Erichson, Alfred - Zwingli's Tod und dessen Beurtheilung durch Zeitgenossen - I. Die Katastrophe.

Erichson, Alfred - Zwingli's Tod und dessen Beurtheilung durch Zeitgenossen - I. Die Katastrophe.

Die Bestürzung der Zürcher nach der Niederlage von Kappel mag Schuld daran gewesen sein, daß sie das Unglück, welches sie getroffen, nicht sofort den Straßburger Freunden meldeten. Als endlich, etwa zehn Tage später, die Schreckensbotschaft sich in Straßburg verbreitete, wollten Viele nicht daran glauben. Ende Oktober schrieb Capito an Bruckner, Prediger in Mülhausen im Ober-Elsaß: „Am gestrigen Tage ging hier das Geschrei, daß Zwingli, achtzehn seiner Mitbürger und zwei Rathsherren von Zürich umgekommen seien. Mit solcher Bestimmtheit wurde dies behauptet, daß zaghafte Gemüther beinahe davon überzeugt worden wären. Wir wissen aber, daß dieser Mann Gottes unter dem Schutz des Allmächtigen steht, ohne dessen Willen auch nicht ein Haar von seinem Haupte fällt.“ In einem an Bucer gerichteten Schreiben, vom 21. Oktober, drückt Grynäus aus Basel sein Befremden aus, daß die Straßburger noch nichts über die neuesten Ereignisse erfahren haben, weshalb Oekolampad es übernahm, darüber an Capito zu berichten:

„Es sind jetzt,“ schreibt er1)), „die Unsrigen in einen unheilvollen Krieg verwickelt. Indem die Zürcher dem Heere der fünf Orte entgegenzogen, das im Begriff war, ihr Gebiet zu verwüsten, haben sie eine ungeheure Niederlage erlitten, wenn auch der Verlust an Menschenleben nicht so groß ist. Unser in jeder Hinsicht unvergleichlicher Zwingli ist mit dem Abte von Kappel, dem Comthur von Küsnacht und mit dreizehn andern gelehrten und ausgezeichneten Männern, deren Namen mir noch nicht bekannt, und die in dieser ersten Niederlage dem Feind in die Hände fielen, ums Leben gekommen. Die Rohheit und Unmenschlichkeit der Feinde läßt sich nicht beschreiben. Reden wir nicht mehr von den Türken: unsere Feinde sind weit grausamer. Den elendiglich verstümmelten Abt von Kappel haben sie der Augen beraubt, in eine Kutte gehüllt und auf eine Kanzel gestellt, daß er predige. Kein Maß in ihren Lästerungen, ihren Spöttereien. Wer kann sagen, wie sie den Zwingli zerrissen haben! Mir schaudert, solches zu schreiben. Was werden sie noch begehen, wenn ihr Sieg vollkommen sein wird, da sie gleich anfangs Derartiges zu thun wagen, trotzdem sie selber Viele ihrer Vornehmsten verloren haben! Dies vermag jedoch weder ihre Herzen von zu Stein rühren, noch uns zu trösten. Das vergossene Blut lebt aber und schreit zum Himmel; die Rache ist bei dem Herrn, geheim sind seine Gerichte! Möge auch eure Kirche die brünstigsten Gebete zu Gott senden, daß Er unser nicht vergesse und diesen schweren Nöthen ein Ende gebe!“

Obiger Brief konnte schwerlich in Straßburg angelangt sein, als Bucer, welchem direkte Mittheilungen, wohl aus Zürich selbst, zugekommen waren, am 23. Oktober folgendes Schreiben an den Reformator Ambrosius Blaurer in Eßlingen sandte:

„Welchen Lärm wird es nun geben und wie wird unser Evangelium heruntergemacht werden! Wie wird man ausposaunen: Derjenige (nämlich Luther) habe nicht falsch prophezeit, der uns des Müntzerischen Geistes beschuldigte! Handeln wir deshalb bescheidener und vorsichtiger. Meine hiesigen Amtsbrüder wissen, welche Befürchtungen jene klugen Pläne stets in mir erregten. Da sie jedoch glückten, dachte ich: mannigfaltig sind die Wege des Herrn. Der ganze Verlauf der Sache wird Dir wohl von Konstanz aus berichtet worden sein, und zwar besser als wir ihn kennen. Ich will Dir dennoch mittheilen, was man uns geschrieben hat. 2)

„Am 10. Oktober kam nach Zürich ein früher aus dem Lande verwiesener Laufbursche, um Gnade und Wiederaufnahme bittend und als Gegendienst die Anzeige machend, daß die fünf Orte gerades Wegs gen Zürich heranzögen und schon im Begriff seien, Kappel zu besetzen. Die Zürcher vertrauten dem Verräther, ließen eine Kohorte Bombarden vorrücken und folgten sogleich unter der Führerschaft Georg Göldli's, in so großen Haufen als möglich, ungerüstet. Zwingli, zu Pferd und bewaffnet, begleitete sie. In einiger Entfernung von der Stadt angelangt, sandten sie jenen Menschen, dem sie Waffen gegeben hatten, voraus, um die Beschaffenheit des feindlichen Lagers auszukundschaften. Kaum hatte er sich ihren Blicken entzogen, so warf er seine Waffen ab, kehrte schnurstracks zu den Feinden zurück und verrieth Alles. Die Luzerner sollen nicht dabei gewesen sein. Jene traten nun aus ihrem Versteck, dem Wald, hervor, als der Augenblick günstig erschien und eröffneten die Schlacht. Die Unsrigen, in Schlachtordnung aufgestellt, griffen mit großem Muthe an, und zwar zuerst mit den Kanonen, welche gute Dienste geleistet haben sollen. Als es dann zum Handgemenge kam, ließen die Zürcher es nicht mangeln an der größten Tapferkeit und zwangen den Feind zu weichen. Bereits war ausgekämpft, als Letzterer bemerkte, daß die Bauern, welche unser Geschütz decken sollten, geflohen waren. Hierdurch ermuthigt, griff er, in schon überlegener Anzahl, uns zum dritten Male an. Es entbrannte nun auf beiden Seiten eine solche Wuth und wurde mit solcher Hartnäckigkeit gekämpft, daß man zuletzt mit den Tischmessern, mit den Zähnen und den Nägeln sich gegenseitig niedermachte. Zwingli, die Seinen in Gefahr erblickend, sprang bis in die zweitvorderste Reihe vor und fiel als ein Held. 16 Kanonen, zwei Banner samt dem ganzen Gepäck gingen verloren. Das große Banner, das in die dritte Hand gekommen war, wurde zuletzt durch einen etwa 18-jährigen Jüngling zusammengerollt und nach Zürich zurückgebracht. Der Feind hat seine Leichen mit sich weggeführt, so daß die Unsrigen seine Verluste nicht erfahren haben. Ein Zürcher, der gefangen worden, hat erzählt, welche Gräuelthaten an Zwingli's Leiche verübt wurden. In Zürich herrscht unsägliche Trauer, denn es fielen 14 Mitglieder des Kleinen Rathes, unter denen Dumysen mit zwei Söhnen; ungefähr 400, heißt es, werden vermißt, großen Theils Zürcher Bürger und die Besten der Stadt.

„O des Unheils! So hat der Herr uns vergolten! Suchen wir Trost bei Christo, welcher unsere Sache augenblicklich nur deshalb verläßt, um uns zu demüthigen. Lebe wohl. Stärken wir uns durch das Gebet. Martin Bucer, ganz der Deine.“

1)
22. October Epp. Zwinglii et Oecol. Edit. Basileae (1536
2)
Ich gebe diesen Bericht vollständig wieder, weil er unter den in Egli's Schrift (die Schlacht von Kappel) angeführten Beschreibungen fehlt und einige Züge enthält, die sonst nirgends erwähnt werden.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/e/erichson/zwingli/erichson_zwinglis_tod_-_die_katastrophe.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain