Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 10. Eine Liebesthat.

Passavant, Theophil - Abraham und Abraham's Kinder - 10. Eine Liebesthat.

Warum so schwer? O Erdenscholle, Erdenstaub, wie ziehest du uns immer und immer wieder so mächtig an dich und zu dir herab, und lastest auf Sinnen und Herzen so schwer, bleischwer, ehe wir noch unter dir im kalten Grabe liegen?

Warum wird uns manchmal das Theilen mit Fremden oder auch mit Freunden, das Abgeben von manchem Gute, das Vergeben von unserm oft nur vermeinten Rechte, oft nur einer Handvoll Erde, so schwer? Das Mein und Dein, groß oder klein, Gold oder Kupfer, es hat schon viel, zu viel das Thränenthal bewässert, und der Hölle eingetragen. Einer hat es anders gemeinet, und hat es uns auch anders befohlen. Lesen wir Seine Worte, Thorheit den Starken, und Aergerniß den Schwachen, Worte des göttlichen Geistes von welchem man immer wieder auf den Geist des Menschen appellirt, - den Einfältigen so klar, den Kindlichen so wahr: sie stehen: Matth. 5,38. f. geschrieben.

Freilich, wenn wir mit all unserem Denken und Tichten und Trachten immer auf dieser Erde sind, und bei allem Wissen und Rühmen von höheren Sachen, bei allem Glauben an höhere Dinge, doch immer mehr trachten nach dem, das auf Erden ist, als nach dem, das droben ist (Col. 3,1…); - so sind wir allerdings mit Herz und Sinnen auf diese kleine enge Erdenwelt beschränkt; hier ist dann unsere Behausung, hier unsere Heimath, unsere Habe, unsere Hoffnung, Erde, Welt und Himmel, unser Alles in Allem: denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz (Matth. 6,21.); so groß, so weit wie Gottes Himmel, oder so enge, auch so finster, wie das Gäßlein im Süden. Des Menschen Herzlust gar ein zähes Ding, und mag gerne nehmen und wenig geben, und ist ihm, es werde ihm in's Fleisch gehauen, - und ist in der That also: es müsse bluten, und verbluten vielleicht, wo es an das Seine gehet; Mein und Dein: der alte Prüfstein.

Da freuet mich unter andern ein Zug aus Abraham's Leben: Er war von einer Wanderung nach Egypten wiederum nach Beth-El zurück von Mittag gezogen, zwischen Beth-El und Ai, an den Ort, wo am Ersten seine Hütte war, und er sich vorhin den Altar gemacht hatte; und er predigte allda von dem Namen des Herrn. Abram war sehr reich an Vieh, und, wie sich's daraus ergab: an Silber und Gold. Der das Himmlische gibt, kann auch das Irdische geben; denn Sein ist der Erdkreis, und was ihn erfüllt: Ps. 50,12. Lot aber, Abraham's Neffe, der mit ihm ans Mesopotamien gezogen war, hatte auch Schafe, und Rinder, und Hirten. Und das Land konnte - vor Mangel an freien Weiden - es nicht ertragen, daß sie mit einander wohneten: denn ihre Habe war groß; und sie konnten nicht mit einander wohnen. Es hauseten ja auch zu der Zeit die Cananiter und die Pheresiter, in den gleichen Gegenden im Lande, und diese waren Herren zu Hause. Und es ward Zank zwischen den Hirten über Abrams Vieh, und den Hirten über Lots Vieh. Da sprach Abram zu Lot: Lieber, laß nicht Zank sein zwischen mir und dir, und zwischen meinen und deinen Hirten; denn wir sind Männer, Brüder. Stehet dir nicht alles Land offen? Lieber, scheide dich von mir. Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten; oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken. Das gefiel, scheint's, dem Lot wohl. Da hob er, heißt es, seine Augen auf, und besah den ganzen Kreis des Jordan, denn ehe der Herr Sodom und Gomorra um ihrer Sünden und Gräuel willen verderbet hatte, war die ganze Umgegend vom Jordan durchspület, wasserreich, bis man gen Zoar kommt, wie ein Garten Jehovas, wie Egyptenland. C. 13,1-14

Jehovas Garten, das schöne Eden, war längst bei jener ersten Sünde der Menschen von der Erde verschwunden: wo die Sünde aufkeimet, und Land und Leute durchdringet, da ist kein Garten Gottes mehr, und so mußten auch im Laufe der Zeiten viele andere Gegenden, lieblich und reich, unter dem Fluche Gottes allmählig vergehen. Egyptenland, damals so schön, und später noch so schön und reich, hat in späteren Zeiten sein Gericht empfangen, und ist von seiner Herrlichkeit tief herabgekommen. Doch hat kein Land je ein solches Vertilgungs-Urtheil, wie jene gottlosen Städte, Sodom und Gomorra, empfangen, zum Exempel allen Völkern und Leuten: So ihr euch nicht bessert, werdet ihr Alle auch also umkommen: Luc. 13, 2. f.

Da erwählte sich Lot die ganze Gegend, den Kreis am Jordan, und zog gegen Morgen. - Das sich Erwählen ist dem Menschen oft ein gefährlich Ding. Also schied ein Bruder vom andern: Abraham wohnte im Lande Canaan, nämlich westlicher und mehr im Norden, bald auch im Süden; und Lot in den Städten derselben Gegend, und er setzte seine Hütte gen Sodom. Aber, bemerkt die heilige Geschichte, die Leute zu Sodom waren böse, und sündigten sehr wider den Herrn. Wer da Böses thut, sündiget wider den Herrn, und mit Dem wohnen ist nicht gut; das hat der arme Lot später gar schmerzlich erfahren müssen. C. 19. 2 Pet. 2. f. Luc. 17.

Abraham verlor bei diesem Friedens-Vertrage nichts; er trug in seinem Glauben, in ihm selbst, einen überaus reichen und unvergleichlichen Ersatz; und so habens alle Kinder seines Glaubens auch. Wer Gott erkannt hat, und Ihn kennt, siehet das höchste Gut vor sich, und hat dessen Köstliches schon im Vorgefühl empfunden; er mag dann nicht um das Geringere zanken, so groß es auch sein möge; und um des Geringern willen, wird er sich das Schönere nicht verkümmern; er stehet in demselben zu hoch und zu sicher, zu fröhlich und stille; er wird in demselben zu reich, und durch das Eine, das Noth thut (Luc. 10,42.), von dem Uebrigen, das nicht Noth thut - zu sehr abgezogen; er begehret es nicht; er ist vergnüget; jedoch wird er nicht stolz dabei; sein Glaube, der ihn immer wieder vor seinen Herrn hinstellet, stellet ihm seine innere Armuth immer neu vor die Augen ins Licht, und beuget ihn immer tiefer vor Gottes Angesicht; wie geschrieben stehet, so hat es ihm auch der Glaube tief ins Herz geschrieben: Ein Bruder aber, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe; und der da reich ist, rühme sich seiner Niedrigkeit (Jac. 1,9. f.); und wenn er auch verarmen, und ihm an den Gütern dieser Zeit abgehen sollte, wird er doch immer zu dem Glaubensworte sich hatten: Trachtet am Ersten nach dem Reich Gottes und nach Seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zufallen. Matth. 6,33.

Ich habe gelernet, bei was ich bin, mir genügen lassen. Ich kann niedrig sein, und kann hoch sein; ich bin in Allem und bei Allen eingeweiht, satt zu sein und zu hungern, übrig zu haben und Mangel zu leiden. Ich vermag Alles durch Den, der mich mächtig macht… - durch Wen? Phil. 4. Das sind Worte des Glaubens.

Es ist aber ein gar eigenes Ding, um den Glauben und des Glaubens Güter, - sein und zart; Wer ihrer nur einen Augenblick, im Trachten, im Handeln, oder im Zanken um ein irdisches Gut, vergessen, hat damit sogleich den Frieden und die Freude des Himmlischen eingebüßt, und muß bei allem Gewinn und Reichthum, allem Siegen, sich sehr arm und bloß erfinden: sintemal Wer die Welt lieb hat, in dem ist die Liebe des himmlischen Vaters nicht (1. Joh. 2,15.); und wo die Liebe des himmlischen Vaters nicht sein kann, da ist eitel leeres und trügerisches Ding, und unseliges Wesen. Ja, wo wir auch nur das Unsere, unser gutes Recht und Guy hart und steif behaupten wollen, da ist kein Lob von Gott, keine Verheißung, kein trauter Regen. und Friedensbogen; wir haben unsern Lohn und Frieden dahin.

Da nun Lot sich von Abram geschieden hatte, sprach der Herr zu Abram: Hebe deine Augen auf, und siehe von der Stätte an, wo du wohnest, gegen Mitternacht und gegen Mittag, und gegen Morgen und gegen Abend: denn alles Land, das du stehest, will Ich dir geben, und deinem Samen ewiglich. Und Ich will deinen Samen machen wie den Staub auf Erden; kann ein Mensch den Staub auf Erden zählen, der wird auch deinen Samen zählen. Darum so mach' dich auf, und ziehe durch das Land in die Länge und Breite, denn dir will Ich s geben. Da hub Abram seine Hütten, und kam, und wohnete im Hain Mamre, der zu Hebron ist, und baute daselbst einen Altar dem Herrn. C. 13,14 -18.

Nun, jene Handlung des Freundes Gottes so großmüthig und frei, seine Freundlichkeit und Güte gegen Lot, den jüngeren, diese Sanftmuth und Demuth, es war Alles in festem und kindlichem Vertrauen zu Gott geschehen, war eine Glaubensthat; und Der, Dem er es im Glauben zur Ehre gethan, Gott, der Gott Abraham, ist getreu. Selig sind die Sanftmüthigen, denn sie werden das Erdreich besitzen; und selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Matth. 5,5.9. f. 6,33.

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