Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 5. Capitel.

Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 5. Capitel.

Der Pilgrim wird in die innere Kirche gewiesen.

Damit du aber hierinn besser gegründet werdest, und dasjenige Vergnügen, wovon du jetzt vernommen, in der That erfahrest, so sende ich dich unter andere meine Diener, welche vorhin die Welt verlassen, und sich mir ergeben haben, damit du ihre Art und Wesen sehen möchtest. Ey, wo wohnen sie, mein Herr? sprach ich; wo soll ich sie suchen? Er antwortete: Sie wohnen in der Welt unter andern Menschen zerstreuet; aber die Welt kennet sie nicht. Du aber, damit du sie erkennest, und damit du, weil du in der Welt noch seyn must, bis ich dich von hinnen nehme, für Betrug sicher seyst, so will ich anstatt der Brillen und des Zaums, mit welchen du vorhin umgeben warest, anjetzo mein Joch, welches mein Gehorsam ist, dir auflegen, daß du hinfüro sonst niemand ausser mir folgest: dazu gebe ich dir noch gegenwärtiges Perspectiv, durch welches du die Eitelkeit der Welt, wenn du sie betrachten willst, noch besser erkennen, wie auch die Freude meiner Auserwehlten wahrnehmen wirst. Dieses Perspectivs äusserlicher Umfang ist das Wort Gottes, das inwendige Glas aber der Heilige Geist. Anjetzo gehe, sprach er, an den Ort, den du vorhin verfehlet hast, da wirst du solche Dinge sehen, welche du sonst ohne dieses Hülfsmittel nicht sehen können.

Als ich mich nun erinnerte, wo ich gefehlet hatte, stund ich sogleich auf, und gieng begierig und eilfertig fort; und ob schon das Getümmel der Welt um mich war, so habe doch dasselbe nicht einmal gemerket. Darauf trat ich in den Tempel, welcher die Christenheit genannt wurde, und als ich in dem inwendigsten Theil desselben, welches das innere Chor heisset, hinter den Vorhang trat, und nicht Acht hatte auf die auf beyden Seiten sich unter einander zankenden Secten, wurde am ersten gewahr, was das für ein besonderer Winkel war, nemlich daß es Praxis Christianismi, oder die Uebung des Christenthums genennet wurde. Vor welchem ein doppelter Vorhang war, erstlich ein äusserlicher, welcher von aussen konnte gesehen werden, und derselbe war von dunkeler Farbe, genannt Contemtus mundi oder Verschmähung der Welt; der andere und inwendige war glänzend, genannt Amor Christi, oder Liebe Christi; Und da sahe ich, daß mit diesen beyden Decken dieser Tempel umgeben, und von andern unterschieden wurde. Den innern Vorhang konnte man aber von aussen nicht sehen. Wer nun hinter denselben einging, der wurde gleich anders, als andere Menschen, nemlich voll von Glückseligkeit, Freude und Friede.

Da ich nun noch so auswärts stunde und zusahe, so erblickte ich eine wunderbarliche und entsetzungswürdige Sache, nemlich, daß so viel tausend Menschen jederzeit um diese Wohnung herum gehen; aber so wenige in dieselbe eingehen, vielleicht weil sie sie nicht sehen, oder gar nicht achten, indem sie von aussen so schlecht anzusehen. Auch Schriftgelehrte und Priester, Bischöfe und viele andere, die sich grosse Heilichkeit einbilden, sahe ich rings herum gehen, etliche auch etwas hinein sehen, die aber doch nicht hinein giengen; welches mich sehr betrübete. Wenn aber jemand recht nahe trat, so wurde ich gewahr, daß ihn entweder durch ein Ritz ein Licht anschien, oder daß ihm ein liebreicher Geruch entgegen kam, und ihn nach sich zog, daß er daher nichts anders verlangete, als zu suchen, wie und wo er da hinein kommen könnte. Da aber auch etliche von denselben die Thür zu suchen anfiengen, und wieder zurück sahen, wenn sie der Glanz von den Eitelkeiten der Welt wieder anschien, so giengen sie wieder zurücke.

Die eigentliche Ursache aber, warum so wenige da hinein kommen, habe ich wahrgenommen, als ich zu der Thür des Vorhanges eintrat, nemlich, daß es das überaus scharfe Examen war, welches daselbst gehalten wurde. Denn wer da hinein wollte, der muste alle sein Vermögen, wie auch Augen und Ohren, seinen Verstand und Herz von sich weggeben, weil sie sprachen: Wer will Gottweise seyn, der muß sich selber ein Narre werden; wer zu Gott kommen will, muß alles andere vergessen; wer Gott haben will, muß alles andere verlassen. Derohalben, als etliche von ihrem Vermögen und Wissenschaften nicht wollten ablassen, sich unter einander zanketen, und vorgaben, daß solches zum Himmel behülflich sey, blieben sie draussen, und giengen nicht hinein: Welche aber hinein gelassen wurden, denen, wie ich sahe, wurden nicht allein die Kleider besichtiget, damit sich in denselben nicht etwas von der Eitelkeit der Welt verberge, sondern, welches sonst ungewöhnlich, es wurde auch das innerste selbst, nemlich Haupt und Herz zergliedert, damit nicht etwas unreines Gottes Wohnung beflecken möchte. Welches dann ohne besondern Schmerz nicht auszuhalten war; vermittelst himmlischer Arzney aber wurde es doch so bequem verrichtet, daß daher das Leben mehr vermehret als vermindert wurde. Denn anstatt des Blutes, welches bey dem Stechen und Schneiden vergossen wurde, entzündete sich in den Gliedern ein gewisses Feuer, welches den Menschen ganz verwandelte, also, daß ein jeglicher von ihnen sich über sich selbsten verwunderte, daß er so thöricht gewesen, und sich bishero mit unnützen Bürden beschweret hätte, und das, was die Welt Verstand, Herrlichkeit, Freude, Reichthum (denn in der Wahrheit sind dieses alles nur lauter Beschwerden,) nennet, auf sich genommen. Hier sahe ich, wie die Lahmen hüpfeten, die Stammlenden gesprächig waren, die Albern Weltweise beschämeten, und die nichts hatten, sagten, daß sie alles hätten.

Als ich nun dieses sogleich bey der Thür gewahr wurde, gieng ich tiefer hinter den Vorhang, und sahe auf ihre Sachen, (zuerst aber betrachtete nur alles äusserlich und überhaupt, hernach aber etlicher ihren Stand und Beruf besonders,) mit ganz unaussprechlicher Freude, und merkete, daß hier alles ganz anders war, als in der Welt. Denn in der Welt hatte ich allenthalben Blindheit und Finsterniß gesehen; hier aber wurde ich ein helles Licht gewahr: In der Welt hatte ich Betrug, hier aber hatte ich die Wahrheit wahrgenommen: In der Welt war alles voll Unordnung; hier aber war die schönste Ordnung: In der Welt war nichts als Unruhe; hier aber lauter Friede: In der Welt nichts als Bekümmerniß und Verdruß; hier aber Freude und Vergnügen: In der Welt Mangel; hier aber Ueberfluß: In der Welt Knechtschaft und Sclaverey; hier aber die gröste Freyheit: In der Welt war alles beschwerlich; hier aber alles leicht: In der Welt waren überall betrübte Zufälle; hier lauter Sicherheit: Welches alles ich jetzt etwas umständlicher erzehlen will.

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