Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 2. Buch Samuel

Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 2. Buch Samuel

Kap. 7

So bekräftige nun, HErr Gott, das Wort in Ewigkeit, das Du über Deinen Knecht geredet hast, und thue, was Du geredet hast. 2 Sam. 7,25.

Gott hatte dem König David durch den Propheten Nathan verheißen, er wolle seinen Samen nach ihm erwecken, und den Stuhl seines Königreiches ewiglich bestätigen; Er wolle seines Samens Vater sein, und derselbe volle Sein Sohn sein; das Haus Davids und sein Königreich solle ewiglich beständig sein, und sein Stuhl ewiglich bestehen u.s.w. Diese Verheißung hat ein Prophet, Namens Ethan, im neun und achtzigsten Psalmen noch weiter ausgeführt, und deutlich auf den Messias, den Sohn Davids, gedeutet: David hat aber selber auch erkannt, daß diese Verheißung allzugroß sei, als daß sie ganz an seinem nächsten Nachfolger auf dem Throne erfüllt werden könne, und deßwegen V. 18. 19. gesagt: wer bin ich, HErr, HErr, und was ist mein Haus, daß Du mich bis hieher gebracht hast? Dazu hast Du das zu wenig geachtet, HErr, HErr, sondern hast dem Hause Deines Knechtes von fernem Zukünftigen geredet, das (was Du von meinem Stamm geredet hast) ist die Weise (oder Beschreibung) eines Menschen, der in der Höhe Gott, der HErr, ist. Er setzte aber V. 25. in seinem Gebet noch weiter hinzu: so bekräftige nun, HErr Gott, das Wort in Ewigkeit, das Du über Deinen Knecht geredet hast, und thue, was Du geredet hast. In eben diesem Sinn sagte die demüthige Maria Luk. 1,88. zu dem Engel Gabriel, der ihr etwas Ungemeines im Namen des HErrn verheißen hatte: siehe, ich bin des HErrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.
Uns, die wir im Gnadenreich unseres HErrn Jesu Christi nichts Außerordentliches zu gewarten haben, sind dennoch viele theure und sehr große Verheißungen Gottes geschenkt, deren Summe darin besteht, daß wir der göttlichen Natur theilhaftig werden sollen, so wir anders die vergängliche Lust der Welt fliehen, 2 Petr. 1,4. Diese Verheißungen sind mit vielen und vielerlei Worten in der heiligen Schrift ausgedrückt: es kommt aber nun darauf an, daß ein Jeder glauben könne, Gott habe dasjenige, was Er verheißen hat, über ihn, Seinen Knecht, geredet, oder die Verheißung gelte ihm, obschon sein Name in der Bibel nicht ausgedrückt ist. Diese glaubige Zueignung ist aber ein Werk des Trösters, des Heiligen Geistes, welcher ein jedes Verheißungs- und Trostwort, das in der Bibel steht, dem Menschen so an’s Herz reden, oder so in seine Seele hineinsprechen kann, daß der Mensch wie Jakob 1 Mo. 32,12. zu Gott sagen kann: Du hast gesagt: Ich will dir wohlthun, oder wie David: Du hast dieß und das über Deinen Knecht geredet. Alsdann soll aber der Glaube in der tiefsten Demuth sich dem gnädigen Willen Gottes unterwerfen; er soll zu der Verheißung Ja und Amen sagen, und sprechen: so bekräftige nun, HErr Gott, Dein Wort, thue, was Du geredet hast; mir geschehe, wie Du gesagt hast. Welch’ ein innerlicher Friede muß alsdann in einer Seele entstehen, wenn sie so auf eine Verheißung des wahrhaftigen Gottes gleichsam niedersinkt; und wie wohl muß es dem lieben Gott gefallen, wenn auf Sein Verheißungswort ein solches Echo des Glaubens erfolgt! Der Mensch hat nicht nöthig hiebei einzusehen, wie Gott Sein Wort bekräftigen oder erfüllen werde, sondern kann und soll sich, wie Abraham, damit beruhigen, daß Gott, was Er verheißen hat, auch thun könne, Röm. 4,21. Ach Gott, rede Du durch Deinen Geist Deine Verheißungen mir an’s Herz, damit ich sie glauben könne, und von den quälenden Sorgen befreit werde.

Kap. 9

Mephiboseth betete an, und sprach: wer bin ich, dein Knecht, daß du dich wendest zu einem todten Hund, wie ich bin? 2 Sam. 9,8.

Es war bei den Israeliten zu Davids Zeit gewöhnlich, daß man sich oder einen Andern einen todten Hund nannte, wenn man von sich selbst oder von einem Andern verächtlich reden wollte. David sagte zu dem König Saul 1 Sam. 24,15.: wem jagest du nach? einem todten Hund, einem einzigen Floh (wie ich bin)? Abisai sagte zu David von dem Simei, 2 Sam. 16,9.: sollte dieser todte Hund meinem Herrn, dem König, fluchen? Mephiboseth aber betete an, das ist, er fiel vor dem König David auf die Erde nieder, und sprach: wer bin ich, dein Knecht, daß du dich wendest zu einem todten Hund, wie ich bin? Die Veranlassung zu dieser demüthigen Rede gab David durch Erweisung einer besondern Gnade, denn er sagte zu Mephiboseth, da derselbe ängstlich auf dem Boden vor ihm lag: fürchte dich nicht, denn ich will Barmherzigkeit an dir thun, um Jonathan deines Vaters willen, und will dir allen Acker deines Vaters Sauls wiedergeben, du aber sollst täglich auf meinem Tisch das Brod essen. Mephiboseth war der Geburt nach ein vornehmer Mann, der Enkel eine Königs, und der Sohn eines wackern königlichen Prinzen. Gott hatte ihn aber durch ein Gebrechen seines Leibes gedemüthigt, denn im fünften Jahr seines Alters fiel er auf der Flucht, und ward hinkend an beiden Füßen, 2 Sam. 4,4. 9,13.; auch erlebte er, daß sein Großvater, Vater, und alle Brüder seines Vaters durch das Schwert jämmerlich umkamen, sein ganzes Geschlecht in’s Elend herabsank, und er selbst im Hause eines reichen Mannes jenseits des Jordans seinen Unterhalt suchen mußte. Er selbst hatte David, wie es scheint, nie beleidigt: sein Großvater Saul aber hatte ihn verfolgt, und sich sonst schwer versündigt; auch war seines Vaters Bruder, Isboseth, Davids Feind gewesen. Unter diesen Umständen war es dem demüthigen Mephiboseth etwas Unerwartetes, daß David ihm nicht nur das ansehnliche Landgut, welches Saul’s gewesen war, wiedergab, sondern ihn sogar an seine königliche Tafel zog, und zu seinem täglichen Tischgenossen machte.
Wir lernen aus dieser Geschichte, daß das Leiden demüthige Leute mache, wenn sie bei dem Leiden weise sind, und daß ein Demüthiger, wenn ihm eine große Gnade widerfährt, dadurch in eine Verwunderung gesetzt, und noch mehr gedemüthiget werde. hat sich der lahme und arme Mephiboseth vor dem König David so sehr gedemüthigt: was sollen wir Erdenwürmer, wir Sünder, wir untüchtige und unreine Menschen thun, wenn wir vor Jesum, den Sohn Gottes, den HErrn aller Herren, den König aller Könige treten, der uns eine viel größere Gnade erzeigen will und kann, als David dem Mephiboseth erzeigt hat? Wir sollen uns tief niederbücken, und mit Verwunderung freuen, wenn wir hören, daß Er uns über den Stand unsers Vaters Adam erhöhen, und als der Erstgeborne unter vielen Brüder sogar zu Seinen Miterben machen wolle. Schamhaft sollen wir uns verwundern, daß Er uns, alldieweil wir noch auf der Erde leben, an Seinen Tisch setzen, und mit Seinem kräftigen Wort und mit Seinem heiligen Leib und blut speisen und tränken, überdieß aber auch zu dem Abendmahl Seiner Hochzeit im Himmel berufen will. Alles dieses ist Gnade. Wir sind dieser Gnade unwürdig. Je größer die Gnade ist, desto mehr soll uns unsere Unwürdigkeit in die Augen fallen.

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