Schlatter, Adolf - 2. Korintherbrief

Schlatter, Adolf - 2. Korintherbrief

Kap. 1

Er wird uns auch hinfort erlösen durch die Hilfe eurer Fürbitte.
2. Korinther 1,11

Bei manchem Schicksal fragen wir, wozu es zu uns komme. Diese Frage hat Paulus nie gequält; für sie hat er stets die Antwort bei der Hand gehabt. Warum kam er in eine Lage, in der er, wie er sagt, bereits auf das Leben verzichtete und meinte, er sei unrettbar dem Tod verfallen, worauf die Gefahr dennoch vorüberging? Solche Erlebnisse kommen nicht umsonst. Durch sie entsteht das, was Gottes Regierung uns geben will, Gebet, zuerst die Bitte, die die Hilfe sucht, dann der Dank, und dies so, dass beides nicht bloß die Sache des Einzelnen bleibt, sondern die Christenheit zum gemeinsamen Handeln vereint. Durch die Weise, wie Paulus die Gemeinde gesammelt hatte, war sie so mit ihm verbunden, dass seine Gefahr auch ihr Bitten und seine Rettung auch ihr Danken schuf, und in diesem gemeinsamen Gebet, das alle durch dieselbe Bitte und denselben Dank verbindet, erkennt Paulus ein so großes Gut, dass er um seinetwillen zu jeder Gefahr bereit gewesen ist. Das ist der Sinn jeder Erfahrung, sei sie Glück oder Leid, dass sie unseren Blick auf Gott richtet, und dies ist der Sinn der Gemeinschaft, in die wir miteinander gebracht sind, dass wir gemeinsam mit einträchtigem Verlangen unsere Herzen zu Gott erheben.
O Herr, ich habe viel zu bitten und noch mehr Grund zum Danken. Ich kann es nicht, wie ich möchte, tue es aber mit meiner geringen Kraft, nicht nur für das, was Du mir sendest, sondern auch für das, was Du uns allen gibst. Was sie hemmt und beschwert, bringe ich vor Dich, und für das, was Du ihnen als Segnung und Hilfe gibst, sei Dir Dank gesagt. Amen.

Kap. 2

Welchem ihr etwas vergebt, dem vergebe ich auch. Denn auch ich, so ich etwas vergebe jemandem, das vergebe ich um euretwillen an Christi Statt, auf dass wir nicht übervorteilt werden vom Satan; denn uns ist nicht unbewusst, was er im Sinn hat. 2. Korinther 2,10+11

Die Weise, wie man oft in der Christenheit vom Satan sprach, muss uns tief traurig machen. Man sprach von ihm, um kräftig zu hassen und wirksam zu schänden, und sah nicht, dass man eben dadurch den Willen des Satans tat. So weiß man nicht, weshalb Paulus den Satan gefürchtet hat. Wenn Satan nur seinen eigenen Feind fürchtet, dass er ihn in dem schädige, was ihm für sein Glück und Leben wertvoll ist. Dann kann er, wenn ihn ein Hass gepackt hat, den Satan auch als seinen Bundesgenossen anrufen, der ihm helfen soll, seine Feinde zu verderben. Paulus denkt, wenn er vom Satan spricht, daran, dass er Gottes Feind ist, der sich dem gnädigen Wirken Gottes widersetzt. Darum tut er das Gegenteil von dem, was Christus tut. Der Christus ist der Fürsprecher des Menschen, der Satan sein Verkläger. Der Christus ist der, der uns mit Gott versöhnt, der Satan der, der uns mit Gott entzweit. Der Christus empfängt seine Sendung von Gottes Gnade und handelt an uns in ihrem Dienst; der Satan ruft gegen uns das strafende Recht Gottes an und macht sich zum Werkzeug seines Zorns. Darum ist nicht die Natur, sondern die Christenheit der Ort, an dem sich die Wirkungen des Satans zeigen, weil Gott seine Gnade an der Christenheit offenbart. Darum sprach Paulus mit den Korinthern dann vom „Gott dieser Welt, der die Gedanken blind mache“, wenn das Evangelium für die, die sich zu Christus bekannten, ohne Wirkung blieb und ihnen die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu nicht sichtbar machte, weil sie von ihrer eigenen Größe voll waren, und mit den Römern sprach er dann vom Satan, den Gott zertreten werde, wenn Evangelisten mit lockenden Worten den Gegensatz zwischen der Gerechtigkeit und der Sünde verwischten und die Gemeinde lehrten, im Namen der Gnade zu sündigen.
Die Lage einer Gemeinde war dann besonders gefährlich, wenn in ihrer Mitte Versündigung geschehen war, so dass sie strafen musste. Bösem durfte sie nicht freien Raum gewähren; Strafe war unentbehrlich. Heilsam strafen kann aber nur der, der vergeben kann. Nun gilt es, dass sie dem Einfluss des Satans kräftig widerstehe, und Paulus zeigt ihr, wie sie das kann, nicht durch Zauberformeln, noch weniger durch Gewalttaten, die unter dem Schein des Rechts geschehen, sondern dadurch, dass sie vergibt. Bleibt sie unversöhnlich, kann sie nicht verzeihen, so tut sie, was der Verkläger tut, dessen Macht darauf beruht, dass er die Schuld der Menschen vor Gott geltend macht. Wenn sie dagegen vergibt, so tut sie, was der Christus tut, bleibt in seinem Willen und ist das Werkzeug seiner Gnade, die den Menschen nicht verdirbt, sondern das Böse mit dem Guten besiegt. Es gibt für die Christenheit nur einen Schutz dagegen, dass sie sich am Streben und Wirken des Satans beteilige, den, dass sie den gnädigen Willen Jesu tut.
Es gibt, Herr Gott, vielerlei Mächte, die um uns werben, vielerlei Einflüsse, die uns berühren. Auch das, was Dein Werk unter uns bestreitet und verdirbt, ist uns nah. Bewahre mich und Deine ganze Schar, dass sie niemand anbete als Dich allein und keinen Willen tue als den Deiner Gnade. Amen.

Kap. 3

Der Buchstabe tötet; aber der Geist macht lebendig.
2. Korinther 3,6

In Schrift verfasst liegt das göttliche Wort vor mir, so dass es durch Buchstaben zu mir spricht. Dadurch ist es zu unserem ernsten Anliegen gemacht, dass wir das göttliche Wort der Wahrheit gemäß schätzen. Paulus hilft uns zur rechten Verehrung und gläubigen Aneignung der Schrift dadurch, dass er uns zeigt, warum die Schrift nicht Gottes einzige und letzte Gabe für uns ist, noch nicht die, die uns hilft. Die Gabe Gottes, mit der uns geholfen ist, ist der Geist; denn dieser schafft das Leben, während die Schrift, wenn ich nichts als sie habe, tötend wirkt. Das tut sie deshalb, weil sie Gesetz ist und Gottes Gesetz keinen Widerspruch erträgt, sondern dem, der ihm widerspricht, das Leben nimmt. Die Schrift verkündet mir, dass Gott gut ist und das Gute will und das Böse nicht will und von mir verlangt, dass auch ich das wolle, was gut ist vor Gott. Allein damit, dass ich das lese und mir vorhalte und einübe, ist es noch nicht zu meinem eigenen Willen geworden. Damit ist die inwendige Entzweiung noch in mir vorhanden, durch die das, was ich soll, von dem, was ich bin, geschieden bleibt und aus der Frömmigkeit die Hülle wird, die meinen wirklichen Zustand versteckt. Darum spricht Gott nicht nur durch Worte zu uns, die durch die Schrift vor unsere Augen und in unser Gedächtnis kommen, sondern wirkt im Bereich unseres inwendigen Lebens durch seinen Geist. Nun fordert sein Wort nicht nur den Glauben, sondern schafft ihn in mir und verlangt von mir nicht nur die Liebe, sondern verleiht sie mir. Jetzt ist die uns drohende Gefahr überwunden und das Leben erschienen. Indem Gott durch seinen Geist zu uns spricht, wird die Schrift für uns zu seinem heilsamen Wort.
Ich höre Deines süßen Wortes Schall, Deines heiligen Willens Bezeugung. Nun sprich zu mir durch Deine gebende Gnade, die das Wollen und das Vollbringen verleiht, damit Dein Wort mich nicht verklage, sondern die seligmachende Gotteskraft sei. Amen.

Bis auf den heutigen Tag bleibt dieselbe Decke unaufgedeckt über dem Alten Testament, wenn sie es lesen, welche in Christo aufhört; aber bis auf den heutigen Tag, wenn Mose gelesen wird, hängt die Decke vor ihren Herzen. 2. Korinther 3,14+15

Paulus versuchte, von der Schrift aus den Weg zur Judenschaft zu finden; aber es gelang ihm nicht. Auch wenn die heilige Rolle aus ihrer Hülle herausgeholt war und vorgelesen wurde, blieb, sagt er, die Decke über ihr liegen, und dort lag sie, weil auf dem Herzen des Lesers eine Decke lag. Der Jude sieht nicht, was die Schrift ihm zeigt, und hört nicht, was sie ihm sagt. Sie richtet die Bosheit; der Jude behält sie. Sie sagt, dass der Sold der Sünde der Tod sei; der Jude hofft dennoch auf ewiges Leben. Sie bezeugt Gottes Gerechtigkeit, die er in seiner Gnade an den Glaubenden offenbart; der Jude denkt nur an seine eigene Gerechtigkeit, die er sich mit seinen Werken erwirbt. Wie geht es zu, dass eine Decke über unsere Herzen kommt, so dass wir eine verhüllte Bibel haben? Unsere eigenen Meinungen und eigenen Wünsche sind uns so lieb, dass wir sie nicht hergeben mögen; dagegen sich zu schützen, ist keiner stark genug, solange er nichts anderes sieht als sich selbst und nichts Größeres begehrt als sein eigenes Glück. Dann gehorcht er unbedingt seiner eigenen Empfindung und Meinung und verlangt, dass sich seine Absichten erfüllen müssen. In diesem Zustand kann niemand sehen und hören. So ist er in sich selbst versunken. Das ändert sich aber, wenn Gott uns vor seine Wirklichkeit und Herrlichkeit stellt, und dies ist der Dienst, den Jesus uns tut. Jetzt bin ich von mir selber weggedreht, von meinen Meinungen und Wünschen befreit. Nun kann ich hören, was die Schrift mir sagt, und sehen, was sie mir zeigt, und ihr Wort wird mir zum Eigentum und zum Stützpunkt meines Lebens.
Heiliger Gott, Du bist unser Freund; wir aber sind uns selber feind. Du schaffst das sehende Auge und wir machen es blind. Du schaffst das hörende Ohr und wir machen es taub. Ich bitte Dich, nimm jede Decke von mir weg und sei mein Licht. Amen.

Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
2. Korinther 3,17

Indem Paulus den Herrn den Geist nennt, sagt er uns, wie Jesus sich an uns offenbart und für uns und in uns wirksam wird, so nämlich, dass er immer und vollständig mit dem Geiste Gottes eins ist. Wo er gegenwärtig ist, ist der Geist gegenwärtig; wo er fehlt, fehlt der Geist. Was er nicht wirkt, geschieht nicht durch den Geist; was aber von ihm stammt, das wird uns durch den Geist gegeben. Deshalb ist er der Herr, weil er durch den Geist wirksam wird. Wie sollten wir ihm gehorsam werden und wie mit ihm und miteinander zu seiner Gemeinde verbunden werden, wenn er sich uns nicht durch den Geist inwendig gegenwärtig machte? Und wie können wir den Geist empfangen, wenn wir nicht durch Sein Versöhnen und Regieren zu Gott gebracht wären? Damit ist uns die Freiheit beschert. Geist ist nicht Zwang, nicht Versetzung in Ohnmacht und Armut. Geist ist die höchste Gabe der göttlichen Gnade, weil ich nun mit eigener Erkenntnis und eigener Liebe für Gott leben darf. Nun springen alle Fesseln, Schuld und Tod, die Knechtung an die Menschen, auch die Untertänigkeit unter dem Zwang unseres Leibes. Jetzt ist unser Wort nicht ein leerer Schall, weil ihm der Geist die Kraft einpflanzt, die Glauben schafft, und unsere Arbeit nicht eine vergebliche Bemühung, weil uns der Geist zu Trägern der guten Gaben Gottes für die anderen macht. Jetzt ist unser Gebet nicht bloß ein mühsamer, immer missratender Versuch, sondern der gläubige Ruf zum Vater, und unsere Gemeinschaft nicht nur Schein und Last, sondern der Zusammenklang unserer Seelen zu einem Verlangen, zu einem Dank, zu einer Anbetung.
Ich bete Deine große Gnade an, die uns zur Freiheit führt, uns, die die Natur mit ihrem Zwang umfasst und die Welt mit ihrem Druck bindet und die Schuld als ihre Gefangenen fesselt. Aber jede Kerkertüre öffnest Du, Herr, der Du uns inwendig mit deiner segnenden Hand berührst und deine lebendig machende Gnade in unsere Herzen legst. Weil Du uns in die Freiheit führst, ist Dein Name Heiland in Ewigkeit. Amen.

Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht und wir werden verklärt in dasselbe Bild.
2. Korinther 3,18

Wenn uns die Gabe und Wirkung Jesu erfasst, so verschwindet die Decke vor unserem Gesicht. Jetzt sieht unser Auge und hört unser Ohr, und deshalb wenden wir unser Gesicht ihm zu und seine Herrlichkeit bestrahlt uns wie einen Spiegel, in dem er sein Bild erzeugt. Was entsteht in uns als Jesu Bild? Nicht seine Gottheit, nicht die Gottessohnschaft des Eingeborenen, nicht seine Wundermacht, seine Allgegenwart, sein königliches Herrscherrecht. Dem Wirken Jesu, durch das er sich uns zeigt, wenden wir unser aufgedecktes Antlitz zu. In der Weise, wie er zu uns spricht und an uns handelt, berühren uns die Strahlen seiner Herrlichkeit, gleichen uns ihm an und machen uns zu seinem Bild. Aus seiner Gottessohnschaft wird meine Gotteskindschaft. An seiner Gewissheit Gottes lerne ich glauben, an seinem Gebet beten, an seinem Gehorsam gehorchen. Sein Gericht, mit dem er meine Sünde straft, gibt mir das Vermögen, mich in tapferer Busse zu richten, und sein Vergeben verleiht mir, dass ich im Frieden Gottes stehe und alles Hadern mit ihm stille. An seiner Barmherzigkeit gewinne ich den barmherzigen Blick im Verkehr mit allen, und aus seinem Dienen entsteht mein Dienen. Das ist Herrlichkeit; denn das ist Gottes Art und macht Gottes Größe und Gnadenmacht offenbar. Wie könnte ich anders begehren, wo Größeres finden? Ich will mich hüten, das Finsternis und Schwachheit zu heißen, was Klarheit und Herrlichkeit ist.
Die große Gabe Deiner Gnade gibt mir das Recht, mein Gesicht zu Dir zu erheben. Weil der Strahl Deiner allmächtigen Liebe mein Gesicht berührt, fällt die Decke von ihm ab. Ich weiß nichts, was herrlicher ist als Du, weiß nichts, was mein leben mit Kraft und Segen füllen könnte als die Ähnlichkeit mit Dir. Glanz Gottes, senden Deine Strahlen zu mir. Amen.

Kap. 5

Wir wissen, wenn unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, dass wir einen Bau haben von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel.
2. Korinther 5,1

Der Tod ist verschlungen in den Sieg, sagte Paulus. Wer an ihn glaubt, stirbt nicht, sagte Johannes. Für die Glaubenden der ersten Zeit besaßen solche Worte einen streng buchstäblichen Sinn. Gottes Tag, sagten sie, ist nahe und führt uns in das ewige Leben hinüber. Aber bei der wilden Heftigkeit, mit der der Jude und der Grieche Paulus bekämpfte, bekam die Erwägung für ihn ernsteste Notwendigkeit, wie es mit ihm stehe, falls er sterbe. Er sah, wenn der Tod in seine Nähe kam, auf Jesus. Mit ihm ist er verbunden und diese Verbindung erfährt keine Unterbrechung und kommt nie ins Schwanken. Er wird immer bei Christus sein. Jetzt ist er in ihm, umfasst, getragen und regiert von ihm, und dann, wenn sein Zelt abgebrochen wird, wird er da sein, wo Christus ist. Wo ist denn er? Das weiß Paulus. Er weiß, wo der ist, der in der Sendung Gottes herrscht. Er ist in den Himmeln, da, wo es ewige Wohnungen gibt, wo die himmlische Gottesstadt steht und sich der himmlische Zion befindet, der königliche Sitz dessen, der im Namen Gottes regiert. Gelangt er dorthin, so ist das für ihn ein Gewinn von wunderbarer Größe. Jetzt wohnt er in einem Zelt; es ist abbrechbar; denn es ist ihm von der Natur bereitet. Dann erhält er ein Haus, ein ewiges, das Gott bereitet hat. Gibt es wirklich für Paulus einen Raum in der Gottesstadt? Ich bin des Christus, antwortet er. Das genügt. Darum verweilt seine Hoffnung nicht im Himmel, sondern fährt noch höher hinauf. Die Gottesstadt kommt zur Erde hernieder und wird der Menschheit sichtbar und für sie offen. Christus kommt zur Menschheit und bringt ihr Gottes Reich in sichtbarer Macht. Die dann um Jesus gesammelte Gemeinde ist die der Auferstandenen. In ihr werden aber die, die jetzt sterben und in den Himmeln ihr Haus erhalten, nicht fehlen. Darum sind sie Auferstehende. Soll ich Paulus fragen: Warum bist du mit dem Himmel noch nicht zufrieden? Fürchtest du, das sei noch ein unvollendeter Zustand, eine Art von Zwischenzustand, der noch die Sehnsucht nach dem vollendeten Leben in sich habe? Das würde die Meinung des Paulus entstellen. Er sah in dem, was ihm Christus gab, immer die vollkommene Gnade, die ihn völlig dankbar macht. Aber seine Hoffnung sah nie nur auf sein eigenes Ziel, als begehrte er nur für sich das verklärte Leben, sondern sie sah auf Gottes Ziel und darum auf das, was Christus schaffen wird. Das gab seiner Hoffnung die Füllung, dass er mit Christus in seinem ganzen Gang und Werk verbunden sein wird. Jetzt hängt er am Gekreuzigten als der, der in seinen Tod mit eingeschlossen ist. Dann wird er beim himmlischen Christus sein, solange er von oben seine Gemeinde regiert, und dann wird er auch in seiner neuen Offenbarung bei ihm sein.
Was ich jetzt sehe und denke, Herr Christus, das reicht nicht aus, um Deine letzten und großen Werke zu beschreiben. Ich kenne jetzt nur mein Zelt, in dem ich hause, das bewegliche und leicht zerstörte. Aber Dein Name gibt mir die Hoffnung, die kein Ende kennt. Denn Dein Name verkündet mir Gottes ganze Hilfe und unbegrenzte Gnade. Erhalte mich in Dir; dann bleibe ich im Leben. Amen.

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur.
2. Korinther 5,17

Eine schöpferische Tat Gottes ist an mir geschehen; das steht in heller Deutlichkeit vor meinem Blick. Habe ich selbst die Erinnerung an Gott in mir erweckt? Habe ich selbst mir meine Bibel aufgeschlossen, so dass sie mir Gottes Willen zeigt? Habe ich selbst aus dem Kreuz Jesu das Licht hervorgelockt, dass es vor mir als das Herrlichste strahlt, was ich sehen kann, im Glanz des vollkommenen Gehorsams, der Gott als Gott ehrt, und in der Herrlichkeit des vollkommenen Versöhnens, das uns Menschen in den Frieden Gottes emporhebt? Habe ich selbst je etwas anderes in mir erweckt als den eigensüchtigen Willen, der an meinen eigenen Vorteil gebunden ist? Was ich habe, ist Schöpfung, nicht eigener Erwerb, Empfangenes, nicht Gemachtes. Wieso ist es aber eine neue Schöpfung, mehr als Natur, mehr als Fortsetzung dessen, was die Natur mir gab, und wesentlich verschieden von dem, was auf dem Boden wächst, den die erste Schöpfung für uns hergestellt hat? Auch die Natur zeugt von Gott, stiftet zwischen uns Gemeinschaft und gibt uns den Antrieb zur Liebe. Aber die Natur hat nicht die Vollmacht zu vergeben, sondern führt alles, was geschieht, zu seinem Ende mit vergeltender Gerechtigkeit, und die Natur schafft kein unvergängliches Leben, sondern ist unter das Gesetz des Todes gestellt, und die Natur bringt mir kein Wort Gottes; sie bleibt stumm und ist nicht imstande, mir zu sagen, wie es in Wahrheit mit meinem Verhältnis zu Gott steht. Nun habe ich aber ein Wort Gottes gehört, das zu mir spricht und mir Gott zeigt als meinen Gott, und dieses Wort tilgt alle Schuld und verheißt das ewige Leben. Das ist neue Schöpfung über die ganze Natur hinaus.
Bin ich Dein Geschöpf, so ist es mein Beruf, Dein eigen zu sein mit dem ganzen Herzen, mit fröhlichem Glauben, mit redlicher Liebe. Darum bitte ich Dich; denn so schaffst und vollendest Du in mir Deine neue Kreatur. Amen.

Wir bitten an Christi Statt: lasst euch versöhnen mit Gott.
2. Korinther 5,20

Wie sollte ich die Aufforderung: sei mir Gott versöhnt, nicht hören? Hat es denn Verstand, mit Gott zu streiten? Will ich stärker sein als Er, will ich Ihn besiegen? Versöhnt mit Gott, das ist nicht nur das Ende unseres Elends, das ist der Aufstieg in die Kraft und Herrlichkeit. In Gottes Frieden leben als Gottes Freund, du kannst, Herz, nichts Größeres verlangen. Aber es klingt so unglaublich, so übermenschlich, dass wir versöhnt sein könnten mit Gott, und daran erkennen wir, wie nötig uns die Versöhnung mit Gott ist, dass wir wirklich gegen ihn sind, in der Tat ihn fliehen, fürchten und mit Ihm hadern. Wir verspüren alle in uns die Lust, uns für die große und laute Schar anwerben zu lassen, die ruft: Gott ist tot, der Gott der Patriarchen und Propheten, der Gott und Vater Jesu, der Gott der Christenheit; einst glaubten sie an ihn und meinten, sie hätten Sein Wort gehört und Seine Werke geschaut; doch nun ist dies alles in die Vergangenheit hinabgesunken. Vor diese Schar tritt Paulus und sagt ihr: ihr streitet gegen Gott und wünscht, er sei verschwunden: lasst euch versöhnen mit Ihm. Dazu zeigt er uns Jesus am Kreuz; dort, sagt er, hat Gott dich mit Sich versöhnt. In den Frieden mit Gott kann ich aber nur gelangen, wenn mein boshafter Wille stirbt. Sich mit Ihm versöhnen heißt, der Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit entrinnen; denn mit dieser versöhnt sich Gott nicht. Kann ich lassen, was vor Gott verwerflich ist? Sieh Jesus an, sagt mir Paulus,, wie Er sein Kreuz trögt. Er ist der Sünde wegen gestorben, damit deine Sünde tot sei, weil er lebt und dich im Glauben unter seine Macht und Wirkung stellt. Bekehren kann ich mich nicht, wenn mir nicht Vergebung gewährt ist. Steht meine Schuld vor Gott mit ihrer mich verklagender Macht, was hilft mir dann all mein frommes Bemühen? Sieh Jesus an, sagt Paulus, an seinem Kreuz; dort siehst du den, der vergibt. Denn dazu hat er das Kreuz getragen, damit er dir vergeben kann. Ich kann aber nur dann im Frieden mit Gott leben, wenn ich mich in seine Regierung ergebe und willig leide, was mich beengt und plagt. Wie soll ich leiden und sterben, ohne dass daraus ein Aufruhr gegen den entsteht, der mich ins Leiden stellt? Sieh Jesus an, sagt mir Paulus, wie Er gelitten hat. Er litt und pries den Vater und machte aus der Gottverlassenheit die Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit. Bist du nun versöhnt mit Gott?
Der Tatbeweis dafür, dass Gott uns verzeiht, bist Du, Herr Jesus Christ. Unsere Sünde und Schande, unser Leiden und Sterben nahmst Du auf in Dein Werk und hast es in Segen verwandelt. So hast Du an das Licht gebracht, was mit uns geschieht, weil Gott uns vergibt. So vergib mir alles, was sich in mir gegen Dich sträubt und den Unfrieden meiner Seele offenbart, damit ich es erfasse und bewahre, dass ich versöhnt bin mit Dir. Amen.

Er hat den, der die Sünde nicht kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir würden in ihm Gottes Gerechtigkeit.
2. Korinther 5,21

Neben dem, der die Sünde nicht kannte, stehen wir, die wir sie kennen. Kennen wir sie wirklich? Steht es nicht so: ich kenne sie nicht; aber er kennt sie? Man kennt die Sünde erst, wenn man von ihr frei geworden ist. Die Maße des Drachens kann niemand messen als der, der ihn überwunden und erschlagen hat. Deshalb, weil er die Sünde an sich selbst nicht kannte, konnte er sie an uns; darum richtete er sie und darum ward sie an ihm gerichtet. Weil wir dagegen die Sünde tun und sie deshalb nicht kennen, wurde er für uns zur Sünde gemacht; denn sehen müssen wir sie in ihrer Verwerflichkeit und todbringende Macht. Es ist mir nicht zu helfen, solange ich sie verberge, schönfärbe, erkläre, entschuldige und rechtfertige. Wie soll sie aber ans Licht kommen. ohne dass sie mich in Schande, Fluch und Zorn versenkt? Wird der zur Sünde gemacht, der sie kennt und sie in sich selber hat, so dass er an sich selber sehen muss, was sie ist und wirkt, so ist das sein Untergang. Dass der zur Sünde gemacht wird, der sie kennt, das ist die Tat des göttlichen Zorns. Nun wird sie aber ans Licht gestellt an dem, der sie nicht kannte, und dadurch wird die Enthüllung der Sünde zur göttlichen Gnadentat. Dass er zur Sünde gemacht wird, bringt weder ihm noch uns das Verderben. Er tut eben jetzt Gottes herrlichen, gnädigen Willen im vollkommenen Gehorsam; darum ist für ihn das Erhöhtwerden an das Kreuz die Erhebung, die ihn hinauf zum Vater führt. Für uns aber tritt deshalb, weil er zur Sünde gemacht ist, Gottes Gerechtigkeit in Kraft, die aus uns etwas anderes als Sünder macht, nämlich Glaubende. Weil wir die Sünde kennen, kennen wir die Gerechtigkeit nicht. Weil Jesus dagegen die Sünde nicht kannte, kannte und wirkte er Gottes Gerechtigkeit, in der die Wahrheit und die Erbarmung zur herrlichen Einheit verbunden sind. Durch Ihn wird unser Sündigen vom Licht der Wahrheit bestrahlt und aus allen dunklen Verstecken und täuschenden Hüllen herausgeholt. Jesus nimmt aber, indem er selbst für uns zur Sünde gemacht ist, dem Licht der Wahrheit die rächende Macht, an der wir verderben, und gibt ihm den Glanz der Barmherzigkeit. Daher sehen wir an Ihm Gottes Gerechtigkeit, die nicht die Sünde der Welt, wohl aber die Welt lieb hat und ihr deshalb das Lamm Gottes gibt, das ihre Sünde von ihr nimmt.
Zu Dir, heiliger Gott, könnte ich nicht aufsehen, wäre nicht Dein Vergeben meine Stütze, und ich könnte nicht in mein Leben hineinsehen, wäre nicht Dein Vergeben das, was mich hält. Ich weiß, wo Du es mir und Deiner ganzen Schar gewährt hast; das geschah im Sterben Deines Sohnes, unseres Herrn. Dort zeigst Du uns, was Sünde ist, und nun weiß ich, dass sie vergeben ist, und dort zeigst Du mir, was Deine Gerechtigkeit ist, und nun weiß ich, dass ich ihr glauben soll. Amen.

Kap. 7

Ihr seid in unseren Herzen, mit zu sterben und mit zu leben.
2. Korinther 7,3

Was ist Liebe? So muss ich immer wieder fragen. Weil die Liebe göttlich ist, ist sie selten und uns fremd. Auch dann, wenn wir sie haben, vermengen wir sie leicht mit dem, was uns natürlich ist, und dadurch wird sie entstellt. Paulus beschrieb den Korinthern seine Liebe zu ihnen dadurch, dass er sagte, sie seien in seinem Herzen. Von Natur ist nichts in meinem Herzen als ich selbst. In meinem Ich hat alles, was in mir vor sich geht, seine Wurzel und sein Ziel. Das natürliche Verlangen ruft: ich möchte, ich bedarf, mir bringt dies Lust und mir tut jenes weh, und das wird noch nicht anders, wenn ich meine Augen fleißig öffne und in ein reiches Bild der Welt ansammle. So kann ich ein Menschenkenner werden, der eifrigen Verkehr mit vielen pflegt und tiefe Einblicke in ihr Inneres gewinnt, auch intime Berührungen mit dem, was in ihnen heilig ist. Dennoch bleibt auch jetzt noch mein Herz zugeschlossen und der andere steht nicht in mir, nur vor mir, und bleibt für mich nur ein Gegenstand, den ich beobachte, vielleicht auch anhaltend und eifrig studiere. In meinem Herzen wohnt dagegen niemand als ich selbst. Aus der Umschau in der Welt kann Arbeit werden, die mich für andere in Bewegung bringt, nicht nur in emsige, sondern auch in wohltuende und heilsame. Allein auch so ist meine innere Einsamkeit noch nicht durchbrochen. Auch wenn ich für andere arbeite und mich in ihren Dienst stelle, sind sie noch nicht in mir und nicht ein Teil meines Lebens und all mein Arbeiten behält schließlich doch sein Ziel in mir. Immer noch habe ich in meinem Herzen nur für mich selbst Raum. Wie kann mein enges, nur mit sich selbst gefülltes Herz so weit werden, dass es auch andere in sich hineinlassen kann? Das geschieht dann, wenn Gott in ihm Platz bekommen hat, dann, wenn in ihm ein Heiligtum entstanden ist, in dem ich nicht mein eigenes Bild aufstelle, weil über ihm Gottes Name steht. Jetzt ist die Türe geschlossen, durch die auch andere in mich hineintreten können, so dass ihr Wohl ein Teil meines Wohls, ihr Leid ein Teil meines Leids, ihr Sündigen meine Schuld, ihr Leben mein Leben wird. Zum Leben und zum Sterben nahm Paulus die Korinther in sein Herz hinein; denn die Liebe nimmt, sowie sie uns geschenkt ist, alles unter ihre Leitung. Sie gibt uns nichts Zerstücktes, sondern eint uns miteinander ganz. Soll ich sie deshalb fürchten? Belädt sie mich vielleicht mit einer schweren Last? Freilich bringt jeder, der in mein Herz hineintritt, auch seine Last mit sich und wir müssen zusammen dem Wort des Paulus gehorchen: einer trage des anderen Last. Weil aber unsere Gemeinschaft dadurch zustande kommt, dass Gott in unserem Herzen den ihm geheiligten Raum erhält, so ist uns mit der Liebe zugleich der Glaube gegeben. Weil die Liebe glaubt, und zwar alles glaubt, fürchtet sie sich nicht, sondern treibt die Furcht aus uns aus und wird dadurch, dass sie die Last des anderen trägt, gestärkt.
Nun bitte ich Dich, Herr, Gott, um Dein großes Geschenk, mit dem Du uns erfahren lässest, dass Du die Liebe bist. Werde mir so wirklich, so gegenwärtig, so gnädig, dass die Mauer fällt, die mich selbst einsperrt. Machst Du mich für Dein Wort und Deinen Geist offen, dann ziehen auch die in mich ein, die Du zu mir führst, und wir werden durch das heilige Band der von Dir gewirkten Liebe eins. Amen.

Kap. 11

So ich mich rühmen soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen.
2. Korinther 11,30

Wie findet mich das neue Jahr? Bin ich stark? Ich kenne meine Schwachheit und sehe wohl, was mich von innen und von außen hemmt. Paulus hat sich seiner Schwachheit gerühmt. Er vollbringt aber in seiner Schwachheit sein apostolisches Amt, den Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit, und er empfängt durch seine Schwachheit deshalb Ruhm, weil sie ihm selbst und allen sichtbar macht, dass er seinen Dienst von Gott hat, nicht nach seinem eigenen Willen und nicht gestützt auf seine eigene Kraft, und dass er sein Amt nicht für sich selbst verwaltet, sich selber zur Befriedigung und Verherrlichung. Darum zog er seine Schwachheit allem vor, was ihm Ruhm bereiten konnte, weil er auf diese Weise allen wahrnehmbar macht, dass seine Kraft nicht die seine ist, sondern die Gottes und sein Erfolg nicht durch ihn entsteht, sondern Gottes Gabe ist. Wenn aber Paulus im Bewusstsein seiner Schwachheit die Waffe erhielt, die ihn gegen alle Selbstgefälligkit schützte, brauchen nicht wir alle diesen Schutz in verstärktem Mass? Hemmungen von innen und von außen wird mir die kommende Zeit reichlich bringen. Sie bringt sie mir, damit mein Blick nicht bei meiner Größe, meiner Begabung und meinem Fleiß verweile und der Blick der anderen nicht an meinem Vermögen hafte. So würde aus dem neuen Jahr kein Jahr des Heils, kein aufwärts führender Gang. Der Blick muss aufwärts steigen zu dem, zu dem wir beten: „Dein ist die Kraft und die Herrlichkeit.“
Auch in dem, was mich schwächt, zeigt sich, Vater, Deine gnädige Hand. Es ist Dein Wille, dass ich auf Dich schaue und mich an Dich halte. Dazu dient mir, was Du mir gibst und was Du mir versagst, was ich durch Deine Güte habe und was mir fehlt. So darf ich Dir für alles danken, was die kommende Zeit mir bringen wird. Dein Name sei gelobt. Amen.

In Damaskus der Landpfleger des Königs Aretas verwahrte die Stadt der Damasker und wollte mich greifen und ich ward in einem Korbe zum Fenster aus durch die Mauer niedergelassen und entrann aus seinen Händen.
2. Korinther 11,32+33

Nach menschlichem Ermessen war es mit Paulus aus, als die Tore von Damaskus bewacht wurden, damit er ja nicht entwische, und der mächtige Araber seine Mannschaft aufbot, damit es diesmal ganz sicher gelinge, Paulus zu töten. Dennoch entkam er. Freilich verließ er sein erstes Arbeitsfeld, auf das er gleich nach seiner Bekehrung mit der Schwungkraft der ersten Liebe getreten war, nicht öffentlich am hellen Tag wie ein Sieger, begleitet mit einer großen, ihm dankenden Schar, sondern in größter Heimlichkeit vom Dunkel der Nacht geschützt in einem Korb über die Hauer hinab. Dennoch verließ er die Stadt ungebrochen, ganz eins mit der Führung seines Herrn, ohne Murren, und fähig, sich daran zu freuen, dass seine Arbeit in Damaskus in dieser Weise ihr Ende gefunden hatte. Unvergänglich bewahrte er diese Erinnerung in seiner Seele und hatte an ihr den Grund zu einem nie verklingenden Ruhm. Suchen wir Menschen nicht immer den Erfolg? Reden wir nicht von schweren Schicksalen und dunklen Führungen, wenn sich unüberwindliche Hindernisse vor uns auftürmen? Stell dich, Herz, in Gottes Licht. Dann siehst du seine gnädige Hand auch da, wo du bereit bist, von Zusammenbruch, Niederlagen und Ruinen zu reden. Dadurch wird dir Gott sichtbar, dass er auch dann Mittel und Wege hat, wenn die Tore verschlossen sind, und sein Werk vorwärts führt, auch wenn ein starker Araber gegen ihn seine Fäuste ballt.
Vieles, was unseren Stolz stärkte, fiel, Herr, in Trümmer und deine Schar musste schon manche Hoffnungen begraben. Um eines bitte ich Dich; bewahre mich davor, dass ich murre. Deine Gnade ist jeden Morgen neu. An Deiner Hand führt mich mein Weg zum Ziel, nicht zu meinem Ziel, das mir am Herzen liegt, aber zu Deinem, an dem sich Deine Gnade offenbart. Amen.

Kap. 12

Er hat zu mir gesagt: „Lass dir an meiner Gnade genügen.“
2. Korinther 12,9

„Ich bin dir gnädig“, sagte Jesus zu Paulus, als er durch die peinvollen Qualen erschüttert zu Jesus betete, „und dass ich dir gnädig bin, das ist für dich genug.“ Die Welt ist gegen ihn, die Judenschaft hasst ihn auf den Tod, der Satan sendet seinen Engel, der ihn quält, Paulus ist in sich selbst ohnmächtig und zerbrochen. Eines hat er, nur eines: Jesus ist ihm hold und schenkt ihm seine Gnade, und nun sagt er ihm: „Mehr brauchst du nicht.“ Du brauchst nicht Befreiung von deiner Qual, brauchst nicht einen hell strahlenden Himmel in deiner Seele, brauchst nicht die Bestätigung deines Apostelamts in siegreicher Macht und die Unterstützung durch die Zustimmung und Mitarbeit der Menschen. Was du brauchst, ist einzig das, dass du meine Gnade hast, und diese hast du. Nun, Petrus, sei still, klage nicht mehr, bitte nicht mehr um Befreiung von dem, was dich quält, glaube nur. So wurde Paulus zum Zeugen für die Heilandsmacht Jesu, die sich dadurch in ihrer Herrlichkeit offenbart, dass er alles in seine Gnade, somit alles in unseren Glauben stellt. Weil mit ihm uns alles gegeben ist, dürfen wir glauben, und ist Glauben Gerechtsein und das Leben haben. Das ist schon der Glaube, und allein der Glaube und der Glaube ist es ganz. Das ist die Offenbarung der allmächtigen, vollkommenen Gnade.
O Herr, du ziehst Deine Hand nicht von mir ab, auch wenn ich es nicht zum Glauben bringe, weil mich das bestürmt, was sichtbar ist. Ich sehe den Lauf der Welt und nehme meine Ohnmacht wahr; aber Dein Wort ist bei mir, das mir von Deiner Gnade spricht. Dadurch zeigst du, herrlicher Heiland, uns Deine Herrlichkeit, dass Du uns in den Glauben stellst. Amen.

Ich bin nicht weniger, als die hohen Apostel sind, obwohl ich nichts bin.
2. Korinther 12,11

Mit einer strahlenden, unerschütterlichen Gewissheit war Paulus davon überzeugt, dass er nichts sei. Diese Gewissheit entstand in ihm nicht deshalb, weil es andere gab, die über ihm standen, etwa höhere Apostel, die mehr vermochten als er. Es gab keinen in der Christenheit, nebst den er sich nicht stellen durfte. Dennoch bleibt es völlig wahr und seine selige Erkenntnis: „Ich bin nichts.“ Warum ist er nichts? Weil er nichts hat, was ihm nicht gegeben ist, weil er nichts erkennt, als was ihm Gott zeigt, weil er nichts kann, als was Gott durch ihn tut. Vor dem Glanz Gottes löscht mein Lichtlein aus und in seiner Gemeinschaft mit mir ist er alles und ich nichts. Nun ist mir geholfen; das gibt die Gewissheit. Gibt die Sicherheit, gibt die Kraft und den nie ermüdenden Mut. Warum sollte ich mich fürchten? Wer nichts hat, kann nichts verlieren. Und womit sollte ich mich rühmen? Wer nichts ist, streckt die Hand nach keinem Lorbeer aus. Mag meine blinde Eitelkeit es tausendmal anders sagen, dennoch ist es so: ich bin nichts und alles, was ich bin, ist sein Geschenk.

Mach zunichte, großer Gott, was etwas sein will ohne Dich und gegen Dich. Bleib mir deutlich, damit ich vor Dir nichts sei als das, wozu Du mich machst und brauchst. So behütest Du mich vor dem Fall und machst mich in Deiner Gnade stehen. So kann ich mich bewegen nach Deinem Willen, weil Deine Hand mich trägt. Das Ziel Deiner Wege ist, dass Du alles in allen wirst. Dafür preisen Dich alle, die Deinen Namen nennen, ewiglich. Amen.

Kap. 13

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.
2. Korinther 13,13

Paulus zeigt uns, worin der Reichtum der Kirche besteht. Ich will ihn mit herzlicher Freude beschauen, um aufs neue zu erfassen, wie reich wir sind. Besieht nicht jeder, dem ein reicher Besitz gegeben ist, seinen Reichtum mit Freude? Ist es ein falscher, täuschender Besitz, so lauert in unserem vergnügten Blick eine Gefahr. Hier aber beschaue ich den echten Reichtum. Das erste, woran Paulus denkt, ist die Gnade Jesu. Dass Jesus gnädig ist, gern und reichlich gibt, wirklich und zu jeder Zeit hilft und immer der Gebende, immer der Helfende bleibt, das ist der Reichtum der Christenheit. Sie ist dadurch entstanden, dass Jesus voll Gnade und Wahrheit war, und besteht dadurch, dass er gnädig an ihr handelt. Seine Gnade kommt aus der Liebe Gottes. Darum ist Jesus uns gnädig, weil Gott uns wert hält und seine Liebe uns gibt. Das bringt in die Gütigkeit Jesu die Vollmacht hinein, die Ihn bei uns gegenwärtig und jeder Not überlegen macht. Deshalb weil seine Gnade in Gottes Liebe ihren Grund hat, ist Jesu Vergeben Gottes Vergeben, Jesu Gemeinschaft Gottes Gemeinschaft und der Jesus erwiesene Gehorsam Gottesdienst. Sichtbar wird die Liebe dadurch, dass sie gibt. Die Gabe, in der die göttliche Liebe in ihrer Vollkommenheit uns offenbar wird, ist die Gemeinschaft des heiligen Geistes. Dass Gottes Geist sich mit unserem Geist zusammentut und der Teilhaber an unserem Leben wird, so dass das, was wir denken und tun, von Ihm her stammt, das ist das Geschenk der Liebe Gottes, durch das sie uns ihre Herrlichkeit zeigt, und der Tatbeweis für die Gnade Jesu, durch den er uns erfahren lässt, dass er uns gnädig ist.
Keiner kommt zu Ende, wenn er versucht, den Reichtum zu beschauen, den Du, Vater, uns gegeben hast. O wenn ich doch von allen unzufriedenen Klagen frei würde. Du bist mir, Herr Christus, gnädig; das ist für mich genug. Du, o Vater, gibst mir Deine Liebe; was mangelt mir noch? Du, heiliger Geist, machst dich zu meinem Gefährten. In Deinem Geleit führt mein Weg mich zum Ziel. Amen.

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