Diedrich, Julius - Der vierzehnte Psalm.
Lebt man in Gott, so schaut man aus Gott alle Dinge an, und von Ihm aus nimmt diese Welt sich gar anders aus, als sie sonst erscheint. David schaut die Welt von Gott aus in allgemeinem Verderben, er sieht auch die geringe Zahl der Gläubigen als geringe Zahl; aber obwohl wir auf Erden das Meer der Bosheit dieser Welt noch nicht einmal übersehen, und uns doch schon leicht fürchten, so gewahrt man vom Himmel her immerdar den Sieg der kleinen Herde, den ihr Gott zu geben beständig im Begriff ist, und ruft ihr tröstlich zu. Das gebe uns Gott reichlich zu unserer Zeit zu erkennen!
Dem Sangmeister hat David dies Lied übergeben, 1. dass es die Gemeinde aller Kinder Gottes zur Unterweisung und zum Troste singend betrachte. Es spricht der Tor in seinem Herzen: Es ist kein Gott! Sie sind verderbt, ein Gräuel mit ihrem Tun, da ist keiner, der Gutes tue. So ist die menschliche Verderbtheit, wie sie denn an dem großen Haufen zu allen Zeiten allerwärts zu sehen ist.
Die Weisen, wie sich die Sünde an den einzelnen offenbart, sind freilich unzählig verschieden; aber das Wesen ist immer dasselbe, dass die Menschen im Grunde nicht Gott erkennen, d. h. sie wollen Ihn doch nicht als Gott anerkennen, wenn sie auch vielerlei Reden von Ihm führen. Sie wollen selbst Gott sein, und so sind sie wohl aufs tiefste verderbt und von dem ursprünglichen Zustande der Ebenbildlichkeit Gottes ins Gegenteil verkehrt. So ist aber ihr Vornehmen alles gräulich und ekelhaft vor dem wahrhaftigen Gott, weil es auf tiefer Verlogenheit ruht: all ihr Tun ist nimmer gut, weil es alles aus sündlichem Grunde herkommt. Damit ist aber der Mensch durch seine Hoffart zum unsinnigsten Toren geworden, denn indem er Gott, den ewig Seienden, nicht seinen Gott und sein Alles will sein lassen, löscht er sich selbst aus, wird er zum Selbstmörder an dem eigenen Leben, was nämlich allein Leben genannt zu werden verdient. Dies sieht man freilich für 2. gewöhnlich nicht so an; aber Gottes Ansicht ist allein die wahre: Der HErr schaut vom Himmel herab auf der Menschen Kinder zu sehen, ob Jemand klug sei, der nach Gott frage, denn nach Gott zu fragen, das wäre der einzige Weg zum Leben. Gott will sich ja finden lassen und bietet sich genugsam dar. Aber sie sind s. alle abgewichen und allesamt untüchtig, da ist nicht, der Gutes tue, auch nicht Einer. Das Wesen ihrer aller ist verderbt von Natur, des natürlichen Menschen ganzes Wollen und Sein ist verderbt, so kann wohl keiner, der nicht wiedergeboren, irgend was wirkliches taugen oder 4. vollbringen. Wissen das denn nicht alle Übeltäter, was sie sich selber anrichten? sie, die mein Volk fressen wie Brot, und den HErrn rufen sie nicht an. Gott muss ja wohl Richter bleiben; Gott gleich oder überlegen werden wir doch wahrlich nicht durch unsre Bosheit, was soll denn nun aus den törichten Gottesverächtern werden? So viel Verstand hat jeder Mensch, dass er sich so fragen könnte; die Bosheit des Herzens lässt ihn aber nicht zur Überlegung kommen; die Bosheit des Herzens macht es, dass die Gottlosen die Kinder Gottes hassen und zu vertilgen trachten und Gott nicht den Mund gönnen. mögen. Darin sind die natürlichen Menschen aber beschrieben, dass sie Gottes Wort hassen und kein wirkliches Gebet haben, 5. ihr Beten ist totes Heuchelwesen. Doch sind sie von vornherein verloren, wenn auch Gottes Erwählte ihnen hier im Rachen sitzen und immer schon wie verschlungen sind. Da fürchten sie sich gar sehr, denn Gott ist unter dem Geschlechte der Gerechten. Der Sänger sieht es im Geiste schon ganz anschaulich, wie diese gottlosen Scharen von gräulicher Furcht ergriffen sind und vor dem Geschlechte der Gerechten, d. h. der Begnadigten und Gläubigen dahinsinken, welche sie noch so eben verschlangen.
Gott ist ja wohl in der Menschheit, nämlich in Seinen Erwählten, die durch den Glauben an Ihm hängen, an Seiner Gnade ihre Gerechtigkeit haben und aus Seiner Fülle leben; in denen feiert Er auch Sieg über alle Feinde. Gott war in Christo und darum musste auch wohl der Tod zerbersten, als er Christum verschlungen hatte: so muss auch nun wieder alles zerbersten, was uns verschlungen hat, weil 6. Gott durch Sein Wort in uns wohnt. Ja macht nun nur den Rat des Elenden und geistlich armen zu Schanden, wie ihr Gottlose auch rühmt, fahrt nur immerhin so fort; ihr müsst doch unterliegen, denn der HErr ist seine Zuflucht, und er kann euer fröhlich spotten: in Gott bekommt man es so zu sehen, dass die Gläubigen ihre Feinde nur immer machen lassen können und des Sieges doch gewiss bleiben. In Gott ist man dessen wohl gewiss; 7. aber hier auf Erden hat man noch Kampf und muss seufzen: Ach dass aus Zion das Heil Israels käme, indem der HErr zurückkehrte zum Gefängnis Seines Volkes: So würde Jakob jubeln und Israel sich freuen. Gott wohnt ja unsichtbar in Seinem Tempel, der Ewige und Allmächtige ist als unser König mitten unter uns, wenn wir Ihn auch nicht mit Augen sehen; unsre Herzen lieben Ihn doch, so kennen sie Ihn auch so muss Er denn auch wohl Sein Heil, welches Er Seinem Volke zugedacht hat, immer wieder offenbaren und auch in dieser Welt seine kleine, von so vielen Raubtieren umlagerte Herde hindurchführen und zum Siege bringen. In der Welt fühlen wir oft ängstliche Gefangenschaft, die Luft wird uns gar knapp; aber unser Gott geht uns doch immer wieder mit Hilfe und Trost auf, und so kommt für uns auch immer wieder die Stunde des Jubels und der Freude, ja ewig sollen wir uns freuen und unserm Gotte jauchzen. Dessen müssen wir aber hier noch im Worte und wider den Augenschein gewiss sein: das hat wohl täglichen Kampf; aber wer da ringt, der wird Gottes Kraft empfangen und endlich lautere Kindesfreude bei Gott genießen.
Gebet. HErr! lehre uns, aller Gottlosen Wesen als ewig verloren erkennen, dass wir ihre Haufen und ihren Rachen nie fürchten, und in Deinem Worte ruhend, Deine Treue preisen: durch Jesum Christum. Amen.