Arndt, Friedrich - Das Leben Jesu - Zwölfte Predigt. Aussendung der Apostel.(Schluß.)

Arndt, Friedrich - Das Leben Jesu - Zwölfte Predigt. Aussendung der Apostel.(Schluß.)

Text: Matth. X., V. 26 - 42.
Darum fürchtet euch nicht vor ihnen. Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, und ist nichts heimlich, das man nicht wissen werde. Was ich euch sage in Finsternis das redet im Licht, und was ihr höret in das Ohr, das prediget auf den Dächern. Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tödten, und die Seele nicht mögen tödten. Fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben mag in die Hölle. Kauft man nicht zween Sperlinge um einen Pfennig? Noch fällt derselben keiner auf die Erde, ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupte alle gezählet. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser denn viele Sperlinge. Darum, wer mich bekennet vor den Menschen, den will Ich bekennen vor meinem himmlischen Vater. Wer mich aber verläugnet vor den Menschen, den will Ich auch verläugnen vor meinem himmlischen Vater. Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf Erden. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwerdt. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater, und die Tochter wider ihre Mutter, und die Schnur wider ihre Schwieger. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist meiner nicht werth. Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist meiner nicht werth. Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget mir nach, der ist meiner nicht werth. Wer sein Leben findet, der wird es verlieren; und wer sein Leben verlieret um meinetwillen, der wird es finden. Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt in eines Propheten Namen, der wird eines Propheten Lohn empfangen. Wer einen Gerechten aufnimmt in eines Gerechten Namen, der wird eines Gerechten Lohn empfangen. Und wer dieser Geringsten einen nur mit einem Becher kalten Wassers tränket, in eines Jüngers Namen, wahrlich, ich sage euch, es wird ihm nicht unbelohnt bleiben.

Das sind die Schlußworte derjenigen Anweisung, welche unser Herr Seinen Aposteln bei ihrer ersten Aussendung in Seinem Dienst für ihren künftigen Beruf ertheilte. Mit aller Offenheit hatte Er zu ihnen von ihren bevorstehenden Leiden und Gefahren gesprochen, und es konnte ihnen wohl bange werden beim Gedanken an den Haß der Welt, welchen sie auf sich ziehen würden. Daher sucht Er sie schließlich darüber sowohl zu beruhigen, als zum Beginn des heiligen Werks zu ermuntern. Um zwei Grundgedanken vereinigen sich die verlesenen Worte; der erste heißt: „Fürchtet euch nicht“; der andere: „Bekennet freudig entschlossen!“

I.

Fürchtet euch nicht! Dreimal hintereinander wiederholt Jesus diese Worte. Mit ihnen verbindet Er drei Trost- und Beruhigungsgründe, geeignet, über jedes Zagen hinwegzuhelfen.

Zuerst: „Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, und ist nichts heimlich, das man nicht wissen werde.“ Wie furchtbar auch der Haß der Welt gegen euch entbrennen mag, auf die Dauer wird es ihr nicht gelingen; und wie geschickt sie auch die Kunst verstehe, eure Sache zu verunglimpfen und die ihrige anzupreisen, zuletzt wird eure Unschuld und ihre Schlechtigkeit, werden eure guten und ihre bösen Absichten an's Tageslicht treten und von Jedermann gerichtet werden. Darum „was ich euch sage in Finsterniß, des stillen, einsamen nächtlichen Beisammenseins, das redet im Licht der Welt, und was ihr höret in das Ohr, das prediget auf den Dächern;“ denn mein Evangelium und mein Reich soll keine Geheimlehre und kein Geheimbund, keine Schule und Partheisache sein, sondern die öffentlichste und allgemeinste Heilsanstalt der Welt. Verschweiget also nichts vom Rathe Gottes zur Seligkeit aus Menschenfurcht, der Herr wird zuletzt Alles an's Tageslicht bringen und den Rath der Herzen offenbaren, das Gute wie das Böse, die Bosheit der Feinde, wie die Wahrheit und Unschuld der Zeugen; Alles wird die Zukunft hienieden und vor Allem der große Gerichtstag jenseits enthüllen. Wer vor den Augen, die da sind wie Feuerflammen und Herzen und Nieren prüfen, besteht, der besteht für ewig; wer aber dort zu Schanden wird, ist rettungslos verloren. Und wer jenes unbestechliche Gericht nicht zu scheuen hat, braucht sich vor keinem Menschen zu scheuen und zu fürchten. In der That, Geliebte, bei der angebornen Klugheit der Kinder dieser Welt und ihrer Lügenhaftigkeit verstehen sie es meisterhaft, die Sache Christi und Seiner Jünger auf alle Weise zu entstellen und als höchst bedenklich zu verschreien, den guten Schein für sich in Anspruch zu nehmen und den bösen auf sie zu schleudern. Ihr sehet ja heut zu Tage noch immer dasselbe Kunststück fortspielen: wie haben die freien Gemeinden in der evangelischen und katholischen Kirche es verstanden, mit dem Schein der ächten Christusliebe und Glaubensfreiheit sich zu zieren; wie heucheln die Volksverführer dem unwissenden und leichtgläubigen Volke Freiheit und Volksrechte; wie preisen die Communisten ihre Fürsorge für die Armen und für die Arbeiter; - ach, und es ist Alles schnöde Heuchelei, Lug und Trug, verkappte Selbstsucht und niedrige Eigenliebe! Wie scheinbar wissen sie ihre gehässigen Verwürfe gegen Obrigkeit und Kirche zu übertünchen, und bei Licht besehen beruhen alle ihre Anklagen auf falschen Voraussetzungen und geforderten Unmöglichkeiten! Namentlich sind in allen Jahrhunderten die wahren Christen den Kindern der Welt ein Dorn im Auge gewesen; ihre lautere Wahrheit wurde von jenen als der gefährlichste und unleidlichste Irrthum, ihre tiefe Demuth als der anmaßendste Stolz, ihre reine Liebe zu Christo als der hartnäckigste Eigensinn, ihr Ernst in göttlichen Dingen als die bemitleidenswertheste Verirrung verschrieen. Der natürliche Mensch vernimmt einmal nichts vom Geiste Gottes, es ist ihm eine Thorheit und kann es nicht erkennen, denn es muß geistlich gerichtet sein. Der Welt Freundschaft ist einmal Gottes Feindschaft, und Cain wird Abel hassen immerdar, weil seine Werke böse sind und seines Bruders gerecht. Daß ihre Werke böse sind, mag aber die blinde und verstockte Welt nicht zugeben; somit übertüncht sie sie mit einem glänzenden Firniß von Scheintugenden, - und daß der Christen Werke gut sind, mag sie noch weniger zugeben; somit sucht sie das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen. Aber das dauert nur seine Zeit. Zuletzt wird Alles offenbar; der Firniß fällt ab und Wahrheit und Lüge erscheinen in ihrer natürlichen Gestalt. Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch endlich an die Sonnen! Vor des Herrn Augen ist Alles bloß und entdeckt. Da wird kein Läugnen helfen und keine Beschönigung, keine Verunglimpfung und keine Verdrehung; selbst die Finsternis wird dann Licht und die Nacht Tag sein.

„Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tödten, und die Seele nicht mögen tödten.“ Zweiter Trostgrund. Schlimmsten Falles können sie euch nur den Leib tödten; das leibliche Leben aber ist der Güter höchstes nicht; höher steht die göttliche Wahrheit, höher das Bekenntniß des Herrn, höher das gute Gewissen, höher das ewige Leben. Das Leben des Leibes muß einmal doch erlöschen, wenn der Todesengel anklopft und die von Gott gesetzte Stunde schlägt; über diese Grenze hinaus kann es Niemand verlängern. Und einen besseren, ehrenvolleren Tod. kann man nicht sterben, als den Tod im Dienste Christi und um Christi willen, den Tod für Ihn, wie Er für uns gestorben ist; einen seligeren Tod auch nicht. Denn ist Christus unser Leben gewesen, so muß Sterben unser Gewinn sein. - „Fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben mag in die Hölle, d. h. vor dem Satan, dem furchtbaren Ungenannten und doch Wohlbekannten, dessen Reich die Hölle ist, der hier schon die Seelen verführt, und dort Leiber und Seelen ewig peinigt, und dessen Verführung und Pein wahrhaft furchtbar ist. Der Tod, und wäre er noch so bitter und schwer, ist ein seliger Tod in Christi Gemeinschaft; der Tod, und wäre er noch so leicht, ist ein unseliger Tod in des Teufels Gemeinschaft. Dort Wohlthat, hier Strafe; dort Segen, hier Fluch; dort Weg zum Himmel, hier Weg zur Hölle; dort Ende alles Sterbens, hier Anfang des ewigen Todes.

„Kauft man nicht zween Sperlinge um einen Pfennig? Noch fällt derselben keiner auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupte alle gezählet. Darum fürchtet euch nicht, ihr seid besser, denn viele Sperlinge.“ Dritter Trostgrund. Auch wenn ihr sterben müßt, so liegt das nicht in der Willkür der Menschen, sondern ist nur möglich, wenn Gott es zuläßt. Er allein ist der Herr des Lebens und des Todes. Ohne Seinen Willen geschieht nichts in der Welt, weder das Allergrößte, noch das Allerkleinste. Er zählt die Haare auf dem Haupte, wie die Sterne am Himmel, die doch kein Mensch zählen kann. Er sorgt für Seine gläubigen Menschen, deren Vater Er ist, noch viel mehr, als für die Sperlinge, über deren Loos kein Mensch mit seinem Pfeil verfügen kann, wenn es ihm nicht bewilligt wird von Gott. Nicht ein Haar darf uns also der Feind krümmen ohne höhere Zulassung. ^Wie kann da noch von Furcht die Rede sein, wo der Glaube und das Vertrauen auf Gottes allgemeine und besondere Vorsehung in der Seele lebendig geworden ist? Fürchtet sich denn das Kind, das sich in der Nähe des Vaters weiß? Fürchtet sich der Krieger, wenn er den Feldherrn voransieht? Und der Christ ist sollte sich fürchten, der Verheißungen empfangen hat, wie die: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöset, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein; fürchte dich nicht, ich bin mit dir, weiche nicht, ich bin dein Gott; siehe, ich habe dir geboten, daß du getrost und freudig seiest; laß dir nicht grauen, und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, das du thun wirst“ (Jes. 43,1.; 41,14.; Josua 1,9.), und der die Beweise für die Wahrheit und Gewißheit dieser Verheißungen in unzähligen Thatsachen seines Lebens und des Lebens der Kinder Gottes findet? Hat Er nicht immer gethan über Bitten und Verstehen bei Seinen Gläubigen? Ist je Einer unter ihnen zu Schanden geworden in seinen Hoffnungen? Kann Er nicht viel mehr geben, als die Welt nehmen, viel mehr erfreuen, als die Welt betrüben kann? Macht Er nicht selbst aus Wasser Wein, aus dem größten Unglück das größte Glück? Ist Er nicht sogar ein armes Menschenkind geworden um unsertwillen, damit wir uns nicht vor Ihm fürchten möchten? Wer fürchtet sich vor einem Kinde, oder wer pflegt einem Kinde Leides zu thun? Fürchtet sich denn der Ackersmann vor dem rauhen und nassen Winter? Nimmermehr, er weiß ja, es folgt ein lieblicher Sommer darauf. Oder fürchtet sich der Müde vor dem Schlaf in der dunkeln Nacht? Es fällt ihm nicht ein; im Gegentheil, er legt sein Haupt gern in den Schoß des Schlafes, denn er weiß, ein frischer Morgen wird folgen mit neuer Kraft und Stärkung. Haben wir also nicht viel mehr Grund, uns zu freuen, als uns zu fürchten? Ist Gott für uns: wer will wider uns sein? Der Seines eigenen Sohnes nicht geschont hat, sondern hat Ihn dahingegeben um unsertwillen: wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken? Ist Gott für uns, so brauchen wir uns nicht vor Hunderttausenden zu fürchten; denn Er ist mächtiger, denn sie Alle. Wer glaubt, braucht sich nicht zu fürchten; denn wie er glaubt, so geht's ihm! Weil er Gutes glaubt und hofft, so widerfährt ihm Gutes. Nur der Ungläubige muß sich fürchten; diese Furcht ist sein Fluch und seine Strafe; er sieht nichts als Unglück in seinen Gedanken, darum trifft ihn auch lauter Unglück. Ihr sehet also, es kann nichts Grundloseres geben, als die Furcht und Angst, aber auch nichts Peinigenderes und Lähmenderes. Wer Furcht empfindet, ist sein eigener Henker. Die Furcht vor Krankheit, vor Krieg, vor Tod, ist ärger als die Krankheit, der Krieg und der Tod selbst. Tausendmal stirbt der Fürchtende, ehe er stirbt. Der Schrecken reibt ihm Leib und Seele auf. Und wer Furcht empfindet, hat keinen Muth, Gutes zu thun. Die Furcht, zu verarmen, hält ihn ab von der Wohlthätigkeit, die Furcht, mißverstanden oder geschmäht zu werden, hält ihn ab, zu bekennen, die Furcht, einen Gewinn zu verlieren, hält ihn ab von der Heiligung des Sonntags, die Furcht, Anderen wehe zu thun, hält ihn davon ab, sie in Liebe auf ihre Fehler aufmerksam zu machen. Es ist wahr, es geschieht auch vieles Gute oder unterbleibt doch wenigstens vieles Böse in der Welt aus Furcht, aus Furcht vor Strafe nämlich; aber das Gute, das nicht geschehen wäre, wenn die Furcht nicht dazu getrieben, hat seinen Lohn dahin. - Weg denn mit der Furcht, die entweder auf Gott nicht traut, oder sich Gottes schämt! Furcht ist nicht in der Liebe, die völlige Liebe treibt die Furcht aus. Wahre Christen überwinden allezeit durch ihren Glauben die Furcht, die sie als Menschen empfinden, und beherzigen Petri Wort: „Wer ist, der euch schaden könnte, so ihr dem Guten nachkommt?“ Wahre Christen fürchten sich weder vor den Menschen, denn des Herrn Schutz macht muthig wider aller Feinde Trutz noch vor dem Teufel, denn Christus ist Sein Meister, nichts hat er an Ihm, nichts an denen, die in Christo Jesu sind; noch vor der dunkeln Zukunft und ihren Wettern, denn die steht ganz in Gottes Hand; noch vor dem Tode, denn Er hat durch Seinen Tod unsern Tod getödtet und ist unser Leben mitten im Tode.

II.

Der zweite Grundgedanke unseres Textes ist: Bekennet den Herrn! Man hätte meinen sollen, das müßte sich von selbst verstehen, weil es so natürlich ist und schon ein heidnischer Weiser des Alterthums gesagt hat: „Das Notwendige hat die Natur dem Menschen so nahe gelegt.“ Zum Bekenntniß Christi treibt ja der Glaube an Christum; denn weß das Herz voll ist, deß gehet der Mund über. Zum Bekenntniß treibt die Liebe zu Christo; denn wen man wahrhaft liebt, an den denkt man nicht nur gern, man spricht auch gern von ihm. Zum Bekenntniß treibt die Liebe zu den Brüdern: wie könnte ein Philippus seinem Nathanael vorenthalten die seligste Erfahrung seines Lebens? Dennoch ist oft gerade das, was dem Menschen am nächsten liegt, das, was sie am meisten übersehen und am leichtesten versäumten. Die tägliche Erfahrung lehrt, daß viel mehr Schweigen von Christo unter uns herrscht, als Bekennen; viel mehr von dem, was wir sehen und hören, reden und thun, das Gepräge der Welt trägt, als den Stempel des Christenthums! Es ist ja, wenn von Christo die Rede ist, als ob den Menschen die Zunge gelähmt und die Sprache gebunden wäre. Die allzufertig sind im Schwatzen und Urtheilen über alle möglichen Gegenstände des äußerlichen Lebens, sie verstummen alsbald, wenn auf Ihn gedeutet wird. Der Allen der Bekannteste sein sollte, ist der Unbekannteste geworden; den Alle über Alles lieben und verherrlichen sollten, ist der Vergessenste von Allen. - Darum bedarf es erst der Aufforderung und Ermunterung. Dreierlei Gründe führt auch hier wieder Christus an, um deretwillen wir Ihn zu bekennen haben: Weil nämlich dies Bekenntniß so entscheidend, so ehrenvoll und so segensreich ist.

Es ist so entscheidend für uns selbst; denn Himmel und Seligkeit ist an dasselbe gebunden! „Wer mich bekennet vor den Menschen,“ sagt Christus, „den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater; wer mich aber verläugnet vor den Menschen, den will ich auch verläugnen vor meinem himmlischen Vater.“ In der That, es kann kaum einen triftigeren Grund für uns geben, von Christo zu zeugen, als diesen. Denn glauben wir noch an ein Leben nach dem Tode und gibt es eine Ewigkeit, - wie denn Alles in Gott und in der Welt uns darauf hinweiset, - so kann es uns nicht gleichgültig sein, welches Loos uns dann bevorsteht, ob ein seliges oder unseliges. Ist uns schon unsere irdische Zukunft nicht gleichgültig, und opfern wir ihr gern unsere Zeit und Kraft, so darf uns die ewige Zukunft noch viel weniger gleichgültig sein. Die Vernunft, die Selbstliebe, das Gefühl der Sicherheit, die unvertilgbare Hoffnung in unserer Seele, Alles treibt uns an, uns unsere ewige Zukunft so heiter und glücklich wie möglich zu machen. Wir leben ja Alle mehr in der Zukunft, als in der Gegenwart, und ertragen gern Beschwerden und Ungemach, wenn wir nur wissen: es wird einmal besser werden und wir gehen heiteren Tagen entgegen. Unglückseliger Mensch, der von einem Andern, welchen er liebt, sich sagen muß: O Gott, wenn der stirbt, so geht er ewig verloren; denn er hat nie geglaubt und will nicht leben im Glauben! Noch unglücklicher, der von sich selbst gestehen muß: ich kann nicht selig werden, für mich gibt es keine Gnade und kein Erbarmen mehr, wenn ich einmal sterbe, ist mein Loos der ewige Tod! Wer könnte das Leben tragen mit seinen Leiden und Schmerzen, wenn diese fürchterliche Gewißheit oder auch nur die Pein der Ungewißheit unseres ewigen Looses am Marke unseres Lebens nagte? Darum willst du dich einmal leicht betten zum letzten Schlummer und Jenseits einen gnädigen und barmherzigen Richter finden: bekenne den Herrn, damit Er dich einst auch bekenne vor deinem himmlischen Vater.

Ist es ja auch so ehrenvoll wie möglich, das Bekenntniß Christi, sowohl um seiner Folgen, wie um sein selbst willen. Wenn ein Vater seinen Sohn in Gegenwart Fremder lobt, wenn ein Lehrer in Gegenwart der Eltern, die sich danach bei ihm erkundigen, mit dem Fleiße und Betragen seiner Schüler zufrieden ist, wenn ein Feldherr seiner Truppen Haltung und Zucht und Tapferkeit vor seinem Könige auszeichnet: ist das nicht große Ehre in der Welt und ein Sporn, zu wachsen und zuzunehmen im Guten? Und doch, was ist diese Ehre und Auszeichnung gegen die Ehre, wenn der Sohn Gottes uns am Tage der Entscheidung, lobt und bekennt vor Seinem himmlischen Vater? Und wäre auch das nicht der Fall, Er ist es an sich werth, wie kein Anderer, daß wir Ihn bekennen; denn Er steht höher als die ganze Welt, höher als die liebsten Menschen, höher als das eigene Leben. - Er steht höher als die ganze Welt mit allen ihren Gütern, auch mit ihrer Liebe und ihrem Frieden. Ach, die Welt kann uns ja nicht helfen, weder im Leben, noch im Leiden, noch im Tode. Lieber bei Gott und Christo in Gnaden und bei der Welt in Ungnaden, als bei der Welt in Gnaden und bei Gott in Ungnaden. Was hülfe es, wenn wir die ganze Welt gewönnen und nähmen Schaden an unserer Seele? Beides miteinander zu vereinigen, ist unmöglich; lieben wir die Welt, so gehen wir Christi verlustig; lieben wir Christum, so hasset uns die Welt. Jedes Bekenntniß zu Ihm ist eine Kriegserklärung gegen die Welt. Aber lieber mit Ihm in Frieden und mit der Welt im Kriege, als mit der Welt im Frieden und mit Ihm im Kriege leben. Wollten wir die Welt wählen, wir hätten wie Judas Ischarioth gewählt und wie Judas unsere Seele an den Teufel verkauft. Christus steht höher als die Welt; darum ist's ehrenvoll, für Ihn zu kämpfen und zu zeugen. „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich kommen sei“, spricht Er, „Frieden zu senden auf Erden; ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwerdt.“ - Er steht auch höher als die liebsten Menschen uns stehen dürfen; so hat uns kein Vater und keine Mutter geliebt, so kann uns kein Vater und keine Mutter, kein Sohn und keine Tochter, ja kein Mensch auf Erden lieben, rathen, helfen, erretten, wie Er. Wenn Er uns in Gnaden annimmt, können wir den Verlust, ja den Haß von Vater und Mutter, Sohn und Tochter, leicht ertragen und verschmerzen; wenn Er uns von sich stößt, was soll es uns helfen, wenn uns die Unfern mit offnen Armen aufnehmen? Er verstößt sie dann mit uns, und ihre Liebe und Gemeinschaft stürzte uns in die Hölle! Nein, lieber Vater- und Mutter-, Sohn- und Tochterliebe verlieren, lieber die eigenen Hausgenossen zu Feinden haben, lieber gehaßt werden von Jedermann um Seines Namens willen, als Christum, unsern Herrn und Heiland, verlieren. Er ist mehr werth, als sie Alle; darum fährt Er fort und kann unter allen Wesen allein fortfahren: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht werth und wer Sohn oder Tochter mehr liebt denn mich, der ist mein nicht werth.“ - Er steht endlich höher als das eigene Leben. Wer hätte das nicht lieb? Wer hielte es nicht fest, so lange er vermag? Der Untergehende greift noch nach dem Strohhalm, der Sterbende gebraucht geduldig noch jedes Mittel, um den brechenden Lebensfaden nur weiter fortzuspinnen. Aber wie kostbar auch dies irdische Leben sein mag, und eine herrliche Gabe Gottes, - höher doch steht Christus, der Herr. Was ist ein Leben ohne Ihn? Dieses eigenliebige, eigenwillige, eigensüchtige Leben, dieses sich selbst nur suchende und marternde Ich? Ist es nicht ein fortwährendes Schweben zwischen Leben und Sterben? Ist es eigentlich nicht eher ein Tod, als ein Leben zu nennen? Es heißt in einem Verse:

„Gott gibt uns keinen Schmerz,
Er will ihn stillen.
Wo rührt er aber her?
Vom Eigenwillen.
Laß dieses Schmerzenskind bei Zeiten tödten,
so kommest du geschwind aus allen Nöthen.“

Das Leben in uns selbst ist ein Leben voll Qual, das Leben in Christo ein Leben voll Seligkeit. Darum, wenn es gilt, Christum oder das Leben, - es bleibt keine Wahl: lieber gar nicht sein, gar nicht geboren werden, als ohne Ihn leben. „Wer nicht“, schließt Christus, „sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist mein nicht werth. Wer sein Leben findet, sein irdisches, eigensüchtiges Leben erhalten will, der wird's verlieren, aber geht des höheren, innern und ewigen Lebens verlustig; wer aber sein Leben verlieret um meinetwillen, der wird's finden.“ Somit gibt es keine größere Ehre, als Christum zu bekennen und für dies Bekenntniß zu leiden und zu sterben; das ist mehr werth, als die ganze Welt mit ihren Gütern, als der Besitz aller Lieben, als das eigene Leben.

Doch es könnte Jemand noch einwenden: Alles Bekennen Christi und Leiden für Christum hilft ja doch nichts, die Menschen werden darum doch nicht anders, jedes Wort der Art ist in den Wind gesprochen. Darauf erwidert Christus - und das ist der dritte Beweggrund, der zum treuen, standhaften Zeugniß für Ihn treiben muß -: Mit nichten, das Bekenntniß wirkt, es findet Eingang und Aufnahme, wenn auch nicht bei Allen, doch bei Vielen, und bei diesen eine um so herzlichere, es findet seinen großen Lohn. „Wer euch, meine Stellvertreter, aufnimmt, der nimmt mich auf, wird meiner theilhaftig, tritt mit mir selbst in die innigste Gemeinschaft, und wer mich aufnimmt, als den Sohn des lebendigen Gottes, der in die Welt gekommen ist, der nimmt den auf, der mich gesandt hat, ehrt und verherrlicht dadurch den Vater“. Dies setzt der Herr dann noch näher im Einzelnen auseinander in den Schlußworten Seiner Anweisung. Wer einen Propheten aufnimmt in eines Propheten Namen, als Propheten, darum weil er ein Prophet ist und sich dadurch zu des Propheten Wort und Lehre bekennt und dadurch bezeugt, daß er Theil habe an des Propheten Wort, der wird eines Propheten Lohn empfangen, den Lohn, den der Herr Seinen Propheten verheißen hat, wie die Witwe zu Zarpath, die den Propheten Elias aufnahm in der Zeit der Theurung, und darum mit ihm wunderbar erhalten wurde. Wer einen Gerechten aufnimmt in eines Gerechten Namen, darum, weil er ein Gerechter ist, und sich dadurch zu des Gerechten Glauben und Werken bekennt, der wird eines Gerechten Lohn empfahen. Und wer dieser Geringsten Einen nur mit einem Becher kalten Wassers tränket in eines Jüngers Namen, darum weil er ein Jünger Jesu ist, wahrlich, ich sage euch, es wird ihm nicht unbelohnet bleiben an dem großen, Alles vergeltenden Zahltage des ewigen Lebens. - Große, herrliche Zusagen und Verheißungen! Würdiger Schluß des inhaltlichen Kapitels! Welch einen Blick eröffnen sie in die Zukunft des Reiches Gottes, in alle Worte und Thaten, in alle Predigten und Stiftungen, in alle Liebesbeweise, die hier gegeben und empfangen werden; welch einen Blick in Ernten, die das Maß ihrer Aussaat weit überstiegen! Wahrlich, war den Jüngern bei der Ankündigung der drohenden Gefahren zu Muthe, wie einem Menschen zu Muthe ist beim drohenden Gewitter, - jetzt mußte ihnen zu Muthe sein so leicht und frei, wie nach überstandenem Unwetter. Sie sahen nicht mehr die Gefahren, sie sahen die Erfolge und Siege nach denselben, und nun legten sie unerschrocken Hand an's große Werk; die großen Forderungen und Verläugnungen des Herrn wurden unendlich überwogen durch die größeren Verheißungen und Zusagen; und der Lohn, der ihrer wartete, war ihres Schweißes und Blutes werth.

Wohlan, auch wir sind Jünger Christi: laßt uns ihnen nachfolgen auf der Zeugen- und Siegesbahn! Wir haben es leichter als die Apostel; denn nicht solche Opfer an Gut und Blut werden uns zugemuthet, und noch schwerer wiegen für uns die Verheißungen des Herrn, da sie besiegelt sind durch die Erfüllung von achtzehn Jahrhunderten. Selig sind, die da glauben: sie werden 'gerecht! Selig sind, die da bekennen: sie werden selig! Selig sind die Friedenbringer: sie werden Gottes Kinder heißen! Amen.

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