und wahren Erkenntnis Gottes. So lange du dir selbst deinen Gott machst, hast du keine Furcht vor ihm; denn du schaffst dir einen Gott, den du nicht zu fürchten brauchst, einen Gott, der sich nach dir richtet und nach dem du dich nicht zu richten hast. Erst wenn dir Gott so vor der Seele steht, wie er sich dir in Seinem heiligen Wort geoffenbart als einen Gott, vor dem die Himmel nicht rein und vor dem Seine Heiligen nicht ohne Torheit sind, der in einem Licht wohnt, da Niemand zukommen kann, den es ein Wort kostet, um dich unaussprechlich selig, aber auch unaussprechlich unglücklich zu machen, dann erst wird die Furcht vor Ihm in deine Seele kommen, die eine heilige Scheu, ein Sichbeugen deiner Seele vor Ihm in den Staub, ja ein Zittern und Zagen vor seiner unnahbaren Nähe ist; denn es ist wahr, was ein treuer Zeuge des HErrn sagt: „So kann kein Mensch und auch der mächtigste nicht Dich niederwerfen, in Angst und Not Dich bringen, als der Gott, der ein verzehrend Feuer ist, von dem die Schrift sagt: Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten; und abermal: Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!“

Aber, sagt ihr, du lehrest uns hier eine knechtische Furcht und doch lehrt der Apostel eine kindliche Furcht. Ich habe sie nicht vergessen; aber ich möchte nicht so schnell hinweg über die knechtische Furcht. Wahrlich es täte unserer Zeit, die sich vor dem weltlichen Arm, vor dem Amthaus und dem Schwurgericht wohl fürchtet, etwas Not von der knechtischen Furcht vor dem Gott, der ins Innerste sieht, der strenger als die Amtleute ist und vor dessen heiligem Schwurgericht kein Sünder seine Augen noch seinen Mund auftun wird. Ja allen Vornehmen und Geringen, Gebildeten und Ungebildeten, die nichts Schrecklicheres kennen, als mit einer offenbaren Sünde sich vor der Welt zu blamieren, wünschte ich etwas von dieser so hochmütig angesehenen knechtischen Furcht, sich vor dem Gott zu blamieren, der vor allen Heiligen einst ihnen die Lumpen ihrer Eigengerechtigkeit vom Leibe reißen und sie darstellen wird in der Schande ihrer Blöße. Meine Lieben! Stellet diese Furcht nicht so tief! Wer nicht in seinem Leben einmal in dieser knechtischen Furcht gestanden, wer nicht vor dem Gott, vor dem die Seraphim ihre Angesichter und ihre Füße bedecken, schauernd gestanden und mit dem Propheten gerufen hat: „Wehe mir, ich vergehe,“ der kommt auch nicht zu der wahren kindlichen Furcht hindurch. Als Paulus redete von der kindlichen Furcht, hatte er schon den Weg nach Damaskus, da der HErr ihn in den Staub warf, mit seinen Schrecken hinter sich. Ohne den kindlichen Geist, den nur der empfängt, der eben bebend von der Majestät Gottes zu Christo dem Heiland gekommen und Gottes Liebe erfahren hat, ist das Reden von einer kindlichen Furcht entweder eine Lüge oder ein verborgener Hochmut, der mit seinem Gotte fertig werden will.

Mit diesem kindlichen Geiste aber wirst du ihn fürchten, nicht allein als den, der da heimsucht der Väter Missetat, sondern auch als den, der Barmherzigkeit tut an vielen Tausenden, die Ihn lieb haben. Ihn fürchten um seiner Strafe willen ist knechtische Furcht, Ihn fürchten, weil Er uns so lieb hat und Ihn darum nicht betrüben wollen, das ist kindliche Furcht. Wie der Kirchenvater Augustinus schön sagt: „Siehe die knechtische Furcht fürchtet Gott, dass er mit seiner Strafe kommen möchte, die kindliche Furcht fürchtet Gott, er möchte mit seiner liebe von uns fortgehen.“ Wenn du bei jeder Tat dir sagst: wie stimmt sie zu meinem heiligen, zu meinem barmherzigen Gott, zu seinem heiligen Gebote? wie stimmt mein Wort zu dem Gott, der mir nahe ist, betrübe ich sein heiliges Ohr nicht? Wenn du vor der Sünde zurückbebst und sprichst mit Joseph: „Wie sollte ich so groß Übel tun und wider Gott sündigen;“ dann steht diese Furcht Gottes wie ein Cherub mit flammendem Schwert da, der des Herzens Tor bewacht, dass die argen Gedanken nicht hmeinziehen.

Aber es könnte mancher unter euch meinen, das sei ein elendes Leben, so in steter Furcht Gottes dahin zu gehen, sich bei allem Tun und Lassen zu fragen, was der heilige Gott dazu sagt; das mache den Menschen schwach und feig, und die Furcht des HErrn sei vielmehr aller Torheit Anfang. Im Gegenteil, liebe Freunde! es gibt keine furchtloseren Leute als die, die Gott wahrhaft fürchten; denn wen hätten sie noch zu fürchten? „Auf Gott hoffe ich und fürchte mich nicht, was können mir Menschen tun?“ sagt der Psalm, und Paul Gerhard singt:

„Hab ich das Haupt zum Freunde
ünd bin geliebt von Gott,
Was kann mir tun der Feinde
Und Widersacher Rott?“

Bei dreihundertmal stehet das Wort: „Fürchte dich nicht“ in der Bibel, wo es der Herr aber nur zu denen redet, die Ihn fürchten. Da wird aus dem kleinen David ein Riese; weil er den HErrn fürchtet, fürchtet er den Riesen nicht mehr samt seinem großen Speer und großen Maul; da wird der zarte Daniel ein fester Mann, will lieber den Löwen in den Rachen schauen, als sein Fenster schließen gen Jerusalem; da schweigt Johannes der Täufer nicht vor Herodes und seinem Zorn und tut was seines Amtes ist; dort steht Stephanus fest bei aller Wut und allem Toben, ein Engelsangesicht voll Frieden; da stehen Petrus und Johannes wie Felsen vor dem hohen Rat und rufen: „Wir könnens ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten das, was wir gesehen und gehört haben, man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Da stehet Luther vor Kaiser und Reich als seine Freunde zittern und beben, aber er ist getrost und rief hmein: „Hier stehe ich; Gott helfe mir - ich kann nicht anders.“

Sind das feige Leute etwa gewesen? Wo der HErr zum Feuer geworden ist, da sind alle Menschen zu einem Heu geworden, zu Blumen, die bei all ihrer Pracht am Abend verdorrt sind. Die Furcht Gottes machet die charakterfesten Leute, die ehrenfesten Beamten, die den König ehren, die keine Bestechung reizt, denen keine Gunst und Ehre den Mund stopft - die Furcht Gottes ists, die dem Ungebildeten Kraft gibt, dem gebildeten Spötter, und wenn er tausendmal gescheiter wäre, ins Angesicht zu sagen: „die Toren sprechen in ihrem Herzen: es ist kein Gott.“ Darum hatte unser seliger Markgraf Carl Friedrich Recht, wenn er bei der Anstellung eines Mannes vor allen die Examinationsfrage tat: hat er auch Religion? Ohne Gottesfurcht ist eines Menschen Charakterfestigkeit mehr Eigensinn und Hochmut, oder Schein und Augendienst, wie du das an Pilato und Felix, den Landpflegern, sattsam sehen kannst. Darum hat Luther Recht, wenn er sagt: „Diese Furcht Gottes ist eine rechte Männin, eine tugendhafte Heldin, die sich vor keinem Trotzen, Stürmen, Drohen, Wüten und Toben der Menschen lässt schrecken, sondern, wenn sie entweder Gott oder Menschen muss erzürnen, so spricht sie: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ So antworten wir denn dem Herrn auf sein „Ich bin der Herr“: Ja du bist unser Herr, darum wollen wir dich über alle Dinge fürchten. Allein es heißt auch dein Gott, und darum sollen wir Ihn auch:

2) über alle Dinge lieben.

Liebe ist auch viel in der Welt; für was alles haben wir nicht ein offenes Herz! Summa, es ist nichts in der Welt, an was der Mensch nicht sein Herz hängen könnte und wärs nur ein Tier oder ein Blumenstock. Des Menschen Herz ist so geschaffen, dass es ohne Liebe nicht leben kann. Aber nichts was in der Welt ist, stillt dieses Liebebedürfnis; es trägt ein jeder Mensch einen tiefen Abgrund in sich, der durch nichts in der Welt ausgefüllt wird; es ist die Liebe eines natürlichen Menschen ein unglücklicher Wanderer, der an allen Herzen und Türen anklopft und fragt, ob da das Glück sei, der überall hört „Ja, bei mir,“ und darnach es schmerzlich erfahren muss, dass er betrogen sei. Und wenn man dem Menschen eine ganze Welt gäbe, so würde er nicht befriedigt sein, sondern eine zweite haben wollen.

Woher das? Woher all dies unbefriedigte lieben? das kommt daher, dass alle Liebe von Gott stammt und darum auch wieder zu Gott will. Er allein will jenen Abgrund ausfüllen, darum stillt alles, was man außer Gott und neben Gott liebt, des Herzens Bedürfnis nicht; darum ist alle noch so edle Liebe wie Noahs Taube, die nirgend fand, da ihr Fuß ruhen konnte, bis sie zur Arche zurück flog. Darum sagt Augustinus: „Du Herr, hast un zu dir geschaffen und unser Herz ist unruhig, bis es ruht in dir.“ . Dann steigt die Flamme der Liebe, die vorher wild nach allen Seiten schlug, stille und glühend hinauf und wärmet mild zur Seite. Allein diese höchste Liebe kommt nur in dein Herz, wenn sie zuerst aus dem Herzen Gottes wie ein Funke in dich herab gefallen ist; das heißt, wenn du zuerst die Liebe Gottes in deinem Herzen erfahren hast, und empfunden, wie tief und innig dich dein Gott geliebt. Und wie hat dich dieser große Gott geliebt! Nennst du es doch schon Seligkeit, wenn dich ein Mensch liebt, den du höher stellst als dich selbst; was ist aber der herrlichste Mensch gegen deinen Gott? Du wirst Ihn lieben lernen zuerst um deswillen, was er dir gibt und schenkt in irdischen und himmlischen Dingen, aber je größer deine Liebe wird, um so mehr wirst du Ihn lieben, nicht um der Gaben willen, sondern um Seiner selbst willen. Oder was ist dir an der Gabe deine Freundes das Liebste? Gewiss nicht die Gabe selbst, sondern der Geber, der eben in der Gabe sich selbst dir schenkt - dann wirst du Ihn lieben, wenn er schenkt und wenn Er nimmt, wenn Er gewährt und wenn Er versagt. O wenn du Ihn in seiner Liebe zu dir erkannt, Ihn, der sich dir in Christo Jesu geschenkt, und hier schon dich selig haben will, ja dir von Anbeginn der Welt bereitet hat, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Sinn gekommen ist, dann wird alles Andere gegen Ihn nicht liebenswert erscheinen, denn „dass ein Mensch die Welt noch lieben kann, das kommt daher, dass er nicht die Liebe des Vaters erfahren hat,“ sagt der alte Arnd. Diese Liebe Gottes weckt in dir die Gegenliebe, kraft der du rufst: „Lasst uns Ihn lieben, denn ER hat uns zuerst geliebt!“ Sie ist es, die dann jedes Gesetzes Erfüllung leicht macht, die dich treibt zu sprechen: „Deinen Willen mein Gott tue ich gerne.“ Das ist dann eine Liebe, stark wie der Tod, und ihr Eifer fest wie die Hölle. Meinst du aber bei dieser Liebe Gottes werde ein Mensch ja ganz grämlich und sauertöpfisch, da müsse er ein rechter Kopfhänger werden, der an nichts mehr Freude hat, so bist du schlecht berichtet. Wie es keinen furchtloseren Menschen gibt als den, der Gott fürchtet, so gibt es auch keinen liebenderen, freudigeren Menschen als den, der Gott liebt. In allen irdischen Dingen wird er nun das wahrhaft Liebenswerte und liebenswürdige erkennen; was noch von seines Gottes Bild eine Spur trägt, das wird er um Gottes willen lieben. Aber alle irdische Freude und alle Liebe, die ihm widerfährt, genießt er immerhin als ein Pilgrim, der sich nirgens aufhalten darf, der über allem Schönen in der Fremde die herrliche Heimat nicht vergisst. Mit seinen Mitpilgern schließt er einen Bund der Liebe, der den Tod überdauert; mit Ihnen singt er die Freudenlieder vom ewigen Leben, von der himmlischen Stadt mit den goldenen Gassen und ihren Perlentoren. Ich meine, das seien keine Kopfhänger gewesen, die da singen konnten:

Herzlich lieb hab ich dich, o Herr,
Ich bitt du wollst sein von mir nicht fern,
Mit deiner Hilfe und Gnade.
Die ganze Welt erfreut mich nicht,
Wenn ich nur dich kann haben.
Und wenn mir gleich mein Herze bricht,
So bist du doch mein Zuversicht,
Mein Teil und meines Herzens Trost,
Der mich durch sein Blut hat erlöst!

Diese Liebe zu dem Herrn macht rechte Helden, wie denn der Apostel ruft: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes, Trübsal oder Angst, oder Verfolgung, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert? Wie geschrieben steht: Um Deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe, aber in dem allem überwinden wir weit, um deswillen, der uns geliebt hat.“ Diese Liebe hat die erste christliche Gemeinde fröhlich auch bis in den Tod erhalten. Wenn Ignatius ruft: „Wohlan tötet mich, ihr werdet dennoch den Namen Jesu in goldenen Buchstaben in meinem Herzen finden;“ wenn die Märtyrerin Blandina, die verurteilt wurde, auf glühenden Kohlen zu gehen, ausruft: Mein Herr lässt mich durch seine Liebe auf lauter Rosen gehn;„ da siehst du, dass diese Liebe zu dem Herrn eine Macht ist, die da freudige Leute macht.

Nun, mein Christ, hast du diese Liebe? Schenkst du deine ganze Liebe dem, dem sie allein gehört? dem du angetraut bist als eine Braut, der sich dir verlobt in Taufe, Konfirmation und Abendmahl? Gibts etwas schändlicheres als eine Braut, die ihren Bräutigam, dem sie Treue gelobt, verlässt und Andern nachläuft? Und du? hat er das um dich verdient? Er ist dein Gott, dein höchstes, einziges, ewiges Gut; so sprich denn zu Ihm:

Ich will dich lieben, meine Stärke,
Ich will dich lieben, meine Zier,
Ich will dich lieben mit dem Werke
Und immerwährender Begier,
Ich will dich lieben schönstes Licht,
Bis mir das Herz im Tode bricht.

Wo du aber weißt, dass Er der Herr dein Gott ist, darfst du auch kühn den Nachdruck legen auf das: Dein Gott und darum

3) Ihm allein vertrauen.

Weil er denn ein so mächtiger Herr ist, der Alles geben kann und ein so treuer und barmherziger Gott ist, der Alles geben will, wirst du nicht vor Allem an seiner reichen Schatzkammer und an seinem Herzen anklopfen, von Ihm allein alle Hilfe und Gnade erwarten? Denn im Anschauen dieses gewaltigen HErrn wirst du dir nimmermehr als ein großer Herr vorkommen, der Alles selbst mit seinem Witz und Verstand und Wollen durchführen kann, sondern wirst demütig bekennen müssen:

Mit unsrer Macht ist nichts getan,
Wir sind gar bald verloren,
Es streit't für uns der rechte Mann,
Den Gott hat selbst erkoren.

Du wirst einsehen, dass ja alle deine Kräfte von Ihm kommen, dass du dich über Nichts rühmen kannst, als ob du es nicht zuvor empfangen hättest. Vor dem ewig treuen Gott, der sein Wort hält auf Kindeskind, soll dir das Vertrauen auf die Menschen, diese trügerischen Eintagsblumen, vergehen. Dafür soll ER allein dein Mann werden, zu dem du stehst und der zu dir steht als dein tapfrer, treuster Freund. Ihm sollst du all deine Sachen befehlen, ihn lass tun und walten, Sein Gang ist lauter Licht. „Unsre Väter hofften auf dich und wurden nicht zu Schanden,“ ruft der Psalm, und du wirst es mit Ihm auch nicht. Ein größeres Pfand seiner Fürsorge für dich hat Er dir wahrhaftig doch nicht geben können, denn dadurch, dass ER seines eigenen Sohnes nicht verschont hat, sondern ihn auch für dich dahingegeben; wie sollte Er dir mit ihm nicht alles schenken? Sollte der nicht hören, der geantwortet hat, noch ehe du gerufen hast? An solche gewaltige Denksteine göttlicher Verheißung und Erfüllung gehe fleißig und stärke deinen Mut, auch dann, wenn dir Alles dunkel und Alles verworren vor deinem Blick zu sein scheint. Er führt Alles wohl. Ein Schiff war einst auf wildem Meer in großer Not, denn der Sturm warf es hin und her; alle Leute ängstigten sich, nur des Steuermanns Büblein saß ruhig da und sah sich sorglos die ängstlichen Leute an. Da wunderte sich Jedermann über seine Furchtlosigkeit; das Büblein aber sprach: „Drum sitzt eben mein Vater am Steuerruder!“ Nun denn Gott ist noch ein besserer Steuermann, denn des Bübleins Vater, und Ihm wolltest du nicht trauen? Lass ihn das Steuer führen und falle ihm nicht in den Arm, wenn du meinst, er fahre nicht recht. „Wunderlich wohl, aber seliglich“ führt der HErr die Seinen.

So du aber glaubst, ein Mensch, der auf Gott vertraut, sei nur ein halber Mann, denn ein solcher habe ja kein Vertrauen in sich und „selbst sei doch der Mann,“ das nehme einem Menschen ja allen Mut - so bist du wieder betrogen worden. Nicht der David mit Sauls Schild und Speer, sondern der David mit dem Namen des Herrn, mit der Schleuder und den fünf Steinen hat den Riesen erschlagen. Der Mann, der das Lied oben gesungen hat: „Mit unsrer Macht ist nichts getan,“ Doktor Luther, hat dem päpstlichen Gesandten, der ihn frug, wo er denn gedächte sicher zu sein, da ihm aller Schutz der Fürsten mangle, freudig geantwortet: „Unterm Himmel.“ Als er in die Acht erklärt war und jeder ihn töten durfte, behielt ihn sein Kurfürst in der Wartburg und wollte ihm um der Gefahr willen nicht erlauben nach Wittenberg zu kommen. Allein Luther entwich doch, schrieb dem Kurfürsten aber einen tröstlichen Brief, worin er sagt: „Ich komme gen Wittenberg in gar viel einem höhern Schutz, denn des Kurfürsten. Ich habs auch nicht im Sinn, Ew. Gnaden Schutz zu begehren. Ja ich halte, ich wollte Euer furfürstlichen Gnaden mehr schützen, als sie mich schützen könnte; dazu wenn ich wüsste, das Ew. Gnaden mich könnte oder wollte schützen, so wollt ich nicht kommen. Dieser Sachen soll noch kann kein Schwert raten noch helfen. Gott muss allein hier schaffen ohn alles menschliche Sorgen und Zutun. Darum wer am meisten glaubt, der wird hier am meisten schützen. Es ist ein anderer Mann als Herzog Georg, mit dem ich handle; der kennt mich sehr wohl und ich kenne ihn nicht übel. Wenn Euer kurfürstliche Gnaden glaubte, so würde sie die Herrlichkeit Gottes sehen; weil sie aber nicht glaubt, so hat sie noch nichts gesehen. Gott sei Ehr, Lieb und Lob in Ewigkeit. Amen.“

War das etwa ein verzagter Mann? Frage dich selbst.

O wenn in deinem Herzen dieser Altar des einigen Gottes stünde, und des Herrn Furcht, Liebe und Vertrauen ihre Opfer anzündeten, was fehlte dir noch? Gott gegenüber wärst du ein Kind, aber der Welt gegenüber ein Mann und streitbarer Held. Da wärest du gewappnet für den ganzen Tag, könntest frei hintreten und mit dem alten Spruche sagen:

Welt, wie du willt,
Gott ist mein Schild.

Schenke es uns der barmherzige Gott, Euch und mir, durch Jesum Christum, seinen Sohn, Ihn so zu fürchten, so zu lieben und so Ihm allein zu vertrauen. Amen.

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