Schlatter, Adolf - Der erste Brief des Johannes. - Kap. 5,6-12. Der feste Grund des Glaubens.
Vom Glauben an Jesus hat uns Johannes gesagt, dass er uns den Sieg über die Welt verschafft. Nun heißt er uns nochmals bedenken, was unserem Glauben die Gewissheit gibt, worin er seinen Grund hat, so dass er eine feste Überzeugung ist. Er ist's, der da kam durch Wasser und Blut, V. 6. Jesu Weg führte ihn durch das Wasser durch, als er sich taufen ließ und dem Bußruf an Israel sich untergab und vor Gott sich beugte und Israels Schuld anerkannte und zugleich das gnädige Wort Gottes besiegelte, dass sein Reich nahe sei und zu uns komme. Eben damals empfing er das Zeugnis Gottes, das ihn als seinen Sohn offenbarte und Gottes Wohlgefallen über ihm kund machte, und der Geist kam und blieb auf ihm. Aber er tat noch größeres. Nicht bloß durchs Wasser ging er, sondern auch durchs Blut hindurch, als er sich zum Kreuze willig machte und sein Leben dargab und sein Blut vergoss, zur Versöhnung der Welt und zur Aufrichtung des neuen Bundes.
Der Durchgang durchs Wasser war der Anfang seiner Arbeit und Wirksamkeit, der Durchgang durchs Blut sein Ende. Johannes fasst beides zusammen, weil beides gleichartig ist und in derselben Weise seinen Beruf offenbart und sein Heilandswerk in Gang brachte. Was er mit der Taufe begann, hat er mit dem Kreuz vollendet. Schon in der Taufe hat er sich mit uns verbunden, als der, der unsere Sünde trägt, und sich vor Gott dahin stellt, wo wir stehen, und uns dadurch Vergebung bringt. Als er sich uns gleichstellte und sich erniedrigte zu uns, erhob ihn Gott zu sich; darum bringt uns seine Gemeinschaft mit uns Gottes Frieden, Tilgung unsrer Sünde und Einpflanzung ins Himmelreich. Diese Gemeinschaft und Gleichstellung mit uns, den Sündigen, vollendete er am Kreuz. Da trat er erst recht an unsere Stelle, an den Ort, der dem Sünder gebührt, trug Gottes Gericht, heiligte sein Gesetz, um der Gnade zu dienen, suchte und fand für uns Vergebung, Entlastung von aller Schuld und Versöhnung mit Gott. Darum wurde er durch sein Blut hindurch zu Gottes Thron erhöht und zum Herrn über alle gemacht, die in Gottes Liebe stehen und seines Reiches teilhaft sind. Weil sein Weg ihn selbst durch Wasser und Blut hindurchführte und dies die Mittel waren, durch die er Gottes Willen tat und der Gnade Gottes diente, hat er auch beides der Gemeinde hinterlassen, als seine Zeichen, die von ihm zeugen und seine Gnade ihr zutragen: das Wasser, welches ihr in der Taufe zur Vergebung ihrer Sünde dient und zur Hinzubringung zu Gott, und das Blut, an welchem sie durch den Kelch Christi, den er uns trinken heißt, Anteil hat, weil durch ihn die Kraft und Gnade seines Todes sich auf uns erstreckt und wir mit ihm verbunden sind.
Wasser und Blut sind für sich allein stumm. Wozu sie dienen, was sie wirken, muss uns erläutert sein. Darum fährt Johannes fort: und der Geist ist das, was Zeugnis gibt, weil der Geist die Wahrheit ist. Der Geist ist das kräftige Mittel, durch welches Christus uns innerlich erfasst, uns unterweist und verstehen lehrt, wozu er Wasser und Blut braucht und was er uns durch dieselben gibt. Er hat seiner Gemeinde nicht nur das Wasser und das Blut hinterlassen und als sein Testament geschenkt, sondern ihr auch den Geist verliehen, und der Geist erzeugt das Wort und bildet die Erkenntnis und stellt durch sein Zeugnis fest, was die Tat Jesu vor Gott ist und uns verschafft. Der Geist hat schon, als Jesus selbst ins Wasser trat, über ihm Gottes Wohlgefallen offenbart; durch den Geist hat Jesus mit seinen Jüngern von der erlösenden Kraft seines Todes geredet und ihnen die Augen dafür geöffnet, dass in seinem Kelch und Blut ihr Leben sei. Der Geist hat das kräftige Wort geschaffen, mit dem die Apostel den Segen des Kreuzes priesen. Der Geist lässt fort und fort in der Kirche des Wassers Zweck und Meinung in unsere Seele dringen und uns in demselben die Gabe Gottes erkennen, dass durch dieses Wasser unsere Sünde tot und unsere Schuld erledigt ist und wir Gott geheiligt sind. So ist es auch der Geist, der uns durch den Kelch Christi ihn selbst gegenwärtig macht, dass wir in seinem Tod nicht die Schwachheit, sondern die machtvolle Gnade Gottes sehen, und im Gekreuzigten den, der uns errettet hat und in uns lebt.
Darum bleiben Wasser und Blut in Jesu Gemeinde nichts Totes, Leeres, Äußerliches; sie kann ihre Wahrheit schmecken, ihre Kraft erleben, und hat darin ihren reichen Schatz, der uns zu Christo zieht. Das kann sie deswegen, weil der Geist als das, was Zeugnis gibt, dem Wasser und Blut sich beigesellt.
Der Geist ist der rechte Zeuge, glaubwürdig und überzeugungskräftig, weil der Geist die Wahrheit ist. Das sagt Johannes nicht nur deswegen, weil in Gottes Geist kein Irrtum eindringt und keine Verdunklung geschieht, sondern auch deswegen, weil, wenn er bei uns ist, die Wahrheit in uns ist. Er lässt sie in uns aufgehen und befähigt und reinigt uns zum hellen Gedanken, der Gottes Art und Werk erfasst. Nur durch den Geist wird die Wahrheit unser. Sind wir auf uns selbst beschränkt, macht uns nicht Gott wach, leitet nicht er den Lauf unsrer Gedanken, so bleiben sie im Dunkeln und verwickeln und verhärten sich darin. Darum ist der Geist als Christi Zeuge in die Welt gesandt, damit wir die Wahrheit empfangen.
Weil das Wasser und das Blut durch den Geist belebt und gedeutet sind, werden auch sie zu Zeugen Christi und richten ein kräftiges Wort an uns, durch welches wir vernehmen, was für uns vollbracht worden ist. Jesus hat sein Wort in beides eingefasst, in seine Taufe und in seinen Kelch, und dieses Wort wird durch den Geist für uns erweckt und fasslich gemacht, so dass es in uns zum Glauben wird. Darum sind die, welche Zeugnis geben, drei: der Geist und das Wasser und das Blut, und diese drei sind einträchtig. Wir sollen sie nicht von einander trennen. Jesus ist weder bloß der Geber des Geistes, durch welchen er uns jetzt gegenwärtig ist in Gottes Art, noch bloß der Geber des Wassers und Bluts, das er auf Erden in seiner irdischen Gestalt für uns bereitet hat, sondern er ist beides zugleich, als der eine und selbe, der auf Erden war und im Vater ist. Wir müssen deswegen, wenn wir den Glauben an ihn finden wollen, auf sein Werk auf Erden zurücksehen, woher das Wasser und Blut zu uns gekommen sind, und zugleich hinauf zum Thron des Vaters blicken, woher der Geist zu uns gekommen ist. Der Geist gibt uns ein inwendiges, verborgenes Zeugnis, Wasser und Blut ein auswendiges und sichtbares. Wir sollen keines verachten um des andern willen. Erst in ihrer Vereinigung stellen sie uns den ganzen Christus dar, und geben uns den festen Glaubensgrund. Wasser und Blut bezeugen, dass er zu uns kam; der Geist bezeugt, dass er beim Vater ist. Jene bezeugen sein Werk in der Zeit, dieser sein Leben in Ewigkeit; jene bezeugen, dass er unsere Versöhnung ist. dieser, dass er unsere Heiligung und Verklärung ist. Durch beides zusammen ist er unser Heiland und uns ganz geoffenbart.1)
Dies ist das Zeugnis Gottes, V. 9. Gott führte ihn durch Wasser und Blut hindurch und nach Gottes Auftrag gab er der Kirche beides als sein Testament und aus Gottes Hand empfing er für uns den Geist. Nun gestehen wir jedem menschlichen Zeugnis zu, dass wir es anzunehmen haben; das Zeugnis Gottes ist aber größer und vollends der Annahme wert und leidet keinen Widerspruch. Unsere Unwilligkeit im Glauben bringt uns mit uns selbst in Zwiespalt und das Fundament unsrer Existenz ins Wanken. Was soll aus uns werden, wenn wir kein Zeugnis annehmen, uns darauf verlassen, uns darnach einrichten und daraufhin handeln wollten? Wir sind fortwährend genötigt, auf den Bericht von Menschen uns zu stützen und ihnen Glauben zu erweisen. Wer jedermann als Lügner behandeln und sich über jedes Zeugnis der andern hinwegsetzen wollte, würde sich das Leben arm und zur Qual machen. Denn er würde die Gemeinschaft aufheben, in der wir allein gedeihen. Wir sind aber nicht nur auf das gewiesen, was uns Menschen bezeugen, sondern noch viel mehr auf das, was uns Gott bezeugt, und haben uns von ihm weisen zu lassen und das, was er uns vorhält, als wahr und gültig zu behandeln und mit fester Gewissheit darin zu ruhen.
Denn das ist das Zeugnis Gottes, dass er über seinen Sohn Zeugnis gab. Einmal im Weltlauf tritt Gott als Zeuge auf und redet deutlich und gibt Beweis und sichere Wegleitung. Das geschah bei Christi Sendung. Seinem Sohn hat er eine kräftige Beglaubigung gegeben, die sein Verhältnis zum Vater erkennbar macht. Auf ihn bezieht sich Gottes Wort, und wer es hier nicht annehmen will, der findet es nicht daneben noch an einem andern Ort, sondern hat Gottes ganzes Wort verneint.
Das gibt dem Glauben an Jesus seine dringliche Unerlässlichkeit. Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das Zeugnis in sich. Es ist ihm nicht mehr bloß ein Wort, das er von außen hört, sondern er hat es dadurch, dass er an ihn glaubt, bei sich aufgenommen und trägt es nun in sich. Wer es aber Jesus gegenüber nicht zum Glauben bringt, hat Gott in Verdacht gezogen und ihn zum Lügner gemacht, weil er Gottes Zeugnis verworfen hat. Darum liegt im Widerspruch gegen Jesus die Lossagung von Gott. Alles, was uns innerlich Gott unterwirft und ihn uns heilig macht, dass wir ihn nicht schelten und beschuldigen dürfen, all das nötigt uns auch, Jesus so aufzunehmen, wie er uns verkündigt ist, als Gottes Sohn.
Gottes Zeugnis besteht nicht nur in Worten, sondern in der Tat. Dies ist das Zeugnis, dass Gott uns ewiges Leben gab und dieses Leben ist in seinem Sohn. Gott beglaubigte Jesus dadurch, dass er ihn zum Geber des Lebens für uns macht. In ihm haben wir dasselbe, außer ihm haben wir es nicht. Er hat unser Leben an ihn gebunden. Das ist Gottes Zeugnis für Christus und sein Ruhm und das Zeichen seiner Sohnschaft, dass er und kein anderer uns ewiges Leben gibt.