Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 10. Capitel.

Comenius, Johann Amos - Das wiedergefundene Paradies - Das 10. Capitel.

Die Gläubigen haben in allem Genüge.

Die Welt ist voll von geschäftigen Marthen, welche laufen und rennen, sich bemühen, und alles von allen Orten zusammen raffen, dabey aber doch niemals genug haben. Diese aber haben eine andere Art und Beschaffenheit: Ein jeder hat genug, wenn er stille bey den Füssen seines Herrn sitzen kann, und ist mit allem zufrieden, was ihm dabey begegnet. Denn sie halten für den besten Reichthum die inwohnende Gnade Gottes, worüber sie sich einzig und allein freuen: Die äusserlichen Dinge, welche die Welt Güter nennet, achten sie mehr für eine Bestrickung als Gewinn; welche sie aber doch zur Nothdurft des Lebens, und zwar nur zur Nothdurft gebrauchen. Derohalben mag Gott einem davon viel oder wenig bescheren, so spricht ein jeglicher, er habe genug. Denn sie glauben gewiß, und verlassen sich gänzlich darauf, daß sie unter Gottes Vorsorge sind, und deswegen halten sie für unbillig, über das, was Gott bescheret, etwas mehr zu verlangen.

Hierbey sahe ich eine bewunderswürdige Sache. Einige hatten Güter, Silber, Gold, Kronen, Scepter genug, (denn auch solche Dinge theilt Gott unter die Seinen aus;) andere aber fast nichts, ausser einen halbnackenden, mit Hunger und Durst ausgedorreten Leib: Doch sage jene, sie hätten nichts; diese sie hätten alles, und beyde waren einerley guten Muthes. Allhier habe ich wahrgenommen, daß derjenige wahrhaftig reich sey, und an nichts Mangel habe, welcher an dem, was er hat, sich begnügen lassen kann; dem es gleich viel und einerley ist, viel, wenig oder kein Geld zu haben; ein grosses, kleines oder gar kein Häuslein zu besitzen; ein kostbares, schlechtes oder gar kein Kleid anzuziehen; viele, einen oder keinen Freund zu behalten; einen hohen, niedrigen, oder keinen Ort, Amt, Ehre und Ansehen rc. zu bekommen; in Summa: Etwas oder nichts zu seyn, ist ihnen alles einerley, und sind immer zufrieden; wie Gott will und sie führet, sie stellet oder setzet, so gehen, stehen, sitzen sie, und glauben, daß es alles gut sey, und besser, als sie es verstehen.

O glückselige und begehrenswürdige Fülle! Wie glückselig sind doch diejenigen, die also reich sind! Denn ob schon etliche in den Augen der Welt elend und miserabel wären, so sind sie doch in der Wahrheit besser versorget, als irgend einige Reichen der Welt, auch was die zeitliche Dinge betrift. Denn diese wollen selbst ihre eigene Versorger seyn, und sind auch mit ihren Gütern tausenderley Zufällen unterworfen: Feuer, Wasser, Rost, Diebe, u. d. gl. bringen sie leicht darum: Jene aber haben Gott zum Vorsorger, und haben jederzeit bey ihm in aller Noth einen lebendigen Vorrath, welcher sie täglich aus seinem Speicher sättiget, aus seiner Kammer bekleidet, aus seinem Schatzkasten ihnen ihren Unterhalt darreichet. Und ob es schon nicht allezeit so überflüssig, so geschiehet es doch allezeit zu hinlänglicher Nothdurft: Ists nicht allezeit nach ihren Gedanken, so geschicht es doch nach seiner allweisen Vorsorge, an welcher sie tausendmal lieber hangen, als auf ihrem Verstande beruhen.

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