Ryle, J. C. - Betrachtet eure Wege!
„Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt von Herzensgrund.“ Phil. 1,8
Geliebte Freunde und Brüder! Ich wünsche euch ein paar Worte über eure Seelen zu schreiben. Ich wünsche, dass sie selig werden. Das kann aber nur dann geschehen, wenn ihr den Rat annehmt, den ich euch heute gebe, und der ist: eure Wege zu betrachten.
Die Zeit ist kurz. Der Tag der Gnade verstreicht, der Tag des Gerichts kommt näher, der Lebensfaden läuft ab; noch ein paar Jahre, und jede Seele unter uns wird an ihren Ort gehen und entweder im Himmel oder in der Hölle sein.
Nun kann ich eure Herzen nicht erreichen; das steht nicht bei mir; das kann nur der Finger Gottes. Aber ich kann euch meine ernstlichsten Wünsche aussprechen, und, mit des Herrn Hilfe, will ich es tun. Gestattet es mir, dass ich Dinge sage, die scharf und hart klingen. Schreibt es meiner Besorgnis um euer Seelenheil zu; ich suche damit nur euer Bestes. Ich schreibe nichts, als was ich aus der Bibel gelernt habe; und als solches empfehle ich es eurem Gewissen. Erwägt, was ich sage, und der Herr gebe euch Verstand in allen Dingen.
I.
Zuerst lasst mich sagen: Es gibt sehr viele unter euch, die ich gern erweckt sähe. Es sind die, welche zwar den Namen, aber nicht das Wesen der Christen haben. Es sind die irdisch Gesinnten, in deren Herzen der Herr nicht als König herrscht.
Ich gebe zu, dass ihr in Dingen dieses Lebens verständig und geschickt seid. Ihr seid gute Geschäftsleute, gute Handwerker, gute Arbeiter, gute Herrschaften, gute Dienstboten, gute Nachbaren, gute Untertanen: alles dies räume ich ein. Aber ich rede von eurem ewigen Teil, von eurer unsterblichen Seele; und in Betreff derselben seid ihr, wenn ich nach dem Wenigen urteilen darf, was ihr für sie tut, sorglos, gedankenlos, unbekümmert und gleichgültig.
Ich sage nicht, dass Gott und die Seligkeit Dinge sind, die euch nie in den Sinn kommen; aber das sage ich, sie nehmen nicht die erste Stelle darin ein. Auch sage ich nicht, dass ihr alle in eurem Leben und Wesen gleich seid; einige von euch gehen ohne Zweifel in den Sünden weiter als die Andern; aber das sage ich, ihr geht ein jeglicher seinen eigenen Weg, und dieser Weg ist nicht der des Herrn. Brüder, wenn ich in die Bibel sehe, kann ich über euch nur zu dem Schlusse kommen, dass ihr in Bezug auf eure Seelen noch schlaft.
Ihr erkennt die Sündhaftigkeit eurer Seele und euren von Natur verlorenen Zustand nicht. Ihr scheint es leicht damit zu nehmen, ob ihr Gottes Gebote übertretet; euch wenig darum zu kümmern, ob ihr nach seinem Gesetze lebt oder nicht. Und doch sagt Gott, dass jede Übertretung des Gesetzes Sünde ist; dass sein Gebot einen sehr weiten Umfang hat; dass jeder Gedanke eures natürlichen Herzens böse ist; dass Er die Sünde nicht ertragen kann, ja, dass Er sie hasst; dass der Sünde Sold der Tod ist und dass die Seele, die sündigt, sterben muss. O gewiss, ihr schlaft noch!
Ihr erkennt nicht, dass ihr einen Heiland nötig habt. Ihr scheint es für leicht zu halten, in den Himmel zu kommen und denkt, Gott werde euch ohne Zweifel zuletzt auf die eine oder andere Art gnädig sein, obwohl ihr nicht genau wisst, wie. Und doch sagt Gott, dass Er gerecht, heilig und unveränderlich sei, dass Christus der einzige Weg sei zur Seligkeit, und dass Niemand zum Vater kommen könne, ohne durch ihn; dass ohne sein Blut keine Vergebung der Sünden möglich sei; dass ein Mensch ohne Christum ein Mensch sei, der keine Hoffnung hat; dass diejenigen, welche selig werden wollen, an Jesum glauben und zu ihm kommen müssen, und dass, wer an ihn glaubt, nicht verdammt werden wird. O gewiss, ihr schlaft noch.
Ihr erkennt nicht die Notwendigkeit der Heiligung. Ihr scheint es für völlig hinreichend zu halten, wie Andere zu wandeln und wie eure Nachbaren zu leben. Das Beten und Bibellesen, die Gewissenhaftigkeit in Worten und Werken, das Trachten nach Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit, nach Sanftmut, Demut und Barmherzigkeit, und die Verleugnung der Welt, das sind Dinge, auf die ihr nicht den geringsten Wert zu legen scheint. Und doch sagt Gott, dass ohne Heiligung Niemand den Herrn schauen wird, dass in den Himmel nicht hineingehen wird irgendein Gemeines und das da Gräuel tut und Lügen, und dass sein Volk ein heilig Volk des Eigentums sein muss, zu allem guten Werk geschickt. O gewiss, ihr schlaft noch.
Und was das Schlimmste von Allem ist: Ihr seht die Gefahr nicht, darin ihr euch befindet. Ihr geht vorwärts mit geschlossenen Augen und scheint nicht zu wissen, dass das Ende eures Weges die Hölle ist. Im Traume bildet man sich oft ein, dass man reich sei, obgleich man arm ist; oder satt, obgleich man hungrig; oder gesund, obgleich man krank ist; und wenn man erwacht, findet man mit Schmerzen, dass man sich getäuscht hat. So träumen Viele von euch in Bezug auf ihre Seelen. Ihr schmeichelt euch selbst, dass ihr Frieden haben werdet, und es wird doch kein Friede sein. Ihr bildet euch ein, dass es gut um euch stehe, und in der Wahrheit werdet ihr finden, dass es schlecht um euch steht. O gewiss, ihr schlaft noch!
Liebe Brüder, was kann ich tun, um euch zu wecken? Eure Seelen sind in schrecklicher Gefahr. Ohne eine mächtige Umwandlung werden sie verloren gehen. Wann wird es endlich zu dieser Umwandlung kommen?
Ihr seid dem Tode nahe, doch nicht zum Sterben geschickt. Ihr steht auf dem Punkt, vor den Richter gerufen zu werden, und seid nicht bereit, eurem Gott zu begegnen. Eure Sünden sind euch nicht vergeben, eure Seelen sind nicht gerechtfertigt, eure Herzen sind nicht erneuert. Der Himmel selber würde keine Seligkeit für euch sein, wenn ihr hineinkämet, denn der Herr des Himmels ist nicht euer Freund. Was Ihm gefällt, gefällt euch nicht. Was Ihm missfällt, macht euch keine Bein. Seine Zeugnisse sind nicht eure Ratsleute. Sein Tag ist nicht eure Wonne. Sein Wort ist nicht euer Führer. Ihr habet kein Verlangen, etwas von Ihm zu hören. Ihr wisst nichts mit Ihm zu reden. Immer in seiner Gesellschaft zu sein, wäre euch unerträglich, und die Gesellschaft der Heiligen und Engel wäre euch eine Last und keine Freude. Ihr lebt, als wäre die Bibel nie geschrieben, als wäre der Herr nie für uns gestorben, als wären die Apostel und die wahren Christen Narren, und die Predigt des Evangeliums völlig unnötig. O gewiss, ihr schlaft noch. O, wacht auf und schlaft nicht länger!
Denkt nur nicht, dass ihr bei euch wollt sagen: Wir können nicht glauben, dass unser Zustand so schlecht, oder die Gefahr so groß, oder Gott so strenge sei. Ich antworte: Der Teufel hat diesen Betrug schon seit fast sechstausend Jahren in die Herzen der Menschen hineingesät. Er hat ihn als Fallstrick von dem Tage an gebraucht, als er zur Eva sagte: „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben.“ Seid nicht so töricht, euch darin fangen zu lassen. Gott hat nie die Sünde ungestraft gelassen, und wird es nie tun. Er hat noch nie sein Wort gebrochen, und ihr werdet einst zu eurem Schaden erfahren, dass Er es an euch erfüllt, wenn ihr nicht Buße tut.
Denkt nicht, dass ihr bei euch wollt sagen: Wir sind Glieder der christlichen Kirche und sind darum ebenso gut Christen, als andere. Ich antworte: Das macht eure Sache nur schlimmer, wenn ihr nichts Besseres zu eurer Verteidigung anzuführen habt. Ihr könnt in die Kirchenbücher eingetragen sein; ihr könnt von Menschen zu den Gläubigen gerechnet werden; ihr mögt Jahre lang unter dem Schall des Evangeliums gesessen haben; ihr mögt alle heiligen Gebräuche erfüllt Haben und selbst zu des Herrn Tisch zu bestimmten Zeiten gekommen sein, und werdet doch bei allem dem, wenn euch nicht die Sünde verhasst und Christus köstlich und euer Herz ein Tempel des Heiligen Geistes geworden ist, am Ende verloren gehen. Ein heiliger Beruf kann niemals einen unheiligen Mann retten.
Denkt nicht, dass ihr bei euch wollt sagen: Wir sind getauft auf den Namen des dreieinigen Gottes, und haben darum die gute Zuversicht, dass wir aus Gott geboren sind und dass seine Gnade in uns waltet. Ich antworte: Ihr habt keins von den Zeichen, woran man, wie Johannes in seinem ersten Briefe lehrt, die Wiedergeborenen erkennen kann. Ich finde nicht, dass ihr bekennt, Jesus sei der Christ; dass ihr die Welt überwindet; nicht Sünde tut; die Brüder liebt; recht tut und euch bewahrt vor dem Argen. Wie kann ich denn glauben, dass ihr von Gott geboren seid? Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr Christum lieben; wenn ihr Gottes Kinder wärt, würdet ihr von seinem Geiste getrieben werden. Ich bedarf stärkere Beweise. Zeigt mir eure Buße, euren Glauben; zeigt mir ein Leben, verborgen mit Christo in Gott; zeigt mir ein geistliches und geheiligtes Gemüt. Dies sind die Früchte, die ich sehen muss, wenn ich glauben soll, dass ihr lebendige Reben an dem wahren Weinstock Christi seid. Aber ohne diese Früchte wird eure Taufe nur eure Verdammnis vermehren.
Geliebte Brüder, ich spreche ernst, denn ich fühle es tief: die Zeit ist zu kurz, das Leben zu ungewiss, um mir weitläufige Höflichkeiten zu gestatten. Auf die Gefahr hin, anzustoßen, spreche ich mich offen aus. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, einen von euch an dem großen Tage des Gerichts verdammt zu sehen; einen von euch in dem großen Haufen zur Linken Gottes zu bemerken, unter denen, die hilflos, hoffnungslos und außer dem Bereiche der Gnade sind. Ich kann solche Gedanken nicht ertragen, sie quälen mein Herz. Ehe der Tag der Gnade vorüber ist und der Tag der Rache beginnt, fordere ich euch auf, die Augen zu öffnen und Buße zu tun. O, betrachtet eure Wege und werdet weise! Bekehrt euch von eurem bösen Wesen! Warum wollt ihr sterben?
Heute bitte ich euch als Botschafter an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Der Herr Jesus, welcher in die Welt kam, Sünder selig zu machen; Jesus, der Mittler zwischen Gott und Menschen; Jesus, der uns geliebt und sich selbst für uns dargegeben; Jesus sendet euch allen eine Friedensbotschaft. Er ruft: „Kommt her zu mir!“
„Kommt!“ Das ist in der Tat ein köstliches Wort und sollte euch locken. Ihr habt gesündigt gegen den Himmel; der Himmel hat nicht gesündigt gegen euch, und dennoch seht ihr, wie der erste Schritt zum Frieden vom Himmel aus geschieht, denn der Herr spricht: „Kommt her zu mir!“
„Kommt!“ ist ein Wort gnädiger Einladung. Heißt es nicht: „Sünder, Ich warte auf euch; Ich will nicht, dass einer von euch verloren gehe, sondern dass Alle sich zur Buße kehren? So wahr, als Ich lebe, Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen. Ich will, dass allen Menschen geholfen werde und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Meine Freude ist: Erbarmen. Wen da dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst. Ich stehe an der Tür eures Herzens und klopfe an. Lange Zeit habe Ich meine Hände vergeblich nach euch ausgestreckt. Aber Ich warte noch. Es ist noch Raum in meines Vaters Haus. Meine Langmut wartet, dass noch mehr sündige Menschenkinder zu dem Gnadenstuhle kommen, ehe die letzte Posaune schallt; dass noch mehr Verirrte sich zu Mir kehren, ehe die Tür für immer verschlossen wird. O, Sünder, kommt zu Mir!“
„Kommt!“ ist ein Wort der Verheißung und Ermutigung. Sagt es nicht: „Sünder, Ich habe Gaben für euch bereit; Ich habe eurer Seele etwas von ewiger Wichtigkeit zu geben; Ich habe Gaben empfangen für die Menschen, auch für die Abtrünnigen; Ich habe freie Gnade für den Gottlosesten; eine reine Quelle für den Unreinsten; ein weißes Kleid für den Beflecktesten; ein neues Herz für den Verhärtetsten; Heilung für den, der gebrochenen Herzens ist; Ruhe für den Mühseligen und Beladenen; Freude für den Trauernden. O, Sünder, nicht umsonst lade Ich euch ein! Alles ist bereit, kommt, kommt zu Mir!“
Geliebte Brüder, hört die Stimme des Sohnes Gottes. Seht zu, dass ihr euch nicht des weigert, der da redet. Kommt weg von der Sünde, welche euch niemals wahres Vergnügen geben kann. Kommt her aus aus der Welt, welche euch niemals Frieden geben wird. Kommt zu Christo. Kommt mit allen euren Sünden, wie viel und wie groß sie auch sein mögen, wie weit ihr euch von Gott entfernt haben mögt, und wie verkehrt euer Wandel auch mag gewesen sein. Kommt, wie ihr seid, untüchtig, unfähig, unbereitet, wie ihr seid; durch Aufschub werdet ihr nicht tüchtiger werden. Kommt doch einmal, kommt zu dem Herrn Jesus Christus!
Wahrlich, wie werdet ihr entrinnen, wenn ihr eine solche Seligkeit nicht achtet? Wo wollt ihr bleiben, wenn ihr das Blut des Testaments unrein achtet und den Geist der Gnade schmäht? Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen, vornehmlich aber für Menschen, die das Evangelium gehört haben und nicht zur Bekehrung gekommen sind. Die traurigste Straße zur Hölle ist die, welche an der Kanzel, an der Bibel vorbei und mitten durch Warnungen und Einladungen läuft. O, seht zu, dass ihr nicht, wie Israel zu Kades, euren Missgriff beklagt, wenn es zu spät ist; oder, wie Judas Ischarioth, eure Sünde erkennt, wenn ihr keinen Raum zur Buße mehr findet, wiewohl ihr sie mit Tränen sucht. Steht auf, geliebte Brüder, und ruft den Herrn an. Seid nicht wie Esau, der um Einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte. Es ist genug, dass ihr die vergangene Zeit des Lebens zugebracht habt sorglos und gebetslos, gottlos und ohne den Herrn Jesum, weltlich und irdisch gesinnt. Es ist nötig, dass ihr, was noch hinterstelliger Zeit im Fleisch ist, nicht der Menschen Lüste, sondern dem Willen Gottes lebt. Betet, bitte ich euch, dass ihr befähigt werdet, den alten Menschen und seine Kleider abzulegen, und dass ihr neue Menschen werdet. Ich stehe Keinem nach in Wünschen für euer Wohl, und mein bester Wunsch ist, dass ihr neue Kreaturen in Christo Jesu werden mögt. Dies ist etwas Besseres, als Reichtum oder Gesundheit, oder Ehre oder Gelehrsamkeit. Ein Mensch kann in den Himmel kommen ohne das, aber er kann nicht hineinkommen ohne Bekehrung. Fürwahr, wenn ihr sterbt, ohne von neuem geboren zu sein, so wäre es euch viel besser, dass ihr nie geboren wärt. Niemand lebt wahrhaft, bevor er Gott lebt.
II.
Das zweite, was ich euch zu sagen habe, ist dies: Es gibt viele unter euch, die ich gern entschieden in der Nachfolge Christi sähe. Es sind solche, die da schwanken und auf beiden Seiten hinken. Sie haben sich noch keine feste Meinung gebildet. Sie wissen noch nicht, welches der wahre und welches der falsche Weg ist. An dem einen Tage sollte man sagen, sie liebten Christum, an dem andern dagegen, sie fragten nichts nach Ihm. Sie sind der Dämmerung gleich, ich kann sie weder Finsternis nennen noch auch Licht in dem Herrn. Es ist an ihnen so vieles richtig, dass ich sie nicht unter die offenbar Gottlosen rechnen kann, und doch so vieles verkehrt, dass sie ohne Bekehrung nimmer werden selig werden. O, dass diese Bekehrung einmal ihren Anfang nähme!
Schwankende Brüder, ihr seid vor allen Andern am schwersten zu behandeln; denn kein Stand ist so gefährlich, als der eurige. Ihr seht etwas von dem Sündigen der Sünde und ihren schrecklichen Folgen, aber nicht alles. Ihr habt Gedanken an Gericht und Hölle, und möchtet beiden gern entfliehen, aber ihr versucht es niemals ernstlich. Ihr seht etwas von der Glückseligkeit des Himmels, aber nicht alles. Sein Friede, seine Ruhe und Freude und Seligkeit sind Dinge, an die ihr denkt, aber ihr sucht sie niemals ernstlich zu erlangen.
Es hat Zeiten gegeben, wo ihr für den Herrn gewonnen zu sein schient, wo ihr etwas von den Erquickungen fühltet, die von Ihm ausgehen. Ihr wart am Sinai und zittertet. Ihr wart zu Bochim und weintet. Ihr wart auf Golgatha und schlugt an eure Brust. Aber diese Zeiten gingen vorüber und es steht noch mit euch beim Alten. Ihr glicht oft Menschen auf der Pilgerfahrt; ihr schient bereit, aus der Welt auszugehen, und habt dann plötzlich Halt gemacht und seid nicht weiter gegangen.
Ihr tatet manches Gute, aber unterließt auch wie Herodes manches Andere, was hätte geschehen sollen. Ihr habt manche üble Gewohnheiten aufgegeben, aber noch genug beibehalten, welche beweisen, dass ihr keine wahre Gnade in eurem Herzen habt.
O, schwankende Brüder, was kann man für eure Seelen tun? - Ich bin sehr besorgt für euch.
Manche von euch sind wahren Christen so ähnlich, dass man eure Verschiedenheit von denselben kaum bemerken kann. Ihr seid keine Gegner der wahren Religion. Ihr erhebt keinen Widerspruch gegen die Predigt des Evangeliums und gebt euch oft Mühe, sie zu hören. Ihr könnt euch der Gemeinschaft der Gläubigen freuen und scheint Vergnügen an ihrer Unterhaltung und Erfahrung zu finden. Ihr könnt sogar von den göttlichen Dingen reden, als wenn ihr sie schätztet. Alles dies könnt ihr.
Und doch ist's nichts Reelles mit eurer Religion, kein wirkliches Zeugnis gegen die Sünde, keine wirkliche Trennung von der Welt, kein Zunehmen in dem Herrn, kein Kampf gegen den Feind. Ihr könnt die Uniform Christi in Zeiten des Friedens tragen; aber ihr fehlt, wie der Stamm Ruben, am Tage der Schlacht. Zeiten des Sturmes beweisen, dass ihr niemals wahrhaft auf dem Felsen gegründet wart. Zeiten der Krankheit und Gefahr offenbaren, dass ihr keine Wurzeln habt. Zeiten der Versuchung und Verfolgung zeigen, dass euch euer Bekenntnis nicht von Herzen ging. Es ist kein Verlass auf euch. Christen, in der Gemeinschaft von Christen, seid ihr weltlich in der Gesellschaft von Weltkindern. In der einen Woche kann man euch mit dem Lesen geistlicher Bücher beschäftigt finden, als wenn ihr ganz für das Ewige wäret; in der andern hört man, dass ihr euch in eine irdische Torheit eingelassen habt, als wenn ihr allein an das Zeitliche dächtet. Und so gehts fort, indem ihr gleichsam im Angesicht des Landes kreuzt, aber niemals den Entschluss fasset, in den Hafen einzulaufen; indem ihr deutlich zeigt, dass ihr eine Vorstellung von dem Wege des Lebens habt, aber eine zu unbestimmte, um auf Grund eurer Erkenntnis auch zu handeln.
O, schwankende Brüder, was kann man für euch tun? Ich sage euch feierlich: ich zittere für eure Seele. Bei eurem jetzigen Gange werdet ihr niemals den Frieden finden; ihr werdet vorwärts gehen ohne Trost und von hinnen gehen ohne Hoffnung.
Ihr seid wahrhaftig ein Wunder in der Schöpfung. Ihr steht allein. Der Teufel wundert sich, wie es möglich ist, dass ihr so viel von dem Wege zum Himmel seht und doch nicht darauf wandelt. Die Engel wundern sich, wie es zugeht, dass ihr so viel von dem Evangelium wisst und doch stille steht. Die Seelsorger wundern sich über euch, dass ihr auf die Grenzen des verheißenen Landes zugehen könnt und doch vor denselben Halt macht. Die Gläubigen wundern sich über euch, dass ihr so viel von dem gütigen Wort Gottes schmeckt und euch doch nicht entschließt, zu essen und ewig zu leben. Nehmt euch in Acht, dass ihr euch zulegt nicht selbst einmal verwundert.
Schwankende Brüder, lasst mich eine einfache Frage an euch richten. Wie lange denkt ihr so zu bleiben, wie ihr jetzt seid? Wann beabsichtigt ihr aufzuhören, beinahe Christen zu sein und ganze zu werden? Wann denkt ihr den Agrippa zu verlassen und euch zu Paulus zu gesellen? Ihr wisst in eurem Herzen und Gewissen, dass ihr noch nicht selig seid; ihr habt kein Öl in euren Lampen; ihr habt das Siegel von Christi Volk nicht; ihr seid keine wahre Heiligen. Ihr könnt nicht leugnen, was ich sage. Wann nehmt ihr euch vor, euch zu bekehren? Worauf wartet ihr? O, wendet euch nicht ab von meiner Frage! Haltet still und antwortet, wenn ihr könnt?
Wollt ihr warten, bis ihr unwohl und krank seid? Sicherlich werdet ihr mir nicht sagen, dass das eine günstige Zeit ist. Wenn euer Leib von Schmerzen gefoltert, wenn euer Sinn von allen Arten ängstlicher Gedanken hin und her gezogen wird, wenn ruhige Überlegung fast unmöglich ist: ist dies eine passende Zeit, um das wichtige Werk der Versöhnung mit Gott anzufangen?
Wollt ihr warten, bis ihr alt seid? Gewiss habt ihr nicht überlegt, was ihr sagt. Ihr wollt Christo dienen, wenn eure Glieder abgenutzt und entkräftet und eure Hände unfähig zur Arbeit sind? Ihr wollt zu Ihm gehen, wenn euer Verstand schwach und euer Gedächtnis ohnmächtig ist? Ihr wollt die Welt aufgeben, wenn ihr sie nicht länger behalten könnt? Ihr wollt eure Neigungen auf die himmlischen Dinge richten, wenn ihr keine Freude mehr an den irdischen findet? Ist dies eure Absicht? Hütet euch, dass ihr Gottes nicht spottet!
Wollt ihr warten, bis ihr gelegenere Zeit habt? Und wann erwartet ihr mehr Zeit zu haben, als jetzt? Jedes Jahr, das ihr lebt, scheint kürzer als das vorige: ihr findet mehr zu bedenken oder zu tun, und weniger Kraft und Gelegenheit zur Ausführung. Und zu dem allen wisst ihr nicht, ob ihr noch ein zweites Jahr erleben werdet. Rühmt euch nicht des morgenden Tages, jetzt ist die Zeit.
Wollt ihr warten, bis euer Herz vollkommen fertig und bereit sein wird? Dahin wird es niemals kommen. Es wird immer verderbt und sündhaft bleiben. Wie ein Born sein Wasser quillt, also quillt auch seine Bosheit. Ihr werdet niemals diesem Pardel seine Flecken wandeln, noch diesen Mohren weiß waschen, oder es zu einem reinen Blatt machen, und es dem Herrn darreichen und sagen können: siehe, hier bin ich, Herr, schreibe dein Gesetz in mein Herz. Zögert also nicht. Beginnt lieber so, wie ihr seid.
Wollt ihr warten, bis der Teufel euch ohne Anfechtung wird zu Christo kommen lassen? Das wird niemals geschehen. Satan gibt niemals eine einzige Seele ohne Kampf auf. Wenn ihr gerettet werden wollt, müsst ihr darob kämpfen. Wartet nicht auf einen andern Tag. Steht heute auf und geht vorwärts.
Wollt ihr warten, bis es kein Kreuz mehr zu tragen gibt? Die Stunde kommt nie. So lange die Sünde unsere Feindin ist und unsere Leiber durch dieselbe geschwächt und beschwert werden, so lange müssen wir das Kreuz tragen, wenn wir gute Streiter Jesu Christi sein wollen. Geht einher in der Kraft des Herrn Herrn, und ihr werdet überwinden. Ohne Kreuz keine Krone.
Wollt ihr warten, bis Alle um euch her bekehrt sein werden? Ihr wartet umsonst. Nur im Himmel sind Alle heilig. Auf Erden herrscht die Sünde, und Gottes Volk ist eine kleine Heerde darauf. Ihr müsst zufrieden sein, allein zu reisen und gegen den Strom zu schwimmen. „Schmal ist der Weg, der zum Leben führt, und Wenige sind, die ihn finden.“ Wartet nicht auf Freunde und Nachbarn, seht zu, dass ihr unter den Wenigen seid.
Wollt ihr warten, bis die Pforte weit ist? Das wird sie nie. Sie wird sich nicht ändern, sie ist nicht elastisch, sie wird sich nicht ausdehnen. Sie ist weit genug für den größten Sünder, wenn er mit einem demütigen und zerbrochenen Herzen kommt. Aber wenn es irgendetwas gibt, was ihr nicht aufgeben wollt, so werdet ihr niemals, mit aller eurer Anstrengung, hineinkommen. Lasst alles Gepäck bei Seite, geht herein, ehe die Tür für immer verschlossen wird.
Wollt ihr warten, weil einige Christen unbeständig sind und einige Bekenner abtrünnig werden? Ihre Torheit ist keine Entschuldigung für euch. Ihre Sünde wird euren Aufschub nicht rechtfertigen. Hört das Wort des Herrn Jesu: „Was geht das dich an? folge du Mir nach!“
O, schwankende Brüder, sind nicht eure Entschuldigungen zerbrochene Rohrstäbe, Gewebe, das euch nicht deckt, Holz, Heu und Stoppeln, die das Feuer nicht aushalten werden? Sind nicht eure Vernunftschlüsse und Verteidigungen eitel und nichtig? Seid ehrlich, bekennt die Wahrheit!
Wendet euch nicht ab von gutem Rat. Ich fürchte, dass die Zeit kommt, wo auch ihr danach trachten werdet, hineinzukommen, und werdet es nicht tun können. Heute fordere ich euch auf, der Unentschiedenheit ein Ende zu machen, nicht länger zu warten, und euch für den Herrn zu entscheiden. Niemand ist weise, bis er entschieden ist. Was kann törichter sein, als in der Ungewissheit fortzuleben? Was kann kindischer sein, als nicht wissen zu wollen, was Wahrheit ist? Zwei Wege vor sich zu haben und nicht im Stande zu sein, zu entscheiden, welcher der richtige ist? Auf der einen Seite ist Christus, auf der andern die Welt, zur rechten Hand ist die Bibel und zur Linken die eigene Meinung; ist es nicht erschrecklich und zu verwundern, dass ihr an diese Dinge denken und noch einen Augenblick zweifeln könnt? Mögt ihr nun das Evangelium für wahr oder falsch halten, eure gegenwärtige Stellung ist offenbar verkehrt. Wenn es wahr ist, geht ihr nicht weit genug, - wenn es falsch ist, geht ihr zu weit. O, seid entschieden und seid weise!
Kein Mensch ist sicher, bis er sich entschieden hat. Alle die sind in Gefahr des Unterganges, welche keine wahren Nachfolger Christi, welche nicht bekehrt und Kinder Gottes geworden sind.
Schwankende Brüder, ihr bildet euch ein, es gebe einen Mittelweg bei der Bekehrung. Ihr seid im Irrtum. Es scheint einer zu sein, der Teufel sagt euch, es gebe einen, aber in der Wirklichkeit gibt es nichts dergleichen. Es gibt nur zwei Reiche, Christi Reich und Satans Reich, es gibt kein neutrales Gebiet zwischen beiden, nur zwei Parteien, Gläubige und Ungläubige, und außer ihnen keine dritte. Überlegt, zu welcher ihr gehört!
Ich weiß, etliche Leute werden sagen, ihr wärt in einem hoffnungsvollen Zustande. Ich darf das nicht sagen, weil ihr stille steht. Das wäre Schmeichelei und keine Barmherzigkeit. Ich sage euch vielmehr: euer Stand ist äußerst gefährlich. Ihr habt genug Religion, um euch einigermaßen zu genügen, ihr seid nicht wie andere Leute: leichtsinnig, lasterhaft und dergleichen; aber noch habt ihr nicht Religion genug, um selig zu werden. Ihr habt den Geist Christi nicht und gehört nicht zu den Seinigen.
Es ist meinem Herzen ein geringer Trost, zu hören, dass ihr nicht fern vom Reiche Gottes seid, wenn ihr nun stehen bleibt. Es bedarf nur eines Schrittes, um euch in Sicherheit zu bringen, aber ohne diesen ist alles übrige umsonst. Ich zweifle nicht, dass Manche dicht an der Tür der Arche waren, als die Flut kam, aber alle ertranken, die nicht in der Arche waren. Manche Totschläger gelangten bis zu den Toren der Freistädte, aber Keiner unter ihnen entrann dem Rächer, der nicht hineinging. Seid entschieden! Dies ist der einzige Weg, um sicher zu sein.
Und niemand ist völlig glücklich, bis er entschieden ist. Ihr habt keinen Frieden, so lange ihr zögernd und unentschlossen seid. Ihr gefallt Keinem von Allen. Jesus hat keine Tröstungen für euch; Er will euer ganzes Herz haben, oder nichts davon. Die Welt ist mit euch nicht zufrieden; sie kann euer Betragen nicht begreifen. Wahre Christen können euch nicht trösten; sie können nur mit Verdacht und Misstrauen auf euch blicken. Ihr seid gleich den alten Samaritern, welche dem Herrn und ihren Götzen zu gleicher Zeit dienten; sie bildeten eine Mittelklasse zwischen den Juden und den Heiden, und waren mit Keinem Freund; - sie waren zu sehr Heiden für die Juden, und zu sehr Juden für die Heiden. Dies ist gerade euer Fall. Ihr versucht, was unmöglich ist; ihr versucht zweien Herren zu dienen; es ist nicht zu verwundern, dass euch das sauer wird.
Schwankende Brüder, eurem eigenen Frieden zu lieb lade ich euch ein, ein besseres Teil zu erwählen. Gürtet die Lenden eures Gemütes! Seid männlich und seid stark! Gottes Verfahren bei Bestrafung der Sünder war immer entschieden, des Teufels Betragen bei Versuchung der Sünder war immer entschieden. Warum seid ihr denn nicht auch entschieden?
Schreit mit Macht zum Herrn, dass Er euch in den Stand setze, gewisse Schritte auf dem Wege des Lebens zu tun. Entschließt euch, durch seine Gnade wahre Streiter, rechte Diener, kräftige Männer Gottes zu werden. Ruhet nicht, bis ihr wisst, an wen ihr glaubt. O hört auf, zwischen zwei Wegen mitten inne zu stehen. Lasst eure Augen geradeaus sehen. Nehmt euch vor, die Welt fahren zu lassen. Ergreift Christum und vertraut euch Ihm an. Noch nie wandelte Jemand auf dem schmalen Wege, der gesagt hätte, er bereue, ihn gewählt zu haben. Tausende haben ihr Leben durch Zögern verloren, wie ihr jetzt tut, und haben zu spät gesunden, dass die Frucht der Unschlüssigkeit ewiges Leid ist.
III.
Das letzte, was ich euch zu sagen habe, ist dies: Es gibt wahre Christen unter euch, von denen ich wünsche, dass sie größere Fortschritte in der Heiligung machten. Ihr seid es, die ihr eure Sündhaftigkeit und euren verlorenen Zustand inne geworden seid und wahrhaftig an Jesum als den Erretter eurer Seelen glaubt. Die Augen eures Verständnisses sind durch den Geist geöffnet. Er hat euch zu Christo geführt, und ihr seid neue Menschen geworden. Ihr habt Frieden mit Gott. Die Sünde gefällt euch nicht mehr. Die Welt hat nicht mehr den ersten Platz in euren Herzen. Alles ist neu geworden. Ihr habt aufgehört, auf eure eigenen Werke zu vertrauen. Ihr seid Willens, vor dem Richterauge Gottes stehend, euer Seelenheil allein auf das vollbrachte Werk dessen zu gründen, der für die Gottlosen gestorben ist. Das ist der Grund, auf dem eure Hoffnung ruht, dass ihr eure Kleider gewaschen und Helle gemacht in dem Blute des Lammes. Ich danke Gott von Herzen für das, was Er an eurer Seele getan.
Gläubige Brüder, ich schreibe euch über eure Heiligung. Es gibt Viele, die denken, dass ihr Christen wärt, an die es wenig zu schreiben gebe; ihr wärt einmal innerhalb des Heilsgebietes und könntet beinahe euch selbst überlassen werden. Das kann ich nicht einsehen. Ich glaube, ihr bedürft der Sorge und Ermahnung eures Lehrers ebenso wie jeder andere, wenn nicht mehr. Ich glaube, dass von eurem Wachstum in der Gnade und Heiligung nicht allein euer eigenes Wohlsein, sondern auch die Rettung mancher Seelen abhängt. Ich glaube, dass an den bekehrten Gliedern einer Kirche viel mehr durch Predigt, Unterredung, Warnung und Rat sollte gearbeitet werden, als es geschieht. Ihr bedürft vielfach noch der Leitung. Ihr seid noch in der Wüste. Ihr habt noch nicht den Jordan überschritten. Ihr seid noch nicht zu Hause.
Ich sehe, dass Paulus die Thessalonicher bittet, nachdem sie von ihm empfangen, wie sie sollten wandeln und Gott gefallen, dass sie immer völliger werden möchten. Ich sehe, dass er sie warnt, nicht zu schlafen, wie die Andern, sondern zu wachen und nüchtern zu sein. Ich sehe, dass Petrus den Gläubigen einschärft, Fleiß zu tun, ihren Beruf und Erwählung fest zu machen; fortzufahren, eine Tugend in der andern darzureichen, zu wachsen in der Gnade und Erkenntnis Christi. Ich möchte gern den Fußstapfen der Apostel folgen. Ich möchte euch gern erinnern, dass es der Wille Gottes ist, eure Heiligung, und ich möchte es euch deutlich machen, dass es auch euer Wille sein muss. Ihr seid nicht aus der Welt erwählt worden, um euch schlafen zu legen, sondern um heilig zu sein; ihr seid nicht von Gott berufen, stille zu sitzen, sondern würdig eures Berufes zu wandeln. Gedenkt dieser feierlichen Worte: „Welcher solches nicht hat, der ist blind und tappt mit der Hand und vergisst der Reinigung seiner vorigen Sünden.“
Warum sage ich dies? Etwa weil ich denke, ihr wüsstet es nicht? Oder um den geistlich Armen verzagt und dem Gerechten das Herz schwer zu machen? Das sei ferne! Ich tue es, weil ich euch gern ermuntern möchte zu größerem Fleiß.
Ich sage, was ich sage, weil ich eifere für die Ehre des Herrn. Ich wünsche, dass die Auserwählten in der Tat ein heiliges Volk wären, und die Kinder Gottes lebten, wie es den Kindern dieses Vaters geziemt. Ich wünsche, dass die, welche ein Licht sind in dem Herrn, auch als Kinder des Lichts wandeln und verklärt werden von einer Klarheit zur andern, als von dem Herrn, der der Geist ist. Ich sage es um der Welt willen. Ihr seid fast das einzige Buch, welches Jedermann liest. Sicherlich solltet ihr in eurem Leben Briefe Christi sein, mit solcher Deutlichkeit geschrieben, dass man sie geläufig lesen könnte. Die Welt fragt wenig nach Lehre, die Welt weiß nichts von Erfahrung; aber die Welt kann einigermaßen einen verborgenen Wandel mit Christo in Gott verstehen. Und nicht am wenigsten sage ich es wegen der Zeiten, worin ihr lebt. Ich schreibe es mit Bedacht nieder: es gab niemals so viele laue Heilige, als jetzt; es gab niemals eine Zeit, in der ein niedriger und fleischlicher Maßstab christlichen Betragens so allgemeine Geltung hatte; es gab niemals so viele Säuglinge der Gnade in der Familie Gottes; so viele, welche stille stehen und von alten Erfahrungen leben; so viele, welche nichts nötig zu haben scheinen und weder hungrig noch durstig nach Gerechtigkeit sind, als in der gegenwärtigen Zeit. Ich schreibe dies mit großer Bekümmernis. Es mag Vielen als ein zu scharfes Urteil erscheinen; aber ich frage euch, als vor Gottes Angesicht: ist es nicht wahr? Es gibt eine Art von Christen in dieser Zeit, welche mir im Herzen wehe tut. Sie machen, dass mein Blut kälter fließt. Ich kann sie nicht verstehen. Soweit ein Menschenauge sehen kann, machen sie keine Fortschritte. Sie scheinen niemals vorwärts zu kommen. Jahre gehen dahin und sie bleiben ganz dieselben, dieselben Gewohnheitssünden, dieselben geistigen Gebrechen, dieselbe Schwäche in der Versuchung, dieselbe geringe Ähnlichkeit mit Christo, aber keine neue Erkenntnis, keine wachsende Teilnahme an dem Reiche Gottes, keine Frische, keine neue Kraft, keine neuen Früchte. Haben sie vergessen, dass Wachstum der Beweis des Lebens ist; dass selbst der Taxus wächst, und selbst die Schnecke und das Faultier sich bewegen? Vergessen sie, wie erstaunlich weit Einer mitgehen kann, ohne doch ein wahrer Christ zu sein? Er kann, gleich einer Wachsfigur, das Ebenbild eines Gläubigen sein, und doch nicht den Atem Gottes in sich haben; er kann den Namen haben, dass er lebt, und bei dem allen tot sein.
Gläubige Brüder, dies sind die Gründe, warum ich euch so ernstlich schreibe. Ich wünsche, dass euer Christentum unverkennbar wäre, dass ihr alle wahrhaft wüchset und mehr tätet denn Andere. Lasst uns alle an Sardes und Laodicea gedenken, lasst uns den Entschluss fassen, reiner und heiliger zu werden. Lasst uns unsere Götzen verbrennen. Lasst uns alle fremde Götter wegtun. Lasst uns den alten Sauerteig ausfegen. Lasst uns ablegen die Sünde, so uns immerdar anklebt und träge macht. Lasst uns von aller Befleckung des Fleisches und Geistes uns reinigen und fortfahren in der Heiligung in der Furcht Gottes. Lasst uns unsern Bund mit unserm geliebten Herrn erneuern. Lasst uns nach dem Höchsten und Besten streben. Lasst uns beschließen, mit Gottes Hilfe heiliger zu werden, und dann weiß ich und bin ich überzeugt, werden wir glücklicher sein und großen Frieden haben.
Ich mache einige Dinge für betende Betrachtung namhaft.
I. Lasst uns, fürs erste, beginnen mit einem demütigen Bekenntnis früherer Unfruchtbarkeit und Mangelhaftigkeit.
Lasst uns mit Scham und Zerknirschung anerkennen, dass wir bisher nicht unserer Erkenntnis gemäß gelebt haben. Wir sollten das Salz der Erde gewesen sein; aber es war an uns wenig von Christo zu schmecken. Wir sollten das Licht der Welt gewesen sein; aber die meisten waren von uns kleine glimmende Dochte, die man kaum sehen konnte. Wir sollten ein Eigentums-Volk gewesen sein; aber der Unterschied zwischen uns und der Welt war schwach und gering.
Wir sollten gleichsam Leviten unter den Mundchristen gewesen sein; aber wir haben uns oft aufgeführt, als wenn wir zu einem andern Stamme gehörten. Wir sollten diese Welt als eine Herberge angesehen haben, und wir ließen uns darin nieder, als wenn sie unsere Heimat wäre; wir sollten sie als unsere Erziehungsschule für die Ewigkeit betrachtet haben, und wir vergnügten uns darin, als wenn es unsere bleibende Stadt wäre, und vertändelten darin die Zeit, als wenn wir bestimmt wären zu spielen und nicht zu lernen. Wir sollten ohne Sorge gewesen sein, und wir sorgten für unnütze Dinge und ließen die Geschäfte dieses irdischen Lebens auf unser geistliches wirken, wie ein Mehltau, der die Frucht verdirbt. Wie selten lesen wir das Evangelium wie Männer in heiligem Ernst, und die Bibel, um uns davon als dem Brot des Lebens zu nähren; wie selten beteten wir, um eine Antwort zu erhalten! Wie arm und schwach war unser Zeugnis gegen die Sünde! Wie oft waren wir lässig, wenn wir das Wort des Herrn treiben sollten! Wie selten gewahrte man an uns Einfältigkeit des Auges und Aufrichtigkeit des Herzens und den Wandel im Geist! Wie schwach war unser Glaube, wie matt unsere Hoffnung, wie kalt unsere Liebe! Wie wenige zeigten in ihrem Leben, dass sie alles glaubten, was in dem Wort geschrieben steht, und wanderten durch das Leben als Pilgrimme, die vor Gott in Zion erscheinen wollen? O, gläubige Brüder, haben wir nicht guten Grund, uns zu schämen, wenn wir an diese Dinge denken? Sie sind sehr traurig, und wir sollten das fühlen. Lasst uns uns vor dem Herrn demütigen, und zu ihm sagen: „Gott sei uns Sündern gnädig, - nimm hinweg unsere Missetat, denn wir haben sehr töricht vor dir gehandelt.“
II. Zum andern lasst uns alle ernstlicher suchen in Christo zu bleiben, als wir bisher getan haben.
Der Herr ist der wahre Lebensquell in einer jeden gläubigen Seele, das Haupt, von dem jedes Glied abhängt, der Eckstein aller wahren Heiligung. So oft ich sehe, dass ein Kind Gottes in der Heiligung abnimmt, dann weiß ich auch die geheime Ursache davon: es hängt weniger fest an Christo als früher. Unsere Wurzel muss tief gehen, wenn wir reichliche Früchte bringen sollen.
Brüder, lasst uns nach einer innigeren Vereinigung und Gemeinschaft mit Christo streben. Lasst uns öfter mit ihm reden, Ihm völliger uns vertrauen, standhafter auf Ihn blicken, uns einzig auf ihn lehnen. Auf diesem Wege wandern wir durch die Wüste ohne müde zu werden und laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist. Er ist der Weinstock und wir sind die Reben; lasst uns aus seiner Fülle Gnade um Gnade nehmen, denn ohne Ihn können wir nichts tun. Er ist die Sonne der Gerechtigkeit; lasst uns in ihm unsern Trost suchen, und nicht in unsern Stimmungen und Gefühlen. Er ist das Brot des Lebens; lasst uns uns von ihm nähren Tag für Tag, wie Israel von dem Manna, und nicht von unsern Erfahrungen. Er werde uns mehr und mehr Alles. Sein Blut sei unser Frieden, Seine Versöhnung unser Trost, Sein Wort unsere Bürgschaft, Seine Gnade unsere Kraft, Sein Mitleid unsere Stütze, Sein baldiges Kommen unsere Hoffnung. Mögen Andere ihre Zeit auf neue Bücher verwenden, wir wollen uns befleißigen, unsern Heiland zu erkennen.
Wir wissen ein wenig von Christo als unserm Erlöser, aber ach! welch einen geringen Teil von der Fülle, die in Ihm ist, haben wir gesehen! Gleich den Indianern zur Zeit der Entdeckung Amerikas wissen wir den erstaunlichen Wert Wert des Goldes und der Reichtümer in unsern Händen nicht zu schätzen. Glaubt mir, wenn wir uns den Segen freier und völliger Vergebung in Ihm zuzueignen verständen, wir würden Leute von ganz anderem Schlage sein. Wer es fühlt, dass das Blut der Versöhnung auf sein Gewissen gesprengt worden; wer die Versicherung genießt, dass er gewaschen und gerechtfertigt und angenommen worden sei in dem Geliebten, der wird auch in der Heiligung wachsen und Früchte der Gerechtigkeit bringen; der wird fleißig arbeiten, geduldig leiden, freimütig bekennen, mutig kämpfen und brünstig lieben. Die Erlösung steht allezeit vor seinen Augen, und der Gedanke bewegt sein Herz: Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltaten, die er an mir tut.
Brüder, lasst uns fester an Christo hangen. Lasst uns näher zu dem Kreuze bringen. Lasst uns sitzen zu den Füßen Jesu. Lasst uns den Geist des Apostels in uns aufnehmen, der da sagt: „Christus ist mein Leben.“ Lasst uns das tun und wir werden wachsen.
III. Und lasst uns uns vor Entschuldigungen hüten!
Es wird uns in unserm Sinne nie an Gründen fehlen, warum wir bis jetzt keine leuchtende und ausgezeichnete Christen haben sein können. Man kann einen hohen Grad von Geistlichkeit in Andern bewundern, während man sich selbst mit einem sehr niedrigen zufrieden gibt. Wir überreden uns selbst, es sei etwas Besonderes in unserm Falle, was es beinahe unmöglich mache, ein Licht zu sein im Herrn. Aber lasst uns alle Entschuldigungen, wie babylonische Gesandten, mit Misstrauen empfangen. Es sind Geldstücke, die aus des Teufels Münze kommen. Lasst uns uns in der Überzeugung gründen, dass wir Gott gerade da, wo wir sind, durch unser Tun oder Leiden ohne Wandel preisen können. Alle unsere Entschuldigungen sind Staub auf der Waage gegenüber dem Wort: „Lass dir an meiner Gnade genügen!“ Täuschen wir uns nicht. Durch die Gnade Gottes können wir gerade jetzt unser Licht leuchten lassen.
Lasst uns nicht sagen: „Wir haben eine schlechte Gesundheit!“ Denkt an den Apostel Paulus: er hatte einen Pfahl im Fleisch, wahrscheinlich ein nie aufhörendes schweres körperliches Leiden, und doch schien es für seine Seele mehr ein Sporn als ein Hemmschuh zu sein.
Lasst uns nicht sagen: „Wir haben viele Versuchungen!“ Denkt an Hiob: Alle Wasserwogen und Wellen gingen über ihn, und doch wankte sein Glaube nicht.
Lasst uns nicht sagen: „Wir haben Familie und Kinder, die uns ängstlich machen und zurückhalten.“ Denkt an David: Niemand ward je zu Hause so geplagt wie er, und doch war er der Mann nach dem Herzen Gottes.
Lasst uns nicht sagen: „Ein großer Haufe zerstreuender Geschäfte kommt täglich wider uns.“ Denkt an Daniel: er hatte wahrscheinlich viel mehr Geschäfte unter seiner Hand, als einer von uns, dennoch fand er Zeit, dreimal des Tages zu beten und seine Gottseligkeit ward zum Sprichwort.
Lasst uns nicht sagen: „Ich stehe allein, die Zeiten sind böse, und keiner um mich dient Gott.“ Denkt an Noah. Die ganze Welt war gegen ihn, dennoch wich er nicht. Er hielt fest am Glauben.
Lasst uns nicht sagen: „Wir leben in Familien, wo an Gott nicht gedacht wird.“ Denkt an Obadja in Ahabs Haus und an Neros Diener zu Rom. Was sind unsere Hindernisse, verglichen mit ihren?
Lasst uns nicht sagen: „Wir sind arm und ungelehrt.“ Denkt an Petrus und Johannes. Sie waren arm und ungelehrt wie irgend Jemand unter uns; dennoch waren sie Säulen der ersten Kirche; sie gehörten zu der Zahl derer, welche in der Welt die gewaltigste Umwandlung begründeten.
Nein, gläubige Brüder, solche Entschuldigungen unseres Mangels an Heiligung werden niemals gelten, so lange Gnade zu haben ist. Lasst uns vielmehr sagen: „Wir sind träge und machen keine Anstrengungen; wir sind ungläubig und machen keinen kühnen Versuch, wir sind weltlich, und unsere Augen sind zu blöde, um die Schönheit der Heiligkeit zu sehen; wir sind Stolz und können uns nicht dazu herunter lassen, uns Mühe zu geben.“ Das lasst uns sagen und wir werden die Wahrheit sagen. Es gibt immer Wege, auf denen wir Gott verherrlichen können, denn der Herr gibt Gnade zum Tun und zum Leiden. Aber der Weg des Trägen ist immer voller Dornen. Die Mauren Jerusalems waren bald gebaut, als das Volk ein Herz gewann zu arbeiten. Wir klagen über den Teufel, aber es gibt zuletzt keinen so schlimmen wie unser eigenes Herz. Wir haben keine Kraft der Gnade, weil wir nicht darum bitten. Der Fehler liegt in uns.
IV. Lasst uns gegen falsche Lehre auf unserer Hut sein.
Ungesunder Glaube wird nie die Quelle wahrhaft gesunden Wandels sein, und in diesen letzten Tagen sind Abweichungen vom rechten Glauben reichlich vorhanden. Darum seht zu, dass eure Lenden umgürtet seien mit Wahrheit, und hütet euch irgendetwas anzunehmen, das nicht durchs Wort bewiesen werden kann. Denkt keinen Augenblick, dass falsche Lehre euch offen unter die Augen treten und sagen wird: „Ich bin falsch, und möchte in dein Herz einziehen.“ Auf die Weise pflegt Satan nicht zu verfahren. Er putzt falsche Lehre auf wie Jesabel, er schminkt ihr Gesicht und kämmt ihr Haar und sucht sie der Wahrheit ähnlich zu machen. Denkt nicht, dass die, welche Irrlehren predigen, niemals etwas Wahres redeten. Wenn das der Fall wäre, würden die falschen Propheten wenig Schaden tun. Nein, sie kommen in Schafskleidern, obgleich sie inwendig reißende Wölfe sind. Ihre Rede wird schriftgemäß sein, mit Ausnahme einiger Sätze; ihre Bücher werden ganz gut sein mit Ausnahme einiger Seiten. Und dies ist die Hauptgefahr religiöser Irrlehre in diesen Zeiten; sie ist gleich den feinen Giften früherer Tage; sie wirkt so trügerisch, dass man sich nicht davor hütet. Brüder, seid vorsichtig. Bedenkt, dass Satan selbst sich verstellt in einen Engel des Lichts.
Hütet euch sorgfältig vor irgendeinem System, das die Welt und die wahren Gläubigen vermischt, und keinen großen Unterschied macht zwischen denen, welche wahre Kinder Gottes und denen, welche es nicht sind. Lasst euch nicht verführen durch den Schein großer Selbstverleugnung und Demut. Es ist viel leichter zu fasten, und im Sack zu gehen und kläglich auszusehen, als die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben ohne des Gesetzes Werke gründlich anzunehmen.
Nennt Niemand Vater auf Erden. Baut euren Glauben nicht auf irgendeinen Lehrer oder eine größere Zahl von Lehrern. Lasst Niemand euren Papst werden. Macht keinen lebenden Christen zu eurem Maßstab für das, was recht ist in Glauben und Leben, wie Hoch auch sein Name, seine Stellung oder seine Gelehrsamkeit sein möge. Lasst die Bibel unsere Glaubensregel sein und nichts als die Bibel und euer Vorbild Christus und nichts anderes.
Hütet euch, dass nicht eure Sinne verrückt werden von der Einfältigkeit in Christo. Seid behutsam in Betreff der Bücher über religiöse Gegenstande, die ihr lest: viele Bücher unserer Zeit sind mit Lehren gefälscht, die das Evangelium beeinträchtigen. Prüft euch oft, ob ihr auf den rechten Wegen geht. Unser verlorener Zustand von Natur; unsere Erlösung durch unsers Erlösers Barmherzigkeit und Treue; die Notwendigkeit der Erneuerung und Wiedergeburt; unserer Rechtfertigung aus Gnaden; dies sind die wichtigsten Lehren, und die Punkte, in denen wir gesund sein müssen, wenn es uns an guten Werken nicht fehlen soll.
V. Lasst uns den Entschluss fassen, es mit kleinen Dingen in unserer täglichen Übung der Frömmigkeit genau zu nehmen.
Lasst uns die kleinen Pflichten nicht vernachlässigen, lasst uns uns die kleinen Fehler nicht verzeihen. Wie gering es auch scheinen mag, nichts ist in der Tat von geringer Bedeutung für unsere Seele. Alle Krankheiten sind gering im Anfange. Manches Sterbebett fängt mit einer kleinen Erkältung an. Nichts, was wachsen kann, ist auf einmal groß; die größte Sünde muss einen Anfang haben. Nichts, was groß ist, gelangt in einem Tage zur Vollendung; Gesinnungen und Gewohnheiten sind alle die Ergebnisse kleiner Handlungen. Kleine Schläge verfertigten die Arche, die Noah rettete. Kleine Riegel hielten das Zelt zusammen, welches die Herrlichkeit Israels war. Wir reisen auch durch eine Wüste; lasst uns den Kindern Merari gleich sein, deren Amt es war, der Bretter, der Riegel, der Säulen-Füße der Wohnung zu warten.
Gläubige, vergesst nicht, wie voll die Episteln von Anweisungen über die Einzelheiten des christlichen Lebens sind. Die Apostel hielten es nicht für hinreichend zu sagen: „Ihr sollt heilig sein;“ sie nannten auch die einzelnen Tugenden, in denen sich die Heiligkeit offenbart. Seht, wie sie sich aufhalten bei den Pflichten der Ehemänner und der Frauen, der Herren und Diener, der Eltern und Kinder, der Obrigkeiten und Untertanen, der Alten und Jungen. Seht, wie sie uns im Einzelnen einschärfen, nicht träge zu sein in dem, was man tun soll; freundlich, herzlich, versöhnlich, rechtschaffen, wahrhaftig, mäßig, sanftmütig, leutselig, demütig, barmherzig, geduldig zu sein. Seht, wie sie uns ermahnen, unsere Zungen im Zaum zu halten, unsere Rede mit Salz zu würzen, faules Geschwätz und Narrenteiding1) von uns zu tun, nicht Gefallen zu haben an uns selber, die Zeit auszukaufen, zufrieden zu sein mit dem, was da ist, und wir essen oder trinken, das alles in dem Namen des Herrn Jesu zu tun.
Brüder, Manche denken, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen, sei gesetzliches Wesen; aber ich halte es für gut, euch daran zu erinnern, - ich bin gewiss, es hat damit keine Gefahr. Wenn der Geist Gottes es für gut erachtet hat, sich so viel damit in dem Worte zu beschäftigen; so kann ich nicht zweifeln, dass es gut für uns sein muss, darauf bei unserm Wandel zu achten.
Es ist viel leichter, Heiligkeit im Allgemeinen zu bekennen, als sie in ihren besonderen Erscheinungen auszuführen, und ich fürchte, dass Viele sehr viel von Heiligung im Ganzen reden, aber wenig von derselben im Einzelnen wissen.
Ich glaube fest, dass die Leichtfertigkeit in diesen Dingen in unserer täglichen Handlungsweise eine besondere Art und Weise ist, den Geist Gottes zu betrüben und uns, als Folge davon, geistige Unfruchtbarkeit und Armseligkeit zuzieht.
VI. Lasst uns tätiger sein in dem Bemühen, der Welt wohl zu tun.
Sicherlich könnten wir alle viel mehr für die unbekehrten Seelen tun, als wir bis jetzt getan haben. Viele von uns, ach, können so ruhig sein, dass man vermuten sollte, Jedermann um sie herum wäre bekehrt und das Reich Christi vollständig aufgerichtet. Ich bitte euch, lasst uns diese Schleppgewänder ablegen.
Sind alle unsere Freunde und Verwandte in Christo? Sind alle unsere Nachbaren und Bekannte innerhalb der Arche? Haben alle innerhalb unsers Bereiches die Wahrheit in der Liebe angenommen? Haben wir sie alle gebeten, hereinzukommen? Haben wir ihnen allen den Weg des Heiles bekannt gemacht und unsere eigene Erfahrung von der Güte des Weges? Haben wir alles getan, was wir können? Haben wir alle Mittel versucht? Ist kein einziger übrig, dem wir christliche Freundlichkeit erzeigen und das Evangelium anbieten können? Können wir, wenn eine Seele nach der andern um uns weggenommen wird, unsere Hände zu Gott aufheben und sagen: „Herr, wir sind rein von diesem Blut!“ Sicherlich, meine Brüder, sollte die Gnade eine ebenso starke Triebfeder zur Ausbreitung des Guten sein, als die Sünde zur Ausbreitung des Bösen. Sicherlich, wenn wir nur den zehnten Teil von dem Eifer hätten, welchen Satan zur Ausbreitung seines Reiches zeigt, würden wir viel mehr Sorge für die Seelen anderer Menschen haben. Wo ist unser Mitleid und Erbarmen, wenn wir Seelennot um uns sehen können, und nicht verlangen, sie zu vermindern.
Lasst uns zu einem rechten Verständnis unserer Verantwortlichkeit in diesem Punkte erwachen. Wir beklagen es, dass die Welt voll Schlechtigkeit ist. Und mit Recht. Aber tun wir ein Jeder das Seine um sie zu bessern? Handeln wir nach dem Sprichwort: „Die Stadt ist bald rein, wenn ein Jeder vor seiner Tür kehrt.“ Lasst uns Allen mehr Gutes zu tun suchen. Lasst es uns als etwas Schmerzliches betrachten, allein in den Himmel zu gehen, lasst uns versuchen, so viel Genossen mit zu nehmen, als wir nur können. Lasst uns nicht länger stumm bleiben, und Glocken sein, die nicht läuten. Lasst uns warnen und bitten und einladen und strafen und raten und von Christo zeugen, zur Zeit und zur Unzeit, je nachdem wir Gelegenheit haben, indem wir sagen: „Kommt mit uns, und wir wollen euch wohl tun; das Licht ist süß; kommt und lasst uns wandeln im Lichte des Herrn.“ Lasst uns nicht denken, auf diese Weise sei nichts ausgerichtet, weil unsere Augen es nicht sehen; wir müssen im Glauben wandeln und nicht im Schauen. Lasst uns im Wohltun nicht müde werden, weil wir vergeblich zu arbeiten scheinen; wir können versichert bleiben, dass wir in der Hand eines guten Meisters sind und zu seiner Zeit auch ernten werden ohne Aufhören.
Der Fleiß im Gutestun ist ein Mittel, ein fröhlicher Christ zu werden; er ist das, was die Übung für den Leib ist, er erhält die Seele gesund. Er ist ein großer Beweis von Liebe gegen den Herrn Jesus, und ein Beweis, den wir allein während unsers Lebens geben können. Jetzt ist die Zeit, Andern Gutes zu tun, und nicht später. Im Himmel wird es keine Missions- , keine Bibelgesellschaften, keine Besuchvereine geben, keine Sorglose zu warnen, keine Unwissende zu belehren, keine Kranke zu warten, keine Traurige zu trösten, keine schwachen Heilige zu stärken geben. Im Himmel gibt es Liebe, Freude, Friede, Dank, aber keine Gelegenheit für Glaube, Eifer, Mut, Arbeit, Geduld, deren Erweisung ist dort vorüber: wenn wir diese Gnadengaben je anwenden wollen, muss es hier geschehen. O, lasst uns eilen; denn die Zeit ist kurz. Lasst's uns machen wie der Christ in Bunyans Pilgerreise, als seine Bürde von ihm ab in das Grab fiel, war sein erstes der Versuch, schlafende Seelen zu wecken.
VII. Zuletzt lasst uns uns mehr Mühe geben, andere Gläubige zu erbauen.
Es ist schmerzlich und betrübend, zu sehen, wie die Schrift hierüber spricht und damit das Betragen Bieler aus Christi Volke zu vergleichen.
Paulus schreibt den Korinthern, dass die Glieder Christi wie die Glieder Eines Leibes für einander Sorge tragen müssten. Er sagt zu den Thessalonichern: „Ermahnt euch untereinander und baut einer den andern, wie ihr denn tut.“ Er sagt zu den Hebräern: „Nehmt einander selbst wahr mit Reizen zur Liebe und guten Werken; und ermahnt euch untereinander und das so viel mehr, so viel ihr seht, dass sich der Tag naht.“
Brüder, ich fürchte, wir bleiben in dieser Beziehung weit hinter den Christen des Neuen Testamentes zurück. Wir sind auf traurige Weise geschickt, diese gegenseitige Erbauung aus dem Auge zu verlieren, wenn wir in der Gesellschaft gläubiger Freunde sind. Gebet und Wort Gottes und gottselige Unterhaltung erhalten nicht den ersten Platz, und wenn wir uns absondern, ist's um nichts besser, sondern eher schlimmer. Viel zu oft zeigen wir so viel Kälte und Zurückhaltung und Scheu und Abneigung, dass man glauben sollte, wir schämten uns Christi und hielten es für geeignet, unsern Mund zu halten und von dem Namen des Herrn keine Erwähnung zu tun.
Das sollte nicht so sein. Wir bekennen, dass wir alle in demselben Kampfe stehen, mit denselben Feinden streiten, mit denselben bösen Herzen geplagt. sind, auf denselben Herrn vertrauen, von demselben Geist geleitet werden, dasselbe Brot essen, zu derselben Heimat reisen. Warum wollten wir das denn nicht zeigen? Warum sollten wir nicht immer bereit sein, mit einander Gemeinschaft zu pflegen? Warum sollten wir nicht suchen, einander vorwärts zu bringen, einer von des andern Erfahrung Nutzen zu ziehen, einer des andern Last zu tragen, einer des andern Hand zu stärken, einer des andern Herz zu erquicken, einer mit dem andern zu reden, wie Moses und Jethro, von dem, was unsern König betrifft. Hier findet sich ein Fehler an uns, der verbessert werden sollte.
Lasst uns die Bibel mehr zur Sprache bringen, wenn wir zusammenkommen. Keiner von uns kennt sie schon ganz; unser Bruder kann in ihr eine Perle gefunden haben, die unsern Augen entgangen ist, und wir können ihm vielleicht etwas anderes dagegen zeigen. Sie ist die gemeinsame Reisekarte, nach der wir alle reisen; lasst uns nicht tun, als wenn wir ein jeder eine besondere und uns allein gehörende Karte in einem Winkel zu studieren hätten. O, dass das Wort wie ein brennend Feuer in unsern Beinen wäre, dass wir nicht lassen können davon zu reden!
Lasst uns öfter von der ewigen Heimat reden, nach der wir reisen. Kinder reden gern vor ihren Ferien von Hause, ihre Herzen sind voll, sie können nicht anders, warum sollten wir nicht dasselbe tun? Sicherlich steht es den Bürgern des Himmels schlecht an, denen nichts vom Himmel zu sagen, mit denen sie für immer darin zusammen zu wohnen gedenken. Die Kinder dieser Welt sind nicht so scheu, von ihren Plänen für die Zukunft zu reden; warum sollten wir denn ein solches Stillschweigen beobachten?
Lasst uns nach einer engeren Verbindung mit allen wahren Gläubigen streben. Dies wird mit dazu dienen, uns Christi Gegenwart auf unserer Reise zu verschaffen. Die zwei Jünger, welche nach Emmaus gingen, redeten von heiligen Dingen, als sich der Herr zu ihnen gesellte. Lasst uns oft so zu einander reden, und der Herr wird zuhören und daran gedenken. Dies wird zugleich das Wachstum und die Stärkung unserer Seelen mächtig befördern. Das Feuer in uns bedarf eines beständigen Schürens und Nährens, um es hell zu erhalten. Viele können bezeugen, dass sie in der Gemeinschaft ein besonderes Gnadenmittel finden. Wie ein Messer das andere wetzt, so ein Freund den andern; - und der Schwächste kann den Stärksten wetzen, wie der Schleifstein die Sense. Wer Heiligkeit in Andern zu befördern sucht, soll davon einen reichen Segen für seine eigene Seele ernten; er begießt Andere, und wird selbst auch begossen werden.
Gläubige Brüder, ich habe es für gut gehalten, euch dies über die Heiligkeit zu schreiben. Ich begehre es in aller Demut zu tun. Ich bedarf es so sehr wie irgendeiner, selbst daran erinnert zu werden. Last uns alle den Entschluss fassen, dem nachzustreben, und ich bin gewiss, wir werden es nicht bereuen.
Und nun, geliebte Brüder, bin ich fertig, ich habe euch kürzlich alle Wünsche meines Herzens ausgesprochen. Bekehrung für den Unbekehrten, Entscheidung für den Schwankenden, Wachstum in der Gnade für den Gläubigen, das ist die Summe meiner Wünsche für euch. Ich kann euch nichts Besseres wünschen, denn dies ist der Weg zur wahren Glückseligkeit. Ich will euch nichts Minderes wünschen, denn ohne diese Dinge, weiß ich, gibt es keinen Frieden. Der Tod kann unter uns bald geschäftig sein, lasst uns uns alle bemühen, in Christo erfunden zu werden. Satan wird unter uns ohne Zweifel geschäftig sein, - lasst uns alle wachen und beten. Lasst uns uns hüten vor dem Geiste des Schlafes und der Äußerlichkeit und besonders in dem eigenen Lesen und Beten.
Möchte unser Weg zur Quelle durch tägliche Gänge geebnet, unser Schlüssel zum Schatz der Gnade durch beständigen Gebrauch blank werden. Möchten wir mehr beten und ernstlicher beten. Möchten die, welche niemals gebetet, anfangen zu beten; die, welche gebetet, besser beten. Betet für euch selbst, dass ihr den Herrn Jesus klarer kennen und ihm inniger anhangen möget; dass ihr vor Straucheln behütet werdet; dass ihr euren Brüdern dienen lernet; dass ihr in Glückseligkeit dankbar, in Widerwärtigkeit geduldig, und allezeit demütig sein möget.
Betet für die Gemeinde, zu welcher ihr gehört, dass das Wort Gottes darin laufe und gepriesen werde; dass das Kapital des Glaubens stärker und das des Unglaubens schwächer werde.
Betet für euer Land, dass seine Diener das Evangelium predigen und gesund seien im Glauben; dass seine Obrigkeit die Bibel schätze und ihr gemäß regiere; und sein Leuchter nicht weggenommen werde.
Und betet nicht am wenigsten für euren Pastor; dass er stark und willig sei, zu eurem Besten zu arbeiten, dass alle seine Krankheit geheiligt und alle seine Gesundheit dem Herrn gegeben werde; dass er immer gelehrt werde von dem heiligen Geist und also im Stande sei, auch andere zu lehren; dass er im Glauben bewahrt werde bis zum Tode, und so zur Heimfahrt möge bereit sein, wenn er gerufen wird. Lasst uns alle einer für den andern beten, ich für euch und ihr für mich, und wir werden im Tode selig sein! Amen.