Calvin, Jean - An die gefangenen Frauen in Paris.

Nr. 541 (C. R. – 2716)

Calvin, Jean - An die gefangenen Frauen in Paris.

Vgl. 536.

Glaubenstreue bei Frauen.

Es wundert mich nicht, sehr liebe Schwestern, wenn Ihr von diesen harten Verfolgungen schmerzlich überrascht seid und den Widerspruch Eures Fleisches fühlt, der sich umso deutlicher bemerkbar macht, je mehr Gott an Euch wirken will durch seinen heiligen Geist. Sind schon die Männer schwach und leicht verwirrt, so ist ja die Schwachheit Eures Geschlechts noch größer nach dem Lauf der Natur; aber Gott, der auch wirkt in zerbrechlichen Gefäßen, weiß seine Kraft gerade in der Schwachheit der Seinen zu zeigen. Deshalb müssen wir zu ihm unsre Zuflucht nehmen und ihn beständig anflehen mit der Bitte, der unvergängliche Same, den er in Euch gelegt hat und durch den er Euch aufgenommen hat unter seine Kinder, möge Frucht bringen nach Bedarf und Euch stärken zum Widerstand gegen alle Angst und Trübsal. Ihr wisst, St. Paulus sagt: was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, dass er die Weisen zu Schanden mache, und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, dass er zu Schanden mache, was stark ist; und das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählet, und das da nichts ist, dass er zunichte mache, was etwas ist [1. Kor.1, 27. 28]. Das muss Euch recht ermutigen, so dass der Blick auf Euer Geschlecht Euch nicht verzagen lässt, obschon die Menschen es oft verachten. Denn so hochmütig und stolz sie sind und so verächtlich sie selbst Gottes und seiner Diener spotten, so müssen sie doch seine Kraft und Herrlichkeit bewundern, wo immer sie leuchtend zutage tritt, und je schwächer das Gefäß ist, an dem Gott wirkt, um so beängstigender und drückender ist für sie Gottes Kraft, der sie nicht widerstehen können.

Ihr seht wohl, die Wahrheit Gottes ist ihnen verhasst, so sie sich findet; sie hassen sie gleichermaßen bei Männern und Frauen, bei Gelehrten und Einfältigen, bei Reichen und Armen, bei Großen und Kleinen. Und wenn sie nun aus dem Geschlecht oder äußeren Stand Anlass nehmen, ganz besonders über uns herzufallen, (wir sehen ja, wie sie über Frauen und einfache Handwerker spotten, als käme es denen nicht zu, von Gott zu reden und ihr Seelenheil zu kennen!) so müssen wir wissen, dass das gerade zum Zeugnis wider sie und zu ihrer großen Beschämung dienen wird. Da es nun aber Gott gefallen hat, Euch zu berufen so gut wie die Männer, (denn vor ihm gilt nicht Mann noch Weib), so müsst Ihr auch Eure Pflicht tun und ihn verherrlichen, nach dem Maß der Gnade, die er Euch gegeben, so gut wie die größten Helden, die er mit hoher Weisheit und Stärke ausgerüstet hat. Da Jesus Christus für Euch gestorben ist und Ihr durch ihn auf Eure Seligkeit hofft, da Ihr getauft seid auf seinen Namen, so dürft Ihr auch nicht feig sein und müsst ihm die Ehre erweisen, die ihm gebührt. Da wir alle zusammen unser Heil haben in ihm, müssen wir auch einmütig, Männer wie Frauen, seine Sache führen. Führt er uns in Kampf und Versuchung gegenüber seinen Feinden, und wir zeigen uns schwach darin, indem wir ihn verlassen oder verleugnen, so nützt uns das nichts, als dass wir uns das Urteil der Untreue zuziehen. Denn der uns in den Kampf führt, rüstet uns auch je und je aus mit den nötigen Waffen und lehrt uns sie brauchen. Wir brauchen sie bloß zu nehmen und uns leiten zu lassen. Er hat verheißen, uns Weisheit in den Mund zu geben, der die Feinde nicht widerstehen können. Er hat verheißen, Stärke und Festigkeit zu geben denen, die sich auf ihn verlassen. Er hat seinen Geist ausgegossen und lässt weissagen Söhne und Töchter, wie er es verheißen hat durch den Propheten Joel [3, 1] als ein Zeichen, dass er seine Gnade gleichmäßig austeilt und weder Söhne noch Töchter, weder Männer noch Frauen ohne die Gaben lässt, die nötig sind, um seine Ehre zu wahren. Deshalb dürfen wir nicht zu träge sein, sie von ihm zu verlangen, nicht zu feig, sie von ihm anzunehmen und, wenn er sie uns gegeben hat, sie zu brauchen, wie es not tut.

Betrachtet doch die Stärke und Festigkeit der Frauen beim Tode unseres Herrn Jesu Christi; die Apostel hatten ihn verlassen; sie blieben bei ihm in wunderbarer Standhaftigkeit, und eine Frau wurde die Botin, die den Aposteln die Auferstehung verkündigte, und sie konnten ihr nicht glauben und sie nicht verstehen. Wenn Gott die Frauen damals so zu Ehren gezogen und ausgerüstet hat mit Kraft: glaubt Ihr, er habe jetzt weniger Macht oder er habe seinen Willen geändert? Wie viel Frauen haben ihr Blut und Leben nicht geschont zur Verteidigung des Namens Jesu Christi und zur Verkündigung seines Reiches! Hat Gott ihr Martyrium nicht Nutzen schaffen lassen? Ist ihr Glaube nicht der Sieg gewesen, der die Welt überwunden hat, so gut wie der der männlichen Märtyrer? Und ohne mich auf weiteres einzulassen, - haben wir es nicht auch heute vor Augen, wie Gott täglich wirkt durch das Zeugnis von Frauen und seine Feinde bestürzt macht, so dass es keine wirksamere Predigt gibt als die Festigkeit und Beharrlichkeit, die sie gezeigt haben im Bekenntnis des Namens Christi? Seht Ihr nicht, wie lebendig das Wort unseres Herrn in ihren Herzen Wurzel gefasst hat, das da sagt: Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater; wer aber mich bekennet, den will auch ich bekennen vor Gott, meinem Vater [Matth. 10, 32. 33]. Sie fürchteten sich nicht, dies hinfällige Leben dranzugeben, um ein besseres zu erlangen voll Seligkeit, die ewig dauert. Stellt Euch diese herrlichen Beispiele aus alter und neuer Zeit vor Augen, um Eure Schwachheit stark zu machen und Eure Ruhe zu finden in dem, der so große Dinge getan mit schwachen Werkzeugen. Erkennt auch die Ehre, die er Euch erwiesen, und überlasst Euch seiner Führung, sicher, dass er Macht hat, Euer Leben zu erhalten, wenn er Euch noch brauchen will, oder aber, wenn Ihr es tauschen sollt gegen ein besseres, das er Euch gibt, dass Ihr dann glückselig seid, Euer hinfälliges Leben zu seiner Ehre um so hohen Lohn hingeben und ewig mit ihm leben zu dürfen. Denn dazu sind wir auf Erden und haben das Licht der göttlichen Gnade empfangen, dass wir ihn verherrlichen im Leben und Sterben und einmal ganz mit ihm vereinigt werden. Der Herr gebe Euch die Gnade, diese Dinge wohl zu bedenken und sie Eurem Herzen fest einzuprägen, damit Ihr stark werdet zu allem nach seinem Wohlgefallen.

Also geschehe es.

Genf, [16. September 1557].

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