Quandt, Carl Wilhelm Emil - Die Berge der Bibel - Einleitung.

Quandt, Carl Wilhelm Emil - Die Berge der Bibel - Einleitung.

Nach den Bergen, wo die Freiheit wohnt und die Stille weilt; nach den Bergen, wo der Himmel näher ist und das Kleine und Gemeine der Erde unter den Füßen liegt; nach den Bergen geht das Verlange der Pilger, die müde sind von dem Leben im Thal und in den Niederungen. Zu den Bergen eilen im Sommer Tausende, denen Gott reichlicher von den Gütern dieser Welt zugemessen hat, als der großen Menge; zu den Bergen eilen sie aus dem Dampf des Thales und aus dem bunten Gewühl des Marktes, und ihr Herz hebt sich und wird weit und groß auf den sonnigen Gipfeln, und auch die ermatteten Glieder werden frischer in den balsamischen Lüften, und dankbar segnen sie die Berge. „Auf hoher Alp von kräuterreichen Höhn die Lüftlein lieblich wehn, gewürzig, frei und rein; mag’s wohl Sein Odem sein? auf hoher Alp ein lieber Vater wohnt!“

Nach den Bergen, von dannen uns die Hülfe kommt; nach den Bergen, auf denen die großen Gottesthaten des alten und des neuen Bundes vollbracht sind; nach den heiligen Bergen der Bibel geht das tiefere Verlangen der Erdenpilger, die müde sind von dem Leben voll Sünde und Thränen in diesem Jammerthal. Zu diesen heiligen Bergen hat die Gemeine der Heiligen aller Zeiten immer sehnsuchtsvoll die Augen aufgehoben und immer aus ihrer Gottesstille und aus dem Rauschen der Kräfte der Ewigkeit, die auf ihnen weben und walten, tausendfache Erquickung empfangen. Zu diesen heiligen Bergen wollen wir im Geiste miteinander wallen, wie in gemeinschaftlicher sommerlicher Bergreise; Gott segne uns solche Wanderung und mache unsere Herzen groß und weit und still auf den Bergen Gottes, die Er selbst einst weihte durch seine Fußstapfen, und erfrische uns auf den Alpenhöhen der Bibel durch seinen belebenden Gottesodem nach Leib, Seele und Geist!

Die heiligen Berge, die wir meinen, sind nicht gering an Zahl. Der gottselige Rieger sagt einmal: „Alle großen und herrlichen Werke Gottes sind auf den Bergen geschehn. Auf das Gebirge Ararat ließ sich die schwimmende Arche Noahs das erste Mal wieder nieder; auf dem Berge Morija sollte Abraham seinen Sohn opfern; auf dem Berge Sinai wurde das Gesetz unter größter Majestät der Gegenwart Gottes gegeben; auf demselben Berge hat Gott mit Mose geredet vierzig Tage und vierzig Nächte von Angesicht zu Angesicht, und Elia im stillen sanften Sausen den Herrn geschaut. Auf den Bergen Ebal und Garizim wurden die Segen und Flüche Gottes dem Volke vorgelesen. Auf den Bergen waren die Schulen der Propheten; auf dem Berge Morija stand der Tempel. Christus selbst liebte auch die Berge; auf einem Berge wurde er verklärt; er entwich oft vor dem Volke auf einen Berg. Auf den Bergen betete er; am Oelberg trat er den Kampf seiner blutigen Schlachten an; auf dem Berge Golgatha vollendete er denselben; auf einen Berg in Galiläa beschied er seine Jünger nach seiner Auferstehung; auf einem Berge fuhr er auf gen Himmel, welches alles seine eigenen Ursachen und geheime Bedeutung hatte.“

Nicht alle von diesen heiligen Bergen der Bibel, auf denen die Geheimnisse und Segnungen Gottes offenbar geworden sind, können und wollen wir im Geiste besteigen. Wie auch die meisten Alpenreisenden sich daran genügen lassen, die berühmtesten und bedeutendsten Höhen zu besuchen, so soll es uns genügen, Blick und Geist emporzuschwingen zu den Fürsten und Gewaltigen unter den Bergen der Schrift. Wir beschauen zuerst die vier wichtigsten Berge des alten Testamentes, sodann die zwei wichtigsten Berge des neuen Testamentes und endlich die wichtigste Berggruppe beider Testamente. Demgemäß sind die heiligen Berge, denen unsere fromme Wanderung gilt, folgende:

  1. Der Ararat.
  2. Der Sinai.
  3. Der Nebo.
  4. Der Karmel.
  5. Der Berg der Seligkeiten.
  6. Der Thabor.
  7. Die Berge Jerusalems.

Niemand aber unternimmt Bergwanderungen ohne einen guten, festen Wanderstab. Und desgleichen glückt Niemanden die geistliche Wanderung zu den Bergen, von dannen uns die Hülfe kommt, ohne den wackeren Stab glaubensvoller Andacht. Der Herr gebe uns diesen Stab in unsre Hände und geleite uns dazu mit seinem Geiste, so werden die Berge uns triefen mit süßem Weine und alle Hügel fließen mit Milch, daß wir nehmen und essen ohne Geld und umsonst, beides Wein und Milch, geistlichen Wein zur Stärkung, geistliche Milch zur Nahrung unserer Seele. Das walte Gott in Gnaden. Amen.

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