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Luther, Martin - Kirche und Staat

Luther, Martin - Kirche und Staat

Aus der Schrift: „Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“, W.A. 11, 247ff.

Zuerst müssen wir das weltliche Recht und Schwert gut begründen, damit nicht jemand daran zweifle, daß sie durch Gottes Willen und Ordnung in der Welt sind. … Hier müssen wir Adams Kinder und die Menschen in zwei Teile teilen: die einen gehören zum Reich Gottes, die anderen zum Reich der Welt. Die zum Reich Gottes gehören, das sind alle, die wahrhaft gläubig sind in Christus und unter Christus. … Diese Leute bedürfen keines weltlichen Schwerts oder Rechts. Und wenn alle Menschen rechte Christen, d.h. wahrhaft gläubig wären, so wäre kein Fürst, König, Herr, Schwert oder Recht nötig oder nützlich. Denn wozu sollte es ihnen dienen? Sie haben ja den heiligen Geist im Herzen, der sie lehrt und bewirkt, daß sie niemandem Unrecht tun, jedermann lieben, von jedermann gerne Unrecht, ja auch den Tod erleiden. Wo es aber nur Unrecht leiden und nur Recht tun gibt, da ist kein Zank oder Hader, und da hat man Gericht, richterliche Strafe, Recht und Schwert nicht nötig. Darum ist es unmöglich, daß unter den Christen weltliches Schwert und Recht etwas zu tun finden sollte; denn sie leisten von allein viel mehr, als alles Recht fordern kann. …

Zum Reich der Welt oder unter das Gesetz gehören alle, die nicht Christen sind. Denn es glauben nur wenige, und der geringere Teil hält sich nach christlicher Art, die dem Übel nicht widerstrebt und selbst nicht übel tut. Darum hat Gott für sie außer dem Christenstand und dem Reich Gottes noch ein anderes Regiment geschaffen und hat sie dem Schwert unterworfen, damit sie ihre Bosheit nicht ausüben können, wenn sie es auch gerne wollten, oder wenn sie es tun, es doch nicht ohne Furcht und nicht in Frieden und Glück tun können. … Wenn das nicht wäre, so würde, da alle Welt böse und unter tausend kaum ein rechter Christ ist, einer den anderen fressen, so daß niemand ein Weib nehmen und Kinder erziehen, sich nähren und Gott dienen könnte und die Welt wüst würde. Darum hat Gott die zwei Regimente verordnet, das geistliche, das die Menschen zu Christen und zu frommen Leuten macht durch den heiligen Geist unter Christus, und das weltliche, das den Unchristen und Bösen wehrt, so daß sie äußerlich Frieden halten und still sein müssen, ob sie wollen oder nicht. …

So muß man die beiden Regimente sorgfältig scheiden und eins neben dem anderen stehen lassen. … Keines ist ohne das andere genug in der Welt. Denn ohne Christi geistliches Regiment kann niemand durch weltliches Regiment fromm werden vor Gott. So erstreckt sich Christi Regiment nicht über alle Menschen, sondern immer sind die Christen die Minderheit und wohnen mitten unter den Unchristen. Wo nun das weltliche Regiment oder Gesetz allein regiert, da muß die Heuchelei herrschen, wenn es auch Gottes Gebote wären. Denn ohne den heiligen Geist im Herzen wird niemand recht fromm, mag er auch noch so gute Werke tun. Wo aber das geistliche Regiment allein über Land und Leute regiert, da ist der Bosheit der Zaum abgenommen und für alle Büberei Raum geschaffen. Denn die gemeine Welt kann's nicht annehmen noch verstehen. …

Summa Summarum: Weil Paulus 1) sagt, die Gewalt sei Gottes Dienerin, muß sie nicht allein von den Heiden, sondern von allen Menschen gebraucht werden. Denn was heißt das: „Sie ist Gottes Dienerin“ anderes als: die Gewalt ist von Natur her der Art, daß man Gott mit ihr dienen kann? Nun wäre es sehr unchristlich geredet, wollte man behaupten, es gebe irgendeinen Gottesdienst, den ein Christ nicht üben solle oder müßte. Denn Gott dienen kommt niemandem in demselben Maße zu wie den Christen. Auch wäre es wohl gut und nötig, daß alle Fürsten wahre gute Christen wären. Denn das Schwert und die Gewalt als ein besonderer Gottesdienst kommt den Christen zu vor allen anderen auf Erden. Darum soll man das Schwert und die Gewalt ebenso hoch schätzen wie den ehelichen Stand oder den Ackerbau oder sonst ein Handwerk; denn eins wie das andere hat Gott eingesetzt. …

Nachdem wir gelernt haben, daß es weltliche Obrigkeit auf Erden geben muß und wie man sie christlich und selig gebrauchen soll, müssen wir nun lernen, wie lang ihr Arm sei und wie weit ihre Hand reiche, damit sie sich nicht zu sehr ausdehne und in Gottes Reich und Regiment übergreife. … So ist zu merken, daß die beiden Teile der Kinder Adams, von denen der eine, wie oben gesagt ist, in Gottes Reich und unter Christo, der andere im Reich der Welt unter der Obrigkeit ist, zweierlei Gesetz haben. Denn jedes Reich muß sein Gesetz und Recht haben, und ohne Gesetz kann kein Reich oder Regiment bestehen, wie das zur Genüge die tägliche Erfahrung lehrt. Das weltliche Regiment hat Gesetze, die sich nicht weiter erstrecken als über Leib und Gut und was es an Äußerlichem auf Erden gibt. Denn über die Seele kann und will Gott niemanden regieren lassen als allein sich selbst. Darum greift die weltliche Gewalt, wo sie sich vermißt, den Seelen ein Gesetz aufzuerlegen, über in Gottes Regiment und verführt und verdirbt nur die Seelen. …

Wenn nun dein Fürst oder weltlicher Herr dir gebietet, es mit dem Papst zu halten und so oder so zu glauben, oder dir gebietet, Bücher auszuliefern, so 2) sollst du antworten: „Es gebührt Luzifer nicht, neben Gott zu sitzen. Lieber Herr, ich bin euch schuldig, euch zu gehorchen in allem, was Leib und Gut betrifft. Gebietet mir nach dem Maß eurer Gewalt auf Erden, so will ich folgen. Heißt ihr mich aber glauben und Bücher ausliefern, so werde ich nicht gehorchen. Denn dann seid ihr ein Tyrann und überschreitet eure Grenzen, gebt Befehle in einem Gebiet, wo ihr weder Recht noch Macht habt.“ Nimmt er dir deswegen dein Gut und straft solchen Ungehorsam - selig bist du, und danke Gott, daß du gewürdigt wirst, um des göttlichen Wortes willen zu leiden. Laß ihn nur toben, den Narren; er wird seinen Richter schon finden. Denn ich sage dir: wenn du ihm nicht widersprichst, sondern ihm nachgibst, so daß er dir den Glauben und die Bücher nimmt, so hast du wahrlich Gott verleugnet.

1)
Kurz vorher hat Luther 1. Tim 4:4 in diesem Sinn ausgelegt
2)
Es ist hier von Schriften Luthers geredet, die durch das Wormser Edikt von 1521 verboten waren
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