Rutherford, Samuel - Briefe - Briefe An die Viscountess Kenmure.

Rutherford, Samuel - Briefe - Briefe An die Viscountess Kenmure.

1.

Gnädige Gräfin!

Mit Betrübniß habe ich von Ihren Leiden und Ihrer Krankheit gehört; doch ich habe die Zuversicht, Sie haben gelernt, zu sagen: „Es ist der HErr, Er thue, was Ihm wohlgefällt.“

Es sind nun viele Jahre verstrichen, seit die abgefallenen Engel die Frage thaten, ob ihr Wille, oder der Wille ihres Schöpfers geschehen sollte; und seit dieser Zeit hat das verkehrte Geschlecht der Menschen sich immer auf dieselbe Weise mit ihnen gegen Gott aufgelehnt durch ein tägliches Widerstreben gegen Seinen Willen. Aber der HErr, der zugleich beides Parthei und Richter ist, hat erklärt, „Mein Anschlag besteht und ich thue alles, was mir gefällt.“ Jes. 46, 10. So ist es denn am Besten für uns, im Gehorsam des Glaubens und in heiliger Unterwerfung, Gott das zu geben, was das Gesetz Seiner allmächtigen und rechtmäßigen Gewalt von uns fordert; und so will der HErr, daß auch Sie in allen Lagen des Lebens sprechen: „Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel!“ und das wird Ihr Trost sein, daß Der, der alle Ihre Uebel durchschaut und der die Ohnmacht und Gebrechlichkeit Ihrer Natur kennt und der weiß, was Ihrer Seele am heilsamsten ist, Ihnen jeden Schmerzens-Kelch selbst mit Seiner eigenen gnädigen Hand darreicht. Glauben Sie nie, daß Ihr liebreicher Erlöser, der weiß, was für ein Gemächte Sie sind, in diesen Kelch eine Drachme Gift mischen wird; trinken Sie denn mit der Geduld der Heiligen, und der Gott der Geduld wird Ihre Arznei Ihnen segnen. Sie klagen über Ihren innern Tod und über den Mangel an Kraft und Leben aus Gott; fassen Sie Muth, - Er, der im Garten wandelte und dem Adam rief, wird auch in Ihre Seele kommen und Sie ein süßeres Wort hören lassen. Sie gleichen hierin dem Jakob, welcher über den vermeintlichen Tod des Joseph trauerte, während dieser noch lebte. Die neue Kreatur; das Bild des zweiten Adams lebt in Ihnen, und doch klagen Sie über den vermeintlichen Tod des Lebens Christi in Ihnen. Ich bin voll Zuversicht, daß Jesus Christus, den Sie suchen, in Ihnen ist; doch sage ich dieß nicht, um Ihnen ein Ruhekissen unterzulegen oder um die heilige Furcht vor dem Verluste Ihres Heilandes ihnen auszureden. Ich weiß, bei geistlicher Sicherheit ist der Teufel geschickt, sich einzuschleichen und er wird versuchen, Sie in einen gefährlichen Schlaf zu bringen, bis der, den Ihre Seele liebt, Ihres Herzens Thür verlassen und aufgehört hat, anzuklopfen; deshalb muß hier der heilige Geist Ihre Seele in der rechten Mitte erhalten, zwischen zuversichtlichem Ruhen in den Armen Christi und trägem, übermüthigem Schlaf in dem Bette fleischlicher Sicherheit. So wenig Sie daher bei Ihrem eigenen Elend und Ihrer sündlichen Schläfrigkeit von sich selbst erwarten, um so viel mehr erwarten Sie von der unveränderlichen Barmherzigkeit Gottes. Viele Christen sind gleich jungen Schiffsleuten, welche, indem sie und das Schiff bewegt werden, meinen, das Ufer und das ganze Land bewege sich, - gerade so meinen nicht wenige, Gott bewege sich und sei veränderlich, weil ihre schwindligen Seelen unter Segel sind, der Veränderung und der Ebbe und Fluth unterworfen. - Aber „der feste Grund Gottes bestehet;“ Gott weiß, daß Sie Ihm angehören. Gehen Sie vorwärts unter Ringen, Kämpfen, Wachen, Glauben und Gebet; so haben Sie die untrüglichen Kennzeichen der Erwählten des HErrn an sich. Jetzt liegt eine Krankheit vor Ihnen und weiterhin der Tod; sammeln Sie Nahrung zur Reise. Gott gebe Ihnen Augen, über Krankheit und Tod hinweg zu sehen und das zu erblicken, was jenseits des Todes liegt. Sie haben nur diese zwei seichten Bäche zu durchwaten, Krankheit und Tod; und dabei haben Sie die Verheißung, daß Christus Ihnen entgegen kommen und Sie auf Seinen Armen hindurch tragen wird. O, um der Freude willen, die Ihnen dann bevorsteht, um der Liebe willen Dessen, der da Gott ist, hochgelobt in Ewigkeit und der am Ufer steht, Sie willkommen zu heißen, laufen Sie Ihre Bahn in Geduld, der HErr geht mit Ihnen. Der Tod an sich umfaßt zwar beides, den Tod des Leibes und den Tod der Seele; aber für die Kinder Gottes sind die Grenzen des Todes auf einen engeren Raum beschränkt, - so daß, wenn Sie sterben, der Tod nur einen Theil von Ihnen ergreifen kann; nur der geringste Theil an Ihnen wird sterben, das ist die Auflösung des Leibes, denn in Christo sind Sie erlöset von dem zweiten Tode. Daher, als von Gott geboren, thun Sie nicht Sünde (wenn Sie auch, so lange Sie leben, Sünde haben werden), so wird die Schlange nur Ihren irdischen Leib verzehren. Ihre Seele ist frei vom Gesetze des Todes, aber es ist gefährlich, mit Sünden-Schuld belastet, ein Diener der Sünde zu sein, denn Sie sind nicht im Stande, die Sündenschuld vor Gott zu berichtigen, Christus muß für Sie zahlen. Ermuntern Sie Ihren Gemahl, Ihren Bruder und alle Ihre Umgebungen, sich auf die Seite des HErrn zu stellen wider Baal. Ich bin voll Hoffnung, Ihr Gemahl liebt den Frieden und das Glück Zions; der Friede Gottes sei mit ihm. Ich befehle Sie nun und immerdar der Gnade des Gottes, der mächtig ist, Sie zu bewahren vor dem Fall. Der HErr Jesus sei mit Ihrem Geiste!

Anwoth, 27. Juli 1628. S. R.

4

2.

Gnädige Gräfin!

Die Gnade und das Erbarmen Gottes des Vaters und Seines Sohnes Jesu Christi sei mit Ihnen! - Es war mir schmerzlich, abzureisen und Sie in Traurigkeit zurückzulassen, und es würde mich noch mehr bekümmert haben, wenn ich nicht gewiß wäre, daß Einer bei Ihnen ist in der Trübsalshitze, dessen Angesicht gleich ist dem Sohne Gottes. Ich weiß, wenn Sie Gott nicht theuer wären und Ihr Wohl es nicht erforderte, Er würde nicht so viel Arznei an Sie verschwenden. Alle Brüder und Schwestern Jesu Christi müssen Seinem Bilde im Leiden ähnlich werden, einige unter ihnen aber kommen dem Vorbilde besonders nahe.

Halten Sie es für einen Theil Ihrer Herrlichkeit, zu denen zu gehören, welche der Aeltesten Einer dem Johannes zeigte: „Diese sind es, die gekommen sind aus großer Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und helle gemacht im Blute des Lammes.“ Sie haben ein Kind verloren - nein, es ist Ihnen nicht verloren, das Christus gefunden hat; es ist nicht weggesendet, es ist nur vorausgesendet, gleich einem Stern, welcher, indem er aus unserem Gesichtskreis verschwindet, nicht vergeht oder verlischt, sondern auf einer andern Halbkugel erscheint. Sie sehen es nicht mehr, aber doch scheint es in einem andern Lande. Wenn sein Leben hier nur eine kurze Stunde gedauert, so hat es in der Ewigkeit gewonnen, was ihm hier an Zeit verkürzt war, und Sie sollen sich freuen, daß Jemand, der Ihnen angehörte, nun im Himmel ist. Bauen Sie Ihr Nest auf keinen Baum hienieden, denn Sie sehen, Gott hat den Wald dem Tode verkauft und jeder Baum, auf dem wir unsere Ruhe suchen wollen, ist schon bezeichnet, um abgehauen zu werden, damit wir fliehen und in die Höhe steigen, auf dem Felsen uns anbauen und wohnen in den Höhlen des Felsen. - Was Sie außer Christo, Ihrem Bräutigam, noch lieben, ist ein fremder Buhle; nun ist es Gottes besonderer Segen über Juda1), daß Er sie ihren Weg nicht will finden lassen, wenn sie fremden Buhlen nachläuft; „darum siehe, ich will deinen Weg mit Dornen vermachen und eine Wand davor ziehen, daß sie ihren Steig nicht finden soll; und wenn sie ihren Buhlen nachläuft, daß sie die nicht ergreifen kann.“ O dreimal selige Juda, wenn Gott eine Wand zieht zwischen dir und dem höllischen Feuer! Die Welt und die Dinge dieser Welt, Gnädige Gräfin, sind die Buhlen, welche Sie Ihrer Natur nach lieben, - die Dornhecke und die Wand, welche Gott über Ihren Weg zieht, um Sie zu hindern, diesen Buhlen nachzulaufen, sind die Dornhecken des täglichen Kummers, des Verlustes von Kindern, der Schwachheit des Leibes, Ungewißheit der Lage, Mangel an weltlichem Trost und Furcht vor dem Zorne Gottes über unbereuete Sünden. Aber was verlieren Sie, wenn auch Gott diese Hecke täglich dichter und fester flicht? Gott sei gelobt, daß Er Sie Ihren Steig nicht finden läßt; kehren Sie zurück zu Ihrem rechten Bräutigam.

Werden Sie nicht müde, denken Sie aber auch nicht, daß der Tod sich langsamen Schrittes Ihnen naht. Sie müssen noch reifer werden, ehe Sie abgeschüttelt werden; Ihre Tage sind nicht länger, als die des Hiob, welche „schneller gewesen sind, denn ein Läufer und vorüber gegangen sind, wie die starken Schiffe, wie ein Adler flieget zur Speise.“ (Hiob 9,25.26.) Es ist heute weniger Sand in Ihrer Sanduhr, als gestern und die Spannenlänge der unaufhaltsam dahinrollenden Zeit wird bald zu Ende sein; aber die Barmherzigkeit Gottes ist um so größer, je mehr Jahre Ihnen gegeben werden, in denen Sie lernen sollen, wie und unter welchen Bedingungen Sie Ihre Seele in den tiefen Abgrund der unendlichen Ewigkeit versenken sollen. Der HErr hat Ihnen gesagt, was Sie thun sollen, bis Er kommt;, wartet und eilet zu der Zukunft des Tages des HErrn,„ sagt Petrus. Alles, was hier ist, ist Nacht wegen der Unwissenheit und der täglich auf einander folgenden Unruhen, wo eine der andern folgt, wie eine Meereswelle auf die andere; deßhalb seufzen und sehnen Sie sich nach dem Anbruch des Tages der Zukunft des Menschensohnes, vor welchem die Schatten verschwinden werden. Seien Sie überzeugt, der König kommt bald, lesen Sie Seinen Brief, den Er vorausgesandt hat: „Siehe, ich komme bald!“ Warten Sie mit dem müden Wächter auf das Brechen der Wolken im Osten und denken Sie, daß Sie keinen Morgen mehr haben. Zeigen Sie sich als Christin durch Leiden ohne Murren. - Fassen Sie Ihre Seele in Geduld; wer Christum gewinnt, verliert nichts. Ich befehle Sie der Gnade und Barmherzigkeit unseres HErrn Jesu, Sie versichernd, daß auch Ihr Tag nahe ist und daß Gottes Gnade Ihrer wartet. Der HErr Jesus sei mit Ihrem Geiste.

Anwoth, 15. Januar 1629.

S. R.

3.

Gnädige Gräfin!

In Jesu Christo Sie begrüßend, muß ich mit Schmerzen Ihnen vielleicht auf immer Lebewohl sagen, da ich wenig Aussicht habe, Ihr* Angesicht vor der Zeit der letzten großen Versammlung der ganzen Kirche wieder zu sehen; doch verspreche ich Ihnen durch Seine Gnade Sie und alle Ihre Lasten mehr als zuvor dem HErrn darzubringen, der da mächtig ist, Sie zu erlösen und Ihnen Ihr Erbe zu geben mit allen Heiligen. Sie gehen in ein Land, in welchem die Sonne der Gerechtigkeit durch Verkündigung des Evangelii nicht so hell scheint, als in diesem Königreich; wenn Sie aber erfahren können, wo Er, den Ihre Seele liebt, ruhet und weidet am Mittage, wo Sie auch sind, so gehen Sie hinaus auf die Fußstapfen der Schafe und weiden Sie bei den Häusern; das heißt, fragen Sie nach den Wächtern der Stadt des HErrn, welche Ihnen gewiß sagen, wo Er zu finden ist, den Ihre Seele liebt. Ich bin gewiß, Sie sind mit dem wahren Christus so fest verlobt, daß Sie Ihre Liebe keinem falschen Christus mehr geben werden. Sie wissen nicht, wie bald Ihr Hochzeitstag erscheinen kann; ist nicht die Ewigkeit Ihnen ganz nahe? Es ist daher wohl Zeit, daß Sie Ihr Hochzeitskleid bereit halten; schlafen Sie nicht, wenn Ihr Bräutigam kommt. Ich bitte Gott, daß Sie bereit sein mögen, wenn Er anklopft. Fürchten Sie nicht, aus diesem Lande nach einem andern Theile der Erde zu ziehen; die Erde ist des HErrn und was darinnen ist. Dieß ist das untere Haus des HErrn; so lange wir hier wohnen, können wir nicht immer in einem Zimmer sein, sondern müssen es uns gefallen lassen, aus einem Winkel in den andern zu ziehen, in der Hoffnung, daß, wenn wir die obere Stadt des HErrn, das Jerusalem das droben ist, erreicht haben, wir nicht mehr umherzuziehen brauchen, weil wir alsdann daheim sein werden. So gehen Sie denn, wohin es sei; ist der HErr mit Ihnen, so sind Sie daheim. Jesus sei Ihr Schatten und Ihr Schirm. Ich habe viele und verschiedene schwere Schläge erlitten, seit der HErr mich in das Amt rief; doch Ihre Entfernung aus unserer Mitte zähle ich zu den schwersten. Aber ich erkenne, daß Gott uns alles dessen berauben will, was wir abgöttisch verehren, damit Er den Ihm allein gebührenden Platz behalte. Ich sehe nur sehr wenig Frucht meines Amtes und würde mich freuen nur von einer einzigen Seele zu wissen, die meine Krone und Freude an dem Tage Christi sein könnte. „Ich dachte, ich arbeitete vergeblich und brächte meine Kraft umsonst und unnützlich zu, wiewohl meine Sache des HErrn und mein Amt meines Gottes ist.“ (Jes. 49,3.) Der HErr mache mich nur tüchtig, allen Leiden in's Angesicht zu sehen. Ich befehle Sie nach Leib und Geist in die Hände Dessen, Der uns geliebt und gewaschen hat von den Sünden mit Seinem Blute. Gnade, Gnade, ewige Gnade sei mit Ihnen. Beten Sie, beten Sie ohne Unterlaß.

Anwoth, 14. September 1629.

S. R.

4.

Gnädige Gräfin!

Mich verlangt schmerzlich von Ihrem Leben, Ihrer Gesundheit und Ihrem Wachsthum in der Gnade Gottes zu hören. Ich bitte Sie dringend, geben Sie mir mit wenig Worten Nachricht von Ihrer gegenwärtigen Lage. Ich weiß, Sie stehn in Leiden und im Druck; wäre es nicht so, so möchten Sie erschrecken, weil alsdann Ihr Weg dem Wege nicht ähnlich sein würde, welcher nach dem Worte unsers HErrn nach dem neuen Jerusalem führt. Ich bin überzeugt, wüßten Sie, was vor Ihnen liegt, oder erblickten Sie nur einige Strahlen davon, Sie würden mit Freuden durch die gegenwärtigen Fluthen der Trübsal hindurch gehen und Ihre Arme voll Verlangen, das Ufer zu erreichen, ausbreiten. Wenn Gott Ihnen den heiligen Geist als Angeld auf Ihr ewiges Erbe gegeben hat, so freuen Sie sich; denn unser Gott will sein Angeld nicht verlieren, noch wird Er zurückgehen oder Seinen Kampf bereuen. Und wenn zu Zeiten Ihre Seele mit besonderer Sehnsucht, Gott zu schauen, erfüllt wird, so freuen Sie sich der seligen Gewißheit, daß Sie zu diesem Anblick gelangen werden. Friede des Gewissens, Freiheit im Gebet, die offenen Thüren zu den Schätzen Gottes und ein erquickender Blick von Ihm, der freundlich zu uns spricht: „Willkommen, du betrübte Seele,“ dieß ist das Angeld, welches Er oft gibt und unser Herz fröhlich macht und welches ein sicheres Unterpfand ist, daß Er den Kauf halten werde. Aber um dieses Angeld zu erhalten, ist es gut, wenn wir oft zu Gott kommen, sowohl im Gebet, als auch im Anhören Seines Worts. Ich meine, Sie müssen Seiner harren und sich oft mit Ihm vereinigen; denn der Christus, der Sie erlöset hat, ist ein redender Christus; die Kirche unterscheidet Seine Stimme unter Tausenden. Wenn der HErr kommt, so spricht Er zu dem Herzen in der Einfalt des Evangeliums. Weder meine Zunge noch meine Feder vermag die Glückseligkeit derer auszusprechen, welche in Christo sind; und wenn Sie einmal alles werden verkauft und den Acker gekauft haben, worin diese Perle ist, dann werden Sie den Gewinn bei diesem Tausche erkennen; denn, sind Sie in Ihm, so besitzen Sie alles; da Er spricht: „Weil ich lebe, sollt auch ihr leben,“ und: „Bleibet in mir und ich in euch.“ O süße Gemeinschaft, wenn Christus und wir völlig vereint sind! „Vater, ich will, daß wo ich bin, auch die bei mir seien, die Du mir gegeben hast, daß sie meine Herrlichkeit sehen, die Du mir gegeben hast.“ Amen, liebster Jesus, laß es geschehen nach Deinem Worte!

Ich wundre mich, daß Ihr Herz je niedergeschlagen sein kann, wenn Sie diesen Worten recht glauben. Wer bei so herrlichen Verheißungen nicht um Jesu willen vierzig Jahre der Trübsal erdulden will, ist Seiner nicht werth; aber wir glauben diesen Verheißungen, wie jener Mann, der Plato's Schriften über die Unsterblichkeit der Seele las; so lange er das Buch in der Hand hielt, glaubte er, alles sei wahr, seine Seele könne nicht sterben, aber kaum hatte er das Buch bei Seite gelegt, so begann er gleich, sich einzubilden, seine Seele sei nur ein Hauch oder Dampf, der mit dem Aushauchen des Athems vergehe; eben so auch wir, zu Zeiten glauben wir den köstlichen und süßen Verheißungen, aber so bald wir Gottes Wort bei Seite legen, ziehen wir Alles wieder in Zweifel. Darin besteht der wahre Glaube, auch ohne Unterpfand zu glauben und das Herz fest und beständig zu erhalten und so bald Zweifel entstehen, zum „Gesetz und Zeugniß“ zu laufen und dort auszuharren. Daselbst bleiben Sie, denn das ist Ihres Vaters Testament; lesen Sie es. Er hat Ihnen darin Vergebung der Sünden und ewiges Leben vermacht. Wenn Ihnen in dieser Welt nur Kreuz, Leiden und Demüthigungen aller Art zu Theil würden und der HErr sich Ihnen auch noch so oft verbergen sollte, dennoch ist es Seine Absicht, Ihnen am letzten Ende nur wohlzuthun und Ihnen Ruhe zu geben nach den Tagen der Trübsal. „Es ist gut, in der Jugend das Joch des HErrn zu tragen.“ Suchen Sie einen festen Halt, als eine Gefangene auf Hoffnung, „denn die Weissagung wird ja noch erfüllt werden zu seiner Zeit und wird endlich frei an den Tag kommen und nicht außen bleiben. Ob sie aber verziehet, so harre ihrer, sie wird gewißlich kommen und nicht verziehen.“2) Hören Sie den HErrn selbst reden: „Komm, mein Volk, (- freuen Sie sich, Er spricht zu Ihnen, -) gehe hin in deine Kammer und schließe die Thür nach dir zu; verbirg dich einen kleinen Augenblick, bis der Zorn vorüber gehe.“3) So glauben Sie denn, glauben Sie und Sie werden selig sein; scheuen Sie es nicht, in diesem Leben Ihren Willen und Ihre Freude zu verleugnen; Gott will, daß Sie sich einzig in Ihm erfreuen. „Es sei aber ferne von Ihnen, rühmen, denn allein des Kreuzes unsers HErrn Jesu Christi.“ Gnade sei mit Ihnen! Der große Engel des ewigen Bundes bewahre Sie nach Leib und Seele.

Anwoth, 1. Februar 1630.

S. R.

5.

Gnädige Gräfin!

Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen. Ich habe Ihren Brief erhalten, aus welchem ich ersehe, daß Ihr Leben in dieser Welt geheiligt ist durch die Gemeinschaft mit dem Sohne Gottes in Seinem Leiden. Sie können, ja Sie dürfen hier keine lieblichere und leichtere Lage haben wollen, als Er hatte, der durch Leiden vollendet wurde. Wir fragen freilich wohl: Kann Gott uns nicht im Glück und Wohlergehen in den Himmel führen? Wer zweifelt daran, daß Er es könne? Aber Seine ewige Weisheit hat das Gegentheil bestimmt; und obgleich wir die Gründe davon nicht einsehen, so hat Er doch die besten. Wenn Sie das jenseitige Ufer des Wassers4) erreicht und Ihr Fuß die Schwelle der Ewigkeit betreten haben wird, und Sie alsdann zurückblicken auf die mühevolle Reise und tiefer in den Abgrund der Weisheit Gottes sehen und in den klaren Spiegel der endlosen Herrlichkeit, dann werden Sie sagen müssen, hätte Gott mich anders geführt, so würde ich nie zum Genusse dieser Krone der Herrlichkeit gelangt sein. Es ist jetzt Ihre Aufgabe, zu glauben, zu leiden, zu hoffen und zu harren. Ich bezeuge in der Gegenwart des allsehenden Auges, das da siehet, was ich schreibe und denke, ich möchte, trotz aller Bitterkeit des Kreuzes, nicht die seligen Erfahrungen der Tröstungen Gottes entbehren, die ich unter dem Kreuze gemacht. Ja, ob Gott zu Seinen Kindern mit der Ruthe oder ob Er mit der Krone kommt; wenn Er nur selbst kommt, so ist es gut. Willkommen, willkommen, O Jesu, wie Du auch immer kommen magst, wenn wir nur einen Blick von Dir erlangen. Gewiß, es ist besser, krank sein, wenn Christus zu uns an das Lager tritt und spricht: „Sei getrost, ich bin dein Heil,“ als gesund sein und nicht von Gott besucht werden.

Kämpfen und siegen Sie in der Kraft Christi; Sie sind jetzt allein, aber Sie können, wenn Sie darum bitten, allezeit drei in Ihrer Gesellschaft haben, den Vater, den Sohn und den heiligen Geist, welche Ihnen wahrlich nahe sind. Sie sind jetzt des lebendigen Gottesdienstes beraubt, so war auch Israel in seiner Gefangenschaft; aber hören Sie Gottes Verheißung für Israel: so spricht der HErr, HErr: „Obwohl ich sie ferne weg unter die Heiden geworfen und sie in die Lande zerstreut habe, so will ich doch ihr Heiligthum sein in den Ländern, dahin sie kommen werden.“ 5) Ein Heiligthum! Gott selbst will ein Heiligthum sein an der Stelle und anstatt des Tempels zu Jerusalem. Ich habe die Zuversicht zu Gott, daß wenn Sie diesen Tempel mit sich herum tragen, Sie Jehovah's Herrlichkeit in Seinem Hause schauen werden.

Meine Frau hat nach dreizehn monatlichen schweren Leiden dieses Leben verlassen. Der HErr hat es gethan, Sein Name sei gelobt. Ich habe dreizehn Wochen lang an einem Fieber danieder gelegen und die Krankheit hält noch an, so daß ich Sonntags nur einmal mit vieler Anstrengung predige. Der HErr Jesus sei mit Ihrem Geiste.

Anwoth, 26. Juni 1630.

S. R.

6.

Gnädige Gräfin!

Es würde mich betrüben, wenn Sie denken sollten, daß Ihre hiesigen Freunde, die Sie in Gott geliebt haben, Ihrer vergessen könnten. Ich habe nichts Neues Ihnen zu schreiben, sondern nur von dem Einen, was noth ist, wie der HErr gesagt hat, von dem guten Theil der Maria, welches auch Sie erwählt haben. Alles, was Gott besitzt, sich selbst und was Er erschaffen, vertheilt Er unter die Kinder Adams, von denen keins so arm ist, daß es sagen könnte, ihm habe Er nichts gegeben; aber es ist kein geringer Unterschied zwischen den Gaben, welche Er Seinen eigenen Kindern und denen, welche Er den Kindern der Welt gegeben hat. Ich hoffe, Sie, gnädige Gräfin, trachten darnach, des sichersten Besitzthums gewiß zu werden; nemlich Ihres Gottes selbst. Sie werden in Ihrem Christenthum erkannt haben, wie alle Führungen Gottes mit Seinen Kindern dahin zielen, daß sie mit einer tiefen Verachtung und tödtlichen Feindschaft gegen diese Welt erfüllt werden und daß sie einen hohen Werth auf Christum setzen, der nicht für Gold gekauft werden kann und der wohl werth ist, daß wir um Seinetwillen kämpfen. In keiner andern Absicht entzieht Ihnen der HErr das kindische Spielzeug und die irdischen Freuden, welche Er andern gibt, als nur um Sie ganz für sich in Besitz zu nehmen. Er verlangt in der Trübsal eine Antwort von Ihnen um zu sehen, ob Sie Ihm auch dann diese Antwort geben werden: „Dennoch bleibe ich stets an Dir.“ Geben Sie sie ihm sogleich, ohne im Geheim zu seufzen oder zu murren. Treffe ich vielleicht nicht die richtige Seite, weil ich mit Ihren jetzigen Umständen nicht genau vertraut bin? – Doch ich glaube, Sie setzen Ihren Weg getrost fort und zeigen der Welt ein freudiges Antlitz, obgleich Schwermuth Ihr Inneres belastet. Sie thun wohl daran, wenn Sie diejenigen nicht zu Zeugen Ihres Kummers machen, die ihn doch nicht heilen können. Aber wenn Sie schon von einigen Ihrer weltlichen Freunde Theilnahme erwarten, um wie viel mehr müssen Sie von Ihrem lieben Freunde Jesus Christus nur das Beste glauben. Der Dorn ist das am meisten verfluchte Gewächs, welches die Erde trägt, und doch entspringt aus ihm die Rose, die schönste unter den Blumen, die das Auge am meisten entzückt; so wird auch Ihr HErr Ihre Trübsale in Freude und Lust verwandeln, denn alle Seine Rosen haben einen süßen Geruch; warten Sie nur der Zeit, wo Seine Hand Sie Ihnen reichen wird. Wenn Sie unterm Kreuz jetzt Trost begehren, so halten Sie an am Gebet. Denn sobald Sie nicht beschäftigt sind mit der Betrachtung des allzeit erquickenden, beseligenden Gottes, erhält Ihr Kummer Kraft, Ihr Gemüth niederzudrücken. Wenn Sie den Preis, den Sie geben, - diese wenigen Jahre der Unruh und Leiden, - vergleichen mit dem Gewinn, der Ihrer wartet, so werden Sie erkennen, der Preis sei nicht werth, gegen den Gewinn gewogen zu werden. Aber die Natur läßt Sie nur das betrachten, was Sie hingeben, während der schwache Glaube Sie hindert, das zu sehen, was Sie empfangen sollen. Stärken Sie Ihre Hoffnung und vertrauen Sie auf eine kurze Zeit Ihrem getreuen Gott; Er hat sich im neuen Bunde zu Ihrem Schuldner gemacht, ergreifen Sie Sein Wort: „Schmerz wird nicht mehr sein.“ „Wer überwindet, wird es alles ererben.“ Von dem „Allem“ welches Sie in dieser Welt entbehren, bin ich nicht im Stande etwas zu sagen; es muß geglaubt werden. „Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angelegt werden.“ „Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie ich überwunden habe und bin gesessen mit meinem Vater auf seinem Stuhl.“ O dreifache Thoren sind wir, die wir den neugebornen Prinzen gleichen, welche in der Wiege weinen, ohne zu wissen, daß ein Königreich ihrer wartet! So wolle denn der HErr mit Seiner eigenen Hand die Ketten des Stolzes, der Eigenliebe, der Weltliebe, des Unglaubens zerreißen und uns zu Steinen und Pfeilern machen in Seines Vaters Haus. Der HErr gebe Ihnen Weisheit und Gnade zu glauben und zu hoffen, daß Ihr Erlösungs-Tag sich nahe. Ich hoffe, ein Zeuge Ihrer Freude zu sein, wie ich Zeuge Ihrer Leiden war. Gedenken Sie daran, daß Sie dem HErrn der Herrlichkeit folgen, welcher der Allerverachtetste und Unwertheste war, voller Schmerzen und Krankheit. Ich befehle Sie der Gnade und dem Erbarmen Gottes.

Anwoth, 4. Januar 1632.

S. R.

7.

Gnädige Gräfin!

Ich kann die gegenwärtige Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne Ihrer zu gedenken, obwohl ich freilich immer wieder das alte Lied anstimmen muß, in welchem wir unser ganzes Leben lang nie genug geübt werden können, da wir unsere Aufgabe noch immer nicht recht gelernt haben, daß wir nämlich unsern Weg zum Reiche Gottes fortsetzen müssen in Verachtung der Welt, Verleugnung unserer selbst und in Tragen des Kreuzes unsers HErrn, welches uns nicht minder nöthig ist, als unser tägliches Brod. Unter den mancherlei Zeichen, ob wir auf der Reise sind und dem Himmel zusegeln, ist auch dieses eines, daß die Liebe Gottes unsere Herzen so erfüllt, daß wir darüber vergessen viel andere Dinge zu lieben, noch irgend einen Mangel zu fühlen. Denn Gottes Kinder ertragen mit Geduld den Verlust ihrer Güter, „da sie wissen, daß im Himmel eine bessere und bleibende Habe ihrer wartet.“ An dem Tage, an welchem die Erde und die Werke darin durch Feuer verbrennen werden, wird Ihre verborgene Hoffnung und Ihr verborgenes Leben offenbar werden, und weil Sie nun nur noch wenige Jahre von Ihrer endlosen Ewigkeit entfernt sind und nicht wissen, wie bald der Himmel über Ihrem Haupte sich öffnen und der Menschen-Sohn erscheinen wird in den Wolken des Himmels, was können Sie deshalb besseres thun, als die Wünsche und Sorgen um irdische Dinge fahren zu lassen, welche doch vergessen sein werden, sobald Sie den HErrn schauen? Dann werden Sie sich freuen „mit unaussprechlicher und herrlicher Freude, und Ihre Freude soll Niemand von Ihnen nehmen.“ Es ist genug, daß der HErr Ihnen Großes verheißen hat, überlassen Sie es nun Ihm die Zeit der Erfüllung zu bestimmen. Es ziemt uns nicht, dem Schöpfer der Zeit ein Stunden-Glas hinzusetzen. Alles wird erfüllt werden, denn Gott hat es gesagt. Erwarten Sie die Zeit der Erndte, Sein Tag ist besser als der Ihrige, Er legt die Sichel nicht eher an das Korn, als bis es reif und vollährig ist; der große Engel des Bundes will bei Ihnen sein, bis der Schall der Posaune und die Stimme des Erzengels die Todten erwecken wird.

Ihre wahre Glückseligkeit werden Sie, mag auch noch so viel den Frieden Ihres Gemüthes hier stören wollen, nur darin finden, daß Sie hier auf Erden nichts um sein selbst willen lieben, sondern daß Sie nur allein Gott um Gottes willen lieben. Unsere Liebe zu Ihm soll auf Erden so anfangen, wie sie im Himmel sein wird: denn die Braut erfreut sich nicht den tausendsten Theil so ihres Hochzeitkleides, als sie sich ihres Bräutigams erfreut und so werden auch wir in jener Welt, wenn wir gleich mit Herrlichkeit als mit einem Rode bekleidet sein werden, uns nicht so der Herrlichkeit, die uns umgeben wird, als der freudenvollen Gegenwart und des Anblickes unsers Bräutigams erfreuen. Gelangen Sie dazu, so haben Sie das Feld gewonnen und Ihr Gemüth wird bald beruhigt sein über alle Dinge, die Ihr HErr Ihnen nehmen wird. Es ist gut, Gott willig hinzugeben, was Er sonst wider unsern Willen von uns nehmen mag und kann.

Ich breche ab, um Sie nicht zu ermüden und befehle Sie, Ihre Person, Ihre Wege, Ihre Lasten und Alles, was Sie bekümmert, dem Allmächtigen, der im Stande ist, Sie und Ihre Lasten zu tragen. Ewige Gnade sei mit Ihnen.

Anwoth, 14. Januar 1632.

S. R.

8.

Gnädige Gräfin! Ich danke Gott durch unsern HErrn Jesum Christum, daß Er Sie wieder in Ihr Vaterland zurückgeführt hat von dem Orte, wo Ihre Augen gesehen haben, was Gottes Wort Sie längst zuvor gelehrt hat, nämlich, daß weltliche Herrlichkeit nichts ist, als ein Dunst, ein Schatten, ein leerer Schaum oder noch weniger, - ein Nichts. Mit Recht hat der HErr in Seinem Worte gesagt: „Das Wesen dieser Welt vergehet,“ (1 Cor. 7.31.) indem Er es mit einem Bilde in einem Spiegel vergleichet. Manche erblicken in diesem Spiegel das Bild der Ehre, - und wahrlich nur ein Bild; denn wahre Ehre ist, in Gottes Augen groß zu sein. Andere sehen das Bild des Reichthums - und wahrlich es ist nur ein Bild; denn dauernde Güter stehen, wie die Töchter der Weisheit, zu ihrer Linken.“ Wieder Andere sehen in dem Spiegel gemalte Freuden und doch glauben sie nicht anders, als daß es Leben und Wahrheit sei, was sie sehen, bis der HErr kommt und den Spiegel in Stücke zerschlägt und nun das Bild vor ihnen verschwindet; dann sprechen sie wie Pharao, als er erwachte, „Siehe, es war ein Traum.“

Ich weiß, daß Sie, gnädige Gräfin, auf Ihrem Wege durch diese Welt, wenig achten auf den angenehmen Anblick dieser drei gemalten Trugbilder; dafür sei Gott gepriesen. Ich hoffe, Sie beharren dabei und zählen sich zu denen, welche Gott diese vielen Jahre hindurch geprüft und geläutert hat, wie das Silber. Aber ich will Ihnen noch ein Vorrecht zeigen, welches Sie haben und dessen Andere entbehren. Obgleich auch für die, welche im Glück und in irdischen Freuden leben, von Kindern und Freunden umgeben, das Wort Gottes zu ihrer Belehrung und Richtschnur geschrieben ist, so sind doch an Sie, welche der HErr vieler Kinder beraubt und welche Er auf allerlei Weise geprüft hat, einige Stellen und einzelne Verheißungen des göttlichen Wortes auf eine ganz besondere Weise gerichtet. Hätten Sie gleich Andern Ihr Theil in dieser Welt gehabt, diese Verheißungen wären nie so Ihr eigen geworden, als sie es nun sind; denn alle Tröstungen, Verheißungen und Gnaden bietet Gott den Betrübten als eben so viele Zeichen Seiner Liebe an; ergreifen Sie dieselben, brauchen Sie Ihr Recht und lassen Sie sich dessen nicht berauben. Es ist kein geringer Trost, daß Gott einige Schriftstellen für Sie geschrieben hat, welche Andern nicht gelten; hierin scheinen Sie mehr beneidens- als beklagenswerth, denn Sie erscheinen gleich Leuten aus einer andern Welt oder von einem besondern Range, welche unser HErr und König vor allen übrigen genannt und welchen Er besondere Trostworte und Seine herzlichsten Grüße geschrieben hat. Lesen Sie dieselben und denken Sie, Gott ist wie ein Freund, der einem ganzen Hause, einer ganzen Familie einen Brief schreibt, aber in diesem Briefe einige, die Ihm die Theuersten sind, mit Namen nennt. So gehören Sie, gnädige Gräfin, zu diesen theuersten Freunden unsers HErrn, und wäre es recht, so würde ich Sie beneiden, daß Gott Sie vor vielen Seiner Kinder so ehrt. Wenn Sie nun sehen, daß Gott nur das von Ihnen nimmt, was Er durch Seine eigene Gegenwart ersetzen will, so ist es Ihre Aufgabe, Ihren HErrn zu bitten, daß Er die Ihm gebührende Stelle statt Ihrer verstorbenen Kinder nun selbst einnehme. Gehen Sie vorwärts in der Kraft Ihres HErrn, Ihr Angesicht zu Ihm gewandt, zu Ihm, der mehr nach einem Blick von Ihnen verlangt als Sie nach Ihm. Ich hoffe, Sie nach dem Mittage in größerer Freude zu sehen, als Sie vor dem Mittage in Traurigkeit gewesen sind. Die Hand des HErrn sei über Ihnen auf Ihrer Reise. Was haben Sie hienieden zu thun? hier ist nicht der Ort Ihrer Ruhe; erheben Sie sich und stellen Sie Ihre Füße auf den Felsen, „fahren Sie herauf von der Wüste und lehnen Sie sich auf Ihren Freund.“ Wüßten Sie, welch' ein Willkommen Ihrer wartet bei Ihrer Ankunft in des Vaters Haus, wie würden Sie dann Ihre Schritte beschleunigen! Denn der HErr wird mit Seiner eigenen Hand alle Thränen von Ihren Augen abwischen und dann wird Ihr Herz voll Freude sein. Das Papier zwingt mich gegen meine Neigung abzubrechen; ich verlasse Sie, indem ich einen reicheren Ueberfluß von Gnade und Erbarmen für Sie erflehe als meine Zunge auszusprechen vermag. Der HErr Jesus sei mit Ihrem Geiste.

Kirkcudbright.

S. R.

9.

Gnädige Gräfin!

Ich sehne mich danach, Sie zu sehen und von Ihnen zu hören. Ich gedenke Ihrer und Ihrer Anliegen vor Dem, der Sie „behüten kann ohne Fehl und stellen vor das Angesicht Seiner Herrlichkeit unsträflich mit Freuden.“ Wenn Sie Ihn lieben, so werden Sie auch Seine Gebote halten, von denen eins der ersten ist: das Joch Jesu Christi freudig und willig zu tragen. Gewiß, als Sie sich zuerst dem HErrn verbanden, da gelobten Sie Ihm durch Seine Gnade, Trübsal und Beschwerden als eine Streiterin Jesu Christi willig zu erdulden. Und doch sind Ihre Leiden, da schon die unendlich größeren Ihres Heilandes nur ein Fersen-Stich genannt werden, um so viel mehr nur eine Wunde fern vom Herzen. Ihr Leben ist verborgen mit Christo in Gott und deshalb kann es Ihnen nicht genommen werden; selig sind die, welche mit dem Apostel ihre Seelen in die Hände Jesu befehlen können, denn er ist mächtig, was ihm übergeben ist, bis auf jenen Tag zu bewahren. So lange daher dies verborgene Leben nicht verletzt wird, sind alle andern Leiden nur Fersen-Stiche, von denen Sie, wie ich hoffe, bald werden geheilt sein. Der König aller Könige hat Diener an Seinem Hofe, die in diesem Leben wenig oder nichts empfangen, als das schwere Kreuz Christi; „auswendig Streit, inwendig Furcht;“ aber sie leben auf Hoffnung und wenn die Zeit der Theilung der Erbschaft kommt, so bleiben sie als Erben im Hause. Und es ist besser, so, als sein Theil in diesem Leben zu haben und am Ende ausgestoßen zu werden aus dem Hause Gottes. Ich hoffe, Sie freuen sich, theure Gräfin, wenn Sie denken, daß der HErr das Bessere für Ihre Seele erwählt hat. In diesem Leben ist Ihnen wahrlich wenig zu Theil geworden, aber Sie wissen, was Ihrer wartet. Glauben und hoffen Sie, bis Sie sehen und genießen. Jesus sagt im Evangelio: „Komm und siehe.“ Er ist hernieder gekommen in dem Wagen der Wahrheit und fährt darin durch die Welt, um die Seelen der Menschen zu erobern; nun ist Er in der Welt und spricht: „Wer will mit mir gehen? Mein Vater wird Euch willkommen heißen, denn in meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.“ Gnädige Gräfin, folgen Sie der Einladung und gehen Sie mit Ihm. Ich fahre fort, Sie der Barmherzigkeit Gottes zu befehlen. Der Ihrige in Jesu Christo.

Anwoth.

S. R.

10.

Gnädige Gräfin!

Ich hatte mir vorgenommen, Sie zu besuchen, aber Krankheit hat mich daran gehindert. Ich weiß, Sie werden es mir nicht zutrauen, daß ich Ihrer vergessen habe; denn ich hoffe zu Gott, es nie zu vergessen, welchen Trost ich durch Sie in meinem Leiden empfing und ich werde durch Gottes Gnade suchen, auf dem mir einzig möglichen Wege es Ihnen zu vergelten, indem ich Ihre Seele, Ihre Person, Ihr Haus und alle Ihre Anliegen im Gebete Dem befehle, dem Sie angehören und welcher mächtig ist, Sie zu bewahren bis auf den Tag Seiner Erscheinung und Sie mit Freuden vor Sein Angesicht zu stellen. Ich bin überzeugt, Sie gehen immer weiter auf der angetretenen Reise zu Ihrem HErrn und zum Hause und Königreich Ihres Vaters und Ihres Gottes. Freilich fehlt es Ihnen nicht an Versuchungen von außen und innen, aber wer unter den Heiligen hat je die Burg ohne Schwertstreich eingenommen? Der HErr des Hauses, unser ältester Bruder, unser HErr Jesus Christus machte selbst keine Ausnahme; Er mußte Sein Blut vergießen, um Haus und Heimath, die Ihm durch Seine Abkunft rechtmäßig zukamen, zu erwerben.

Sie, gnädige Gräfin, haben um so viel mehr nöthig, auf sich selbst zu sehen, als Ihr Gott Sie höher gestellt hat als Andere, und Ihr Weg zum Himmel durch eine noch wildere Wüstenei geht als der Weg vieler Ihrer Mitpilger; denn Er führt Sie nicht nur durch die Mitte des Dornenwaldes dieser verführerischen Welt, sondern auch durch die gefährlichen Pfade ihrer eitlen Herrlichkeit. Dieser Gedanke hat mich oft mit Mitleid für Ihre und Ihres würdigen Gemahls Seele erfüllt. Ihnen ist es schwerer den Himmel zu gewinnen als Andern, denn Sie gleichen den schwer belasteten Schiffen auf der weiten offenen See, während Andere, den kleinen Jahrzeugen gleich, nicht so der Gewalt der Stürme ausgesetzt sind und sich nahe am Ufer halten und ruhig in ihren Hafen einlaufen können. Deshalb ist es kein Geringes, wenn Sie in der Mitte des Tumultes von Geschäften und in dem Drange der Versuchungen Christo Seinen Ihm gebührenden Platz in Ihrer Seele geben. Ich weiß und bin es gewiß, Er ist Ihnen theurer als viele Königreiche; Er ist es, den Ihre Seele liebt und Ihm gebührt auch der erste Platz in Ihrem Herzen. Ich sah und erkannte Ihn, wie Er in dem Ofen der Trübsal bei Ihnen war, als Er um Sie warb und Sie erwählte, Sein Eigenthum zu werden. Nun begehrt Er nur Ihre Liebe und daß Sie Ihm keinen Grund zur Eifersucht geben; deshalb seien Sie gleich einem klaren Strome, der selbst in der salzigen See seinen frischen Geschmack behält.

Diese Welt ist Ihrer nicht werth; heißen Sie dieselbe nicht einen Augenblick willkommen, wenn sie mit Christo zugleich Ansprüche an Sie machen will. Zeigen Sie sich als aus einem andern Lande, werden Sie hier nicht einheimisch und verweilen Sie nicht; denn die Sonne ist schon im Sinken und nähert sich den Spitzen der Berge und die Schatten dehnen sich. Zögern Sie nicht auf Ihrem Wege, Welt und Sünde möchten Sie gerne von demselben abführen, aber lassen Sie sich nicht irre leiten. Gnädige Gräfin, die Augen vieler sind auf Sie gerichtet, welche sich freuen würden, wenn Sie Ihr gutes Bekenntniß befleckten; der HErr Jesus mache solche Wünsche zu Schanden und erhalte Ihr Gewissen rein. Es ist ein zartes und kostbares Werk aus der Hand Ihres Schöpfers, daher gehen Sie vorsichtig damit um und bewahren Sie es unverletzt, damit Sie auch mitten in dem Glanze dieser Welt lernen, Christum in sich beherbergen. Alle Dinge, an denen Sie keinen Geschmack von Christo finden, lassen Sie sich nicht schmackhafter sein, als das Weiße vom Ei. Die Wahrheit Ihres Bekenntnisses verpflichtet Sie, Ihren Gemahl oft an den Tod, das Gericht, die Ewigkeit, die Hölle und den Himmel zu erinnern; er muß mit Gott Rechnung halten. Das Vergessen der Rechnungen tilgt die Schulden nicht; nein, durch Zins auf Zins schwillt die vergessene Schuld bei Gott zu einer immer höhern Summe heran. Ich weiß, er blickt in die Heimath und liebt die Wahrheit; aber ich beklage ihn von Grund der Seele wegen seiner vielen Versuchungen. Satan legt den Menschen Lasten von Sorgen auf, die sie nicht zu tragen vermögen, wenn sie ganz in diese Welt versenkt sind. Gnädige Gräfin, denken Sie, Sie besäßen keine Tochter, schließen Sie mit dem HErrn einen Bund, daß Er Sie als Sein Eigenthum hinnehme, wann es Ihm gefällt; und Dank, Preis und Ehre sei Seinem heiligen Namen, wenn Er sie Ihnen auf ein Jahr leiht. Machen Sie sich gefaßt auf Kreuz, und während das Wetter schön ist, beschleunigen Sie den Lauf Ihres Schiffes. Verzeihen Sie mir meine Weitläufigkeit. Ich befehle Sie der Gnade und dem Erbarmen unsers Gottes.

Anwoth, 15. November 1633.

S. R.

11.

Gnädige Gräfin!

Ich brauche Sie nicht auf Den hinzuweisen, dessen Hand Sie geschlagen hat; aber indem ich noch des Trostes gedenke, den Sie mir in einem gleich schweren Falle gewährten, kann ich nicht schweigen, und ich wünschte, daß ich es jetzt auch vermöchte, Ihr Herz durch Zuspruch zu erleichtern. Gewiß, Ihr Arzt will Sie nicht tödten, sondern heilen; und wenn Sie hören, daß er sich selbst den Arzt nennt, „der verwundet und wieder heilet,“ (denn eine Wunde schlagen geschieht nicht um zu tödten, sondern um den Kranken zu heilen;) so wird der Glaube Sie lehren, die Ruthe zu küssen und bei dem Tode Ihres Kindes Gottes unumschränkte Herrschaft über uns sterbliche Menschen anzuerkennen, welcher wohl eine Knospe vor der Blüthe abpflücken kann, ohne daß wir Ihn tadeln dürfen. Wer mag unsern lieben HErrn herausfordern, wenn Er eine Seiner Rosen abpflückt, oder eine grüne Frucht vor der Ernte abschüttelt. Denn Er sendet uns in diese Welt, wie Menschen auf einen Markt, auf welchem Einige viele Stunden bleiben, essen und trinken, kaufen und verkaufen und umhergehen, bis sie müde sind; das sind diejenigen, welche lange leben und volle Genüge in diesem Leben haben. Andere kommen nur hingeschlichen auf den Morgenmarkt, stehen nicht still, setzen sich auch nicht nieder, kaufen und verkaufen nicht, sondern sehen sich eine Weile um und gehen dann wieder nach Hause. Unser Gott, der den Menschen ihre Tage gezählt und ihnen ein Ziel gesetzt hat, welches sie nicht überschreiten können, hat die Länge unserer Tage aufgeschrieben, und es ist leichter, über Seinen Rathschluß klagen, als ihn ändern.

Indem ich Ihnen dieses schreibe, bin ich doch überzeugt, daß der HErr Sie gelehrt hat, Ihre Hand auf Ihren Mund zu legen. Hiemit will ich aber keineswegs sagen, daß Sie das Kreuz bei Seite werfen sollen wie einen unbrauchbaren Wechsel, den man in's Feuer wirft; sondern ich wünsche vielmehr, jeder sehe seinem Kreuze recht oft in's Angesicht und lese es über und über. Es ist ein Bote Gottes, der etwas redet und der Verständige „höret die Ruthe und den der damit dräuet. Versuchen Sie, wie der Kelch des HErrn schmeckt und trinken Sie unter Gottes Segen, damit Sie dadurch zunehmen. Gewiß, was auch Gott durch dieses Kreuz zu Ihrer Seele redet, dies Wort sagt er Ihnen wahrlich: „Selig ist der Mann, den der HErr züchtiget;“ und auch das sagt Ihnen Ihr Kreuz: „Sie sind hier nicht zu Hause, Sie sind nicht von dieser Welt;“ wie auch Ihr Erlöser nicht von dieser Welt war. Es ist etwas für Sie aufgehoben, was des Besitzes werth ist; alles was von dieser Welt ist, das ist zum Sterben verurtheilt und schmilzt wie ein Schneeball vor der Sonnenhitze; und seit der Tod zuerst etwas, das Ihnen angehört, in Besitz genommen hat, drängt er sich täglich immer näher und näher an Sie heran, obgleich Sie seine Fußtritte nicht vernehmen. Ihr Gärtner und HErr hat schon einige Zweige abgebrochen und nun soll auch der Stamm selbst in den obern Garten verpflanzt werden. Es geschehe zur rechten Zeit und der HErr lasse Sie reifen. Alle diese Kreuze (und ihrer waren viele und schwere; Friede, Friede sei das Ende derselben!) alle sollen Sie weiß und reif machen für die Erntesichel des HErrn. Seit der HErr Sie der Welt entwöhnt hat, die nach Seinem Willen doch nie Ihr Erbgut sein sollte, - und dafür sei Gott gepriesen! - sehen Sie Seinen Erben um so ähnlicher. Lassen Sie nun das Bewegliche fahren, es gehört Ihnen nicht. Halten Sie Ihr Erbgut fest, und der HErr Jesus versiegle die Verschreibung und gebe Ihnen, zu wachsen wie ein Palmbaum auf Zion, dem Berge Gottes, der, wenn gleich Winde ihn erschüttern, doch fest gewurzelt dasteht.

Ich vermag nichts weiter für Sie zu thun, als Ihre Umstände dem HErrn zu befehlen, der Sie in Seine Hände gezeichnet hat. Ich hoffe, Sie bald zu sehen. Der, der Sie gerufen hat, befestige und gründe Ihr Herz in der Gnade bis zu dem Tage der Freiheit der Kinder Gottes!

Ardwell, 29. April 1634.

S. R.

12.

Gnädige Gräfin!

Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen! Ich bin tief gebeugt, daß Sie eines solchen Gemahls beraubt sind und daß die Kirche einen so thätigen und treuen Freund verloren hat; aber ich weiß auch, daß Sie schon lange mit dem Kreuz Jesu Christi bekannt geworden sind, durch welches Er sich mit Ihnen verbunden und daß Er Sie gelehrt hat, Ihre Seele dein Wohlgefallen Dessen zu überlassen, der „Ihnen nicht Rechenschaft gibt von all Seinem Thun.“ Hat Er Sie durch dieses Wasser der Trübsal hindurch geführt, welches auf Ihrem Wege zur Herrlichkeit floß, so sind ihrer nun um so viel weniger vor Ihnen; und wir sollen Seine Anordnungen verehren, nach welchen Er den Einen vor dem Andern hinwegnimmt. Wenn ein einziges Jahr im Himmel schon alle unsere Leiden so reichlich überwiegen wird, daß man ihrer nicht mehr wird gedenken mögen, wie viel mehr wird nun die ewig währende Seligkeit uns eine völlige und überfließende Vergeltung sein? Es ist gut, daß dasjenige, was uns der HErr in der Ewigkeit gibt, die Zeit uns nicht rauben kann. Sie haben nun viele Jahre hindurch der Herrlichkeit nachdenken können, welche der Fremdlinge und Pilgrime wartet, wenn sie in ihre Heimath kommen, - der Herrlichkeit, an die wir denken, die wir lieben und nach der wir uns sehnen sollen, die wir aber nie ganz fassen und begreifen können und noch weniger je zu sehr lieben und überschätzen werden. Der Inbegriff dieser Herrlichkeit ist Christus in Seiner Gottes-Herrlichkeit. Hienieden sehen und genießen Seine Kinder nur so viel von Ihm, um hungrig, nicht aber gesättigt zu werden. Sie sind eine Schuldnerin des Sohnes Gottes und Seines Kreuzes, durch welches Er Ihr Vertrauen, und Ihre Liebe zu den Kreaturen allmählig ertödtet; oder vielmehr Sie sind eine Schuldnerin Seiner freien Gnade, durch welche Er die Kleider des Heils für Sie bereitet und Sie mit einem neuen Namen nennt, den der Mund des HErrn genannt hat und durch welche Er Sie zu einer schönen Krone in der Hand des HErrn machen will und zu einem königlichen Hut in der Hand Ihres Gottes. Ich weiß Ihnen bis zum Ende Ihrer Tage nichts Höheres zu wünschen als die Anwartschaft auf diese Güter, welche alle der HErr auch für Sie erworben und bereitet hat. Hievon kann aber nie erschöpfend gepredigt noch geschrieben werden; es übersteigt all unser Denken weit, und ist noch in keines Menschen Herz gekommen. Ich befehle Sie der reichen Gnade unsers Gottes.

S. R.

13.

Gnädige Gräfin!

Eingedenk des Trostes, den ich als armer Fremdling fern von meiner Heimath bei Ihnen fand, als der HErr die Lust meiner Augen von mir nahm (welche Wunde noch immer nicht gänzlich geheilt ist), vertraue ich dem HErrn, daß Er Ihnen Ihre Liebe vergelten und jetzt, wo Er Sie zur Wittwe gemacht hat, auf daß Sie ledig seien für Christum, auch Ihnen reichen Trost geben werde. Wenn ich alles Kreuz überblicke, von dem in Gottes Wort die Rede ist, so gibt jenes Kreuz Ihnen ein ganz besonderes Recht, Gott Ihren Mann zu nennen, der nicht so der Ihrige war, so lange Ihr Gemahl noch lebte. Erkennen Sie Gottes Gnade in dieser Heimsuchung. Und obwohl ich aus Erfahrung auch sagen muß, daß die Trauer um den Gemahl Ihrer Jugend nach Gottes eigenem Wort der schwerste irdische Kummer ist; und obwohl dieses die schwerste Last ist, die je auf Ihnen gelegen, so wissen Sie doch auch, daß, wenn auch Gott eine Zeitlang Sein Angesicht verbirgt, doch Seine Verheißung fest steht, daß Er der auf Ihn harrenden Wittwe ein Mann sein will. Deshalb bitte ich Sie im Namen Jesu Christi, bei dem Troste des heiligen Geistes und bei Ihrer dereinstigen Erscheinung vor Ihm, lassen Sie Gott, Menschen und Engel nun sehen, was in Ihnen ist. Der HErr hat das Gefäß durchbohrt; nun muß es sich zeigen, ob Wein oder Wasser darin ist. Zeigen Sie Ihren Glauben und Ihre Geduld, daß es möge erkannt werden, Ihr einzig Geliebter, der erste und der letzte, sei Christus gewesen und deßwegen empfange Er nun Ihre ganze Liebe. Er allein ist ein würdiger Gegenstand Ihrer Liebe und aller Neigung Ihres Herzens. Gott hat einen Kanal Ihrer Liebe versiegen lassen, indem Er Ihren Gemahl hinweggenommen; lassen Sie nun auch diesen Strom auf Christum fließen. Der HErr wußte wohl, daß die eitle Herrlichkeit dieser Welt nichts für Sie sei, deßhalb wollte Er sie Ihnen nicht geben, sondern Er gedachte Ihnen ein besseres Theil zuzuwenden. Sie sind ein Kind im Hause, und Freude ist für Sie zubereitet; wenn Sie auch lange darauf warten müssen, so wird dann die Freude um so größer sein. Ich bin jetzt voll freudiger Zuversicht, daß ich es nun sehen werde, worauf ich gehofft, seit ich Sie kennen gelernt, wie Sie Ihr ganzes Vertrauen und Ihre ganze Kraft auf den Heiligen Israels setzten, so daß Sie keiner Unruhe Raum geben, und wie Ihr Herz eine Festung ist, die wohl belagert, aber nicht eingenommen werden kann. Was haben Sie hier zu thun? Diese Welt hat nicht als Freundin gegen Sie gehandelt; ihr sind Sie keine Liebe schuldig. Wenn Sie sich auch mit ihr verbinden wollten, so würden Sie beide nicht zu einander passen, deßhalb suchen Sie nicht warmes Feuer unter kaltem Eise. Hier ist nicht das Feld, auf welchem Ihre Glückseligkeit währt; dort oben ist es, wo „eine große Schar ist, welche Niemand zählen kann, aus allen Heiden und Völkern und Sprachen, vor dem Stuhle stehend und vor dem Lamm, angethan mit weißen Kleidern und Palmen in ihren Händen.“ Was Sie hier nie erlangen können, das werden Sie dort finden; und dabei bedenken Sie: wie durch alle Ihre Trübsale (wahrlich es sind deren viel gewesen) der HErr Sie mit der Wurzel hat losmachen wollen von den vergänglichen Dingen und wie Er Ihnen nachgegangen ist auf allen Wegen, um Ihre Seele in Sicherheit zu bringen. Nun, gnädigste Gräfin, ich hoffe, Sie werden diese Zeilen gütig aufnehmen.

Erlauben Sie mir, Sie noch einmal inständigst zu bitten, Ihr Haupt aufzuheben, denn der Tag Ihrer Erlösung nahet, und gedenken Sie daran, daß der Stern, der eine Weile in Ihrer Nähe geschienen hat, nun in einer andern Welt leuchtet. Gott wolle selbst Seine Verheißungen an Ihrer Seele in Erfüllung gehen lassen und auch Ihnen ein Gott alles Trostes sein. Ich bleibe Ihro Gnaden in schuldigem Gehorsam ergeben.

Anwoth, 14. September 1634.

S. R.

14.

Gnädige Gräfin!

Im Namen des HErrn begrüße ich Sie. Es hat dem HErrn gefallen, mir zu zeigen, daß allem Anschein nach meine Arbeit in Gottes Hause hier nun ein Ende hat; und ich soll jetzt auch leiden lernen, worin ich noch ein unerfahrener Schüler bin. Durch eine seltsame Fügung sind einige meiner Papiere, welche vom Verderben dieser Zeit handeln, in die Hände unsers Königs gekommen. Ich weiß, daß die klugen und wohlmeinenden Freunde mich als unvorsichtig anklagen werden, aber gewöhnlich gehört dieß auch noch zum Kreuz derer, die um Christi willen leiden. Doch ich liebe das Werkzeug und verzeihe ihm; ich könnte ihm mein Leben anvertrauen, obgleich er die Veranlassung zu diesem meinem Leiden ist, aber ich blicke höher als auf ihn. Ich zweifle nicht an Ihrer Liebe und Ihrem Verlangen mir zu helfen und bin überzeugt, daß Sie mir auch in meinem Leiden nur Gutes wünschen.

Ich verlange weiter nichts, als daß mein Gott durch mein Bekenntniß geehrt werde. Ich war bereit, Ihm noch länger zu dienen, aber da ich nun sehe, daß Er meiner Arbeit nicht mehr begehrt, so bete ich um die Gnade, auch leiden zu lernen, wenn ich mit einem so rauhen Namen dasjenige benennen darf, was ein Kennzeichen derer ist, die mit Christo gekrönt werden sollen. Und wenn ich mich auch hiebei vielleicht als verzagt und unweise zeigen werde, so ist dieß doch wahrlich nicht mein Wille, denn ich verlange nicht blos auf der Sonnenseite der Religion zu gehen, oder durch die Wahrheit, vor jedem Sturme bewahrt zu werden. Mein Erlöser handelte nicht so für mich, als Er litt; „Er erduldete das Widersprechen von den Sündern wider sich.“ Der Sohn Gottes sei mit Ihnen.

Anwoth, 5. December 1634.

S. R.

15.

Gnädige Gräfin!

Ich habe Ihren Brief erhalten, und danke unserm Gott, daß Er es Ihnen wenigstens so wohl ergehen läßt, wie es jemanden, der seine Heimath noch nicht erreicht hat, nur ergehen kann. Preisen Sie den HErrn, daß es nicht schlimmer ist; denn wir sind auf einem Meer, wo Viele Schiffbruch erlitten haben, und wir haben es nöthig, daß Christus am Steuerruder sitzt. Es ist eine Gnade, den Himmel zu gewinnen, obgleich es eines schweren und harten Kampfes bedarf; man muß dem Himmelreich Gewalt anthun, es koste, was es wolle.

Mich verlangt zu hören, daß es Ihnen auch nach dem inwendigen Menschen wohl geht, besonders jetzt in Ihrem einsamen Leben, wo Sie der äußern Tröstungen nur wenige haben. Christi Liebe zu Ihnen ist noch immer überströmend, Er vergisst Ihrer so wenig, wie Ihres lieben Kindes, welches zwei Väter im Himmel hat, deren einer der HErr des Himmels und der Erden ist. Ich traue Seiner Gnade, daß Er für dieß Kind dort oben etwas aufbewahrt, welches keine Trübsal hienieden ihm nehmen kann. Freuen Sie sich, daß Ihr Anker hineingeht in das Inwendige des Vorhangs und einen festen Grund hat, der nicht wankt. Gott hat das Seinige gethan um Sie zu gewinnen; versagen Sie Ihm nun nicht Ihre Liebe, denn Er hat alles gethan, was geschehen konnte und Ihnen bis auf dieß einzige Kind nichts gelassen, was Ihre Liebe von Ihm abziehen könnte. Er, der über Ihre Seele wacht, weiß am Besten, was hiebei Seine Absicht ist. Ihr Glaube kann sich dreist auf Christum verlassen, denn wie es uns auch gehen möge, etwas Schlimmeres kann uns nicht widerfahren, als daß wir ermüdete Wanderer werden, die aber zu Hause einen süßen und freudigen Willkommen zu erwarten haben. Ihre Winternacht naht sich ihrem Ende. Sehen Sie nach Osten, schon bricht das Tageslicht hervor! Glauben Sie nicht, daß Christus Zeit verliere, oder unnöthig säume. O schöner, schöner, süßer Morgen! Wir sind nur Seefahrer; wenn wir scharf sehen, so erblicken wir schon die Küste unsers Vaterlandes. Dießmal sind die letzten Tage und Gott selbst hat geschworen, daß keine Zeit mehr sein wird.

Ich breche ab, um Sie nicht zu ermüden. Der HErr Jesus sei mit Ihrem Geiste!

Anwoth, 18. Januar 1636.

S. R.

16.

Gnädige Gräfin!

Die Ehre, welche ich mir seit sechszehn Jahren mit Unterwerfung unter den Willen Gottes erbeten habe, hat mein liebreicher HErr mir nun zu Theil werden lassen: um Jesu und um Seines Reiches willen zu leiden. Ich bin zur Gefangenschaft in die Stadt Aberdeen verurtheilt und es ist mir im Namen des Königs anbefohlen, am 20. August mich dahin zu begeben und daselbst so lange zu bleiben, als es dem Könige gefällt. Wiewohl dieses mir auferlegte Kreuz mich etwas niederbeugt, wenn ich mir die vielen schönen Tage in's Gedächtniß zurückrufe, die meiner sowie mancher andern mir theuren Seele süß und tröstlich waren, so ist es doch zugleich mit süßen Erquickungen begleitet, mit der Freude im heiligen Geist, mit dem Glauben, daß der HErr das Seufzen eines Gefangenen hört und mit der unerschütterlichen Hoffnung, daß, so gewiß der HErr lebt, auch auf diese Nacht das Tageslicht folgen und Christi Himmel sich wieder über mich und über Seine arme Kirche erhellen, und daß Er auch in einem fremden Lande unter fremden Angesichtern Seinem armen unterdrückten Diener, der nur den HErrn Jesum, den Tröster seiner Seele, lieben kann, auch vor Menschen Gnade geben wird. - Alles wäre gut, wenn ich frei wäre von den alten Anklagen meiner Schuld und meiner Versäumniß in meinem Beruf und ich mir nicht vorwerfen müßte, zu wenig von der Herrlichkeit und dem Königreiche meines Vielgeliebten gezeugt zu haben. Wenn mein HErr auch jetzt mit mir zürnte, so müßte ich vergehen, ich könnte es nicht ertragen, doch ich hoffe auf Seinen Frieden. Es ist mein alter Kummer, so wenig Gutes in meinem Amte gethan zu haben. Aber bei allen meinen Klagen, und Gott weiß, daß ich nicht heuchle, ist Er niemals freundlicher gegen mich gewesen, als eben jetzt. Meine gnädige Gräfin, aus vollem Herzen rufe ich aus: „Willkommen, Willkommen, süßes und herrliches Kreuz! Willkommen Jesu mit Deinem leichten Kreuz, Du hast nun gewonnen und meine ganze Liebe dahin genommen, O, halte fest, was Du hast.“ Ich habe nur Einen Schmerz - meine beraubte Gemeinde; doch - genug hievon.

Bei der kurzen Zeit, die mir gelassen ist, wage ich es nicht zu versprechen, Sie noch vorher zu sehen. Ich habe mir vorgenommen, meinem Könige zu gehorchen, der Gewalt über meinen Leib hat; denn Widerstreben gegen den König ziemt keinem Diener Christi. Gnädige Gräfin, verpflichten Sie mich noch mehr (wenn das möglich wäre) und danken Sie Ihrem Herrn Bruder, dem Lord Lorn, daß er sich eines armen ihm unbekannten Fremdlings so angenommen hat. Ich werde für ihn und sein Haus beten so lange ich lebe. - Nun befehle ich Sie und Ihr süßes Kind der erbarmenden Liebe des HErrn Jesu. Der Ihrige in dem HErrn.

Edinburgh, 28. Juli 1636.

S. R.

17.

Gnädige Gräfin!

Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen! Der HErr hat mich sicher nach Aberdeen geführt und mir die Herzen aller, die ich auf meinem Wege antraf, gewonnen. Es gab kein Gesicht, das mich nicht freundlich anblickte, nur die Einwohner dieser Stadt sind trocken und kalt und denken nicht daran, einen zum Schweigen verurtheilten gefangenen Prediger aufzurichten. Aber ich will mich der Schmach des Kreuzes Christi nicht schämen. Wie unbegreiflich ist mir die Liebe Christi, wenn ich die Größe meiner Schuld bedenke; und ich glaube gewiß, daß sich die Welt den Weg zum Himmel viel zu leicht vorstellt, ja Viele werden es erkennen, daß sie sich schwer getäuscht haben, denn es bedarf mehr, als eines bloßen, kalten und frostigen „HErr, HErr“-Sagens. Der Weg ist enger und schmaler, als wir es uns einbilden, da ja der Gerechte kaum erhalten wird. Wir müssen einen tiefern Blick in das Wesen des Christenthums thun, denn ich bin oft in Zweifel, ob ich etwas mehr vom Christenthum weiß, als blos die Buchstaben dieses Wortes. Dennoch will ich meinen HErrn nicht verleugnen. Ich finde oft große Freude und unaussprechlichen Trost in Seiner Gegenwart. Manchmal könnte die Freude mich überwältigen, wenn sie nicht durch die Erinnerung meiner Sünde, die mir das Herz bricht, getrübt würde. O wie süß ist die Liebe Christi und wie weise ist diese Liebe! Aber der Glaube muß eine Zeit lang harren und vertrauen. Gottes Erben leben auf Hoffnung. - Der allein weise Gott, Ihr einiger Gott, der im Busche wohnte, sei mit Ihnen. Ich schreibe viele Nüsse und Segen in Christo für Ihr liebes Kind. Der Segen des Gottes Ihrer Väter, der Segen, der den Wittwen und Waisen verheißen ist, sei auch mit Ihnen.

Aberdeen.

S. R.

18.

Gnädige Gräfin!

Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen. Ihrer und Ihres lieben Kindes vergesse ich nicht und es verlangt mich zu hören, was der HErr an Ihnen Beiden thut. Ich kann es nicht unterlassen, meinen Freunden zu schreiben, daß Christus in Aberdeen mir mit Seiner Gnade entgegengekommen ist. Meine Feinde haben mich hiehergesandt, damit Seine Liebe mir hier Festtage bereite. Sollte ich Christi Liebe verheimlichen? Nein, ich kann es nicht verschweigen, was Er an meiner Seele gethan hat. Gnädige Gräfin, bereuen Sie es nicht, das beste Theil gewählt zu haben. So gewiß mir meine Erlösung ist, so gewiß weiß ich, daß ich jetzt um der Wahrheit Christi willen leide. Wenn ich nur kalten Trost in meinem Leiden fände, so würde ich nicht noch Andere betrügen; ich würde offen sprechen. Aber diese Liebe ist der Welt ein Geheimniß, und ich selbst hätte nicht geglaubt, daß so viel in Christo zu finden sei, als ich jetzt erfahre. „Komm und siehe“ heißt es und nur dann wird uns Christus in Seiner Segensfülle und Herrlichkeit bekannt. Ihn aus einem Buche kennen, will nicht viel sagen; die Menschen sprechen und schreiben viel von Christo und kommen nicht weiter; aber Christo nahe kommen, das ist eine ganz andere Sache. Ich schreibe Ihnen dieses, gnädige Gräfin, um Sie in dem ehrenvollen Bekenntnisse zu befestigen, welches Sie für den HErrn haben ablegen dürfen. Sie haben das beste Theil von den Gütern Christi empfangen, Er hat Ihnen ein Benjamins-Theil gegeben. Wenn auch der HErr Sie schlägt, so trauen Sie mehr Seiner Liebe, als Ihrem Gefühl. Diese Welt kann Ihnen nichts nehmen, was Ihnen wahrhaftig gehört und der Tod kann Ihnen kein Leid thun. Ihr Fels wird nicht wie Ihr Herz, gleich der See, von Ebbe und Fluth bewegt. Was Christus gesagt hat, wird Er auch halten; und gesegnet werden Sie sein, wenn Ihr Haupt erscheinen wird, dann wird Ihr Tag anbrechen, dessen Sonne nie untergeht. Lassen Sie Ihr Kind Christo angehören; sehen Sie es nur an als ein Pfand des HErrn, welches Sie willig zurückgeben, wenn Gott es fordert. Lassen Sie mich Nachricht erhalten von Ihnen and Ihrem Kinde. Gnade, Gnade sei mit Ihnen. Ich schreibe und erflehe Gottes Segen über Ihr theures Kind.

Aberdeen, 22. November 1636.

S. R.

19.

Gnädige Gräfin!

Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen. Mit Freuden habe ich aus Ihren Briefen ersehen, wie die rechte Hand Dessen, der über Leben und Tod gebietet, sich an Ihrem süßen Kinde so gnädig bewiesen hat. Ich vergesse Seiner und Ihrer in meinen Gebeten nicht und kann Ihrer nicht vergessen. Sie klagen in Ihrem letzten Briefe, gnädige Gräfin! Gern höre ich ein bekümmertes Klagen über den Mangel im Christenthum, aber nur wenn die Klagen zur That führen; denn ich sehe, wie Viele es für Heiligkeit genug halten, wenn sie nur klagen; sie kommen nicht weiter, als daß sie sagen: „Ich bin krank;“ das glauben sie, werde sie heilen; sie halten Klagen für eine Zierde Ihrer Schuld. Ich hoffe, Sie hingegen ringen und kämpfen. Ja, streben Sie nach Gemeinschaft, nach immer wachsender Gemeinschaft mit Christo. Es sind Tiefen der Liebe in Christo, die weit über alles gehen, was wir gesehen haben; darum graben Sie tief und scheuen Sie keine Anstrengung, auf daß Sie Ihn ganz gewinnen. Aber heut zu Tage spielt, ach! der größte Theil der Menschen nur mit dem Christenthum und legt es dann leichtsinnig bei Seite. Ich glaubte, es sei eine leichte Sache, ein Christ zu sein und um Gott zu suchen, brauche man nicht weit zu gehen; aber ach! durch welche wunderbar sich kreuzende Wege hat Er mich hindurchgeführt! und doch bin ich von dem sichern Hafen noch fern. Er züchtiget des Nachts meine Nieren und Seine Pfeile stecken in meinem Herzen, wenn ich erwache. Wer will mir helfen Ihn zu preisen! Wer will einstimmen in meinen Lobgesang und Seine große Liebe erhöhen! - Was meine Freunde anlangt, ach, die Welt wäre nicht mehr Welt, wenn diese Quelle nicht versiegte. Ich setze mein Vertrauen auf Gott und will die Welt nur so gebrauchen, wie ein kluger Herr seinen betrügerischen Knecht (Gott helfe, daß ich es so thue!); er gibt ihm keinen wichtigen Auftrag und keinen Credit, sondern vertraut ihm nur gewöhnliche Botschaften an, bei denen er von ihm nicht betrogen werden kann. Ich bitte Gott, daß ich nicht bei der Welt Trost und Freude suche, das hieße, Christum Seines Amtes entsetzen. Nun die Gegenwart des großen Engels des Bundes sei mit Ihnen und Ihrem süßen Kinde.

Der Ihrige.

Aberdeen, 7. März 1637.

S. R.

20.

Gnädige Gräfin!

Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen. Ich verlange nach Nachrichten von Ihnen und Ihrem theuern Kinde, und deßhalb belästige ich Sie mit meinen Briefen.

Ich möchte jetzt die Sperlinge und Schwalben beneiden, welche ihre Nester an der Kirche zu Anwoth anbauen. Der HErr hat meine ganze Gemeinde zerstreut. Ach! oft möchte ich ausrufen: „laß mich wissen, warum Du mit mir haderst!“ Freilich, es ist nur mein Unglaube in dieser meiner Leidensnacht, daß ich einen Freund für. meinen Feind halte; aber dennoch hat mein HErr nicht mit mir gerechtet. Ich zürne Ihm, aber Er gibt mir gute Worte. Da meine Sünden und die Sünden meiner Jugend Strafe verdienten, wie danke ich meinem HErrn, daß Er unter vielen Kreuzen mir ein auserwähltes Kreuz gegeben hat, nehmlich, um des Namens Jesu willen zu leiden. Da ich gebunden werden mußte, so wollte Er mich mit goldnen Ketten binden, die noch durch viel Tröstungen versüßt sind. Und da ich leiden mußte (denn ich habe gesündigt, o Du Hüter der Menschen!) so gab Er mir selige Leiden, - geistliche, herrliche Leiden. Mein Kreuz wird mir durch die Hand der Liebe und Barmherzigkeit auferlegt, es kommt aus dem zärtlichen Herzen eines Bruders, der Christus mein HErr ist, und deßhalb ist es süß. Man sollte nun denken, ich würde mich dankbar freuen; aber wie steht es mit mir? - Die mich sehen und mich in Christo lieben, haben fleischliche Augen; von ihnen werde ich hoch erhoben und sehr gepriesen. Doch mein Zeuge wohnt in der Höhe, und Heere von Gedanken in mir sagen das Gegentheil und lachen ihres großen Irrthums. „Wenn das Innerste meines Herzens offenbar würde, so verlöre ich die Liebe und Achtung aller, die Gott lieben und sic würden nur Mitleiden mit mir haben. Ich wünschte, sie stellten mich niedriger und meinen vielgeliebten Christus höher; ich aber möchte die Gnade und Kraft von meinem HErrn empfangen, fröhlich und dankbar zufrieden zu sein, wenn durch meine Leiden Gott in den Augen aller Seiner Kreaturen verherrlichet wird; nur lasse Gott dabei mich nicht Seinen Zorn und Sein Mißfallen empfinden. Wie würde meine Seele sich freuen, wenn ich ein Mittel zur Verherrlichung Christi werden könnte, wäre es auch durch die bittersten Leiden! Aber davon bin ich noch fern, sehr fern. Seine Liebe hat mich zu einem Gefangenen gemacht, hat mir Hände und Füße gebunden; und es ist mir eine Qual, daß ich mich nicht losmachen kann, noch die Freiheit erlange, meinem HErrn Jesu zu dienen und Seinen Namen zu versündigen. Ach! weder meine Zunge noch meine Feder vermögen dieses. Die Liebe Christi ist höher, als meine Lobpreisung, sie übersteigt weit die Gedanken aller der mächtigen Heerscharen, die vor Seinem Throne stehen. Wehe, wehe mir, um der Schuld willen, die nur wenige sehen! Meine verborgenen Wunden, die unablässig bluten, sieht keines Menschen Auge; aber sie würden zu meiner Schande aufbrechen, wenn mein liebreicher Heiland nicht fortwährend badend, waschend, heilend und verbindend neben mir stände. Ich weiß nicht, was das Ende meiner Leiden sein wird. Ich habe nur die eine Seite meines Kreuzes gesehen; wie die andere Seite sein wird, weiß nur Er, der es mir auflegt. Es ist einer armen Seele bei der unermeßlichen Größe der Liebe Christi etwas leichtes, sich mit den frommen Wünschen zu nähren, daß Christus durch sie geehret werde, aber ach! in der Ausübung bleibe ich weit zurück. Ich habe nichts, gar nichts, Christo zu geben, als Armuth.

- Gnädige Gräfin, ich würde mich freuen, wenn ich hörte, daß Christi Ruf an Sie immer stärker wird, und wenn ich vernähme, daß Sie immer vorwärts gehen und Ihm täglich näher kommen. Ich selbst thue wenig zur Verherrlichung Christi, aber ich wünsche, daß alle Andern mit vollen Segeln auf den Hafen Christi zueilen. Es gibt mir neuen Muth, daß ich Sie nicht gleichgültig und kalt gegen einen Gefangenen Christi sehe, wie so manche Andere; ich hoffe, der HErr wird es Ihnen vergelten. Ich bin nicht betrübt darüber, daß mein eifersüchtiger HErr mir meine Götzen zerschlägt, so daß sie nichts für mich thun können, noch dürfen. Mein HErr bedarf ihrer Hülfe nicht; aber so müssen sie Ihm zu Seinen Zwecken dienen. Ich bin so kühn gewesen, gnädige Gräfin, einige fromme Seelen dieser Gegend, die Christum wahrhaft lieben, zur Fürbitte für Sie und Ihr theures Kind aufzufordern. Lassen Sie mich wissen, wie es dem Kinde geht. Der Segen, der über das Haupt Joseph's kam und die Gnade Dessen, Der in dem Busche wohnte, komme auch über Sie beide. Ich kann nun aus eigener Erfahrung Ihnen etwas mehr von Christo sagen, als ehemals. Wenn Sie suchen, so werden Sie in Christo einen verborgenen Schatz und eine Goldgrube finden, die Sie noch nie gesehen. Darum: „Komm und siehe.“

Ich befehle Sie der Erbarmung Gottes und bleibe in Jesu der Ihrige.

Aberdeen, 17. Juni 1637.

S. R.

21.

Gnädige Gräfin! Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen. Mich verlangt nach Nachrichten von Ihnen. Ich weiß, Sie sehen nicht auf die vergänglichen Dinge dieser Zeit; denn Sie haben erkannt, daß Ihr Kapital und Ihr Schatz nicht unter dem Dache dieses sichtbaren Himmels liegt, und Sie würden sich für betrogen halten, wenn es so wäre. Wahrlich ich bin auch weit davon entfernt, Ihnen den Rath zu geben, einen Bund mit der Zeit und mit diesem Leben zu machen; im Gegentheil bitte ich Sie, die großen Segel einzuziehen und ja nicht in den seichten Hafen irdischer Glückseligkeit einzulaufen. Es hat etwas zu bedeuten, wenn der HErr die Blüthen unserer eitlen Hoffnungen in diesem Leben abschüttelt und die Zweige unserer weltlichen Freuden dicht bei der Wurzel abschneidet, damit sie nicht fortwachsen können. Wenn die Heiligen ihres weltlichen Glückes verlustig gehen, so ist das kein so großes Uebel, als es unsern verblendeten Augen erscheint.

Ich fange an, ungeduldiger als früher nach einer Erlösung zu verlangen; aber ich weiß, es ist unrecht von mir. Vielleicht habe ich das Maß der Prüfung, welches der HErr mir auferlegen will, noch nicht erreicht.

Könnten meine Freunde etwas zu meiner Befreiung thun, so würde ich mich sehr freuen; aber ich glaube, der HErr wird mir einen Weg zeigen, auf welchem Er allein alles Lob einerndtet. Lassen Sie mich durch den Ueberbringer Nachricht erhalten, wie es dem Kinde geht. Der HErr sei Ihr Vater, Versorger und Tröster; Gnade sei mit Ihnen.

Aberdeen, 13. Februar 1637.

S. R.

22.

Gnädige Gräfin!

Ich habe es nicht unterlassen können, Ihnen durch diese christliche Freundin, welche, wie Sie, unter und durch Leiden zu Christo gezogen ist, einige Zeilen zu schreiben.

Ich wünschte, Christus wäre vielen Seelen theurer und unentbehrlicher, als Er es ist. Ich kenne keinen schönern Weg in den Himmel, als durch freie Gnade und zugleich durch harte Prüfungen; - das eine kann nicht ohne das andere sein. - O, daß die Zeit schneller eilte und unsere Verbindung mit dem Schönsten unter den Menschenkindern beschleunigte! Doch die wenigen Jahre werden vergehen und das Stundenglas des Wächters wird bald abgelaufen sein. Gnädige Gräfin, schmücken Sie Ihre Lampe und blicken Sie aus nach der Ankunft Ihres HErrn und lassen Sie Ihr Herz nicht zu fest an Ihrem süßen Kinde hängen. Die eifersüchtige Liebe Christi will es nicht zulassen, daß wir unser Herz theilen; Christus muß es ganz besitzen. Ich möchte Ihnen nur Gutes wünschen, und Ihre durch so viele Jahre hindurch mir erwiesene Liebe treibt mich doppelt dazu an; aber mehr kann ich Ihnen weder wünschen noch erbitten, als Christum und zwar ihn allein, Ihn außerkoren vor allen Kreaturen, wenn gleich mit der Dornenkrone. Ich bin gewiß, daß den Heiligen, auch wenn es am besten mit ihnen steht, die Größe und der hohe Werth der unvergleichlichen Herrlichkeit Christi noch unbekannt ist. Daher ist Er denen, die mehr und mehr in Ihm suchen, täglich neu in Seiner Herrlichkeit und doch ist Er immer Ein und Derselbe. O, wir kennen nicht die Hälfte von dem, was wir lieben, wenn wir Christum lieben! Die Gnade sei mit Ihnen, bis Sie in der Herrlichkeit vollendet sein werden. In dem HErrn Jesu der Ihrige.

Aberdeen, 1637.

S. R.

23.

Gnädige Gräfin!

Ich habe von Ihrer Krankheit und Ihren Leiden gehört. Doch ich weiß, die Frucht derselben wird nur Segen für Sie sein; denn Gottes Ihnen verborgene Absicht ist nur die Größe Seiner Liebe und Sorgfalt, die Er von Ihrer Jugend an für Sie gehabt, offenbar zu machen. Und wenn Sie einst alle diese schweren Verluste, diese Prüfungen, Krankheiten und Gebrechen, allen Kummer und alle Beschwerden erkennen werden (wie dieß gewiß einmal geschehen wird) als die Ruthen der Eifersucht eines Gemahls im Himmel, welcher mit allen Ihren Liebhabern auf Erden, und wären deren auch Millionen, streitet um Ihre Liebe allein und unvermischt zu besitzen; dann werden Sie (wenn ich mich so ausdrücken darf) jeder Ruthe Gottes verzeihen und die Sonne nicht untergehen lassen über Ihren Zorn gegen irgend einen Boten Ihres Sie züchtigenden Vaters. Müssen Sie es doch sehen, daß das Ziel, wonach Christus seit vier und zwanzig Jahren und länger trachtet, die Gemeinschaft und Verbindung ist, die Er in alle Ewigkeit mit einer so sündigen Kreatur im Himmel haben will, weil Er (so groß ist Seine Liebe) die Herrlichkeit Seines Vaters und die ihm von Ewigkeit gebührende Krone, nicht ohne Sie besitzen will. Deshalb, gnädige Gräfin, glauben Sie nichts Böses von Christo und hören Sie nicht auf die bösen Nachreden, welche Seine Kreuze Ihnen von Ihm zuflüstern wollen. Er hat Sie geliebet und gewaschen von Ihren Sünden und was begehren Sie mehr? Ist das zu wenig? Muß Er auch alle Kreuze hinwegräumen? Ich hoffe, Sie begehren keine größere und keine herrlichere Begleitung als Christum und die Gemeinschaft des Lammes in Ewigkeit. Wenn dieses Verlangen Ihnen im Himmel gewährt wird (wie ich dessen gewiß bin, und wie ja auch Sie die Gewißheit davon in Ihrem Herzen haben), so können Sie die geringen Verluste, welche Sie hier erfahren, den Verlust eines lebenden Gemahls, vieler Kinder, eines gesunden Körpers und eines bequemen Lebens in dieser Welt leicht ertragen, denn dort wird Ihnen alles reichlich vergolten werden. Gnade, Gnade sei mit Ihnen.

London, 16. Oktober 1645.

S. R.

24.

Gnädige Gräfin! Wir wohnen nur auf Erden, weil wir nicht anders können; Nothwendigkeit, nicht Tugend macht uns zu Bewohnern eines Gefängnisses, um in einem Lande der Thränen sechszig oder siebenzig Jahre zu weinen, zu seufzen und ach! zu sündigen. Die Früchte, welche hier wachsen, sind alle befleckt und von der Sünde vergiftet. O wie schön ist es, daß die Gemeinde des Erstgebornen in zwei große Heere getheilt ist, von denen das eine schon in seiner Heimath, das andere auf dem Wege dahin ist! Erlangten wir auch weiter nichts, als nur einmal das Angesicht des Fürsten dieses schönen Landes zu sehen, und ewig in dem Glanz und den Strahlen Seiner Herrlichkeit und in der Nähe dieser unvergleichlichen Quelle der Liebe zu wohnen, so wäre unsere Reise dennoch wohl belohnt und lägen auch sieben Tode dazwischen. Lassen Sie uns nur nicht müde werden; schon nehmen die Meilen nach diesem Lande, hin immer mehr ab und werden kürzer, als da wir anfingen zu glauben. Reisende thun Unrecht, wenn sie mit ihren Wirthen streiten und über ihre Wohnung klagen. Es ist wohl ein rauher Weg, aber eine schöne Heimath. O! hätte ich nur solche Trauben und Früchte aus dem Lande, als ich an dem Orte, dessen Sie erwähnen, bisweilen gesehen und gekostet habe! Aber die Hoffnung auf das Ende ist ein fröhliches Geleit auf dem Wege. Mag ich auch bis zu dem Ende meines Laufes von dem Kleinod nur wenig erblicken, so will ich dennoch nicht klagen. Es ist der HErr! Gnade sei mit Ihnen. Der Ihrige in Christo.

London, 26. Januar 1646.

S. R.

25.

Gnädige Gräfin! Gnade, Barmherzigkeit und Friede sei mit Ihnen. Ich weiß wohl, daß viele Tröster Ihnen nahe sind und daß auch der verheißene Tröster Ihnen zur Seite steht; dennoch, eingedenk des Trostes; den Sie mir in schweren, noch unvergessenen Tagen einst gewährt haben, fühle ich mich auch gedrungen, in dieser über Sie verhängten Trübsal ein Wort des Trostes zu Ihnen zu reden. Gnädige Gräfin! Der Verlust dieses Ihres lieben Kindes kam nicht unerwartet über Sie, Sie sahen ihn voraus; und der Allmächtige, der Sie längst darauf vorbereitet hat, ließ das, was Sie gefürchtet, endlich geschehen. Ich hoffe, Sie werden den Kelch um dessentwillen, der ihn im Himmel für Sie bereitete, mit Freuden trinken und dieß Kreuz willkommen heißen. Gewiß, es ist nicht die Absicht Ihres Gottes, Sie mit Wermuth zu speisen und mit Galle zu tränken. Ich weiß, Ihr Kelch ist mit Gnade versüßt; denn das Verwelken dieser blühenden Blume, welche Ihre einzige irdische Freude ausmachte, geschah zu keinem andern Zwecke, als um Ihr Herz und Ihre Liebe vor jedem Rückfall zu sichern. Unterwerfen Sie sich dem Willen des Allmächtigen und sprechen Sie zu dem Kreuze Ihres HErrn Jesu ein williges und entschlossenes: Amen! Wenn Sie fragen, wessen Kreuz es ist, so sage ich dreist, es ist nicht ganz Ihr eigenes; die größte Hälfte desselben ist Christi. Es wuchs nicht aus der Erde hervor. Christus trägt dieses Leiden gemeinschaftlich mit Ihnen. Denn, als Er sich mit Ihnen verband, da nahm Er Sie und alle Ihre Kreuze und all Ihr Herzeleid auf sich; denn das Wort: - “ in allen ihren Leiden litt Er mit“ 6) - gestattet keine Ausnahme. So trug. denn Christus auch den ersten Schlag dieses Kreuzes; und ich glaube gewiß, es ist Seine Absicht, auch aus diesem Verluste wie aus allen Ihren früheren Leiden himmlische Seligkeit Ihnen zu bereiten; denn die Weisheit verordnete dieses Kreuz, die Liebe legte es auf und Christus erkennt es als Sein eigenes an. So nehmen Sie es denn mit Freuden auf als eine Heimsuchung Gottes und bringen Sie den Ueberrest Ihrer Tage, bis auch Ihre Stunde schlägt, in der Uebung des Glaubens zu und lassen Sie den Glauben, der sie noch nie getäuscht, Gottes Führung das Wort reden. Sie meinen vielleicht, daß nicht viel Kinder Gottes so schwere Wege geführt worden sind, als Sie, - und doch würden manche ihre Leiden gern mit den Ihrigen vertauschen; - aber diese sind Ihnen eigens zugedacht und Christus theilt sie mit Ihnen. Auch ich erwartete nicht, daß unser HErr dieses zulassen würde, wodurch Er Ihre irdischen Freuden mit der Wurzel ausriß, aber wir sehen der Regierung des Allmächtigen nicht auf den Grund. „Ist Er zur Linken, so ergreife ich Ihn nicht, verbirgt Er sich zur Rechten, so sehe ich ihn nicht.“ Wir sehen nur einzelne Ringe in der Kette Seiner Vorsehung. O, lassen Sie den Töpfer seinem Thon die Form geben, welche ihm beliebt. „Wer will den Allmächtigen lehren?“ Wenn Er über die dürren Stoppeln fährt, wer mag sagen, was thust Du? Verwundern Sie sich nicht, wenn Sie sehen, wie der Richter der Welt in dasselbe Gewebe Seine Erbarmungen über Sie und Seine Gerichte über das Haus Kenmure zusammenwebt. Doch wage ich in Ehrerbietigkeit Ihnen den Rath zu geben, daß Sie darauf achten, wie auch Sie der Ertödtung noch bedürfen und welche Schlacken das Feuer des HErrn bei Ihnen auswirft. Ich sage nicht, daß schwerere Leiden ein Beweis größerer Schuld sind, nein; so würden wir oft den Sinn eines Kreuzes falsch verstehen; aber ich bin gewiß, daß unser HErr das schlechte Metall von Ihnen ausscheiden will, damit Er nicht sprechen müsse: „Der Blasebalg ist verbrannt, das Blei verschwindet, das Schmelzen ist umsonst, denn das Böse ist nicht davon geschieden.“ 7) Und ich hoffe, daß dieser Kummer Ihre Augen nicht so verdunkelt haben wird, daß Sie nicht in diese gnadenvolle Absicht Ihres HErrn einstimmen könnten. Ich stelle mich mit Freuden auf die Seite des Trösters, nicht um wider Sie, sondern um wider Ihren Kummer aufzutreten, der jetzt gewaltsam in Ihre Seele eindringen will und es steht wohl nicht in Ihrer Macht sich ganz dagegen zu verwahren, dennoch bleibt Ihnen viel Trost, den Sie nicht gering achten dürfen. Es ist des Christen Kunst, sich in dem HErrn zu trösten und zu sprechen: „Es war meine Schuldigkeit, dieses Kind dem Geber wieder zurückzugeben; es war mir nur auf wenige Jahre geborgt; und nun hat es Christus auf ewig in Besitz genommen. Da es mein Gott nicht wollte, daß wir beide zu derselben Stunde die Schwelle der Ewigkeit betreten sollten, so unterwerfe ich mich Seiner weisen Bestimmung.“ Ich theilte gern den Kummer mit Ihnen, aber ich stehe nur als ein Zuschauer da. Der Gott des Trostes wolle selbst Ihnen Trost zusprechen und Sie mit den Erquickungen Seiner Liebe zu sich ziehn. Wie reichlich auch Ihre Seele dann mit Freude und Trost wird erfüllt werden, so ist dieß alles doch nur ein Tropfen aus dem unermeßlichen Ocean der Seligkeit.

Die Trennung von meiner Gemeinde ist mir so schwer, daß das Leben mir dadurch zur Last wird. Ich sehne mich mehr als je nach dem Tode. Gnade sei mit Ihnen.

Kirkcudbright, 1. Oktober 1649.

S. R.

26.

Gnädige Gräfin!

Ich habe so lange geschwiegen, daß ich's kaum wage, wieder an Sie zu schreiben. Ich höre von dem hinfälligen Zustande Ihrer Gesundheit. Dießmal soll Ihnen ein Antrieb sein, auf das ewige Leben hinzublicken, welches Ihnen mehr Muße gewähren wird, dem Lobe Gottes zu leben, als hier Ihnen die Zeit gewähren kann. Wird es vielen ein Verlust sein, so wird es doch Sie, gnädige Gräfin, von allem Verluste befreien. Wahrlich, wenn ich betrachte, in welcher Zeit wir leben, so möchte ich, wenn wir nicht durch längeres Segeln dem HErrn dienen sollten, nach einem stillen Hafen eilen, so lange die vom Sturm bewegten Wellen so hoch gehen. Der Vorläufer, der zuerst gelandet ist, muß das von der See umhergetriebene Schiff sicher in den Hafen und die kranken Passagiere an das Ufer bringen. Eine große Erstorbenheit hat sich Vieler bemächtigt; aber Leben ist in Ihm, der sich „die Auferstehung und das leben“ nennt, und der mächtig ist, sie wieder zu beleben. Ach, das verborgene Leben ist kaum in uns angefangen; wie viel fehlt da noch! der allein weise Gott ersetze, was fehlt. Je, größer Ihr Bedürfniß ist, desto mehr ist Ihnen durch die Gnade verheißen. Die Freude auf das Hochzeitmahl des Lammes darf nicht geschmälert werden durch einen zu großen Vorgeschmack von Glückseligkeit. Gnade sei mit Ihnen. Der Ihrige in dem HErrn.

St. Andrews.

S. R.

27.

Gnädige Gräfin!

Ich bekenne mit Schmerzen mein großes Unrecht, daß ich so lange gegen Sie geschwiegen habe. Es hat mich tief betrübt, hören zu müssen, daß diejenigen, welche Ihnen bessern Dank schuldig waren, Ihnen mit solchem Verrath gelohnt haben. Doch Sie wissen, daß die Lüge keine Macht hat und daß ihr Werk von keinem Bestande ist; und Sie wissen auch, daß all' Ihr Unglück nicht aus dem Acker wächst.

Es ist eine schöne Sache, wenn man das sündliche und gesetzlose Treiben der Menschen nur so betrachtet, wie es unter der Leitung einer heiligen Hand im Himmel stehet. Es wäre Weisheit und würde uns großen Frieden gewähren, wenn wir unsere Unterdrücker nur als passive Werkzeuge betrachteten, gleich einer Säge oder einer Art in der Hand des Zimmermanns; Gott hat sie das geheißen, was sie thun, aber nicht befohlen, (wenn man so unterscheiden darf). Gnädige Gräfin, diese vielen Jahre hindurch hat der HErr Sie gelehrt, das Buch Seiner Heiligen und untadeligen Regierung zu studieren durch Leiden, die Ihnen in der Nähe und aus der Ferne zugefügt werden. Welches auch immer die Werkzeuge sein mögen, so darf doch der Thon sich nie gegen den Töpfer auflehnen, das Geschöpf nie gegen den Schöpfer aller Dinge. Wenn die Leiden Zions Einigen von uns nicht nahe liegen und unsere Herzen nicht niederdrücken, so ist es kein Wunder, wenn wir durch häusliche Leiden geprüft werden. Doch ich weiß, Sie haben von Gott gelernt, Jerusalem Ihre höchste Freude sein zu lassen. Es ist kein Grund, zu verzagen, noch zu ermatten; warten Sie auf die Erscheinung, die nicht verziehen wird, denn sie wird selbst reden. Der allein weise Gott sei mit Ihnen und Gott, Ihr Gott segne Sie. Der Ihrige in dem HErrn.

St. Andrew 8, Juni 1657.

S. R.

1)
Juda und Israel ist in der hier angeführten Stelle (Hos. 2,6.) als Mutter und ehebrecherische Frau angeredet.
2)
Habakuk 2,3
3)
Jes. 26,20
4)
Anspielung auf Bunyan's Pilgerreise nach der Ewigkeit.
5)
Ezech. 11, 16. Nach der englischen Uebersetzung.
6)
Jes. 63, 9. Nach der englischen Uebersetzung.
7)
Jer. 6, 29.
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