Scriver, Christian - Goldpredigten - Zweite Predigt.

Scriver, Christian - Goldpredigten - Zweite Predigt.

Im Namen JEsu! Amen.

Ueber die Zweite Tafel des göttlichen Gesetzes.

Die zehn Gebote. Zweite Tafel.

Das vierte Gebot: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf daß du lang lebest im Lande, das dir der HErr, dein Gott, geben wird.
Das fünfte Gebot: Du sollst nicht tödten.
Das sechste Gebot: Du sollst nicht ehebrechen.
Das siebente Gebot: Du sollst nicht stehlen.
Das achte Gebot: Du sollst kein falsch Zeugniß reden wider deinen Nächsten.
Das neunte Gebot: Du sollst dich nicht lassen gelüsten deines Nächsten Hauses.
Das zehnte Gebot: Du sollst dich nicht lassen gelüsten deines Nächsten Weibs, noch seines Knechts, noch seiner Magd, noch seines Ochsens, noch seines Esels, noch alles, was dein Nächster hat.

Vorbereitung.

Es werden oftmals mit großem Zulauf des gemeinen Volks auf Jahrmärkten und Messen um Geld allerlei wunderbare Sachen und seltsame Thiere gezeigt: dabei man nicht unfüglich erinnern könnte, daß, wenn der sündhafte Mensch je etwas Wunderbares sehen wolle, er die Augen nur auf sich selbst richten möge. Denn wie seltsame und fremde Thiere man auch findet, so ist doch keines so unvernünftig, das leicht Etwas wider seine Natur und Erhaltung seiner selbst thun, oder das sich, auch durch viele Schläge, sollte in ein Feuer treiben lassen. Allein der Mensch ist so wunderlich und unverständig, daß er täglich durch so mancherlei Sünden seinen Gott, HErrn und Schöpfer beleidigen, dessen Gebote übertreten, Seinen grimmigen Zorn auf sich laden und sich so muthwillig in's Feuer des zeitlichen und ewigen Verderbens stürzen mag.

Und wenn nun Einer ein solches Wunderthier sehen will, so darf er nicht erst weit gehen, es zu suchen, sondern er forsche in seinem eigenen Busen, da er es leichtlich gewahr werden wird. Diese unsre Unart aber müssen wir aus dem Gesetz Gottes erkennen und uns vor zeitlicher und ewiger Strafe hüten lernen, zu welchem Ende wir, vermittelst göttlicher Verleihung, die andere Tafel des göttlichen Gesetzes zu betrachten haben.

Eingang.

Es ist eine berühmte Frage, ob durch menschliche Kunst könne Gold gemacht werden, oder ob die Alchymisten durch ihre Kunst Quecksilber, Kupfer oder dergleichen Metall in Gold verwandeln können? Solche Frage wird von Etlichen bejahet. Andre aber sind in widriger Meinung, und sagen, es sei sehr ungereimt, daß man dafür halten wolle, daß, da doch die Natur in Erzeugung des Goldes 1000 und mehr Jahre zubringe, die Kunst selbiges im Augenblick schaffen könne. Sie sagen weiter, es feie nichts Neues bei den Alchymisten, daß sie tapfer aufschneiden und fürwitzigen Leuten einen blauen Dunst vor die Augen machen; ihr Goldmachen sei eine Kunst ohne Kunst, deren Anfang in vielem Schwatzen und Versprechen, das Mittel in Lügen, das Ende in Betteln bestehe; wie denn auch die besten Meister dieser Kunst in Armuth und Dürftigkeit gerathen, wie es einem berühmten Chemiker, dem Penoto, ergangen, der gleichwohl in einem Spital bei höchster Armuth im 98sten Jahr seines Alters gestorben ist; und als er kurz vor seinem Ende gebeten worden, daß, so er ein sonderliches Geheimniß wüßte in der so hochverlangten Goldkunst, er es doch der Nachwelt nicht mißgönnen, sondern offenbaren möchte, hat er zur Antwort gegeben, wann er einen Feind hätte, dem er mit offenbarer Macht nicht Schaden thun könnte, so wollte er ihm den Rath geben, daß er ein Chemikus werden und die Kunst, Gold zu machen lernen sollte, dadurch er denn nothwendig ein Bettler werden müßte.

Ich mag mich nun in diesen Streit nicht einmengen, sondern will so viel nur sagen, daß es bei den meisten dieser Meister heißen wird: es ist alles verloren!

Ich wende mich aber nunmehr zu den geistlichen Gedanken, welche wir aus diesem auf unsere güldene Katechismuslehre beziehen können; da denn in Acht zu nehmen ist, was wir in vorhergehender Predigt gemeldet, daß nemlich das Gesetz Gottes ein feines Gold sei, darinnen die göttliche Vollkommenheit rein und fein abgebildet ist und den Menschen aufgegeben, daß sie sich darnach richten und ihr Leben darnach anstellen sollen, deren sich auch zu allen Zeiten Etliche gefunden, die bemühet gewesen sind, die güldene Vollkommenheit des Gesetzes zu erreichen und nach demselben durchaus zu leben.

Und da fragt sich's nun, ob die Menschen gutes Gold machen, das ist nach dem Gesetz Gottes vollkommentlich leben und ihre Werke, Leben und Wandel also anstellen können, daß sie, als ein lauteres Gold in der Probe des göttlichen Gerichts Stich halten und sie dem lieben Gott mit solchem gemachten Golde den Himmel abkaufen können? oder, daß ich's um der Einfältigen willen deutlich sage, ob der Mensch dem Gesetz Gottes vollkommentlichen Gehorsam leisten und dadurch den Himmel und die Seligkeit verdienen könne? Ich antworte: Wie unter den Goldmachern viel Betrüger, so gibt es unter den Menschen viel Heuchler und vermeinte Heilige, die da meinen, sie haben mit ihrer Heiligkeit den Himmel und noch mehr verdienet; die dürften sich aber mit jenem stolzen Pharisäer sehr betrogen finden. Wie es weiter im Metall viel Betrug gibt, und oft ein Vergüldetes für ein Güldenes ausgegeben wird, so ist's mit der Menschen Werken bewandt; sie mögen einen Schein haben, wie sie wollen, so fehlt es ihnen doch an der rechten, innerlichen Vollkommenheit und sind so voll Unreinigkeit von eigener Ehre, Selbstliebe und dergleichen , daß sie vor dem göttlichen Gesetz durchaus nicht bestehen, viel weniger die Seligkeit verdienen können. Darum, wer den Himmel zu erwerben gedenkt, der muß sich wenden zu Dem, der alles Gold und Silber gemacht und erschaffen hat, zu Christo JEsu, und von Ihm durch wahren Glauben das unvergängliche Gold Seines theuren Blutes entlehnen, wie Er selbst spricht: Ich rathe dir, daß du Gold von mir kaufest, das mit Feuer durchläutert ist, daß du reich werdest, und weiße Kleider, daß du dich anthust (Offenb. Joh. 3,18.). So wird ihm durch einen Gnadenkauf der Himmel verschrieben und zu seiner Zeit eingeräumet werden.

Indessen aber dürfen wir nicht unterlassen, in der Gottseligkeit und allen christlichen Tugenden uns zu üben und in die Fußstapfen des Herrn JEsu mit herzlicher Liebe zu Gott und unsrem Nächsten zu treten, nicht zweifelnd, daß, was uns in dieser Sterblichkeit und Unvollkommenheit fehlen wird, das werde der Herr JEsus durch Sein theures Blut und Verdienst ersetzen; und zu dem Ende wird uns unter Andrem auch das Gesetz Gottes erkläret und vorgehalten, daß wir nemlich daraus sollen lernen, welches die rechten, Gott wohlgefälligen guten Werke sind, darinnen wir uns üben sollen. Wir schreiten im Namen Gottes zu unserer Hauptarbeit und wollen für diesesmal aus der andern Tafel des göttlichen Gesetzes etliche schöne Goldstücke sammeln und am Ende lernen, wie wir dieselben zum christlichen Leben, geduldigen Leiden und seligen Sterben gebrauchen sollen. Der Herr JEsus sei bei uns und lasse unser Werk wohl gerathen zu Seinen Ehren und unser Aller Erbauung. Amen.

Abhandlung.

Ein Gärtner und Blumenliebhaber pfleget großen Fleiß und nicht geringe Kosten auf seinen Blumenbau zu wenden; er gräbt die Erde um, jätet das Unkraut aus, liest die Steine auf, zerstößt die Schollen und macht den Boden fein eben; dann setzt er sein Pflänzlein dahinein, verwahrt es mit Stäben und Bändern, daß es die Winde nicht beschädigen, und wann es nöthig ist, trägt er Wasser herbei und befeuchtet es, damit es nicht verdorre; und dieses Alles thut er allein zu dem Ende, daß er hernach mit der anmuthigen Schönheit und lieblichem Geruch der Blumen sich ergötzen und an einem so schön gezierten Geschöpf Gottes seine Lust haben möge. Dieses führ' ich an zu dem Ende, daß es uns auf dem geistlichen Goldstück, so wir aus dem Vierten Gebot zu nehmen haben, ein feines Bild der Vater- und Mutterliebe und der kindlichen Ehre und Pflicht gegen die Eltern geben soll. Man könnte malen einen Gärtner, unter seinen Blumen wandelnd, in der Hand einen Spreng-Krug haltend mit gen Himmel erhobenem Gesicht und dazu schreiben: Ich pflanze und begieße, aber Gott gibt das Gedeihen!

Denn fürwahr, die Kinder, von welchen im vierten Gebot gehandelt wird, sind vor den Augen ihrer Eltern Nichts, als liebliche Blumen und edle Pflanzen, die aus ihrem Geblüt aufkommen, ja aus ihrem Herzen, und an ihr Herz gewachsen sind; die erzeugen, tragen, erziehen, ernähren und erhalten sie mit Kummer und Schmerzen, mit Sorgen und Herzeleid. Die Väter machen oft mit vieler Arbeit den Boden zurecht, darinnen sie ihre Ehepflanzen versetzen wollen. Ich will sagen, ein Vater läßt's ihm manchmal blutsauer werden und arbeitet im Schweiße seines Angesichtes, damit er seinen Kindern ein Häuslein, Hüttlein und Gütlein erwerben und vererben möchte. Eine Mutter befeuchtet ihr Ehepflänzlein, wann sie es noch unter ihrem Herzen trägt, mit ihrem Blute, welches, so zu reden, von ihrem Herzen trifft; und wer will hernach alle Mühe, Sorge, schlaflose Nächte, Seufzer, Schweiß und Thränen zählen, welche sie auf ihr Kind verwendet? Daß manche Mutter ihr Kind möchte Jaebez (ein Kummerkind, 1 Chron. 4,9.) oder Benoni (einen Schmerzensohn 1 Mos. 35, 18.), wie Augustinus seiner Mutter, der Monika, ein Thränensohn gewesen ist; wie auch unlängst ein alter, wohlverdienter Prediger in der Nachbarschaft verstorben ist, in dessen Leichpredigt gemeldet wird, daß, als er 12 Wochen nach seines Vaters Tod geboren worden, die Mutter oft gesagt, daß sie so viel Thränen über ihn vergossen, daß sie darin ihn recht wohl hätte baden können.

Darum sind nun die Kinder den Eltern mit einer unzählbaren Schuld verhaftet, welche sie nicht weiter, als mit dem Gold der Ehre abstatten können, wie das vierte Gebot will, wenn es sagt: Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren! Und solche Schuld den Eltern abzutragen, sollten die Kinder alsbald in ihrer zarten Blüthe den Anfang machen; aber weil es alsdann ihr Verstand noch verhindert, so müssen die Eltern mit einem kindfreundlichen Anblick, holdseligem Lachen, und lieber Einfalt vorlieb nehmen; sobald aber ein Kind in Etwas zu Verstand und Jahren kömmt, soll das seiner Natur eingepflanzte und von Gott in den 10 Geboten wiederholte Gesetz es dahin vermögen, daß es mit herzlichem Fleiß und Ernst die Eltern ehre, mit Liebe, Holdseligkeit und Freundlichkeit ihnen begegne, mit Demuth und Ehrerbietung vor ihnen wandle, ihr Wort und Befehl gerne höre und demselben aus allen Kräften nachlebe, so gar, daß, wenn's möglich wäre, den Eltern an den Augen anzusehen, wie sie es gerne hätten, es sie den Mund nicht darum aufthun ließe. Ein Kind soll gegen die Eltern gebrauchen holdselige Geberden; es soll sie hören mit fröhlichem Gesicht, ihnen antworten mit lachendem Munde und in seiner Rede und Antwort den lieblichen Vater - und Mutternamen lassen den ersten und letzten sein, wie Isaak zu Abraham spricht: „Mein Vater!“ (1 Mos. 22, 7.) und der junge Tobias: „Alles, was du mir gesagt hast, mein Vater, das will ich thun (Tob. 5, 1.), und da die Jungfrau Rebekka so freundlich ist gegen einen fremden Mann und sagt: Trink, mein Herr; ich will deine Kamele auch tränken! (1 Mos. 24, 18.19.) wer will zweifeln, daß sie auch ein liebes Kind gegen ihre Eltern wird gewesen sein? So macht's auch die gottselige Ruth gegen ihre alte Schwieger, da sie sagt: Alles, was du mir sagest, will ich thun! (Ruth 3, 5.)

Ein Kind soll ehrerbietig sein, der Eltern Rath anzuhören und willig, demselben zu folgen, wie ein zartes Blümlein und schöne Pflanze der Hand seines Gärtners folget und sich von derselben lässet fest machen, wo es diesem beliebet; wie sie ihnen hierin die beiden Erzväter Isaak und Jakob zum Exempel vorstellen können. Und solche Ehre soll währen nicht allein, dieweil die Kinder der Eltern Zwang fürchten müssen, sondern auch hernach, wenn die Kinder schon ihr eigen sind, da sollen sie dennoch ihre Eltern ansehen als irdische Götter und sie nicht allein für sich selbst mit Worten, Werken und Geberden ehren, sondern auch ihre Kinder und Gesinde dahin halten, daß sie nicht aus Unbesonnenheit der Großeltern Seufzer auf sich laden; und diese Ehre muß sämmtlich aus einem aufrichtigen, christlichen und gottesfürchtigen Herzen herfließen.

Und damit ich das Vornehmste nicht vergesse, so kann ein Kind seine Eltern nicht höher ehren und erfreuen, als wenn es sich wohl schicket und nach Ehr' und Tugend strebt und Nichts begeht, darüber die Eltern sich grämen, ihre Augen niederschlagen und ihr graues Haar mit Leid in die Grube tragen müssen. Denn die Eltern freuen sich fast nicht so sehr ihrer eigenen, als ihrer Kinder Ehre und dünket ihnen, daß aller wohlverdiente Ruhm ihrer Kinder nichts Anders sei, als eine Belohnung ihrer guten Erziehung und Preis ihrer sonderlichen Glückseligkeit, die ihnen der Allerhöchste gegönnet hat. Wie auch Salomo bezeuget, wenn er einen Vater also redend einführet: „Sei weise, mein Sohn (halt dich klüglich, ehrlich und wohl), so freuet sich mein Herz, so will ich antworten dem, der mich schmähet (Sprüche 27, 11.).“

Und diese Kindertugend ist gewiß für lauter Gold zu schätzen, weil Gott dieselbe mit Seinem reichen Segen zu erwiedern und zu belohnen verheißen hat, wenn er spricht: Es soll dir, wenn du deine Eltern ehrst, wohl gehen und du sollst lange leben auf Erden; wie es auch die Erfahrung an dem frommen Jakob, gehorsamen Joseph, der demüthigen Esther, dem willigen David und wohlerzogenen Tobias gegeben hat, welche Gott, der HErr, um ihres Gehorsams willen gegen ihre Eltern als wie mit einem Goldregen Seines Segens überschüttet und ihrer Etliche zu königlichen Würden und Reichthum erhoben hat; darum auch Salomo spricht: Mein Kind, gehorche der Zucht deines Vaters und verlaß nicht das Gebot deiner Mutter, denn solches ist ein schöner Schmuck deinem Haupte und eine Kette an deinem Halse (Sprüche 18. 9.); dem Sirach beistimmt, wenn er sagt: Wer seinen Vater und Mutter ehret, der sammelt einen guten Schatz und wird auch Freude von seinen Kindern haben und wenn er betet, wird er erhöret (3,4. 6.).

Aus dem fünften Gebot blicket als ein schönes Gold hervor die Sanftmuth, deren Bild auf unsrem geistlichen Goldstück uns gebe,, kann ein Lämmlein; und bei solchem sollen wir nicht allein gedenken an das bekannte sanftmüthige Thierlein, welches wir täglich um und vor uns haben (welches uns doch auch der Sanftmuth erinnern kann), sondern vornemlich an das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt (Joh. 1, 29.), das erwürget ist von Anfang der Welt (Offenb. 13, 8.), welches ist Christus JEsus. An Ihm haben wir einen hellen Spiegel aller Freundlichkeit und Sanftmuth, wie Er selbst sagt: Ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig (Matth. 11, 29.). Wie nun die Naturkundigen bezeugen, daß der entrüstete und beleidigte Elephant nicht leichter zu besänftigen ist, als wenn man ihm ein Lamm oder Widder in's Gesicht bringt; also, mein Christ, wenn du vermeinst, billige Ursach zum Zorn wider den Nächsten zu haben und vermerkest, daß der Grimm bei dir überhandnehmen und dich zu Verletzung der Ehre oder Glieder deines Nächsten treiben will, so stelle dir alsbald vor das Lämmlein Gottes, Christum JEsum, wie Er am Kreuz vor dir geschlachtet ist und Sich zu Tode geblutet hat, und lerne in Betrachtung solcher unverdienten, herzlichen Liebe und Seiner großen Sanftmuth, damit Er deinen täglichen Uebertretungen und Gebrechen zusieht, auch deinem Nächsten Etwas zu gut halten. Fahre nicht sofort heraus mit ehrenrührigen Scheltworten, sondern gedenke, daß dein Herr JEsus, das Lamm Gottes, nicht wieder schalt, da Er gescholten ward (1 Petri 2, 23.). Stelle dich nicht ungeberdig und scheußlich, und laß ja vor allen Dingen dem Zorn nicht in so weit seinen Willen, daß du mit Kains Keule oder andern tödtlichen Waffen über deinen Bruder wolltest her sein und ihm an seiner Gesundheit oder gar am Leben schaden.

Denn des Menschen Zorn ist wie ein Wasser: so lange dasselbe im Teich und Dämmen gefasset und eingeschränket ist, so hat es keine Macht und scheinet ganz stille und gelinde wie ein Oel zu fließen. Aber sobald es ein Löchlein findet, macht es dasselbe großer und reißt mit Gewalt hindurch, und kann mit unglaublicher Geschwindigkeit die Dämme einwerfen und Alles, was es antrifft, mit großer Grimmigkeit mit sich fortwälzen: also ist oftmals der Mensch gelinde und gütig anzusehen, aber, wo der Nächste durch einen geringen Fehler seinem Zorn ein Löchlein machet, hilf Gott! wie stürmet, brauset und tobet er, und reißt im Zorn ohne weiteres Nachdenken seine und seines Nächsten Wohlfahrt herum und stürzt sich und seinen Mitchristen zu Boden. Darum muß ein Christ immer dem Zorn einen Damm machen und denselben mit dem Kreuzbalken des Herrn JEsu verwahren und durch einen guten Vorsatz befestigen, damit er nicht Etwas im Zorn thue, das vor Gott nicht recht ist.

So denn ja Etwas vorgeht, das uns zu nahe ist, so müssen wir den Nächsten seines Versehens mit Freundlichkeit erinnern, wie Paulus lehret:

Lieben Brüder, so etwa ein Mensch von einem Fehl übereilet würde, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmüthigem Geist (Gal. 6, 1). Und anderswo spricht er: Die brüderliche Liebe unter einander sei herzlich. Einer komme dem Andern mit Ehrerbietung zuvor (Röm. 12, 10.). Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung sei ferne von euch, sammt aller Bosheit; seid aber untereinander freundlich und herzlich, und vergebet Einer dem Andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christo (Eph. 4, 31. 32.). Ziehet an als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demuth, Sanftmuth, Geduld. Und vertrage Einer den Andern, und vergebet euch untereinander, so Jemand Klage hat wider den Andern; gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr (Kol. 3, 12. 13.). Und diese edle Tugend wird mit Recht gülden genannt, nicht allein, weil sie bei Gott und Menschen so hoch beliebet ist, sondern weil sie sich auch darin dem Golde vergleicht, daß, wie das Gold nicht so störrig ist, als das Eisen, sondern es sich leicht lässet beugen und treiben, und wann es mit dem Hammer geschlagen und gearbeitet wird, nicht viel Getöse macht, also auch eil, sanftmüthiger Mensch, welcher ist nicht ein Zänker und Haberecht, sondern lasset sich gerne weisen, weichet gerne und gibt nach, so viel er immer ohne Verletzung seines Gewissens thun kann. Wird er dann je beleidiget, so macht er nicht viel Wesens davon, sondern schweigt und leidet. Und das ist eine Tugend , die Gott mit zeitlichem und ewigem Segen belohnen wird. Denn: selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen (Matth. 5, 5.).

Das sechste Gebot gibt uns ein nicht weniger schönes Gold an die Hand, welches heißt und ist: Keuschheit, und will dasselbe, daß ein Jedweder wisse sein Faß zu behalten in Heiligung und Ehren (1 Thess. 4, 4.). Und dieses könnte man abbilden mit einem silbernen Trinkgeschirr, das auswendig und inwendig vergoldet ist. Denn ein keuscher und züchtiger Mensch ist der ehrbaren Welt und vornemlich dem lieben Gott angenehm, darein er stehet als in einen vergoldeten Becher. Und ein keusches Wort aus einem keuschen Herzen, in einem keuschen Munde, ist wie ein güldener Aepfel in güldener und silberner Schale. Wie nun aber ein solches Geschirr auswendig und inwendig, ja manchmal nur inwendig vergoldet ist, also soll sich ein Mensch der innerlichen und äußerlichen Keuschheit befleißigen; die äußerlichen Geberden , die Blicke der Augen, die Schritte der Füße, die Tracht der Kleider soll ehrbar und der Keuschheit und Zucht gemäß sein; er muß meiden unzüchtige und verdächtige Gesellschaft, Müßiggang, welcher ist „des Teufels Ruhebank“, Ueppigkeit und Ueberfluß im Essen und Trinken, schandbare Worte, Buhlenlieder und dergleichen Erregung unziemender Begierden.

Denn das Gemüth ist wie ein Zunder: wenn du aus Stahl und Stein Feuer schlägst, so fängt's die Funken leicht auf und kann Mancher eine geraume Zeit aus dem Sinn nicht wieder los werden eines garstigen und unzüchtigen Schwangs oder schandbaren Worts, das er einmal unverhofft von einem Schandlappen gehört hat. Wenn ihr, Frauen und Jungfrauen, schwarze Töpfe anfasset, so beflecket ihr bald die Hände und in der Unbedachtsamkeit leicht auch das Gesicht: also, wenn ihr mit bösen, losen Leuten umgehet, und der Narrentheidung, die manchmal ein Garsthammel treibt, ohne Röthe zuhöret, so habt ihr euch schon ziemlich berahmet und das jungfräuliche Gemüth beflecket. Und gleichwie man es Einem bald anriechet, wenn er aus einem Stall oder unsaubern Ort kommt, also kann man es auch bald verspüren, wenn Eines an verdächtigen Oertern mit losen Leuten umgehet, weil bald Etwas in seinen Geberden, Worten und Werken hängen bleibet.

Darum hütet euch, meine Liebsten, allesammt vor solchen Reizungen, welche unser ohnedas sündliches Fleisch leicht entzünden und zu Schand und Lastern verführen können! Hütet euch vor schandbaren Worten! Entschlaget euch leichtfertiger Geberden! Hänget nicht nach unzüchtigen Gedanken! Und am meisten fliehet und meidet unzüchtige Werke und Thaten, und zwar in allen Ständen!

Ach wie fein stehts, und wie wohl gefällt es Gott und Seinen keuschen Engeln, wenn Jünglinge und Jungfrauen den Ruhm unbefleckter Keuschheit in's Ehebett bringen! wenn sie ihr Brautkränzlein (dessen schon Chrysostomus zu seiner Zeit gedenket Hom. 9. in 1 Tim.) mit gutem Gewissen und fröhlichem Herzen in die Kirche tragen! zu welchem Ende der heil. Augustin die Jünglinge also anredet: „Ihr,“ spricht er, „die ihr noch unbeweibt seid, gedenket aber, euch dermaleins zu verehlichen, behaltet euch euren Weibern! Wie ihr wollt, daß sie zu euch sollen kommen, also müssen sie auch euch finden. Welcher Jüngling wollte nicht gern ein keusches Weib ihm wünschen? Und so er eine Jungfrau kriegen soll, wer will nicht eine reine Jungfrau haben? Soll sie nun rein sein, so sei du auch rein! Soll sie unbefleckt sein, so halte du dich auch unbefleckt.“1)

So haben auch Eheleute nicht zu meinen, daß ihnen durch den Ehestand der Zaum ganz frei gelassen und die Thür zur Unmäßigkeit angelweit aufgethan sei; sondern sie haben das alte Ne quid nimis (Alles mit Maaß!) zu bedenken und gibt's die Erfahrung, daß sich Einer auch in seinem eigenen Bier oder Wein also bezechen kann, daß ihm hernach der Kopf wehe thut. Darum auch der hocherleuchtete Apostel es nicht unrathsam findet, daß sich Eins dem Andern, wiewohl mit Beider Bewilligung, eine Zeit lang entziehe, auf daß sie zum Fasten und Beten Muße haben (1 Kor. 7, 5.). Am meisten aber haben sich christliche Wittwer und Wittwen der Keuschheit zu befleißigen, daß sie als güldene Gefäße mit dem Glanz der Zucht vor Gott und Menschen leuchten mögen. So sie sich aber von Fleisch und Blut beschweret befinden, so haben sie Pauli Regel, der da spricht, es sei besser freien, als Brunst leiden (1 Kor. 7, 9.). Und lasse ich sie selbst urtheilen, welches besser sei, mit unreiner Lust sich schleppen und durch deren Getrieb ihm ein böses Geschrei in allen Gassen machen oder das ehrliche, ordentliche Mittel, den Ehestand dawider ergreifen.

Kurz, ein Jedweder hat in seinem Stand dahin zu sehen, daß vor allen Dingen sein Herz keusch sei und Ehre und Zucht liebe; so werden aus demselben als einer reinen Quelle nicht andre, als züchtige Geberden, Worte und Werke fließen; er hat allezeit zu bedenken, daß sein Herz mit dem Blut JEsu Christi gereiniget und gleichwie vergüldet ist. Nun pfleget Niemand mit einem schönen vergoldeten Trinkgeschirr das Wasser aus einer stinkenden Pfütze zu schöpfen; wie willst du denn dein mit dem Blut des Sohnes Gottes vergüldetes Herz mit der Schandpfütze der Unkeuschheit verunreinigen? Bedenke, daß dein Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist und deine Glieder sind Christi Glieder, wie willst du sie so schändlich verunreinigen und die Glieder Christi zu Sündengliedern machen? Folge vielmehr dem Exempel derer, die als weiße Lilien in dem Paradies Gottes blühen und den ewigen Ruhm der Keuschheit erhalten haben, unter welchen billig vorn an steht das unbefleckte, keusche Herz Christi JEsu, wie denn auch Joseph, Boas, Hiob, Susanna und viele Andere ihren ewigen Ehrenkranz billig tragen (1 Mos. 39, 8. Ruth 3, 13. Hiob 31, 9.).

Und ob ich wohl viel Exempel konnte anfuhren, so will ich doch nur dieß hieher sehen. Herr Harsdorfer berichtet von einer sicilianischen Jungfrau, welche vor etwa 50 Jahren von den türkischen Seeräubern, die einen Einfall in Sicilien gethan, ist gefangen und von dem Hauptmann der Räuber mit unzüchtigem Gesicht angesehen worden; damit sie nun zu Werk richten könnte, was sie sich vorgenommen, stellet sie sich freundlich gegen denselben und sagt, sie wolle ihn eine Kunst lehren, daß ihm keine Kugel schaden könne; begehrt darauf Papier, Feder und Dinte, macht allerhand Zeichen, schreibt unbekannte Wörter, zieht das Papier durch einen Rauch mit verstelltem Angesicht und unvernehmlichem Gemurmel und bindet den Zettel dem Hauptmann an den linken Arm; und wie nun der Türke fragt, wie er dieser Kunst versichert würde, sagt sie, sie hätte die Probe an ihren Brüdern gesehen und wolle den Zettel selbst anbinden, er möge auf sie schießen, so werde ersehen, daß ihr die Kugel nicht schaden werde; das thut der Türke und sie befiehlet sich Gott in ihrem Herzen mit brünstigem Seufzen und fähret also mit unverletzter Jungfrauschaft dahin und entgeht als eine christliche Heldin der schandbaren Dienstbarkeit.

Leset dieß, ihr Jungfrauen, mit dem Vorsatz, daß ihr auch, ich weiß nicht was Lieberes thun und leiden wollet, als daß ihr mit eurem Willen wider eure jungfräuliche Ehre handeln wolltet.

Ich komme zu dem siebenten Gebot, darinnen ich finde das Gold der Genügsamkeit und christlichen Mildigkeit, welche man in einer springenden Wasserquelle oder einem über sich quellenden und mit hellem Wasser überlaufenden Brunnen abbilden kann. Zwar ist es in diesem Gebot nicht enthalten, daß Einer durch Arbeit und ordentliche Mittel ihm nicht ein Stücklein Brods erwerben und dasselbe durch Sparsamkeit zu Rath halten sollte (denn das ist vielmehr geboten), sondern nur das ist verboten, daß Einer nicht durch verbotene Mittel, vom Geiz gereizt, seines Nächsten Gütlein soll diebischer Weise an sich bringen. Er soll sich vielmehr mit dem, was ihm Gott bescheret, durch fleißige Arbeit, ohne Schaden seines Nächsten, lassen begnügen, und seinem dürftigen Nebenchristen davon hilfreiche Hand bieten.

Gleichwie ein Brunnen sein Wasser aus der tiefen Erde heraufführet, ohne Schaden der umherstehenden Bäume, Pflanzen und Kräuter, die er vielmehr mit seiner Quelle befeuchtet und fruchtbar macht, also soll ein Christ sich ohne Schaden seines Mitbruders vermehren und demselben lieber von seinem Segen, da er dessen benöthiget, Etwas mittheilen, als daß er ihm durch listige und heimliche Diebsränke und Hilpersgriffe das Seinige sollte abzwacken; und wie sehr ihn auch die Gewinnsucht zu solchen Händeln reizet, so soll er doch allezeit auf Gott, auf sein Gewissen, auf Ehr und Redlichkeit sein Absehen haben, und keinen Pfennig, wie schön er auch ist, in seine Tasche stecken oder in seinem Schatze beilegen, welchen er nicht auf der Gewissenswage gehabt und probiret, ob er auch mit Recht und durch ordentliche Mittel erworben sei; denn das übel erworbene Gut kommt selten auf den dritten Erben; es sind Adlersfedern, die alles Andre verzehren. Das gestohlene Brod schmeckt (zuerst) Jedermann wohl, aber hernach wird ihm der Mund voll Kieselsteine werden, sagt der weiseste unter den Königen (Spr. 21, 17.). Jener reiche Wucherer sagte mit kläglicher Stimm' auf seinem Sterbebette, es wären ihm zuvor seine Goldgulden lauter Rosenblätter gewesen, darauf er gar sanft und geruhig hätte schlafen können, nun aber wären es lauter Nadeln, Disteln und Dornen worden. Und, mein Mensch, wie willst du denn so thörlich sein und deine edle Seele, die Christus JEsus mit Seinem theuren Blut erworben hat, um eine Hand voll vergänglichen Gutes dahingehen? Was hälf' es dir, wenn du die ganze Welt gewännest, und nähmest doch Schaden an deiner Seele, oder was kannst du geben, deine Seele wieder zu lösen? (Matth. 16, 26.) frage ich billig mit unsrem treuen Erlöser.

Hingegen ein, wiewohl geringes, doch wohl erworbenes Gütlein, daran Einer sich lässet genügen und dessen Herr ist, daß er's, wenn ihm selbst oder seinem Nächsten eine Noth zustoßet, angreifen darf, das ist ein gesegnetes Brunn lein, das Wasser die Fülle hat (Ps. 65, 10.). Das gedeihet und wächst durch Gottes Segen und kann nicht unfüglich mit jener Wittwe Oelkrüglein verglichen werden, welches, ob es wohl alle leere Gefässe füllete, dennoch, nach dem Wort des HErrn, keinen Mangel hatte (2 Kön. 4, 5.). Jener ehrliebende Sachse wußte Solches wohl; denn als er seine Tochter aussteuerte und nicht großen Reichthum besaß, gab er seinem Eidam zum Heirathgut zehn Goldgulden und sagte dabei: „Diese hab' ich redlich gewonnen und Niemanden darum betrogen; sie sollen aber dich nicht wenig dünken; denn sie werden dir und deinen Kindern nützer sein, als wenn ich dir 1000 Goldgulden übel gewonnenen Guts mitgäbe.“ Und Dieses hat sich hernach auch also befunden.

Wenn du nun ein solches Gut besitzest, so kannst du sagen, daß es dein sei und der Deinigen, und vornemlich ist das dein, was du auf die Armen verwendest, und dem lieben Gott auf Wucher thuest, und als wie durch einen Wechsel in den Himmel übermachest; denn, „wer sich des Armen erbarmet, der leihet dem HErrn; der wird ihm wieder Gutes vergelten“ (Spr. 19, 17.); welche Meinung auch jener Kaufmann hatte, der, als er in einer allgemeinen Schatzung seine Güter angeben und nach denselben beitragen sollte, sagte, er hätte nicht mehr als 600 fl. Das ward von den Einnehmern mit höhnischem Gelächter aufgenommen und sagten alsbald: „euer Haus, Maierhof, Baarschaft u.s. w. ist zehnmal so viel werth“; da sagt er: „ihr Herren, das Alles gehört der Welt und bleibet darinnen und ich muß es verlassen, darum halt ich's nicht für mein, die 600 fl. aber hab' ich auf die Armen verwendet und hoffe, die sollen mir am gewissesten sein, daß sie mir Niemand nehmen könne.“ Darum, ihr, meine Liebsten, machet euch Säckel, die nicht veralten, einen Schatz, der nimmer abnimmt im Himmel! (Luk. 12, 33.) und gedenket allezeit an Sirachs Wort: wer sich mit seiner Arbeit nähret und läßt ihm genügen, der hat ein fein ruhig Leben. Das heißt einen Schatz über alle Schätze finden (Kap. 40, 18.). Welchem Paulus zustimmet, wenn er spricht: Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lässet ihm genügen! (1 Tim. 6, 6.)

Das achte Gebot hält uns vor als ein feines Gold die lautere Wahrheit, weil es die Falschheit und Lügen ganz ernstlich will verboten haben. Das kann man abbilden mit der Geschichte, welche von Alexander dem Großen erzählt wird, welcher, als er einmal geheime und hochangelegene Schreiben bekommen und sein Freund Hephästion dieselben über seine Schulter mitlas, es zwar geschehen ließ, nach Durchlesung der Briefe aber seinen Siegelring nahm und ihn dem Hephästion auf den Mund setzte, damit anzudeuten, daß er reinen Mund halten und was er gelesen, Niemanden offenbaren sollte. Also will uns der allerhöchste Gott allesammt im achten Gebot gleichsam Seinen Siegelring auf den Mund gedrückt haben, daß wir uns nicht allein, so viel möglich ist, der Verschwiegenheit, sondern auch, wenn wir ja reden müssen, der Wahrheit befleißigen sollen und keine falsche Rede von unsrem Nächsten in- oder außerhalb Gerichts führen, damit seinem ehrlichen Namen geschadet würde.

Sollte denn je unser Nächster von einem Fehl übereilt sein, so sollen wir nicht alsbald es an die große Glocke schreiben und es in allen Gassen austragen, sondern ihm mit sanftmüthigem Geist wieder zurecht helfen (Gal. 6, 1.) und seine Mängel, so viel wir nur immer Amts und Gewissens halber thun können, gerne zudecken. Ja, wie jenes Weib das Haupt des Herrn JEsu mit köstlichen Salben übergoß, daß der Geruch das ganze Haus erfüllete (Matth. 26, 6. ff.), also sollen wir, so viel möglich ist, unsrem Nächsten allenthalben Gutes nachreden, und Alles mit seines guten Namens Geruch erfüllen. Und das ist abermals eine Tugend, die mit keinem Golde zu vergleichen ist. Das hat der Heide Pythagoras wohl gesehen, darum er gesagt hat, es wären zwei herrliche und überaus köstliche Dinge den Menschen von Gott gegeben, dadurch sie Ihm selbst sich verähnlichen könnten, nemlich wahrhaftig und wohlthätig sein. Und wie das Gold im Feuer bestehet, also bestehet die Wahrheit allezeit wider die Lügen und behält doch endlich den Sieg.

Im neunten und zehnten Gebot finden wir das Gold der heiligen und göttlichen Lust und Begierde, weil darinnen die unheilige Lust und böse Begierden verboten sind. Siehe nicht, will Gott sagen, deines Nächsten Haus, Weib, Knecht, Magd oder was er sonst Gutes hat, mit scheelen und lüsternen Augen an und denke nicht auf allerlei Ränke, dadurch du deine Begierden sättigen und erfüllen und deinem Nächsten das Seinige abwendig machen mögest, sondern, wenn du Etwas suchest über das, was Ich dir an zeitlichen Gütern gegeben habe, so laß dich Mein himmlisches Haus gelüsten, ergötze dich an Meiner Liebe und trachte nach den ewigen Gütern, die Ich dir und allen denen, die Mich lieben, bereitet habe; denn Alles, was in der Welt ist, das ist so voller Mühseligkeit und Eitelkeit, daß es deines Herzens Begierde nicht sättigen kann; an Meinen Gütern aber findest du die selige Ewigkeit.

Dieses kann man als auf einem Goldstück gar artig abbilden mit dem, was die Alten unter andern wunderlichen Dingen, die im Tempel in Jerusalem zu bemerken gewesen, melden, daß nemlich der Rauch, so vom Altar sei aufgestiegen, niemals vom Winde sei beiseits aus- oder niederwärts getrieben, sondern er sei allezeit gerade über sich gen Himmel aufgeschlagen, wie stark auch der Wind gewehet; so habe auch der Regen, wie stark er auch gewesen, niemals das immerwährende Feuer auf dem Altar auslöschen können. So soll unser Herz ein Altar des Höchsten sein, von dem allezeit das andächtige Gebet, gottselige Gedanken, sehnliche Seufzer und heilige Begierden sollen aufsteigen. Nicht sollen unsre Gedanken und unser Verlangen beiseits ausschlagen auf unsres Nächsten oder irgend andre weltliche Güter, sondern sie sollen immer gerad auf den Himmel gerichtet sein und sich von keinem Winde des Geizes, der Mißgunst oder, Wollust niederdrücken lassen; und solches heilige Feuer des sehnlichen himmlischen Verlangens soll auf dem Altar unsres Herzens niemals verlöschen und von keinem Regen der Trübsal gedämpfet werden. Gleichwie eine eiserne Nadel, mit dem Magnet bestrichen, stets nach Norden sich wendet; also soll unser Herz, durch Kraft der Liebe des Herrn JEsu erreget, stets gen Himmel, da der Herr JEsus unser Magnet ist, gerichtet sein. Und solches ist uns besser, als alles vergängliche Gold, weil dasselbe nur die Seele beschweret, dieses aber unsern Geist gen Himmel führet und ihn den Vorschmack des ewigen Lebens kosten lässet.

Und das ist also auch die kurze Erklärung der andern Tafel des göttlichen Gesetzes, welche wir nun weiter anwenden müssen.

1) zum christlichen Leben. Denn ihr, meine liebsten Zuhörer, so wir forschen wollen, ob auch in unsrer Stadt, in unsern Häusern, Herzen und Werken das bisher gezeigte Tugendgold gefunden werde, so werden wir wahrlich mit dem Propheten sagen müssen: dein Silber (und Gold) ist Schaum worden (Jes. 1, 22.). Wie ist das Gold so gar verdunkelt und das feine Gold so häßlich worden! (Klagl. 4,1.) Denn haben wir nicht in unsrer Stadt Kinder, die den Eltern ungehorsam sind, wie Paulus von den letzten Zelten geweissagt hat (2 Tim. 3, 2.). Ist nicht die Jugend nunmehr so unbändig, daß kein Zügel der Zucht stark genug ist, ihren Muthwillen aufzuhalten? Findet man nicht Kinder, die gegen Niemand unfreundlicher und störriger sind als gegen ihre Eltern, die ihrer Eltern Befehl und Rath verachten, ihnen entgegen belfern wie ein Kettenhund, die von den dürftigen und nothleidenden Eltern und Schwiegereltern die Hand abziehen und sie eh mit einem alten Narren, alter Thörin als mit einem Vater- oder Mutter-Namen begrüßen? Was ist jetzo bei den Unterthanen Gemeineres, als Ungehorsam, Muthwillen, Murren und Fluchen wider die ordentliche Obrigkeit? Worüber wird mehr Klage geführt, als über Untreue, Ungehorsam und Widerwillen des Gesindes?

Ueberdieß kann nicht geläugnet werden, daß leider in unsrer Stadt durch den Zankapfel der leidigen Kriegs - Steuern fast alle Liebe, Freundschaft und nachbarliches Vertrauen aufgehoben und hergegen Mißgunst, Haß, Feindschaft und Unversöhnlichkeit gestiftet ist. Und wie schwer die Zeiten sind, so hat doch auch die Unkeuschheits-Sünde nicht können niedergehalten werden; es haben etliche leichtfertige, unzüchtige Leute ihres Gleichen hier gefunden und sind Etliche, die man sonst wohl nicht dafür angesehen hätte, ihres Geschlechts Schandflecke geworden. Zudem läuft man ja mit dem Judenspieß in allen Gassen um und meinet, durch den Vorwand des vielen Gebens könne man allen Geiz, alle Schinderei, Uebervortheilung und Betrügerei bemänteln und möge man seine Waaren setzen, verkaufen und ausbringen , so hoch man immer könne. Auch fehlt es leider an falschen Leuten, Verläumdern und Lügnern nicht. Kein Gericht ist gemeiner, als gezuckerte Zungen und gepfefferte Herzen. Nichts wird weniger für unrecht gehalten, als das Angeben und Verrathen in Kontributions-Sachen, da Einer nicht allein seinen Nachbar und Mitbürger ausnennet, sondern auch all' seine Güter, seinen Handel und Wandel, ja Hühner und Gänse dürft' ich fast sagen, zu berechnen und anzugeben weiß, nur zu dem Ende, daß sein Nachbar nicht zu viel habe und er die Last von sich und den Seinigen auf seinen Mitchristen wälzen möge. Und wie es mit den weltlichen, ungöttlichen, geizigen Begierden bewandt sei, davon wird am besten reden und zeugen können der Prediger, der unter der linken Brust seine Kanzel hat.

Und weil denn dieses Alles dem göttlichen Gesetz Und einem christlichen Leben durchaus zuwider ist, so lasset uns, meine Liebsten, heute anfangen, solche große Mängel zu bessern. Ihr jungen Leute, ihr Kinder und Gesinde, leget ab euren Ungehorsam und Muthwillen, und führet ein christliches Leben! Sehet doch, wie es jetzo in der Welt dahergehet , wie groß Trübsal und Beschwer uns betreten hat: das ist Alles geschehen um unserer Sünde willen! Werdet nun ihr jungen Leute, die ihr dermaleins unsre Stellen in Kirchen und Schulen, im Rath und Bürgerhäusern bekleiden sollet, in eurer Bosheit und Sünde daherwachsen und es noch ärger machen, als wir leider gethan haben, so habt ihr keine Besserung der Zeiten, sondern vielmehr Vergrößerung des mannigfaltigen Beschwer und Elends zu erwarten. Ihr Alten aber, welche diese kümmerlichen Zeiten drücken, seid doch nicht so blind und unverständig, daß ihr durch Fortsetzung des gottlosen unchristlichen Wesens Gottes Zorn und Strafe noch mehr über euch häufen wolltet. Je höher ihr beschweret seid, je fester sollet ihr euch billig durch Liebe und bürgerliches gutes Vertrauen untereinander verbinden und Einer dem Andern die Last getreulich tragen helfen. Denn durch Beißen, Zanken, Angeben, Fluchen, Murren, Schelten wird übel nur ärger gemacht. ,

Enthaltet euch auck von fleischlichen Lüsten, welche wider die Seele streiten (1 Petri 2, 11), und helfet dämpfen das unzüchtige Wesen, so viel an euch ist, und betet von Herzen dawider. Und ihr Eltern habt fleißige Achtung auf eure Kinder und Hausgenossen, und dämpfet den Geist der Unreinigkeit mit höchstem Eifer und Ernst; denn in einem Hause, wo der herrschet, da kann kein Gottessegen und Gedeihen bleiben. Sehet auch wohl zu, daß ihr also nach den zeitlichen Gütern trachtet, daß ihr nicht Gott erzürnet, euren Nächsten beleidiget, euer Gewissen verletzet, und die ewigen Güter verscherzen möget. Es spreche auch ein Jedweder mit David: Ich habe mir vorgesetzt, ich will mich hüten, daß ich nicht sündige mit meiner Zunge. Ich will meinen Mund zäumen (Ps. 39, 2.). Ich will ein Schloß daran legen, damit ich dadurch nicht zu Fall komme (Sir. 23, 33.). Und endlich gedenket, daß unser Wandel und Bürgerrecht im Himmel ist und sehnet euch allezeit mit himmlischer Begierde nach dem Himmel, verachtet das Zeitliche und sehnet euch nach dem Ewigen. Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist (Koloss. 3, 2.).

Und weil wir denn nun angehörtermaßen unsre vielfältigen Sünden aus dem Gesetz des lieben Gottes erkennen und ansehen, so muß uns Solches

2) zum geduldigen Leiden dienen. Denn so wir ungeduldig sein und murren wollen, so lasset uns wider unsre Sünde murren, damit wir den frommen Gott zu solcher Strafe genöthigt haben. Lasset uns forschen und suchen unser Wesen, und uns zum HErrn bekehren, lasset uns unser Herz sammt den Händen aufheben zu Gott im Himmel und sprechen: Wir, wir haben gesündiget und sind ungehorsam gewesen. Darum hast Du billig nicht verschonet (Klagt. 3, 39. ff.). Denn wie es kein Wunder ist, wenn du in der Sonne stehest, daß dein Leib einen Schatten macht, also ist's auch kein Wunder, daß auf die Sünde die Strafe folget. Darum lasset uns von Herzen sagen:

Soll's ja so sein.
Daß Straf und Pein
Auf Sünde folgen müssen:
So fahr' hie fort.
Nur schone dort.
Und laß mich hie wohl büßen!

Gib, HErr, Geduld;
Vergiß der Schuld,
Gib ein gehorsam Herze!
Laß mich nur nicht,
Wie's wohl geschicht.
Mein Heil murrend verscherzen!

Lasset uns schließlich auch mit Wenigem lernen, wie wir die Predigt

3) zum seligen Sterben gebrauchen sollen. Zwar ist es keine geringe Glückseligkeit, wenn Einer im Beisein, unter Aufwartung und Liebesdiensten der Seinigen diese Welt gesegnen kann, aber viel seliger ist derselbe zu schätzen, welcher den Ruhm der vorgezeigten christlichen Tugenden in seinem und andrer Leute Gewissen hat, um dessen Bette, so zu sagen, der Glaube und dessen Nachfolgerin, die Liebe, der Gehorsam, die Versöhnlichkeit, die Keuschheit, die Wohlthätigkeit, die Wahrheit sich gestellet haben und ihm die Augen zudrücken und seiner Seele das Geleit in den Himmel geben, dem die Glocken und die Leichpredigt wohl nachklingen, daß man von ihm sagt, wie dort der heidnische Hauptmann von dem Herrn JEsu: Wahrlich, dieser ist ein frommer Mensch gewesen (Luk. 23, 47.). Wahrlich, dieser ist ein ehrlicher, aufrichtiger, freundlicher, gutthätiger und gottseliger Mann, diese ist eine tugendhafte, ehrbare, züchtige und fromme Frau gewesen. Das klinget zumal wohl, und hat man einen solchen Tod für einen seligen Tod zu achten.

Und damit dir Solches auch widerfahre, so mach es nach Anleitung der sieben erklärten Gebote also: Bist du ein Kind und hast deine Eltern noch am Leben, so siehe zu, daß du es also mit deinen Eltern machest, daß sie Ursach haben, dich als ein liebes, gehorsames Kind zu beweinen; sind sie aber schon vor dir von Gott aus der Welt abgefordert, so bemühe dich, durch dein Wohlverhalten ihnen auch nach ihrem Tod einen rühmlichen Namen zu erwecken, daß Jedermann sie auch in der Erde glückselig schätzen möge, weil sie einen so wohlgerathenen Sohn, eine so wohlgerathene, tugendhafte Tochter hinterlassen haben, und siehe wohl zu, daß, wenn du nun hernach kömmst, deine Eltern nicht Ursach haben mögen, dich als ein gottloses, ungehorsames Kind vor Gottes Richterstuhl anzuklagen. Und so du etwa mit deinem Nächsten in Streitigkeit gerathen bist, so versöhne dich von Herzen mit deinem Bruder, und sei willfertig deinem Widersacher bald, weil du noch mit ihm auf dem Wege bist, auf daß dich der Widersacher nicht dermaleins überantworte dem Richter und du werdest in den Kerker geworfen; wahrlich, ich sage dir, du wirst nicht von bannen herauskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlest (Matth. 5, 25. 26.).

Im Uebrigen so gesegne dein Ehegemahl und Kinderlein, die dir Gott gegeben hat, und befiehl sie dem Vater der Waisen und Richter der Wittwen, und so du dich erinnerst, daß du Etwas von übel erworbenen Gütern gesammelt hast, so laß es, wenn's möglich ist, dem, welchem du es abgezwacket hast, wiederzukommen, oder mach' es, wie Zachäus her Zöllner, der die Hälfte seiner Güter den Armen, und so er Jemanden betrogen hatte, es vierfältig wiedergab (Luk. 19, 8.). Hättest du auch vielleicht Etwas, dadurch du dein Herz und Gewissen beschwert findest, so verschweig es nicht und suche nicht Feigenblätter, damit es könne beschönigt werden, sondern bekenne deinem lieben Gott, und an dessen Statt deinem Seelsorger deine Sünde, auf daß deiner Seele Rath geschafft werde. Und endlich, wenn du dich mit deinem gläubigen Gebet und brünstigen Herz-Seufzern in Gottes Hand ergeben hast, so laß dich Nichts in der Welt mehr gelüsten, sondern richte deine Gedanken sehnlich gen Himmel, in welchem nicht der geringste Theil deiner Seligkeit dieses sein wird, daß der sündliche Leib aufhören und du hinfort deinen lieben Gott mit Uebertretung Seines Gesetzes nicht mehr erzürnen, sondern zu vollkommener Heiligkeit und Herrlichkeit gelangen und deinen lieben Gott von Angesicht zu Angesicht, fröhlich und ewig anschauen wirst: dazu euch, mir und uns Allen die allerheiligste und hochgelobte Dreifaltigkeit, Gott Vater, Sohn und heil. Geist verhelfen wolle, welchem sei Preis und Ehre in Ewigkeit! Amen.

1)
Qui uxores nondum habetis - si ducturi estis uxores,servate vos uxoribus vestris; quales eas vultis ad vos venire, tales et vos ipsae debent invenire. Quis juvenis est, qui non castam velit ducere uxorem? et si accepturus est virginem,, quis non intactam desideret? Intactam quaeris? Intactus esse! Puram quaeris? noli impurus esse!“
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