Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die erste Bitte - "Geheiligt werde Dein Name."

Thiersch, Heinrich Wilhelm Josias - Die erste Bitte - "Geheiligt werde Dein Name."

„Ich bitte meinen Herrn und Gott, unsern himmlischen Vater, den Geber alles Guten: Er wolle mir und Seinem ganzen Volke Seine Gnade schenken, dass wir Ihn anbeten, Ihm dienen und gehorchen, wie wir schuldig sind.“
„Gottes Name ist zwar an ihm selbst heilig, aber wir bitten in diesem Gebet, dass er auch bei uns heilig werde.“ -
„Wie geschieht das?“ -
„Wo das Wort Gottes lauter und rein gelehrt wird und wir auch heilig als die Kinder Gottes danach leben. Das hilf uns, lieber Vater im Himmel! Wer aber anders lehret und lebet, denn das Wort Gottes lehret, der entheiligt unter uns den Namen Gottes. Davor behüt uns, himmlischer Vater!“ (Luthers Katechismus.)

Haben wir im ersten Gebot die Stimme des Höchsten gehört: „Ich bin der Herr dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir“ - so ist die Anrede im Vaterunser die Antwort eines gläubigen Herzens: „Vater unser, der Du bist im Himmel!“ Lautet das zweite Gebot: „Du sollst den Namen des Herrn deines Gottes nicht missbrauchen“ - so antworten die Kinder Gottes mit dieser Bitte: „Dein Name werde geheiligt.“ So berührt sich denn auch die Auslegung jenes Gebotes mit dieser Bitte, denn beide handeln von Gottes Namen und von der Heilighaltung und Verherrlichung desselben.

Diese erste Bitte zielt ganz eigentlich auf die Ehre Gottes, darum geht sie auch allen anderen voran. Denn dass Gott geehrt werde, ist der Kinder Gottes höchstes Anliegen, und wenn Er geehrt wird, ist es ihre höchste Freude. Die Ehre, die Er verlangt, wird Ihm durch Verkündigung Seiner Wahrheit, durch Anbetung Seines Namens und durch den heiligen Wandel Seines Volkes.

Indem wir diese Worte aussprechen, bitten wir um Verkündigung des Namens Gottes; wie der Herr spricht zum Vater: „Ich habe Deinen Namen geoffenbart den Menschen, die Du Mir von der Welt gegeben hast.“ Joh 17, 6. Wenn durch Christi Diener, die Haushalter über Gottes Geheimnisse, Christus gepredigt, wenn die Heiligkeit und Liebe Gottes kundgemacht, wenn der Weg zur Seligkeit deutlich gezeigt wird, wenn die Unwissenden erleuchtet, die Sünder bekehrt, die Reumütigen getröstet, die Gläubigen geheiligt werden, so wird Gottes Name geehrt. Nichts Köstlicheres kann Gott Seinem Volk auf Erden schenken als erleuchtete, gottselige und treue Lehrer. Um solche bitten wir. Falsche Lehrer, treulose Hirten sind es, die Seinen Namen missbrauchen und Sein Heiligtum entweihen. Wir bitten, dass Er uns vor solchen bewahre, und, wo sie eingedrungen sind, sie entweder bekehre oder von der heiligen Stätte wegstoße. Wir bitten, dass Er dem Unglauben, dieser großen Sünde der letzten Zeit, und der Jugend Verführung wehre.

Aus der Verkündigung kommt die Anbetung des göttlichen Namens. Ein reiner Gottesdienst, getragen von einer gläubigen Gemeinde, dargebracht in tiefer Ehrfurcht und heiliger Freude, gereicht Gott zur Ehre. Die Kinder Gottes finden darin ihr höchstes Ergötzen und die mächtigste Förderung in der Gottseligkeit. Die Verödung des Heiligtums, die Verkümmerung des christlichen Kultus, ist Verdunkelung der Ehre des Herrn. Wir beten im Sinn dieser ersten Bitte: „Reinige Dein Heiligtum von aller Entweihung durch Aberglauben, Menschensatzungen und Unglauben.“

Doch die Hauptsache, die zur Heiligung des göttlichen Namens gehört, ist noch zu nennen: ein heiliges Volk.

Wenn ein edler Vater ungeratene Kinder hat, so ist es die tiefste Betrübnis, die ihm damit widerfährt, und er empfindet es als eine Schmach. Wohlgeratene Kinder sind der Eltern Ehrenkrone. Die Christen sind nach des himmlischen Vaters Namen genannt. Was bedeutet es nun, wenn die, welche auf den Namen des Dreieinigen getauft sind, in Sünden leben? „Um euretwillen wird mein Name gelästert unter den Heiden.“ Jes 52, 5. So musste einst der Herr über Sein Volk Israel klagen, und wenn Er jetzt auf Sein Christenvolk herabsieht, so muss Er denselben Vorwurf erheben, der uns allen durch Mark und Bein gehen soll. Denn wir tragen Seinen Namen an unseren Stirnen; wir können nicht sagen, dass wir Ihn nichts angehen. Unser Wandel kann nicht ohne Folgen sein. Er wird Ihm entweder Ehre machen oder Schande. Die Bekehrung der Heidenwelt, die Erleuchtung der Juden wird verhindert durch das Lasterleben der Namenchristen. Es gibt kein größeres Hindernis des Reiches Gottes als dies, keine schwerere Schuld als diese, welche vermöge der Entweihung des Namens Christi auf uns liegt.

Das soll uns bewegen, von ganzem Herzen zu flehen: Hilf, dass Dein Name verherrlicht werde durch ein heiliges Volk! Ein solches will der Herr haben auf Erden, eine Kirche, die das Licht der Welt, das Salz der Erde sei. Er selbst, Christus, ist jetzt unsichtbar, aber in Seinen Jüngern soll man Ihn erkennen. Wie Er den Vater auf Erden geoffenbart hat, so wollen wir Ihn, Jesus Christus, offenbaren. „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu Seinem wunderbaren Licht.“ 1 Petrus 2, 9. Dies ist eine Verkündigung nicht mit Worten allein, sondern mit Wort und Tat. Dies ist das Anliegen des himmlischen Hohenpriesters: „Ich bitte nicht allein für sie“ (die Apostel), „sondern auch für die, so durch ihr Wort an Mich glauben werden; auf dass sie alle eines seien, gleichwie Du, Vater, in Mir und Ich in Dir; dass auch sie in Uns eines seien, auf dass die Welt glaube, Du habest Mich gesandt.“ Joh 17, 20. 21. Darauf hin arbeiten alle treuen Diener Gottes, dahin zielen ihre Mühen und Schmerzen, wie Paulus sagt:

„Meine lieben Kinder, die ich abermal mit Ängsten gebäre, bis dass Christus eine Gestalt in euch gewinne.“ Gal 4, 19.

Danach ringt und sehnt sich der Heilige Geist, dass Christus in der Gemeinde verklärt werde. Dies ist auch das Ziel, das Christus mit der ersten Bitte uns ins Herz und in den Mund gelegt hat. Es wird endlich erreicht werden; unter allen Heiden wird Sein Name herrlich werden. Maleachi 1, 11.

Noch eines gehört in diese Bitte. Es ist enthalten in jenem Kirchengebet, das die Gemeinde einst in der Zeit ihrer ersten Liebe einmütig aussprach:

„Und nun, Herr, gib Deinen Knechten mit aller Freudigkeit zu reden Dein Wort und strecke Deine Hand aus, dass Gesundheit und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen Deines heiligen Knechtes Jesus!“ Apg 4, 29. 30.

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