Mallet, Friedrich - An den Menschen ein Wohlgefallen!
Ev. Luk. 2,14.
Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen!
Wir haben die beiden ersten Strophen des schönen heiligen Engelliedes mit einander betrachtet und gewiss mit heiliger Freude Ja und Amen dazu gesagt; das scheint aber bei der dritten Strophe: „und den Menschen ein Wohlgefallen!“ sehr schwer zu sein. Sie ist auch an das Kind in der Krippe geknüpft, die himmlischen Heerscharen sprechen mit großer heiliger Freude es aus, dass Gott um dieses Kindes willen sein Wohlgefallen an den Menschen habe; wir aber müssen fragen: wie ist das möglich? Gerade an diesem heiligen Gottes- und Menschenkind haben sich die Menschen versündigt, wie sie sich nie an Gott, noch an irgend einer Kreatur versündigt haben. Schon in der Wiege wollten sie es morden, und es musste lange Zeit auf Erden in die tiefste Verborgenheit und Stille sich zurückziehen, um nur sein Dasein zu fristen. Wie aber der liebe, heilige Sohn Gottes öffentlich unter ihnen wohnte and wandelte und zwar so, dass sein ganzes Leben unter ihnen eine Wohltat war, eine große, reiche, heilige Liebessaat, da hat er von dieser Saat einen Hass geerntet, wie er nie schrecklicher auf Erden gewesen ist, und dieses heilige Säen und diese schreckliche Ernte geht noch immer fort. Die Schmach derer, die Gott schmähen, hat ihn getroffen, die Sünde ist als eine Feindschaft wider Gott an ihm offenbar geworden. Die Menschen haben ihm die bittersten Tränen ausgepresst, sie haben sein Herzblut vergossen, sie haben ihn gehasst bis in den Tod, sie haben nicht geruht, bis ihn ihre Augen als blutige Leiche sahen, sie haben alles getan, um seinen Namen von der Erde zu vertilgen, und sie tun es noch. Wenn man daran denkt, dann muss man gerade ihm gegenüber sagen: an den Menschen ein Missfallen! Dann muss man sich darüber verwundern, dass die Erde noch steht, dass überhaupt von den Menschen noch die Rede sein kann, dass nicht der Erscheinung des Sohnes Gottes auf Erden längst ein Gericht gefolgt ist, aus dem, wie einst aus dem ersten Weltgericht nur Noah und seine Arche, nur Christus und sein Kreuz ist gerettet worden, wie das auch wirklich einmal der Fall sein wird. Aber es bleibt dennoch bei dem Wort der himmlischen Heerscharen: an den Menschen ein Wohlgefallen! Lasst uns sehen, wie es in jeder Beziehung wahr ist, und wie es in allen Werken Gottes ist immer herrlicher offenbar geworden, und zwar im Werk der Schöpfung, im Werk der Erlösung und im Werk der Heiligung.
I.
Der Mensch hat Freude und Wohlgefallen an seinen Werken, denn er sieht in ihnen sein eigenes verborgenes Wesen. Wenn auch die Hand sie arbeitet, sind sie doch ein Werk seines Geistes, wodurch er äußerlich etwas darstellt, was in ihm ist, und wodurch sein inneres verborgenes Wesen in die Erscheinung tritt. Diese Freude hat schon das Kind bei seinem Spiel. Wenn es mit ein paar Hölzern irgend etwas gebaut hat, freut es sich, denn es hat eine Idee seines erwachenden Geistes verwirklicht. Das ist etwas Göttliches im Menschen. Gott hat seine Freude an seinen Werken, denn sie sind eine Verwirklichung seiner Gedanken, in ihnen ist eine Offenbarung und Darstellung seines eignen Wesens, seiner Weisheit, seiner Macht, seiner Liebe. Die heilige Schrift spricht das wiederholt aus in der Geschichte der Schöpfung. Da heißt es nach jedem Tagewerk: „und Gott sah, dass es gut war.“ Sechsmal wiederholt sich dieses Zeugnis und macht uns darauf aufmerksam, dass Gott an jedem Tagewerk seine Freude hatte. Aber nun fängt plötzlich eine ganz neue Geschichte an von einem ganz besonderen Gotteswerk, über das ein besonderer göttlicher Ratschluss gefasst ist. Von der Schöpfung des Menschen ist die Rede. Er soll das Höchste und Herrlichste der Wesen sein, er soll Gottes Bild sein. Gott das Original, der Mensch sein Bild, so dass wer den Menschen sieht soll sagen können, er habe das Bild des unsichtbaren Gottes gesehen. Und diesen Ratschluss führte Gott gleich aus, denn es heißt: „und Gott schuf dem Menschen ihm zum Bild, zum Bild Gottes schuf er ihn.“ Nun heißt es nicht: und Gott sah, dass es gut war, sondern es heißt gar anders: „und Gott sah an alles, was er gemacht hatte und es war sehr gut.“ Diese Schöpfung hatte nun in dem Menschen ihre Vollendung bekommen, ihre Krone und ihre Herrlichkeit. Es war in dem Menschen ein Wesen da, das Gott erkennen, dass seine Liebe empfinden, das ihn wieder lieben, das ihn ganz verstehen und aus dem nun auch Gottes Leben und Liebe offenbar werden konnte. Darum hatte Gott an dem Menschen sein ganzes Wohlgefallen, wie wir es auch nur an einem Wesen haben können, das uns ganz verstehen kann, dem wir uns ganz mitteilen können. So hat es von Anfang an geheißen: an den Menschen ein Wohlgefallen. Und dieses Wohlgefallen hat nie aufgehört. Freilich ist die Lüge und die Sünde in die reine und heilige Welt Gottes hineingekommen und hat das Bild Gottes in dem Menschen umhüllt und entstellt, ja der Gräuel der Verwüstung ist bis in das tiefste Innere des Menschen gedrungen, bis an die heilige Stätte, die Gott für seine Liebe bereitet hat. Und dass Gott kein Gott ist, dem gottloses Wesen gefällt, dass er die Sünde, die seine Werke zerstört, unversöhnlich hasst, das hat er auch an dem Menschen offenbart, indem er allen Folgen der Sünde freien Lauf gelassen, auch dem Tode, so dass der sündige Mensch an sich selbst erfahren muss, wie er sein Dasein verwirkt hat. Es ist ein Zorn Gottes da wider die Sünde, der mit dem schrecklichen Gericht Gottes über den hartnäckigen Sünder offenbar werden muss, aber Gott hat doch nach dem Sündenfall nie das Bild des Menschen vergessen, wie es einst gewesen ist, und hat immer gleich wieder sein Wohlgefallen geoffenbart, wo ein Zug dieses göttlichen Bildes erschienen und es dadurch wieder offenbar geworden ist, dass, wie groß auch die Macht der Sünde im Menschen ist, sie nicht sein Wesen ist, und dass durch sie das Bild Gottes in dem Menschen nicht ganz hat können vernichtet werden. Das ganze Wesen des Menschen ist von der Schöpfung an dar auf angelegt, Gott zu glauben und in diesem Glauben seinem Gott mit Leib und Seele anzugehören, und Gottes Auge hat immer nach diesem Glauben gesehen, wie er aus der starken Sündenmacht und Sündennacht wieder hindurchbrechen und hervorleuchten kann, und hat dann immer sein Wohlgefallen über den Menschen ausgesprochen. Abraham war ein sündiger Mensch, aber es heißt von ihm: er hat Gott geglaubt und das ist ihm gerechnet zur Gerechtigkeit, d. h. Gott hatte an ihm sein Wohlgefallen, obgleich er ein sündiger Mensch war. Gott hat den Menschen für sich geschaffen und bereitet, und die Sünde trennt ihn von seinem Gott, aber wie groß auch ihre Macht und ihr Zauber ist, der Mensch kann dahin kommen, dass er spricht: meine Seele dürstet nach Gott, und dann empfindet er die Sünde die seine Lust war, als die schwerste Last, als das tiefste Elend. David war ein sündiger Mensch, und dass Gott an Niemanden die Sünde wohlgefällt, dass ist an ihm in schweren Gerichten Gottes offenbar geworden, und doch heißt er ein Mann nach dem Herzen Gottes. Denn in seinem Herzen war der Durst nach dem lebendigen Gott, und eben darum wurde ihm die von Gott scheidende Sünde eine Last und ein Jammer, worüber er klagen musste: sie ist mir zu schwer, sie geht über mein Haupt, ich schwemme mein Lager mit Tränen, meine Gestalt ist verfallen vor vielem Weinen. Ja gerade wie die Zeit herankam, wo Gott der ganzen Welt offenbaren musste an seinem eignen Volk, an seiner Stadt und an seinem Haus, dass ihm nicht gottloses Wesen gefällt und dass der Sünder vor ihm nicht bleiben kann und dass es schrecklich ist, von ihm gerichtet zu werden, da lässt er allen seinen Gerichten vorhergehen die Verheißung von dem Kind, das soll geboren werden und das heißen soll: Immanuel, Gott mit uns! und spricht gegenüber der Klage der erschrockenen Herzen: „Gott hat uns vergessen, Gott hat uns verlassen,“ das zärtlichste Wort aus, das je im Himmel und auf Erden zu Menschen ist geredet worden: „kann auch eine Mutter ihres Kindes vergessen, dass sie sich nicht erbarme des Sohnes ihres Leibes, und ob sie sein vergäße, will ich dein nicht vergessen. Siehe in die Hände habe ich dich gezeichnet. Dein Bild ist immer vor mir.“ Gott spricht hier von dem sündigen Menschen, wie etwa Eltern von einem Kind sprechen, das verkommen oder verloren oder gestorben ist, und nicht aufhören können, seines Bildes zu gedenken, wie es einst vor ihren Augen stand und an ihrem Herzen lag, so schön und so lieb, so dass sie daran immer ihr herzliches Wohlgefallen haben. So spricht Gott von dem Menschen und zu dem Menschen, und fügt noch hinzu, er habe sein Bild in seine Hände gezeichnet. Woran man aber sein Missfallen hat, davon wendet man die Augen weg, was man sich aber so nahe stellt, um es immer vor Augen zu haben, daran hat man all sein Wohlgefallen. Darum hat Gott den Menschen. nie aufgeben können, darum hat er alles getan, um das verlorene und verkommene Kind wieder zu finden und wieder herzustellen in seiner ursprünglichen Schönheit, um das verstorbene Kind wieder lebendig zu machen. Und wenn wir hier an der Krippe zu Bethlehem stehen und fragen, warum denn dieses Kind geboren ist, warum Gott uns seinen lieben Sohn gesandt hat? so ist die einzige und herrlichste Antwort darauf: das hat nicht sein Zorn, sondern seine Liebe getan, das ist nicht aus dem Missfallen an der Sünde hervorgegangen, die konnte er durch sein Gericht aus seiner Schöpfung vertilgen, sondern das ist darum geschehen, weil er an dem Menschen sein Wohlgefallen hat, weil sein Bild immer vor ihm geblieben ist, und zwar so, dass er daran sein ganzes göttliches Wesen setzen musste, um es wieder herzustellen. Daher singen die Engel in seliger Anbetung Gottes: an den Menschen ein Wohlgefallen.
II.
Aber dieses große und herrliche Wort hat nun eine weitere Bedeutung bekommen, es hat nun seine allerherrlichste Erfüllung gefunden. Bisher hieß es: „was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch“, und nun ist ein Mensch geboren, der schon vom Mutterleib an der Heilige genannt wird, obgleich er nicht neu geschaffen, sondern unser Fleisch und Blut ist und, vom Weib geboren, die Knechtsgestalt des sündlichen Fleisches an sich trägt, der also ganz uns angehört und von dem das Wort des Apostels Paulus auch gilt: Gott hat gemacht, dass von Einem Blut alle Menschengeschlechter auf der Erde wohnen sollen, und der doch ohne Sünde ist. Ja der Mensch ist geboren, in dem es mitten in einer sündigen Welt ist offenbar geworden, was Gott ist als der Gott des Friedens und der Liebe, und was der Mensch ist als das schöne und herrliche und vollkommene Bild Gottes, so dass wer ihr kennt es weiß, was Gott ist und was der Mensch ist. Der Mensch ist auf der Erde erschienen, der nicht nur selbst ohne Sünde war, sondern die Sünden der Melt auf sich genommen hat und alle Sündenschuld getilgt und alle Sündenmacht überwunden hat. Der erste Mensch, zum Bild Gottes geschaffen, war der ersten Versuchung erlegen, dieser Mensch aber, der andere Adam, ist versucht in Allem gleich wie wir und ist in jeder bestanden. Der erste Mensch hatte umgeben von aller Herrlichkeit des Paradieses, umfangen von der Liebe Gottes, seinen Gott verlassen. Dieser hat mitten unter den Dornen der Erde, ja am Kreuz von Gott verlassen, an Gott festgehalten. In ihm ist es auf Erden in den allerschwersten Versuchungen, in den allerheftigsten Anfechtungen, in dem allerbittersten Leiden, wo Alle abgewichen sind, offenbar geworden, dass in dem menschlichen Herzen eine Liebe wohnen kann, die unüberwindlich ist, die alles dahingeben kann, um in Gott allein das höchste Gut zu besitzen, und die alles leiden und dulden kann, um Gott wieder seine verlorenen Kinder zuzuführen, und dass es in dieser Liebe einen Gehorsam gegen Gott gibt, dem kein Gebot zu schwer, kein Opfer zu groß, kein Preis zu hoch ist, in dem der Mensch sterben kann, um Gott zu leben und dadurch selbst den Tod überwinden und in den Eingang zum Leben in der Herrlichkeit Gottes verwandeln kann. Hier ist der Mensch, der in der sündigen Welt unter den sündigen Menschen in der engsten Verbindung mit ihnen lebend, fragen konnte: wer unter euch kann mich einer Sünde zeihen? in dessen Mund kein Trug erfunden ward, weil die Lüge, wovon diese Welt voll ist, in seine heilige Seele keinen Eingang finden konnte, der also, mitten unter den Sündern lebend, heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern abgesondert blieb, der in allem den Menschen gleich war, alles Menschliche mit den Menschen gefühlt, genossen, gelitten hat und das ganze menschliche Wesen und Leben, das überall mit Sünden befleckt ist, als unsündlich und heilig in seiner ursprünglichen Schönheit und Heiligkeit dargestellt und also offenbart hat, dass in Folge der Bestimmung und Schöpfung des Menschen zum Bild Gottes alles Menschliche göttlich und alles Göttliche menschlich ist, und so wie die Sünde aus dem Menschen getilgt ist, das Ebenbild Gottes wieder wie die Sonne aus den Wolken hervorbricht. Mit seiner Geburt ist also der Mensch zur Welt geboren, wie er seit dem Sündenfall nicht dagewesen ist, wie er bei der Schöpfung von Gott schon angelegt, aber nie zur Vollendung gekommen war. In ihm ist daher das Haupt der Menschheit geboren, von dem das rechte, wahre, heilige und selige Menschenleben wieder ausgehen kann über alle Menschen, die sein Fleisch und Blut sind, von dem es heißen kann: gleichwie durch Eines Ungehorsam Viele Sünder geworden sind, also werden durch Eines Gehorsam Viele Gerechte, gleichwie sie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo Alle lebendig gemacht werden. So wie er daher geboren war, konnte man sagen: Gott hat seinen lieben Sohn gegeben zu einer Erlösung für Viele. Das Werk der Erlösung konnte nun nicht mehr aufgehalten, konnte durch nichts mehr verhindert werden. Der große verheißene Nachkomme des Weibes war da, der unter empfindlichen Leiden der Schlange den Kopf zertreten und eben dadurch die gefallene Menschheit aus der Finsternis zum Licht und aus der Gewalt des Satans zu dem lebendigen Gott führen, alle Werke des Teufels zerstören und das allergrößte und allerherrlichste Werk Gottes in der Erlösung der Menschen von Sünde und Tod in ihrer Wiederherstellung zum herrlichen Bilde Gottes vollenden sollte. Daher sehen die himmlischen Heerscharen, die über die Sünden der Menschen getrauert haben, und die sich über Einen Sünder, der Buße tut, freuen, mit höchstem Entzücken auf dieses Menschenkind hin, das wunderbar heißt. Sie wissen es, dass auf dieses Kind die Augen Gottes gerichtet sind mit dem Wohlgefallen der allerhöchsten und heiligsten Liebe, und dass Gott hinfort nur in ihm die Menschen ansehen will. Da brechen sie aus in den Freudenruf: an den Menschen ein Wohlgefallen. Und es ist nachher noch eine andere Stimme vom Himmel herabgekommen, die höher ist als die Stimme aller himmlischen Heerscharen, von der es heißt: der Herr redet, vor ihm sei stille alle Welt. Bei dem Werk der Schöpfung wird nur bezeugt, dass Gott angesehen hat alles, was er gemacht hat und siehe, es war sehr gut, aber hier bei dem Werk der Erlösung geschieht noch etwas viel Höheres. Da bezeuget es Gott selbst, den außer dem Sohn nie Jemand gesehen hat, dass auf diesem Menschen sein ganzes Wohlgefallen ruht und außer ihm von einem Wohlgefallen Gottes keine Rede sein kann. Denn wie unser lieber Herr Jesus Christus sich von Johannes dem Täufer taufen ließ und eben dadurch alle Schuld der Menschen auf sich nahm, als wäre sie seine eigene Schuld und als müsse er erst gereinigt werden, um ins Reich Gottes einzugehen, da tat sich über diesem also vor Gott unter die Sünde gebeugten Menschensohn der Himmel auf, und eine Stimme, von der wir nicht zweifeln können, von wem sie gekommen ist, sprach: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Und zu diesem Wort und Zeugnis des lebendigen Gottes haben dann die großen Taten Gottes, da er ihn auferweckt hat von den Toten und gesetzt hat zu seiner Rechten im Himmel, das Himmel und Erde erfüllende Amen gesprochen. Dieses Wohlgefallen Gottes ruht auf ihm gerade darum, weil er ein Mensch geworden ist und als Mensch ihm geglaubt, ihn geliebt hat von ganzem Herzen, von ganzer Seele und aus allen seinen Kräften und seinen. Nächsten als sich selbst und in dieser Liebe gehorsam gewesen ist bis in den Tod, ja bis in den Tod am Kreuz und also es erwiesen und offenbart hat, dass in dem Menschenherzen die Macht wohnen kann, die Alles überwindet, alle Lügenmacht, alle Sündenmacht und alle Todesmacht. Eben damit aber ist allen Menschen der Weg weit aufgetan zum Wohlgefallen Gottes zu gelangen. Wer zu dem flieht, auf dem alles Wohlgefallen Gottes ruht, wer den bittet: nimm mich an; wer dem sagen kann: an dir habe ich mein Wohlgefallen, nicht an mir selbst, nicht an der Sünde, nicht an der Welt; ich mag nicht ohne dich leben, ich kann nicht ohne dich sterben, nach dir verlangt meine Seele, nach deiner Gnade, nach deinem Frieden, nach deiner Liebe, nach deiner ewigen Gemeinschaft, ich möchte gern bei dir sein, ich möchte dich gern einmal sehen wie du bist der ist mit Gott eins geworden, Gottes Gedanken sind seine Gedanken, Gottes Wege sind seine Wege geworden, auf ihn geht das ganze Wohlgefallen Gottes über, das Gott an seinem lieben Sohn hat. Ja Gott sieht alle, die in Christo Jesu sind, als seine lieben Kinder an und seht sie mit ihm zu seinen Erben ein, so dass sie sagen können: Gott hat an uns sein Wohlgefallen, auch in den Stunden, wo sie an sich selbst ihr Missfallen haben und über sich selbst in dem Gefühl der ihnen noch anklebenden Sünde bittere Tränen weinen. Darum sagt der heilige Apostel Paulus: „er hat uns angenehm gemacht in dem Geliebten.“
So hatte gleich in der Nacht seiner Geburt, so wie er in der Welt erschienen war, eine neue Menschheit auf Erden angefangen, sich um ihn zu sammeln. Er war keinen Augenblick allein. Maria und Joseph, die Hirten Bethlehems, die Weisen des Morgenlandes, die Stillen in Jerusalem, sie sammelten sich um das heilige Kind. Mit anbetender Freude hieß es in ihren Herzen: ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben, in dem uns Gott Alles vergeben und gegeben hat. Diese Gabe Gottes war ihnen mehr als die ganze Welt, an ihr haben sie ihr Missfallen, an ihm, der nicht von der Welt, sondern von Gott ist, haben sie ihr Wohlgefallen, so dass sie hinfort ohne ihn nicht mehr leben und in ihm selig sterben konnten. So konnte Gott seinen lieben heiligen Sohn nicht sehen, ohne sie zu sehen und sein Wohlgefallen ging auf sie alle über, um ewig auf ihnen zu ruhen. Und wer kann sie zählen die große Menge derer aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist, in denen der kleine Kreis dieser Menschen sich über die ganze Erde erweitert hat, die in diesem Kind ihren Heiland sehen, die der Welt entsagt haben, um ihm anzugehören, die an aller Sünde ein Missfallen und an ihm und dem Leben in ihm ihr ganzes Wohlgefallen haben, und über die eben darum das auf ihm ruhende Wohlgefallen Gottes sich ausbreitet, wie von der Sonne das Licht ausgeht über Alle, die auf Erden wohnen. O wie groß ist die Zahl der Menschen, denen das Wort der himmlischen Heerscharen gilt: „an den Menschen ein Wohlgefallen.“ Gehören wir auch dazu?
III.
Und in allen diesen Menschen, die von dem Mensch gewordenen Sohn Gottes sagen können: wir haben an ihm die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünde, wir sind in ihm Gott angenehm, Gott hat in ihm an uns sein Wohlgefallen, in denen hat eben mit diesem Glauben ein neues, großes, heiliges Gotteswerk angefangen: das Werk der Heiligung. Sie haben in ihm nicht nur die Vergebung der Sünden, sie haben durch ihn auch die Gabe des heiligen Geistes empfangen, damit sein Leben ihr Leben und sie zu seinem Bild verklärt werden von einer Klarheit zur anderen, so dass auch jeder Einzelne in eigentümlicher Weise das lebendige Bild des göttlichen Ebenbildes werde und an jedem Einzelnen Gott sein besonderes Wohlgefallen habe. Da tritt denn auch das ursprüngliche Bild Gottes wieder in sein Recht und taucht aus den Tiefen des Menschen, von allen Sündenfesseln befreit und gereinigt, wieder hervor. Es entsteht nicht ein neues Geschöpf, so dass der Mensch aufhörte ein Mensch zu sein, sondern es entsteht der neue Mensch, in dem es offenbar wird, wozu wir geschaffen sind, und wozu der ganze Mensch von Gott durch die Schöpfung angelegt und vorbereitet ist. Da wird Alles, was in dem Menschen sich verkehrt hat und zur Lust und Begierde geworden ist, zu einem heiligen Verlangen, zu einer heißen und heiligen Sehnsucht nach Gott und göttlichen Dingen. Das Verlangen nach irdischem Glück verwandelt sich in die Sehnsucht nach dem ewigen Leben; das Trachten nach irdischen Schätzen verwandelt sich in ein Trachten nach himmlischen Gütern; das Geizen nach der Ehre der Welt in ein Ringen nach der Ehre bei Gott, die Sucht der Eitelkeit, den Menschen zu gefallen, in das Verlangen, Gott wohl zu gefallen. Das wissen sie Alle, dass sie nur in Christo gerecht sind, in dem Geliebten Gott angenehm sind, an dem Gott sein Wohlgefallen hat, Gott wohlgefällig sind, und sie freuen sich dessen und wollen es nicht anders; aber sie wollen nun auch gern dankbar sein, sie wollen nun auch gern dem zur Freude werden, der sie also geliebt hat, sie wollen ihm nun auch gern in ihrem Leben und Wandel wohlgefallen, das treibt sie an, der Heiligung nachzujagen, alles abzulegen, was ihrem Herrn missfallen könnte und in ihrem Tun und Lassen es zu offenbaren, dass sie hassen, was er ihnen vergeben hat, dass sie lieben, was er liebt, dass es ihr Trost, ihre Freude, ihr Ruhm, ihr Alles ist, ihm anzugehören. Wir bestreben uns, sagt Paulus, ihm zu gefallen, und sie wissen, dass das Bestreben nicht vergebens ist, dass er darin ihr gnädiger Beistand ist, dass er es selbst übernommen hat, sie vor seinem himmlischen Vater darzustellen ohne Flecken, ohne Tadel, ohne Mangel, heilig und unsträflich vor Gott in der Liebe, in ihr so reich, so selig, so herrlich, so vollkommen wie sein Vater im Himmel, so dass an Jedem in individueller Weise Gott sein Bild in höchster Vollendung erblickt und er an Allen sein besonderes Wohlgefallen hat. O was kann es Größeres und Seligeres für diejenigen geben, die den Gedanken nicht ertragen können, dass Gott an ihnen sein Missfallen hat, die über ihre Sünden unzählige bittere Tränen geweint haben, als die Gewissheit, dass Gott an ihnen sein Wohlgefallen hat, und dass sie dem, der für sie die Leiden des Todes erduldet hat, zur Freude werden können und zum Lohn seiner Schmerzen und so können verwandelt und verklärt werden in sein Bild, dass Gott an ihnen hat sein Wohlgefallen wie an ihm selbst. O wie viele Menschen hat es seitdem auf Erden gegeben und leben noch auf ihr, die oft von Niemand bemerkt als dem Auge, das ins Verborgene sieht, in all den Versuchungen, Anfechtungen, Mühseligkeiten und Leiden des Erdenlebens unverwandt den Blick nach Christi Kreuz und Herrlichkeit gerichtet, sich selbst überwunden, die Welt verleugnet, den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet und nichts gesucht haben als immerdar in Christo erfunden zu werden und also Gott im Himmel wohlzugefallen. O was wird das einmal sein, wenn von allen die Hülle wird hinweggenommen, wenn diese ganze gottgeweihte Menschheit wird versammelt werden aus den Häusern und aus den Gräbern und es nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden wird offenbar werden, dass Gott an dem, der in der Krippe lag und am Kreuze starb, und an Allen, die ihm angehören, sein Wohlgefallen hat, wenn er, wie die Schrift sagt, herrlich erscheinen wird in seinen Heiligen und wunderbar in seinen Gläubigen. Und dieser Tag wird kommen, wie der erste Christtag gekommen ist, der Tag seiner Erniedrigung, so wird auch der zweite Christtag kommen, der Tag seiner Herrlichkeit, die seine ganze Gemeinde überstrahlen, und die sie mit ihm teilen wird, wie sie sein Kreuz und seine Schmach mit ihm geteilt hat. Dann wird das Wort der Engel in seiner ganzen Vollendung Himmel und Erde erfüllen, und in der Höhe und Tiefe der Schöpfung wird's heißen: an den Menschen hat Gott ein Wohlgefallen.
Und doch bleibt uns noch ein Aber, denn wie groß auch die Zahl der Menschen sein wird, von denen dies Wort kann gesagt werden, es sind doch nicht Alle, und hier steht doch: „an den Menschen“, als wenn's gar keine Ausnahme gäbe. Und so ist es auch wirklich. Es ist freilich von Solchen in der heiligen Schrift die Rede, die noch am letzten Tag des Gerichts das Urteil der Verwerfung und Verdammnis aus dem Mund dessen hören müssen, der für der ganzen Welt Sünde gestorben ist. Aber das waren Menschen, sie sind's nicht mehr. Wenn der Mensch seine Erlösung selbst unmöglich gemacht hat, wenn er alles Erbarmen seines Gottes hat von sich gewiesen, wenn er den letzten Funken eines göttlichen Lebens in sich ausgelöscht, den letzten Zug eines zum Bilde Gottes geschaffenen Wesens in sich verwischt hat, dann ist er kein Mensch mehr, dann ist er zum tierischen oder dämonischen Dasein hinabgesunken, er verliert dann auch diesen heiligen Namen, den er hat zur Sünde und Schande gemacht und den Gott hat zur Gerechtigkeit und zur Ehre gemacht. Alle die Menschen geblieben sind und durch den einen Menschen, der Christus Jesus heißt, wieder rechte wahre Menschen Gottes geworden sind, die haben und tragen diesen Namen, auf dem das Wohlgefallen Gottes ruht, in Ewigkeit, und darum sagen und singen die himmlischen Heerscharen mit Recht: an den Menschen ein Wohlgefallen.
Möchte daher unser Name nie ausgelöscht werden, sondern um Jesu willen unauslöschlich eingeschrieben werden in das Buch des Lebens und auch in uns der Name Mensch wieder mit Preis und Ehre gekrönt, ein Name der Herrlichkeit werden auf Erden und im Himmel; möge das heilige Engellied uns begleiten auf dem Wege unsrer Wallfahrt und uns immer mehr in seiner Herrlichkeit offenbar werden, bis der Tag anbricht, der ewige Sonntag, wo wir es selbst hören werden in himmlischer Sprache und Weise und von Ewigkeit zu Ewigkeit erfahren werden, dass die Seligkeit mit ewiger Herrlichkeit in den Worten liegt: an den Menschen hat Gott ein Wohlgefallen. Amen!
Du treuer und barmherziger Gott, Engel- und Menschenzungen können deine Liebe nicht aussprechen, die alle Erkenntnis übersteigt. Lob und Dank und Anbetung sei Dir dafür in Ewigkeit, dass Du Dein Wohlgefallen an den Menschen in Deinem geliebten Sohn unter uns hast erscheinen lassen wie eine Sonne, der die ganze Macht der Sünde und des Todes weichen muss. In diese Sonne der Gerechtigkeit und des Lebens flüchten wir uns mit unsrer ganzen Sündenschuld und mit unserem ganzen Sündenelend, um vor Dir wohlgefällig und in Deinem geliebten Sohn Deine Kinder und Deine Erben zu werden. O nimm uns in ihm an zu Deinem ewigen Eigentum und verkläre uns durch ihn in Dein heiliges Bild, dass das Wort der himmlischen Heerscharen auch unser Friede und unsere Freude, und unser Lobgesang werde auf Erden und im Himmel! Amen!