Spurgeon, Charles Haddon - Himmlische Anbetung.
„Und ich sah, und siehe, das Lamm stand auf dem Berge Zion, und mit ihm hundert und vierundvierzig Tausend, die hatten seinen Namen und den Namen seines Vaters geschrieben an ihren Stirnen. Und ich hörte eine Stimme vom Himmel, wie eine Stimme vieler Wasser, und wie die Stimme eines großen Donners; und die Stimme, die ich hörte, war als der Harfenspieler, die auf ihren Harfen spielen. Und sie sangen ein neues Lied, vor dem Stuhl, und vor den vier Tieren, und den Ältesten; und Niemand konnte das Lied lernen, ohne die hundert und vierundvierzig Tausend, die erkauft sind von der Erde.“ Offenb. 14,1-3.
Der Vorgang, der in diesem wundervollen und herrlichen Gesichte geschildert wird, ist auf den Berg Zion verlegt, worunter wir nicht den irdischen Berg Zion, sondern das Zion, das droben ist, zu verstehen haben:
„Das himmlische Jerusalem,
Das unser aller Mutter ist.“
Dem hebräischen Verständnis galt der Berg Zion als ein Sinnbild des Himmels, und mit allem Recht. Von allen Bergen auf Erden ward keiner so berühmt, wie der Berg Zion. Dort zückte der Erzvater Abraham das Opfermesser auf seinen Sohn; dort auch erbaute Salomo zum Gedächtnis des großen Glaubenssieges einen majestätischen Tempel: „Schön ragt empor der Berg Zion, der ganzen Erde Lust“ (Psalm 48,3.). Dieser Berg Zion war der Mittelpunkt aller Huldigungen der Juden.
„Die heil‘gen Stämme zogen jubelnd
Durch seiner Höfe Tore ein.“
Zwischen den Flügeln der Cherubim wohnte Jehova; von dem einen Altar stieg der Geruch aller Opfer zum Himmel empor. Sie liebten den Berg Zion, und oft sangen sie, wenn sie bei ihren jährlichen Wallfahrten sich ihm näherten: „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth (Ps. 84,2.), mein König und mein Gott!“ Zion ist nun verödet; es liegt verheert von seinen Feinden; es ist gar sehr verwüstet; sein Vorhang ist zerrissen von oben an bis unten auf und die jungfräuliche Tochter Zion sitzt im Sack und in der Asche; aber für das israelitische Bewusstsein gibts dennoch kein würdigeres und herrlicheres Sinnbild des Himmels als Zion, was ehedem war. Darum konnte der h. Johannes sagen, als er dies Gesicht schaute: „Und ich sah, und siehe, ein Lamm stand auf dem Berge Zion, und mit ihm hundert und vierundvierzig tausend, die hatten seinen Namen und den Namen seines Vaters geschrieben an ihren Stirnen. Und ich hörte eine Stimme vom Himmel, wie eine Stimme vieler Wasser, und wie die Stimme eines großen Donners; und die Stimme, die ich hörte, war als der Harfenspieler, die auf ihren Harfen spielen. Und sie sangen ein neues Lied, vor dem Stuhl, und vor den vier Tieren, und den Ältesten; und Niemand konnte das Lied lernen, ohne die hundert und vierundvierzig tausend, die erkauft sind von der Erde.
Ich will nun heute suchen, euch zu zeigen: erstens den Gegenstand der himmlischen Anbetung: das Lamm mitten im Throne; darnach wollen wir die Anbeter selbst betrachten, und ihren Charakter und ihre Weise kennen lernen; drittens wollen wir auf ihren Gesang lauschen, denn wir können ihn hören; er ist ja wie „eine Stimme vieler Wasser und wie die Stimme eines großen Donners“; und endlich wollen wir darauf hinweisen, dass es ein neues Lied ist, das sie singen, und wollen uns zwei oder drei Gründe vergegenwärtigen, warum es so sein muss.
I.
Welches ist der Gegenstand der himmlischen Anbetung? Der heilige Johannes erfreute sich der großen Gunst, dass er durch die Perlenthore hineinschauen durfte; und indem er sich zu uns zurückwendet, um uns zu berichten, was er sah - merkt wohl auf den Anfang seiner Rede - so spricht er nicht: „Ich sah goldene Gassen, und Mauern von Jaspis;“ er spricht nicht: „Ich sah Kronen und schaute ihren Glanz, und sah, die sie trugen.“ Von dem spricht.. er hernach. Sondern er fängt an: „Ich sah, und siehe, ein Lamm!“ Um uns zu zeigen, der erste und hauptsächlichste Gegenstand unserer Bewunderung im Himmel sei das „Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt“ (Joh. 1,29.). Nichts zog so sehr die Aufmerksamkeit des Apostels Johannes auf sich, als die Person jenes göttlichen Wesens, welches ist Gott der Herr, unser hochgelobter Heiland: „Ich sah, und siehe, ein Lamm!“ Geliebte, wenn es uns vergönnt wäre, den Vorhang zu lüften, der uns von der Welt der Geister trennt, so würden wir vor Allem die Person unsers Herrn Jesu erblicken. Wenn wir uns hin versetzen könnten, wo die uns sterblichen Geister in nie sich verdunkelndem Licht den Thron mit Jauchzen umgeben, so würden wir sehen, wie sie alle ihr Antlitz nach einem Punkte richten; und wenn wir dann hinanträten zu einem der seligen Geister und sagten: „O, du herrliches Wesen, warum sind deine Augen so festgebannt? Was fesselt dich so ganz und gar, und begeistert dich bis zur Entzückung?“ so würde er, ohne uns einer Antwort zu würdigen, einfach mitten in den heiligen Kreis deuten, und siehe, wir würden ein Lamm erblicken mitten im Throne. Sie haben noch nicht aufgehört, seine Schönheit zu bewundern, und über seine Wunder zu staunen, und seine Person anzubeten.
„Tausendstimmige Gesänge
Und der Harfen Donnerklänge
Loben Jesum, Gottes Sohn,
Der, erhöht, herrscht auf dem Thron.“
Ihn preisen die Loblieder, ihm folgen die Blicke aller verherrlichten Geister und aller Engel des Paradieses. „Ich sah, und siehe, ein Lamm!“
O, Christ, das ist Freude für dich; du hast geschaut, und du hast das Lamm erblickt. Mit deinen tränenerfüllten Augen hast du das Lamm gesehen, das deine Sünde trägt. Darum freue dich! Nach einer kleinen Weile, wenn die Tränen abgewischt sind von deinen Augen, wirst du eben dies Lamm erhöht sehen auf seinem Throne. Es ist des Herzens Freude, tägliche Gemeinschaft mit Christo zu haben, und ihn allezeit zu genießen; du wirst eben diese Freude auch im Himmel haben; „da wirst du ihn sehen, wie er ist, und wirst ihm ähnlich sein“ (1. Joh. 3,2.). Da wirst du genießen das beständige Anschauen seiner Gegenwart, und wirst bei ihm wohnen ewiglich. „Ich sah, und siehe, ein Lamm!“ Ja, dies Lamm ist der Himmel selber; wie dem der teure Ruterford sagt: „Der Himmel und Christus sind dieselben Dinge; bei Christo sein, heißt: im Himmel sein; und im Himmel sein, heißt: bei Christo sein.“ Und in einem seiner Briefe sagt er gar lieblich und ganz hingerissen von der Liebe Christi: „O, mein Herr Jesus Christ, wenn ich müsste ohne dich im Himmel sein, so würde er mir zur Hölle werden; und wenn ich in der Hölle wäre, und du wärest bei mir, so würde sie mir der Himmel sein, denn du bist der ganze Himmel, nach dem mich verlangt..“ Ist es nicht also, mein lieber Christ? Redet deine Seele nicht auch also?
„O, aller Harfen Klang
Macht kein Himmel aus,
Wenn Christus sich entzicht,
Das Antlitz uns verhüllt.“
Alles was du bedarfst, um dich selig, ja überaus selig zu machen, ist, „bei Christo zu sein, welches auch viel besser ist“ (Phil. 1,23.).
Und nun habet Acht auf die Gestalt, unter welcher Christus im Himmel erscheint. „Ich sah, und siehe, ein Lamm!“ Nun wisst ihr, dass der Herr Jesus in der H. Schrift oft unter dem Sinnbild eines Löwen dargestellt wird: seinen Feinden ist er ein Löwe, denn er verzehrt sie und reißt sie in Stücke. „Merket doch das, die ihr Gottes vergesset, dass ich nicht einmal hinreiße, und sei kein Retter da“ (Ps. 50,22.). Aber im Himmel ist er mitten unter seinen Freunden und darum
„Gleicht er dem hingewürgten Lamm,
Und pflegt des Priesteramts.“
Warum hat wohl Christus im Himmel vorgezogen, unter dem Sinnbild eines Lammes zu erscheinen, und nicht unter einem andern Bilde seiner herrlichen Eigenschaften? Wir antworten: weil Jesus wie ein Lamm gestritten und überwunden hat, darum erscheint er im Himmel als Lamm. Ich habe von Siegeshelden gelesen, welche bei der Jahresfeier ihrer Siege kein anderes Kleid tragen wollten, als das, in welchem sie den Sieg erkämpft hatten. An solch einem denkwürdigen Tage sagen sie: „Nein, nehmt diese Festanzüge weg, ich will das Kleid tragen, welches mit dem Säbelhieb gestickt und mit dem Schutz verziert ist, der es durchlöchert hat; ich will keinen andern Anzug tragen, als den, in welchem ich gekämpft und gesiegt habe.“ Es ist gerade, als ob das gleiche Gefühl auch die Brust Christi durchdränge. „Als ein Lamm,“ spricht er, „starb ich und überwand die Hölle; als ein Lamm habe ich die Meinen versühnt, und darum will ich im Paradies als Lamm erscheinen.“
Es hat das aber vielleicht noch einen andern Grund; er will uns damit ermutigen, im Gebet zu ihm zu kommen. Ach, du Glaubender, wir dürfen uns nicht fürchten, zu Christo zu kommen, denn er ist ein Lamm. Zu einem Löwen-Christus möchten wir uns vielleicht fürchten, zu kommen; aber zum Christus-Lamm? - O, ihr lieben Kindlein, habt ihr euch je vor Lämmern gefürchtet? O, ihr Kinder des lebendigen Gottes, solltet ihr euch je scheuen, eure Sorgen und Leiden dem Herzen des zu vertrauen, der ein Lamm ist? Ach! kommet doch kühnlich zu dem himmlischen Gnadenthron, weil ihr sehet, dass ein Lamm darauf sitzt. Das ists, was unsre Gebetsversammlungen so sehr lähmt, dass wir nicht freudig und mutig genug sind im Gebet. Wenn man im Gebet meint, seiner Ehrfurcht einen Ausdruck geben zu wollen, so ist das ganz recht, aber vergesse man nur darüber nicht, dass sich einige Vertraulichkeit gar wohl mit der wahren Ehrfurcht verträgt. Niemand war ehrfurchtsvoller als Luther; und doch fand auf Niemand das Wort eine völligere Anwendung: „Er redete mit seinem Schöpfer, wie ein Mann mit seinem Freunde redet“ (2. Mose 33,11.). Wir können so ehrfurchtsvoll sein wie die Engel, und dennoch so vertraulich, wie Kinder, in Christo Jesu. Wenn manche unserer Freunde beten, so geschiehts gar oft, dass sie allezeit das Nämliche sagen; zwar ist ihnen ein Gebetbuch unerträglich, weil sie meinen, Gebetsformeln seien schädlich und verwerflich; aber nichts desto weniger haben sie auch ihre eigene Gebetsformel. Wenn aber überhaupt eine Formel des Gebets vom Übel ist, so ists ja gleich, ob ich sie selber erfinde, oder ob sie von Predigern verfasst ist; ich bin ebenso auf dem falschen Wege, wenn ich fortwährend mich der Worte bediene, die ich selber zusammenstelle, als wenn ich Gebrauch von etwas mache, was Andere für mich aufgesetzt haben, ja vielleicht noch viel mehr; denn es fragt sich sehr, ob mein Machwerk auch nur halb so gut ist, als das Anderer.. Ach, wenn doch die teuren Freunde die Form, in die sie sich eingewöhnt haben, wollten ablegen, und die Stereotypplatten1) zerbrechen, von denen ihre Gebete so oft ein Abdruck sind, so könnten sie frisch und freudig vor dem Throne Gottes niederfallen, und brauchten sich nicht zu fürchten; denn er, an den sie ihre Bitten richten, ist im Himmel unter der Gestalt eines Lammes dargestellt, um uns zu bedeuten, dass wir nahe zu ihm herzutreten, und ihm alle unsre Bedürfnisse sagen sollen im festen Vertrauen, dass er unser Bitten nicht verschmähen will.
Ihr müsst ferner darauf Acht haben, dass es heißt: „Sieh, das Lamm stand.“ Stehen ist die Haltung eines Siegers. Der Vater sprach zu Christo: Setze dich zu meiner Rechten (d. i. auf meinen Thron), bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege (Ps. 110,1.). Das ist geschehen, sie liegen zu seinen Füßen, und hier heißt es nun, er stehe aufrecht, wie ein Sieger unter seinen Feinden. Gar oft knieete der Heiland im Gebet; einst hing er am Kreuz; wenn aber der große in unserm Texte geschilderte Vorgang in Erfüllung geht, da wird er aufrecht dastehen, als Überwinder und Sieger durch die Macht seiner Majestät. „Ich sah, und siehe, ein Lamm stand auf dem Berge Zion.“ Ach, wenn wir durch den Vorhang dringen könnten, wenn es uns vergönnt wäre, hinter denselben zu sehen, so würde kein Anblick uns so sehr überwältigen, als das einfache Anschauen des Lammes inmitten des Thrones. Meine teuren Brüder und Schwestern in Christo Jesu, wäre es nicht ein Anblick, wie ihr euch keinen erhebendern wünschen könntet, wenn ihr nur den anschauen dürftet, den eure Seele liebt? Wäre es nicht ein Himmel für euch, wenn es in eurer Erfahrung zur Wahrheit würde: „Meine Augen werden ihn schauen, und kein Andrer“ (Hiob 19,27.). Würdet ihr noch etwas Anderes zu eurer Seligkeit verlangen, als ihn beständig schauen zu dürfen? Könnet ihr nicht mit dem Dichter sagen:
„Mein forschend Auge wird Millionen Jahre
An meines Heilands Schöne sich entzücken;
Anbeten will ich, dass sich meinen Blicken
Das Wunder seiner liebe offenbare.“
Und wenn euch schon auf Erden ein einziger Wink seines Angesichts mit innigem Entzücken erfüllt, so muss es wahrlich ein ganzes Meer der Seligkeit sein, und ein Abgrund paradiesischen Entzückens, unergründlich und unbegränzt: ihn zu sehen, wie er ist; sich in seinem Strahlenglanze zu verlieren, wie die Sterne sich verlieren im Sonnenlicht; und Gemeinschaft mit ihm zu haben wie der geliebte Johannes, da er sein Haupt an seinen Busen lehnte. - Und das wird dein Loos sein, das Lamm zu schauen mitten im Throne!
II.
Wir betrachten nun die Anbeter, und wer sie sind. Betrachtet unsre Textworte, so werdet ihr vor Allem ihre Zahl finden. „Ich sah, und siehe, ein Lamm stand auf dem Berge Zion, und mit ihm hundert und vierundvierzig tausend.“ Das ist eine bestimmte Zahl, die hier für eine allgemeine, unbestimmte gesetzt ist - nämlich uns - nicht aber Gott - unbekannt und unbestimmt. Es ist eine große Zahl, welche steht für jene „große Schaar, welche Niemand zählen konnte“ (Offenb. 7,9.), die da stehen vor dem Throne Gottes. Das ist nun etwas, was gar Manchem nicht munden mag. Achtet auf die Zahl derer, die sollen selig werden; es heißt, sie seien eine große Zahl, nämlich „hundert und vierundvierzig tausend,“ welches gleichsam nur die Einheit bildet für die große unzählbare Schaar derer, die in die selige Heimat eingehen sollen. Ja, liebe Freunde, die ihr euch so streng absondert, so viele gehören noch lange nicht zu eurer Gemeinschaft. Ihr meinet, es könne Niemand selig werden, als wer euren Prediger hört und zu eurem Glaubensbekenntnis hält; ich glaube nicht, dass ihr irgendwo hundert und vierundvierzig tausend Genossen eures Bekenntnisses auftreiben könntet. Ich denke, ihr müsst schon weitherziger werden; ihr müsst noch Etliche mehr hinzugehen lassen zu den himmlischen Wohnungen, und nicht so gar darauf aus sein, Kinder Gottes auszuschließen, weil sie nicht mit euch übereinstimmen. Ich verabscheue von ganzem Herzen das unaufhörliche Winseln etlicher Menschen über ihre kleine Gemeinschaft als über „die Übrigen“ (Offenb. 12,17.) - als über die Wenigen, die da selig werden“ (Luc. 13,23.). Sie pochen allezeit auf die enge Pforte und den schmalen Weg, und auf das, was ihnen als eine Grundwahrheit gilt, dass nur Wenige in den Himmel kommen. Ja, meine Freunde, ich glaube, dass derer mehr sind, die in den Himmel kommen, als derer, die in die Hölle kommen. Wenn ihr mich nach meinen Gründen fragt, so antworte ich:. Weil der Herr Jesus Christus „in allen Dingen den Vorgang“ hat (Col. 1,18.); und ich kann nicht begreifen, wie er den Vorgang hätte, wenn in Satans Reich eine größere Zahl wäre, als im Paradiese. Es heißt überdies, im Himmel sei eine Schaar, die Niemand zählen konnte (Offenb. 7,9.); ich habe nie gelesen, dass in der Hölle eine solche Schaar sein werde, die Niemand zählen könne. Aber darin freue ich mich, dass ich weiß, dass alle Seelen der Kinder sogleich nach ihrem Tode ins Paradies eingeben (vgl. Mark. 10,14.). Bedenkt doch, welche Menge das ist! Dann sind dort auch alle Gerechten und Erlösten aus allen Völkern und Geschlechtern, von Anfang bis auf den heutigen Tag; und die bessern Zeiten kommen erst, wenn die Religion unsers Herrn Jesu allgemein wird verbreitet sein; wenn er regieren wird von einem Pol zum andern mit unumschränkter Gewalt; wenn Königreiche sich ihm beugen und ein Tag ihm Völker gebiert; und in den tausend Jahrsjahren des großen tausendjährigen Reiches werden ihrer genug selig werden, um die Zahl derer voll zu machen, die in den vorangegangenen Jahrtausenden unvollzählig geblieben waren. Christus wird zuletzt den Vorgang haben; sein Gefolge wird weit größer sein, als das, welches der grimmige Fürst der Hölle an den Sklavenketten seines Wagens nachschleppt. Christus wird überall Herr sein, und sein Ruhm in alle Lande erschallen. Einhundert und vierundvierzig tausend wurden genannt, die Vorbilder und Stellvertreter einer weit größeren Zahl, die zuletzt selig werden.
Aber merket wohl, so groß auch die Zahl ist, so ist sie dennoch sehr bestimmt. Wenn wir die Seiten unserer Bibel durchblättern und ein früheres Kapitel aufschlagen (Kap. 7), so sehet ihr, dass im vierten Vers geschrieben steht, dass einhundert und vierundvierzig tausend versiegelt wurden; und hier finden wir, dass hundert und vierundvierzig tausend selig werden; nicht 143,999, auch nicht 144,001, sondern genau so viel als Versiegelte. Meine Freunde mögen es nun nicht gern haben, wenn ich etwas sagen muss; aber wenn sies nicht gern haben, so haben sie es mit der Bibel unsers Gottes abzumachen, nicht mit mir. Es werden genau so viele in den Himmel kommen, als von Gott versiegelt werden, gerade so viel, keiner mehr und keiner weniger. Es werden genau so viele dort sein, als zum Leben erweckt wurden vom h. Geist, und „wiedergeboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, durch das lebendige Wort Gottes, das da ewiglich bleibet“ (1. Petr.. 1,23.). „Ach,“ sagen Etliche, „das ist die Irrlehre von der Gnadenwahl.“ Ganz recht, wenns eine Irrlehre ist; aber ihr werdet nie im Stande sein, sie aus der Bibel auszumerzen. Hassen könnt ihr sie, und eure Zähne dawider knirschen und fletschen; aber bedenkt wohl, dass wir die Spuren dieser Lehre, abgesehen von der Bibel, bis hinauf in die Zeit der Apostel verfolgen können. Was saget ihr von Augustin? Ward er nicht in seinen Tagen ein mächtiger Lehrer von der Gnade genannt? Aber auch abgesehen hiervon frage ich einen Jeden, der seine Bibel liest, ob diese Lehre nicht darin steht. Was spricht das neunte Kapitel des Römerbriefs? „Ehe die Kinder geboren waren, und weder Gutes, noch Böses getan hatten, auf dass der Vorsatz Gottes nach der Wahl bestünde, nicht aus Verdienst der Werke, sondern aus Gnaden des Berufers, ward zu ihr gesagt: Der Größere soll dienstbar werden dem Kleinern“ (V. 11.12). Und dann heißts weiter als Antwort auf den Einwurf eines Gegners: „Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machest du mich also? Hat nicht ein Töpfer Macht über den Thon, aus Einem Klumpen zu machen ein Gefäß zu Ehren, und das andere zu Unehren?“ (V. 20.21). Doch genug hiervon.
Einhundert vierundvierzig tausend, sagen wir, ist eine bestimmte Zahl, wodurch uns die Gewissheit der Seligkeit der Erwählten und Gläubigen Gottes dargestellt werden soll. Es sagen nun Manche, diese Lehre habe etwas Entmutigendes und halte die Menschen ab, zu Christo zu kommen. Ja, so sagt ihr; aber, so habe ichs nie angesehen, und, Gott sei gelobt, so habe ichs auch nie und nirgends erfahren. Fraget nach, ob durch die Predigt derer, die diese Lehre nicht verkündigen, je so viele Diebe, and Säufer und Hurer und Sünder jeder Art von Irrtum ihrer Wege zum Herrn bekehrt worden seien, wie durch die Predigt derer, welche diese Lehre bekennen? Wir halten, nach dem Wort der Bibel, dafür, dass alle Erwählten, und nur diese, selig werden; dass Alle, welche den Glauben ergreifen, erwählt sind, und dass Alle, welche zu Christo kommen, erwählt sind, so dass, wenn irgend einer von euch in seinem Herzen ein Verlangen hat nach dem Himmel und nach Christo, und in aufrichtigem und ernstlichem Gebet dies Verlangen ausspricht und innerlich erneuert wird, so darf er seiner Erwählung so gewiss sein, als er von seinem irdischen Dasein überzeugt ist. Ihr müsset vor Grundlegung der Welt von Gott auserwählt sein, sonst hättet ihr nichts von dem Allem vollbringen können, denn das sind Früchte eurer Erwählung.
Aber warum auch sollte Jemand dadurch sich abhalten lassen, zu Christo zu kommen? „Weil ich,“ sagt Einer, „wenn ich zu Christo komme, vielleicht doch nicht erwählt bin.“ Nein, mein Lieber, sondern wenn du kommst, so beweisest du damit, dass du erwählt bist. „Aber,“ sagt ein Anderer, „ich fürchte mich, zu ihm zu kommen, weil ich vielleicht doch nicht erwählt bin.“ Dann sprich, wie einst ein altes Weiblein sprach: „Und wenn auch nur drei Personen erwählt wären, so wollte ichs versuchen, ob ich nicht darunter bin; und weil er gesagt hat: Wer da glaubet, der wird selig werden, so möchte ich Gottes Verheißung herausfordern, und sehen, ob er im Stand wäre, sie zu brechen.“ Nein, komm zu Christo; und wenn du das tust, so bist du ohne Zweifel ein Erwählter Gottes von Grundlegung der Welt an; und darum ist dir solche Gnade geschenkt worden. Aber warum auch solltet ihr euch entmutigen lassen? Denkt, es sei hier eine Anzahl kranker Leute, und es sei ein großes Spital erbaut worden. Über der Türe steht geschrieben: „Alle Personen, welche kommen, werden aufgenommen.“ Zugleich aber weiß man, dass im Innern des Spitals eine Person ist, die solche Weisheit besitzt, dass sie zum Voraus Alle kennt, welche kommen wollen, und hat alle ihre Namen in ein Buch verzeichnet, so dass, wenn sie kommen, die Türhüter ausrufen müssen: „Ach, wie wunderbar weise war unser Herr, dass er alle Namen derer kannte, die da kommen würden!“ Liegt darin etwas Entmutigendes? Ihr würdet eben hingehen, und würdet nur umso größeres Vertrauen in dieses Mannes Weisheit setzen, weil er im Stande war, voraus zu wissen, dass sie kommen würden. Das wäre also vielmehr eine doppelte Ermutigung, statt nur eine halbe, und ihr würdet vertrauensvoll hingehen und sagen: „Man muss mich aufnehmen, weil es heißt, ein Jeder, der da kommt, werde aufgenommen.“ Ach, zweifelt doch nie an eurer Erwählung; glaubet an den Herrn Jesum Christum und freuet euch eurer Erwählung; und gebet euch nicht zufrieden, bis dass ihr an Christum seid gläubig geworden.
„Ich sah, und siehe, ein Lamm stand auf dem Berge Zion, und mit ihm einhundert und vierundvierzig tausend.“ Und wer waren diese, die da „hatten den Namen seines Vaters geschrieben an ihren Stirnen?“ Keine B. für „Baptisten,“ keine M. für „Methodisten,“ keine L. für „Lutheraner,“ keine R. für „Reformirte;“ ihres Vaters Namen trugen sie, und keinen andern. Was für ein gewaltiges Wesen macht man auf Erden aus den Confessions-Unterschieden! Man redet und denkt so viel darüber, ob man zu dieser oder zu jener Benennung gehört. Ja, wenn ihr an die Himmelspforte kämet, und fragtet, ob auch Baptisten dort seien, so würde euch der Engel nur ansehen und euch keiner Antwort würdigen; fragtet ihr nach Calvinisten oder Lutheranern, so würde er sagen: „Nichts der Art;“ wenn ihr ihn aber fragtet, ob auch Christen dort seien, so würde er antworten: „O ja, Christen genug, sie sind jetzt alle Ein Herz und Eine Seele, tragen alle einerlei Namen; das alte Brandmal ist ausgetilgt, und nun tragen sie nicht den Namen von diesem oder jenem Menschen; ihnen ist der Name Gottes, ihres Vaters, auf die Stirne gedrückt.“ So lernet denn, teure Freunde, dass ihr, zu welcher Gemeinschaft ihr euch auch zählet, gegen eure Brüder liebevoll und gütig sein, weil ihr sehet, dass der Name, der ihr hienieden traget, im Himmel vergessen sein wird, und man dort nur eures Vaters Namen kennt.
Noch eine Bemerkung. Es heißt von allen diesen Anbetern, dass sie das Lied lernten, ehe sie dorthin kamen. Am Schluss des dritten Verses heißt es: Niemand konnte das Lied lernen, ohne die hundert und vierundvierzig tausend, die erkauft sind von der Erde.„ Teure Brüder, wir müssen den himmlischen Lobgesang schon hier unten lernen, sonst werden wir ihn droben nie singen. Die himmlischen Sänger alle haben sich auf Erden vorbereitet und geübt, ehe sie in jenem Concerte singen. Ihr meinet, ihr möget sterben, wann ihr wollt, so geht ihr stracks in den Himmel, ob ihr nun vorbereitet seid oder nicht. Nein, meine Lieben; der Himmel ist ein vorbereiteter Ort für vorbereitete Leute; und wenn ihr nicht „tüchtig gemacht seid zum Erbteil der Heiligen im Licht“ (Col. 1,12.), so könnt ihr nie bei jener Schaar stehen. Wäret ihr im Himmel ohne ein neues Herz und ohne einen aufrichtigen Geist, so würdet ihr froh sein, wieder von dort wegzukommen; es sei denn, dass ein Mensch selber himmlisch sei, so müsste ihm der Himmel ärger werden als die Hölle. Ein unwiedergeborener Mensch mit uns erneuertem Herzen würde sich im Himmel höchst elend fühlen. Denn dort gäbe es einen Lobgesang - und er könnte nicht einstimmen; es gäbe ein forthallendes Halleluja, aber er wüsste keinen einzigen Ton; überdies wäre er in der Gegenwart des Allmächtigen, in der Gegenwart desselben Gottes, den er hasst, und wie könnte er da glücklich sein? Nein, meine Lieben hienieden müsst ihr den Gesang des Paradieses lernen, sonst könnet ihr ihn nie singen. Ihr müsst singen lernen:
„Jesus, o dein Wundername
ist mir lieblichster Gesang.“
Ihr müsst fühlen lernen, dass
Eures Heilands Name lautet
Süßer als das Süßste Lied,“
sonst könnt ihr nie das Halleluja der Seligen singen, vor dem Throne des erhabenen „Ich bin.“ Behaltet diesen Gedanken, und ob ihr sonst auch Alles vergäßet; bewahret ihn auf wie einen Schatz in eurem Gedächtnis, und bittet Gnade von Gott, dass ihr hier unten das himmlische Lied möget lernen, auf dass ihr hernach im Lande des Jenseits, in der Heimat der Seligen, ohn' Ende singen könnet den Hochgesang dessen, der euch geliebt hat.
III.
Und nun kommen wir zum dritten und wichtigsten Punkt, nämlich zum Hören des himmlischen Liedes. „Ich hörte eine Stimme vom Himmel, wie eine Stimme vieler Wasser, und wie die Stimme eines großen Donners; und die Stimme, die ich hörte, war als der Harfenspieler, die auf ihren Harfen spielen.“ Welch ein Gesang, - wie gewaltig und doch wie lieblich!
Wie laut und gewaltig! Es heißt: „wie eine Stimme vieler Wasser.“ Habet ihr noch nie des Meeres Brausen gehört in seinem Toben? Seid ihr nie am Meeresufer hin gewandelt, wenn die Wogen sangen, und jedes Kieselsteinchen zum Chor mit einstimmte, um Gott, dem Herrn der Heerschaaren, zu jubilieren? Und habet ihr nie an stürmischen Tagen die See betrachtet mit ihren hundert Händen, die sie in taumelnder Bewunderung des Allerhöchsten freudeklatschend zusammenschlug? Habet ihr nie zugehört, wenn das Meer sein Loblied erschallen ließ, da die Winde über ihm hintanzten, - es sang vielleicht den Trauergesang der Schiffleute, die fern auf der stürmenden Tiefe Schiffbruch litten; doch eher noch pries es Gott mit seiner heisern Stimme, und lobte ihn, der Tausende von Schiffen über seine stolzen Wellen sicher gleiten lässt, und die Furchen ihrer Bahn auf seine Stirne zeichnet? Habt ihr nie das Schäumen und Bäumen, das Branden und Brechen des Ozeans am Felsenufer vernommen, wenn es in Wut gepeitscht und über die Klippen gejagt ward? Wenn ihr solches gehört habt, dann habt ihr ein schwaches Abbild von jener himmlischen Melodie.
Es war „wie eine Stimme vieler Wasser.“ Denkt aber nicht, dass dies den Gedanken ganz erschöpft. Es ist nicht die Stimme eines Ozeans, sondern die Stimme von vielen, die es bedarf, um euch eine Vorstellung von dem Ertönen des paradiesischen Gesanges zu geben. Ihr müsst euch Meere auf einander getürmt denken, einen Ozean auf den andern, das atlantische auf das stille Meer, darüber das Nord- und dann das Südpolarmeer, und so Meer auf Meer, und alle furchtbar tobend, und alle mit gewaltiger Stimme das Lob Gottes verkündigend. So tönt das himmlische Lied. Oder wenn dies Bild nicht genügt, so nehmet ein anderes. Die mächtigen Wasserstürze des Niagara können auf eine unglaubliche Entfernung gehört werden, so furchtbar ist ihr Getöse. Denkt nun, Wasserfälle ergießen sich über Wasserfälle, Stromstürze, über Stromstürze, Niagaras über Niagaras, und jeder von ihnen erbrause mit mächtigem Schalle; dann habt ihr einen schwachen Begriff vom Gesang des Paradieses. „Ich hörte eine Stimme, wie eine Stimme vieler Wasser.“ Hört ihr sie nicht? Ach! wenn eure Ohren geöffnet wären, ihr könntet das Lied wohl vernehmen. Ich habe zuweilen gedacht, der Tonhauch der Äolsharfe sei vielleicht, wenn er stark anschwelle, wie ein Echo der Lieder derer, die vor dem Throne singen; und wenn an einem Sommerabend der Wind in sanftem Wehen den Wald durchzieht, so könnt ihr fast denken, es sei das Hallen vereinzelter Töne, die von dem Schwingen der himmlischen Saiten sich hierher verloren und zu uns herniederkamen, um uns einen schwachen Vorschmack von jenem Lied zu geben, das in mächtigen Wellenschlägen vor dem Throne des Allerhöchsten ausklingt. Aber warumso laut? Die Antwort lautet, weil so viele dort singen. Nichts ist so großartig, als der Gesang großer Schaaren. Ich habe schon von Vielen gehört, dass sie den Tränen nicht wehren könnten, wenn sie eine große Versammlung von Christen mit lautem, einstimmigem, aus dem Drang des Herzens hervorquellendem Liebe Gott loben hörten:
„Preist Gott, dem alles Heil entströmt.“
Und wahrlich, es ist etwas Großes um den Gesang großer Schaaren. Ich hörte einmal 12,000 unter freiem Himmel singen. Manche unserer Freunde waren dabei, als wir damals unsern Gottesdienst mit einem so herrlichen Halleluja schlossen. Habet ihrs wohl vergessen können? Es war wahrlich ein mächtiger Schall; es schien, als sollte der Himmel selbst wiederhallen. O denkt, wie muss erst die Stimme derer sein, die auf den unbegrenzten Gefilden des Himmels stehen, und aus aller Macht jauchzen: „Dem, der auf dem Stuhl sitzet, und dem Lamm, sei Lob, und Ehre, und Preis, und Gewalt, von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Offenbarung 5,13.).
Ein Grund jedoch, warum der Gesang so laut ist, ist sehr einfach, nämlich, weil alle die, welche dort sind, sich verpflichtet fühlen, so laut als möglich zu singen. Ihr kennt ja unser Lieblingslied:
„Am laut‘sten schallen meine Lieder,
Des Himmels Feste schallt sie wieder:
Verherrlicht seine Gnade.“
Und jeder Heilige schließt sich diesem Lobgetöne an, und jeder erhebt seine Seele zu Gott; und wie mächtig muss dann der Strom des Dankliedes anschwellen, der aufsteigt zum Throne des hochgelobten Gottes, unsers Vaters!
Nun aber seht, wie lieblich die Stimme bei aller Macht war. Lärm ist kein Gesang. Es kann „eine Stimme wie die Stimme vieler Wasser“ geben, die doch noch keine Musik ist. Diese aber war so lieblich, als laut; denn der Apostel Johannes sagt: „Und die Stimme, die ich hörte, war als der Harfenspieler, die auf ihren Harfen spielen.“ Vielleicht ist das lieblichste von allen Instrumenten die Harfe. Es gibt andere, welche mächtigere und gewaltigere Töne geben, aber die Harfe klingt von allen am lieblichsten. Ich saß oft und hörte einem geschickten Harfenspieler zu, bis ich endlich sagen musste: „Ich könnte mich ganz ob dem Hören vergessen,“ während er mit geübten Fingern die Saiten leicht berührte und melodische Klänge hervorrief, welche wie flüssiges Silber dahinperlten, oder wie zerfließender Honigseim in die Seele sich ergossen. Lieblich, süß über alle Süßigkeit; Worte können es nicht sagen, wie lieblich solche Melodie atmet. So ist die Himmels-Musik. Da gibts keine klirrenden Töne, keine Missklänge, sondern nur einen herrlichen, harmonischen Gesang. Du kannst nicht dort sein, der du nur an den Formen hängst, um die Melodie zu erhaschen; und du, Heuchler, darfst die Melodie nicht verunreinigen; dort werden nur alle die sein, deren Herzen aufrichtig sind vor Gott, und darum wird der Gesang in eine große Harmonie zusammenklingen, ohne Missklang. Wahrlich, da wird sich auch kein anderer falscher Ton irgend einer Art in das Lied derer hineinstehlen, die vor dem Throne singen. O, geliebte Zuhörer, dass wir doch dort sein dürften! Hebet uns empor, ihr Cherubim! Breitet eure Flügel aus und hebt uns empor dorthin, wo Loblieder den reinen Äther durchdringen. Solls aber jetzt nicht sein, so wollen wir harren, bis unsre Stunde kommt.
„Es steht noch wenig Jahre an,
So landen wir in Canaan;“
und dann wollen wir mitwirken bei dem Lied, das wir jetzt noch kaum fassen können, dem wir aber verlangen, uns anzuschließen.
IV.
Wir schließen nun mit einer Bemerkung über den letzten Punkt: Warum wird das Lied ein neues Lied genannt? Wir erwähnen nur Eins. Es ist ein neues Lied, weil die Heiligen nie vorher in einer solchen Lage waren, wie sie nun sein werden, wenn sie dies neue Lied singen. Jetzt sind sie im Himmel; aber was unser Text beschreibt, ist mehr als der Himmel. Er bezieht sich auf die Zeit, wo das ganze auserwählte Geschlecht sich um den Thron versammeln wird, nachdem der letzte große Streit ausgekämpft ist, und der letzte Streiter seine Krone empfangen hat. Nicht gegenwärtig singen sie also, sondern in der herrlichen künftigen Zeit, wo alle hundert vierundvierzig tausend oder vielmehr die bestimmte, aber unzählbare, durch diese Zahl versinnbildlichte Schaar - herrlich und sicher wohnen in den himmlischen Wohnungen. Ich kann mir denken, wann das sein wird: Die Zeit war - nun regiert die Ewigkeit. Die Stimme Gottes ruft: „Sind alle meine Lieben geborgen?“ Der Engel durchfliegt das Paradies, und kehrt mit der Botschaft zurück: „Ja, sie sind es. „Ist Meister Furchtsam geborgen? Ist Kleinglaube geborgen? Ist Stehfest geborgen? ist Schwachmut 2) geborgen?“ „Ja, König, sie sind es,“ antwortet er. „Schließ die Tore zu,“ spricht der Allmächtige, „sie sind Tag und Nacht offen gewesen; schließ nun zu.“ Dann, wenn Alle dort versammelt sind, dann wird die Zeit gekommen sein, wo die Stimme des Jauchzens lauter sein wird als die Stimme vieler Wasser, und es beginnt das Lied, das nimmermehr endet. Es wird uns aus der Geschichte Oliver Cromwells ein Vorfall erzählt, den ich hier zur Erläuterung anführen will. Cromwell und seine Gewappneten fielen zum Gebet auf ihre Knie nieder, ehe sie in die Schlacht gingen, und baten Gott um Beistand. Dann, die Bibeln auf der Brust und die Schwerter in der Hand - ihre Unwissenheit muss diesen Widerspruch entschuldigen - riefen sie aus: „der Herr Zebaoth ist mit uns und der Gott Jakobs ist unsre Zuflucht;“ und in den Kampf stürzend sangen sie:
Erhebe dich, Herr, unser Gott,
Zerbrich der Feinde Heere;
Und Alle, die mit Hass und Spott
Dich höhnen, Herr, zerstöre!
Sie mussten lange schwer und anstrengend kämpfen, aber endlich floh der Feind. Die Ritter Cromwells waren im Begriff, sie zu verfolgen und Beute zu machen, als die strenge, furchtbare Stimme Cromwells ertönte: „Halt! Halt! Da der Sieg gewonnen ist, so gebt Gott die Ehre, bevor ihr den Raub austeilt.“ Und nun sangen sie etwa folgendes: „Singet dem Herrn, denn er hat uns den Sieg gegeben! Singet dem Herrn!“ Man sagt, es sei einer der großartigsten Augenblicke im Leben des Mannes gewesen. Der Hügel schien sich zu bewegen und zu erheben, als die große Schaar, rückkehrend von der Schlacht, und noch mit Staub und Blut bedeckt, Herz und Stimme zu Gott erhob. Wir sagen, es war ein seltsamer, aber erhebender Anblick. Aber wie majestätisch wird der Anblick sein, wenn Christus als Sieger erscheint, und alle seine Streiter, in dichten Reihen kämpfend, den Drachen unter ihre Füße getreten und in Stücke zerrissen sehen. Sieh, ihre Feinde sind geflohen; sie sind verscheucht wie eine lichte Wolke vor dem Ostwind. Sie sind alle dahin, der Tod ist überwunden, der Satan in den Feuerpfuhl geworfen; und hier steht der König, gekrönt mit vielen Kronen, ein Sieger über alle Sieger! Und im Augenblick der Erhöhung wird der Erlöser sprechen: „Kommt, lasst uns dem Herrn lobsingen;“ und alsdann werden sie mächtiger als die Stimme vieler Wasser jauchzen: „Halleluja! Gott der Herr, der Allmächtige, herrscht.“ Ach! das wird die endliche Erfüllung jenes großen Vorgangs sein; meine schwachen Worte können solches nicht beschreiben. Ich entlasse euch mit der einfachen Frage: „Werdet auch ihr dort sein, und den gekrönten Überwinder schauen?“ Habt ihr „eine gute Hoffnung durch Gnade“ (2 Thess. 2,16.), dass es so sein wird? Wenn das ist, so bin ich fröhlich; wenn nicht, so geht heim, fallt nieder auf die Knie, und flehet zu Gott, er wolle euch erlösen von dem schrecklichen Ort, der unfehlbar euer Teil sein würde, statt des herrlichen Himmels, den ich euch verkündige, es sei denn, dass ihr euch zu Gott bekehrt von ganzem Herzen. Amen.