Zwingli, Huldrych - Auslegung des 20. Artikels der Schlußreden
Daß uns Gott alle Ding will in Christi Namen geben, daraus entspringt, daß wir außerhalb dieser Zeit keines Mittlers bedürfen, denn sein.
Den ersten Theil dieses Artikels hab ich darum vor mich genommen, daß ich gesehen hab, daß die Schäflein Gottes, gleich als Ez. 34, 6. steht, geirrt haben, oder umgelaufen sind in den Bergen und Bühlen und Feldern, Waid oder Trost suchend, und haben sie aber nicht gefunden: denn ihre Hirten haben sie von der Thür, die Christus ist, durch den man allein ins Leben kommt, abgewiesen. Denn sie haben ihnen nicht gesagt das Heil, das ihnen durch Christum allein bereit und aufgethan ist. Das hat die armen Schäflein so verzagt gemacht, daß sie gesprochen haben: Ach wie dürft ich sündiger Mensch zu Gott kommen? Ich muß durch gute Fürsprecher zu ihm kommen, und haben den einigen Fürsprecher und Mittler, ja Bürgen, Pfand und Bezahler unserer Sünden nicht erkannt, wie gewiß uns der abnimmt alle Sünde. Denn Gott will uns alle Dinge in seinem Namen geben (wo man spricht: im Namen Christi, heißt es so viel als: um seinetwillen, in seiner Gewalt, in seinem Wort), wie Christus selber lehrt Joh. 15, 16.: Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt, und euch gesetzt, daß ihr hingehet und Frucht bringet, und eure Frucht bleibe; daß auch der Vater euch alles das gebe, das ihr in meinem Namen begehren werdet.
Vernimm zum ersten, daß Gott seine Jünger, und uns in seinen Jüngern erwählt hat, daß wir sein Volk seien, seine Diener, ja nicht allein seine Diener, sondern Freunde. Warum sollten wir uns denn nicht zu ihm uns getrauen zu kommen? so er uns erwählt hat, daß wir Frucht tragen. Frucht tragen ist allein derer, die Gott dazu erwählt hat. Er hat uns auch dazu erwählet, daß wir den Vater erkennen und in all unsern Anliegen zu ihm laufen: denn er sich hat aufgethan durch seinen Sohn, daß er uns alles das geben wolle, das wir zu ihm kommen; warum wollten wir nicht uns getrauen, zu ihm zu kommen? Es ist auch aus dem Wort Gottes allein gewiß, daß uns Gott das gebe, das wir in seinem Namen begehren, wie er spricht, Joh. 16, 23: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, daß der Vater euch alles das geben wird, das ihr in meinem Namen begehren werdet. Sieh, damit wir sicher und vertraut mögen zu ihm kommen, macht er uns gewiß mit seinem Wort, daß wir in seinem Namen begehrend sicherlich gewährt werden. Ja, er hat Verdruß daran, daß wir nicht um alle Dinge, die uns noth sind, zu ihm kommen und begehren; darum spricht er: alles, oder alle Dinge. Und bald darnach verweist er den Jüngern, daß sie noch nichts begehrt haben: Ihr habt bisher nichts in meinem Namen begehrt. Begehrt, so werdet ihrs empfahen, damit eure Freude erfüllet sei. Sieh, er nöthigt uns zu begehren, und wir sprechen: Wir dürfen nicht zu ihm kommen. Er weiß auch, daß unsere Freude erst dann vollkommen ist, so wir von ihm empfahen; darum spricht er, damit eure Freude erfüllet werde.
Es hat auch der himmlische Vater mit seinen eigenen Worten bezeugt, daß er durch seinen Sohn gnädig gemacht und versöhnt werde, Matth. 3, 17. 17, 5, Hebr. 5, 8. Röm. 5, 15. 17-19. Alle diese Wort lehren uns heiter, daß Christus ein einiger Mittler ist, durch den uns alles Gute wird gegeben, gleich wir durch Adam allein alles Übel gekommen ist. Also ist genug bewährt, daß uns Gott alle Ding will durch Jesum Christum geben.
Der ander Theil dieses Artikels ist: Daraus entspringt, daß wir außerhalb dieser Zeit keines Mittlers bedürfen, denn sein.
So dieser Artikel die Fürbitte der Heiligen antrifft, wird euch noth sein, mit Ernst davon zu sagen. Denn ich wohl weiß, daß viele Menschen mich darum, wie wohl unbillig, hassen, daß sie reden, ich sei böser, denn alle, die zu dieser Zeit schreiben; denn die alle haben noch etwas zugegeben der Heiligen Fürbitte, und ich habs zum ersten gewagt, zu verwerfen. Nun haltet still, und höret meine That und Glauben! Ich bin nie der Meinung gewesen, daß ich den weidlichen 1)Helden, die um Gottes willen diese Welt überstritten haben, ihre Ehre wollte mindern. Und so ich in der Schrift keine Kundschaft finde, daß man sie solle anbeten, oder daß sie dort für uns bitten: hab ich nicht mögen erleiden, daß die Hoffnungen der Menschen mögen an sie gelassen werden, so keine gewisse Schrift dafür ist; und habe es doch also zu Hand genommen. Ich hab nicht gethan, wie jetzt etliche thun, die, so sie anheben zu predigen, ziehen sie zum ersten die Fürbitte der Heiligen hervor; und so man ihnen wehren will, sprechen sie: „Haben nicht die Boten 2) auch zuerst angezeigt, daß die Abgötter nicht Götter, sondern Götzen wären? Also, seit ich befind, daß man sich auf der Heiligen Fürbitt verläßt, das aber keinen Grund hat, soll man nicht das zum ersten anzeigen?“ Antwort ich: Nein, es hat hie eine andere Gestalt, als hernach wohl ermessen werden mag. Sondern ich hab es also zu Handen genommen: Ich hab das wahr Heil, Christum Jesum, eigentlich angezeigt und nachdrücklich gelehrt, wie sie sich zu ihm sollen alles Guten versehen, zu ihm laufen um alle Nothdurft. Denn hat er den Tod für uns erlitten, dieweil wir noch seine Feinde waren, wie möchte er einen Unwillen gegen uns haben, so wir jetzt in ihn glauben, wie Paulus Röm. 5, 8 u. 9 spricht. Ist Christus für uns gestorben, derzeit, da wir noch Sünder waren; wie viel mehr, so wir jetzt durch sein Blut unschuldig oder gerecht gemacht sind, werden wir gefristet oder geheilet vor dem Zorn durch ihn. Hab also die freundliche Gnade Gottes den Menschen lieb gemacht und das gewiß angezeigt, und wohl gewußt, daß Gott mit seinem Wort wirken werde; hab auch den Einfältigen nachgegeben, also, daß ich oft gesprochen hab, so sie gehässiger stritten: Wohlan, wollet ihr euer Anliegen den Seligen klagen, so will ich meines allein Gott klagen. Laßt sehen, welcher den gewissern Weg fährt. Und hab sie also mit Milch erzogen, bis daß ihrer Etliche, die vorher stark gegen mich waren, stark darnach allein Gott anhingen. Denn sie waren inne worden, wie süß der Herr ist; und daß ein Jeglicher, dem er wohl bekannt wird, mit den Jüngern spricht Joh. 6, 68.: Herr! zu wem soll ich gehen, du hältst das Wort des Lebens; ich hab dich ergriffen; ich will dich nimmer lassen Hoh. Lied 3, 4. Denn welcher Gott recht erlernet hat und von ihm ist heimgeführt, der mag ihn nimmer verlassen; und seis auch, daß man ihn mit dem Tod zu der Kreatur abwenden will, so thut ers nicht, sondern er mag sein gewisses Heil nicht verlassen; und ob er schon aus Marter ein anders mit dem Mund redte, weicht doch das Herz nimmer. Denn es weißt, daß sein sicher Heil Gott ist, durch Christum Jesum. Ich hab auch vor vier Jahren etwa 3) nachgelassen, daß sie die verheißenen Gebetlein möchten beten, bis daß sie Gott heller erleuchte; doch das Pater Noster nicht wollen gestatten, daß es jemand Anderem würde zugesprochen, denn dem einigen Gott; oder es wäre Abgötterei. Denn wie könnte einer zu St. Gertruden sprechen: „Vater unser“? Also ist gefolgt, daß der mehrere Theil durch das Wort Gottes dahin gekommen ist, daß sie all ihre Zuversicht allein zu Gott durch Christum haben angehebt zu haben; der ist ihrer so heimlich und freundlich durch das Evangelium geworden, daß sie alle Gebetlein und Zuversicht 4) haben lassen fallen. Denn sie haben die Süßigkeit des alten Weins empfunden und haben den neuen nicht mehr wollen trinken; auch als sie die Hand an den Pflug gelegt, haben sie nimmer wollen hinder sich sehn. Also rath ich noch heutzutag denen, so das Gottes Wort verkünden, daß sie das Heil eigentlich predigen aus dem klaren eigentlichen Wort Gottes. So wird der Trost in den einigen Gott wohl wachsen; es wird auch der Betrug der falschen Hoffnung wohl hinfallen. Und wiewohl das menschlich Herz all seine Zuversicht allein zu Gott haben soll, mag ich doch daß leiden, daß, so der Mensch irre gewiesen ist, ihm etwas werde nachgelassen, denn daß die Lehre Christi verjagt werde. Denn leider etliche der Wahrheit noch so unwissend sind, daß sie die Lehre Christi verworfen, sobald man ihre Patrone will abschlagen. Ich schätze auch nicht so böse sein, an Heiligen hangen, als an Abgöttern; wie wohl ich weiß, daß es verdammlich ist, so man die Hoffnung auf die Kreatur hat. Es sind aber Etliche, die haben von einem hölzernen Schüreisen geredet und gesprochen: Ja sie haben allen Trost zu dem einigen Gott, aber zu den Seligen auch: was doch bei einander nicht sein kann. Den also Unwissenden ist billig nachzugeben, bis daß sie die Wahrheit ergreifen.
Wenn sie nun zum ersten reden: die Heiligen haben viel verdient um Gott, darum seien sie genehmer wie wir; ja, sie haben gewagt zu reden, die Heiligen Gottes haben mehr erlitten, als noth sei gewesen zu der Seligkeit: darum ist noth, daß wir zum ersten reden von dem Verdienst der Heiligen. Das ist gewiß, daß Jesus Christus durch sein Leiden verdient hat allem menschlichen Geschlecht den Zugang zu Gott, den Frieden mit Gott und Seligkeit. Joh. 14, 6. 10, 9. 14, 6. Röm. 5,1. So ist die Versöhnung je nicht unser, so sie Christi ist. Es ist auch eine Schmach Jesu Christi, daß man irgend einer Kreatur zulege, was allein sein ist. Daher er der Gesundmacher heißt. Macht er gesund, so machen die Werke nicht gesund. Wir werden auch zu der Gnade des Friedens geführt durch Christum, so wir das glauben, daß er unser Heiland sei. Denn daß wir uns aus gewissem Glauben der Ehre rühmen dürfen, daß wir Söhne Gottes seien, das ist allein ein Werk des Sohnes Gottes. So mag es unsres Verdienstes nicht sein, sondern es ist allein des Sohnes Gottes. Col. 1,20 Hebr. 10, 19-20. Daraus folgt, daß, so wir von Verdienen unserer Werke rechnen und ausmessen, es nichts anders ist, weder eine eitle Thorheit, ja eine Gottlosigkeit, ein unwissender Frevel. Denn wie dürfen wir von dem Werth unserer Werke disputieren, so wir allein aus der Hand Gottes gesund werden? Joh. 1. 18. Und hätte Jemand mögen mit den Werken selig und mit Gott versöhnt werden, so hätte doch Christus nicht dürfen leiden; ja sein Leiden wäre noch heutzutag eitel und vergebens Gal. 2. 16-21. Hieraus ermiß, daß alle, so je zu Gott kommen sind, allein durch das Verdienst des Leidens Christi zu ihm kommen sind. Wie kann denn ein Seliger mir sein Verdienst zur Seligkeit vorsetzen, so er selbst durch sein Verdienst nicht selig geworden ist, und ihm auch nicht möglich ist gewesen, zu Gott zu kommen, denn allein durch Christum? Es ist ein schandlich schmählich Wort wider Gott, da die Päbstler gesprochen haben: Was St. Laurenz über das Verdienen der Seligkeit erlitten habe, komme uns zu Hilf, und setze der Papst das den Sündern vor, und habe Gewalt über den Schatz der Kirche. Gleich als ob es Gott nicht übel anstünde, daß er denen, die in seinem Streit und Arbeit große Ding erleiden, nicht reichere Belohnung gebe, denn sie verdienten; wenn gleich die Menschen ihr Verdienst müßte selig machen. So man doch sieht, daß es einem irdischen Fürsten übel ansteht, daß er nicht belohnet nach Verdienst; sieh, was für einen armen und kargen Gott haben sie uns aus dem so gnädigen, reichen Gott gemacht, damit sie ihre Verdienste theuer genug möchten verkaufen!
Und wenn die Päbstler sprechen: Man hat den Ablaß nicht allein auf das Leiden der Seligen gegründet, sondern auch auf das Leiden Christi; Antwort: Wie? war das Leiden Christi nicht allein reich genug, alle Schuld zu bezahlen, habt ihr ihm müssen einen Lappen anflicken, daß es stark genug wäre? Ihr Gottesfeinde, ihr Verrücker des festen Felsen, ihr Räuber und Mörder der Seelen, sollt ihr dem hohen, gewaltigen Sohn Gottes Hilfe in der Kreatur suchen? Und rühmet euch noch, ihr seid Christen? Ja, sprechen sie, ob schon das nichts ist, so ist doch das Verdienen Christi, ja ein Tropfen seines Blutes genug, aller Welt Sünde hinzunehmen. Antwort: also redet! Wo ist aber jetzt eure Lehre vom Verdienst? warum geht denn ihr Gottesdiebe hin und sprechet, das Austheilen der Fruchtbarkeit des Leidens Christi sei allein des Pabstes und seines Gesindes, und hauet Christo seine Hände und Mund ab? denn er hat gesprochen: Welcher glaubet, der werde selig; wer nicht glaubet, der werde verdammt. Warum nehmet ihr Geld um das, was allein mit dem Glauben erlangt wird? Und fälschet Gott sein Wort und nehmet ihm seine Gewalt, daß ihr saget; es möge seiner Gnade Niemand theilhaft werden, denn allein durch euch? Also erlernen wir nach allem Handel, daß keiner Kreatur Werk gemessen soll werden als ein Werth oder Verdienst, dem man etwas schuldig sei; sondern wisset, daß alle Werke, die wir thun, eine Schuld sind, die wir aber nimmer bezahlen können: denn zu dem Maß der Güte, die Gott erfordert, mag kein Mensch kommen.
Nun ist das Verzichten auf eignes Verdienst nichts andres, denn der Glaube. Denn daß der Mensch ihm selber nichts zuschreibt, sondern alle Dinge glaubet durch die Fürsichtigkeit Gottes verwaltet und geordnet werden, das kommt allein davon, daß er gar in Gott gelassen und vertraut ist; daß er im Glauben festiglich weiß, daß Gott alle Dinge thut, da wir schon sein nicht wahrnehmen. Und das ist der Glaube, der auch gemehrt wird und wächst, sobald er gesäet wird; nicht, daß das Wachsen unser seie, sondern Gottes. Und je mehr der Glaube wächst, je mehr wächst auch das Wirken aller guter Dinge: denn je größer der Glaub wird, je größer Gott in dir ist; je mehr Gott groß in dir ist, je mehr ist auch in dir die Wirkung des Guten. Denn Gott ist die ewige Kraft alles Guten, und eine unverwandelbarliche Wirkung: denn wenn er aufhörte zu wirken, so wäre er verwandelbarlich. Also nimm dirs jetzt zusammen. Des Glaubens Anfang und Saat kommt von Gott: denn Niemand kommt zu Christo, er werde denn gezogen vom Vater. Das Zunehmen des Glaubens ist auch Gottes. Der Glaube lehrt uns, daß Gott alle Dinge wirke und wir nichts. Sieh unsere Ruhe und Sabbath! Also folgt auch zum letzten, daß wir uns nichts zuschreiben, so wir gläubig sind. Sobald der Verdienst hinfällt, so fällt der Seligen Fürbitte hin, der Lebenden Gleisnerei, damit sie sich gemästet haben, als ob sie soviel Gutes thun, daß sie sich selbst und uns selig machen.
Darum lasset uns zu dem einigen Gott unsere Zuflucht haben: der ist unser Vater; darum wir wohl dürfen zu ihm kommen. Denn was wird er uns abschlagen, so er seinen eigenen Sohn hat für uns gegeben und zu einem ewigen Pfand gemacht, unsre Sünde zu bezahlen? So er auch selber steht und uns ruft Matth. 11,28.: Kommet zu mir alle, die arbeiten und überladen sind, ich will euch ruhig machen. Sieh, er ruft uns zu ihm selber, er weist uns nicht zu diesem oder jenem Vormünder, er ist der fromme Fürst, der die Noth seiner Schäflein selbst angreifen, selbst gesund machen will. Darum hat er das verlorene Schaf auf seine eigenen Rücken genommen, und hats nicht einem andern aufgeladen; er hat sich auch darum so tief gedemüthigt, daß wir vertraut zu ihm kommen dürfen. Ja, er weiß unsre Noth und Anliegen, ehe denn wir zu ihm kommen. Er spricht auch: Ich will euch ruhig machen; er spricht nicht: ihr müsset für eure Sünde selber genug thun. Er spricht nicht: es müssen andere für eure Sünden genug thun, sondern: Ich will euch ruhig machen. Warum wollen wir denn zu einem anderen, denn zu ihm gehen? Wäre das nicht ein Verachten seiner freien Gnad und Barmherzigkeit! Aber das Widerstreben kommt allein aus Unglauben und Unwissenheit. Darum sollen alle Menschen Gott ernstlich anrufen, daß er sein Licht je mehr und mehr anzünde, daß die Herzen der Menschen erleuchtet und gezogen werden in die Hoffnung des einigen Gottes! Denn das ist gewiß, daß welcher sich kehrt zu der Kreatur, daß der ein Abgötter ist. Daraus nicht kleiner Schade den armen Menschen entspringt. Gott wende alle Dinge zum allerbesten! Denn dem werd ich allein all meine Noth klagen: denn ich weiß, daß er mich erhört. So viel von diesem Artikel.
Quelle: Die vier Reformatoren Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin