Luther, Martin - Freiheit des Sermons
päpstlichen Ablaß und Gnade belangend, wider die Verlegung, so zur Schmach sein und desselben Sermons erdichtet.
JESUS!
Anm. Freiheit d. i. Rettung, Verteidigung; Verlegung d. i. Widerlegung. Tetzel hatte den Sermon von dem Ablaß und Gnade zu widerlegen gesucht in einer Schrift, welche hier L. treffend mit Pappelnblumen und dürren Blättern vergleicht. - Um den Schluß dieser Freiheit besser zu verstehen, muß man wissen, daß Tetzel in der zweiten zu Frankfurt a. d. O. gehaltenen Disputation auf den Kurfürsten von Sachsen, Friedrich den Weisen, angespielt und sogar Drohungen hinzugefügt hatte, wenn er den Ketzer Luther nicht gewaltsam unterdrücken würde. Würdiger konnte von dem edlen Kurfürsten nicht gesprochen werden, als L. hier thut.
Ich Doctor Martinus Lutherus, Augustiner zu Wittenberg, bekenne, daß der deutsche Sermon, die Gnade und Ablaß belangend, mein sei; darum ich verursacht, und mir noch ist, denselben zu verfechten wider etliche Verlegungen oder Verlästerungen, vergebens erdichtet. Welcher Geschicklichkeit, so man anstehet, scheinet es wohl, daß ihr Dichter zu viel Zeit und Papier gehabt, derselben nicht hat gewußt besser anzuwenden, dann daß er mit unsaubern Worten die Wahrheit angegriffen, gern wollte, daß jedermann wüßte, wie gar nichts er in der Schrift verstünde.
Und zu vermeiden viel Worte, laß ichs fahren; und befehle dem lieben Winde (der auch müßiger ist,) die übrigen vergebenen Worte, wie die Pappelnblumen und dürren Blätter, nehme allein vor mich seine Gründe und Eckstein seines Klettenbaums.
Der erste Grund ist, daß er spricht: Das dritte Theil der Buße, die Gnugthuung, sei in der Schrift gegründet, nämlich, in dem Wort Christi: Thut Buße, es wird nahe herbei seyn das Himmelreich. Und das haben viel tausend Lehrer gehalten, deren etliche heilig, und die christliche Kirche nicht tadelt rc. Ohne daß er nicht sagt, sie sind alle wie das Evangelium zu halten.
Hie sag ich, so soll es seyn: daß alle, so die Schrift mit ihren falschen Glossen lästern, mit ihrem eignen Schwert (als Goliath 1. Sam. 17; 51.) geschlagen werden. Denn dieser wahre Spruch Christi hier fälschlich eingeführt, eben der Grund ist und Harnisch meines Sermons, und allein gnug, alle die Lästerer und Lästerungen zu schänden. Das bewähre ich also: Christi Lehre ist sein göttlich Wort, darum sei verboten, nicht allein diesem Lästerer, ja allen Engeln im Himmel, einen Buchstaben daran zu wandeln. Gal. 1, 8. Denn es stehet geschrieben Hiob 13, 14: GOtt selber nicht widerruft, was er einmal gesagt; und im Psalter Ps. 119, 83: Dein Wort, Herr, bleibt ewiglich; und Matth. 5, 18: Nicht ein Spitzlein eines geringsten Buchstabens wird vergehen von dem Gebot GOttes, es muß alles geschehen.
Sintemal aber der heilige Vater, der Papst, wandelt und ablegt die Buße und Gnugthuung, ist offenbar, daß nicht mag seyn die Buße, die Christus in diesem seinem Worte auflegt, die der heilige Vater Papst mehr schuldig ist aufzulegen, denn kein Christe; sondern sei, die der heilige Vater Papst und Kirchen in ihrem Wort auflegen; anders wäre der heilige Vater Papst und die Kirche Verstörer des göttlichen Worts. Siehe nun, wie diese Verleger den heiligen Vater Papst ehren mit ihrem unchristlichen schmeichlen, daß sie ihm Schuld geben, (doch mit großen Ehren und Ehrerbietung,) er zubreche GOttes Gebot, indem sie sagen: Er lasse nach die Gnugthuung, die im Wort Christi geboten und aufgelegt ist. Daraus weiter folgt, daß das Ablaß nichts anders wäre, denn lauter lügen und Trügen: sintemal sie sich das vermessen nachzulassen und vergeben, des sie keine Gewalt haben.
Zum andern: daß er so viel tausend Lehrer einführt, hat er die nicht recht überlegt, und die Rechenpfennig zu hoch erhebt, er hätte ihr sonst nicht viel über drei funden, nämlich S. Thomas, S. Bonaventura, Magister Sent. Alexander de Halis; die andern, als Antonius Florentinus, Petrus de Palude, Augustinus Anconitanus und Angelus a Calvasa, und dergleichen, sind nichts denn Jaherrn und Folger; dazu ist keiner unter diesen allesamt, der da spräche oder bewährte, daß die nachgelassene Gnugthuung durch Ablaß, sei, die Christus geboten habe. Und wer anders sagt, der sagt das seine, mit Gewalt und Unehre derselben.
Auch geschieht denselben heiligen und würdigen Lehrern große Gewalt und Unrecht von den Lästerern und Verlegern, daß sie das für bewährte und gegründete Wahrheit ausklaffen, das die lieben Väter für Opinionen und ungewisse Wahn gehalten und geredet haben, dazu mit bloßen Worten, ohn alle Bewährung gesetzt; ja, auch nicht mehr haben können reden, denn Opinionen; sintemal nicht bey ihnen, sondern bey gemeinem Concilio die Gewalt ist, schließlich die Wahrheit zu erklären, die ohne Schrift geredt wird.
Dieweil nun solche Lästerer der lieben Vater wähnen, und ihre eigene vermessene Schlüsse in einander bräuen, ists nicht Wunder, daß sie uns eine Sotte machen, davor einem grauen möchte.
Zum dritten: Wenn schon viel, ja noch mehr tausend, und sie, alle heilige Lehrer, hätten dies oder das gehalten; so gelten sie doch nichts gegen einen einigen Spruch der heiligen Schrift, als S. Paulus Galat. 1, 8. sagt: wenn euch gleich ein Engel vom Himmel oder wir selbst anders predigten, denn ihr vor gehört habt, so laßts euch ein vermaledeiet Ding seyn. Wenn nun dieselben Lehrer hätten gleich gesagt (das sie doch nicht thun,) daß die Buße, in Christi Worten geboten, würde durch das Ablaß abgelegt, so sollte man ihnen gar nichts glauben; darum, daß die Schrift spricht, GOttes Wort mag niemand ablegen oder wandeln.
Aber die Lästrer suchen nur das, daß sie durch vieler Doctoren Namen ihrem falschen Predigen Glauben machen, ob sie auch die Schrift darüber sollten zureissen. Und wenn einer nicht mehr in der Schrift verstünde, denn dieser Lästerer, stünde es ihm gar ehrlich an, daß er sich enthielte seine Lästerung zu schreiben, und vor das Evangelium recht lernete.
Der andere Grund ist, daß anzeigen beide Neu und Alt Testament, daß GOtt fordere Genugthuung für die Sünde, als 5 Mos. 25. v.2. 3. gefunden wird. Auch S. Gregorius spricht: daß Christus einem jeglichen Laster verordnet widerwärtige Arzenei. Item, da David sündigte mit dem Ehebruch und Volk zu zählen, mußte er Strafe darum leiden, und die Reu nicht gnug war. 2 Sam. 12, 14. sqq. und 24, 13. 14. 15.
Hie klage ich, daß ein elender Jammer ist, daß man leiden muß von solchem frevelen Lästerer, die Schrift also zu zureissen. Ach, daß er mich nur allein übel handelte, und einen Ketzer, Abtrünnigen, Uebelreder, und nach aller Lust seiner Unlust nennete, wollte ichs gerne haben, und ihm nimmer feind werden, ja, freundlich für ihn bitten. Das ist aber in keinem Weg zu leiden, daß er die Schrift, unsern Trost, Röm. 15, 4. nicht anders handelt, denn wie die Sau einen Habersack; das wollen wir sehen.
Zum ersten spricht er: Beide Testamente geben, daß Gnugthuung von GOtt gefordert werde; und führet dazu keinen Spruch aus dem Neuen Testament, sondern allein den, aus dem 25. Cap. des 1 B. Mosis des A. T., und will also ein Geplerre gemacht haben, als seiens beide Testamente. Dazu der Spruch des Alten Testaments im Neuen Testament aufgehoben ist durch Christum selbst. Matth. 5, 38. 39: Ihr habt gehört, daß da gesagt ist (vernimm 5 Mos. 19, 21.): Ein Aug für ein Auge. Ich gebiete euch aber, daß ihr nicht widerstrebet dem Bösen, oder dem, der euch Leide thut.
Auch derselbe Spruch ist nicht gegeben, daß GOtt Gnugthuung dadurch ,fordert, sondern eine Regel gesetzt, wie weit die Menschen sich untereinander sollten rächen, daß sie nicht zuviel thäten, bis daß das Neue Testament die Rache gar aufhübe: als klärlich S. Augustinus über denselben Text sagt, und derselbe Text selbst gibt. Nun siehe, lieber Mensch, wie dieser Lästerer den Spruch nicht allein ohne Verstand einführet, sondern auch wider das Evangelium; noch wollen sie alle Ketzer verbrennen, und den Himmel pochen.
Zum andern, den Spruch S. Gregorii, der da klärlich sagt von der Buße, die Christus gelehrt hat, die eine Arznei ist wider die Sünde, also, wer vorhin ist unkeusch gewesen, sey nun keusch; wer vorhin gestohlen hat, der sey nun so mild, daß er das seine gebe rc. Diese göttlichen Gebote, durch Gregorium angezeigt, zeucht er mit den Haaren, daß ihm die Schwarten krachen, zu der Buße, die der Papst ablegen kann, und bedenkt nicht, daß der nicht allein ein Ketzer, sondern unsinnig sei, der da hält, daß der heilige Vater Papst ablege die Keuschheit, Mildigkeit rc. das ist die Gnugthuung von Christo gelehret, das doch aus seinem Einführen folgte. Auch wissens die Laien besser, die da sagen: Nimmer thun ist die höchste Buße. Und das ist wahr vor GOtt, der nicht mehr fordert, denn die höchste Buße; das ist, nimmer thun.
Zum dritten, begehre ich zu wissen, wo S. Augustinus sage, daß GOtt bequeme Gnugthuung fordere. And wenn das bezeugt wird, sag ich wie vorhin, dieselbige Gnugthuung ist nicht nachlässlich durch irgend ein Ablaß, sondern wird gerechnet als eine sträfliche Pein, von GOtt aufgelegt.
Zum vierten: daß David gestraft ward von wegen seiner Sünde, ist für mich; denn ich im deutschen Sermon gesagt habe am siebenten Artikel, daß GOtt die Strafe auflegt, und niemand mag sie ablegen. Darum wird die Schrift abermals gekreuziget, und die Strafe Davids gezogen auf die Buße, die der heilige Vater Papst mag ablegen, das ist Menschengeschwätz. Denn derselbe siebente Artikel ganz deutlich mich erklärt, also, daß ich das dritte Theil der Buße verneine: nicht die guten Werke von GOtt geboten, oder die Leiden und Strafe; sondern die Buße oder Gnugthuung, die das Ablaß kann ablegen. Die, sage ich, wird niemand aus der Schrift bewähren, daß sie GOtt fordere; sondern er befiehlt das dem heiligen Vater Papst und der Kirchen, da er sagt zu S. Petro, Matth. 16, 19: was du bindest auf Erden, soll gebunden seyn im Himmel, und was du lösest auf Erden, soll auch im Himmel los seyn rc.
Und der heilige Vater Papst hat wohl volle Gewalt; nicht wie die schädlichen Schmeichler sagen, alle Dinge zu thun, was dem Menschen noch ist zur Seligkeit, denn mit den Worten wäre Christus ausgeschlossen; sondern hat Gewalt zu entbinden alle Sünden, die gebeicht werden; aber hat nicht Gewalt in GOttes Gericht und Rath zu fallen. Darum er auch nicht mag ablegen Pein, so sie GOtt oder göttliche Gerechtigkeit auflegte. Denn er nicht saget zu S. Petro: Was ich binde, sollst du lösen; sondern: was du lösest, soll los seyn. Daraus nicht folget, daß mein Binden darum auch los sei; sondern dein Binden ist los. Aber unsere Verleger haben ihnen die Gewalt genommen, die Schrift nach ihrem Kopf zu richten. Darum verstehen sie nicht, was drinnen ist, sondern was sie wollen. Kann doch kein Bischof lösen, was der Papst bindet: wie vermessen sich denn die schädlichen Schmeichler, den Papst und die Kirche mit ihm so zu verführen, daß er sich unterwinde, zu lösen, was sein GOtt bindet, so er doch unmäslich weniger Gewalt hat in GOttes Gewalt, denn ein Bischof in seiner Gewalt.
Darum irren und trügen alle die, so da sagen, daß durch Ablaß Pein, oder Werke der Gnugthuung, von GOtt aufgesetzt, möge abgelegt werden; und wollen der Kirchen Gewalt mit GOttes Gewalt vermischen, und erdichten uns täglich neue Wörter, claues excellentiae, claues autoritatis, claues ministrabiles; solange, bis sie uns alle Beutel und Kasten leer machen, und darnach die Hölle aufschließen, und den Himmel zuschließen.
Der dritte Grund, daß er spricht: Die Gewohnheit und Uebung der Kirchen sollen für ein Gesetz gehalten werden: dieweil denn die Christenheit das Ablaß also brauchet rc. Sag ich, daß es wahr sei, was Uebung und Gewohnheit sei in der Christenheit, gelten der Kirchen Gebote gleich; es wird aber verstanden von den guten, und nicht von den bösen.
Zum andern, hat die römische Kirche noch nie in Uebung gehabt, daß der Ablaß Seelen erlöse, und den Sünder löse von Pein oder Gnugthuung, von GOtt aufgelegt; sondern, wie die frechen Quästores wollen die Leute, gleichwie die jungen Kinder, erschrecken, streben sie darnach, daß ihre Worte seyn GOttes Wort, und ihr Mißbrauch sei der christlichen Kirchen Brauch; auch lautet das geistliche Recht, daß solche Predigt erlogen sind. C. abusionibus vermendaciter. Glo. etc.
Der vierte Grund: Wer Ablaß löset, thut besser, denn wer Almosen gibt einem Armen, der nicht in der letzten Noth ist. Hier siehe zu, und lasse dichs GOtt erbarmen, das heißen Lehrer des Christen-Volks. Nun hinförter ist nicht schrecklich zu hören, wie Türken unsere Kirchen und Kreuz verunehren; wir haben bey uns hundertmal ärgere Türken, die uns das einige Heiligthum, das Wort GOttes, das alle Dinge heiliget, so gar lästerlich zunichte machen. Johannes, der heilige Apostel, sagt: So einer siebet seinen Bruder darben, oder Noth leiden, und schleust sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe GOttes bei ihm? 1 Joh. 3, 17.
Ueber diesen Text kommt dieser Lästerer, und verlegt, ja verletzt, und über tausend Meilen Weg legt mit einer solchen Glossen: daß (darben oder Noth leiden,) soll verstanden werden von der letzten Noth.
Ich muß hier mit Unwillen ungeduldig seyn; denn kein guter Geist diese Glosse hat hergeführt, oder ist aus einem unchristlichen, jüdischen oder je unbedachten Verstande jemand entfallen. Soll nicht ehe ein Christenmensch dem andern helfen, denn in letzten Nöthen; so wird nimmermehr, oder in vielen Jahren nicht einmal dem andern geholfen. So wird auch die christliche Liebe nicht so gut seyn als die Freundschaft unter den Thieren. Ach GOtt! muß man dein Wort also meistern. Nun der Stücke haben wir wohl mehr von unsern Traumpredigern.
Wer nun diesem Verleger folget, der habe acht darauf, daß er nicht ehe speise den Hungrigen, kleide den Nackenden, sie kommen denn in die letzte Noth, daß ihnen die Seele ausgehet, und seiner Wohlthat nimmer bedürfen. Recht, recht, solcher Lehrer Werk sollten auch nicht anders werth seyn, denn daß sie geschehen , da sie unnöthig sind.
Wider die verdammte und verführische Glosse sollen wir wissen, daß (das Darben oder Noth) heißt ein jeglich Dürfen oder Darben; gleich als Christus die Esel lies holen und sagen: Sie sind dem Herrn noth, das ist, der Herr bedarf ihr, Matth. 21,3. Darum soll man die Noth verstehen, daß sie gemäss bleibe dem Wort Christi: wenn dein Bruder darbet, so leihe ihm ohne Aufsatz, Luc. 6, 35. Nun ist borgen nicht die letzte, auch nicht die mittelste, sondern die erste Noth. Auch soll die Noth dem Gebot gemäss seyn: was ihr wollt, das euch die Menschen thun sollen, das thut ihr ihnen, Matth. 7. v. 12. Nun will niemand, daß man ihn lasse in die letzte Noth kommen; wie kann denn S. Johannes dieselbe zugelassen haben? Aus Aristotelis Köcher ist die Glosse geflogen, bey welchem sie lernen necessitatem, und andere Wörter, nur zu verderben die heilige Schrift.
Ueber das alles, die brüderliche christliche liebe harret nicht, bis daß Noth da sei; darum straft Johannes sie, daß sie es haben lassen Noth werden. Weiter ist zu wissen, daß die Schrift sagt: Die Liebe deckt alle Menge der Sünden, 1 Petr. 4, 8. Sprüchw. 10, 12. Und Christus: was euch über ist, gebt Almosen, so sind euch alle Dinge rein, oder vergeben, Luc. 11. v.41. und Daniel: Löse deine Sünde mit Almosen, Dan. 4, 24.
Diese und dergleichen Sprüche predigt kein Gnadprediger gern, hören sie auch nicht gern in das Volk bringen. Denn daraus folget, daß das Ablaß niemand noth ist, könnten auch durch die Werke der liebe und Almosen viel bessers Ablaß überkommen; das würde aber nicht Kasten füllen.
Diese subtile Verleger haben aus Aristotelis Distinction dennoch so viel erlernet, daß sie es dafür halten, daß ein Almosen oder gut Werk, gethan dem Nähesten, sei nicht ordentlich sich selbst geliebt, und nicht sein selbst Seligkeit zum ersten gesucht, sondern soll vorhin Ablaß lösen, und also sich sein selbst am ersten erbarmen. Wenn Christus nicht wahrer GOtt wäre, halte ich, er hätte längst solch uns Theologen lassen die Erde verschlingen.
Zum ersten: Daniel lehret den König zu Babylonien, er sollte mit Almosen seine Sünde lösen; so spricht auch der weise Mann, Pred. 4, 2: wie das Wasser ein brennend Feuer lösche: also tilget das Almosen die Sünde rc. Dazu sagt Christus: Gebet Almosen, so ists euch alles rein. Nun ist kein edlers sich selbst lieben und Seligen, denn Sünde lösen und sich rein machen. Und das nennet hier Christus selbst, es sey Almosen geben.
Zum andern: Nun siehe zu, und halte es gegen einander. Christus sagt: Das Almosen, dem Nähesten geben, nimmt weg Pein und Schuld, und machts alles rein; das muß je seyn die allerbeste und erste Liebe sein selbst und seiner Seligkeit; wie itzt gesagt.
Die Verleger sagen: Das Ablaß nimmt weg nur die Pein; das muß je seyn die geringste Liebe sein selbst, und nicht Noth noch geboten; auch so viel geringer, als zeitlich Pein geringer ist, denn Schuld der ewigen Pein. Dennoch dürfen sie ohne Furcht und Schande sagen, daß sich der ordentlich liebe, so ihrer Lehre, und nicht Christi Lehre folget. Denn das Almosen, das Pein und Schuld löset, wie Christus sagt, setzen sie hinter das Almosen, das nur ein wenig zeitlicher Pein löset durch Ablaß, und nicht noth ist, noch geboten. Das sind unsere lieben christlichen Verleger, die gründlich die Schrift einführen; ja, in den Abgrund der Höllen mit ihnen selbst, und allen, die ihnen anhangen.
Zum dritten, ist das eine falsche Liebe, die sich am ersten in sich selbst sucht. Denn S. Gregorius spricht: daß göttliche liebe gegen sich selbst nicht bestehen kann, sondern sie muß sich ausstrecken zu einem andern. Und dasselbe lieben macht rein; wie auch S. Jacob saget, daß die Liebe bedecke alle Sünde. Jac. 5, 20. Darum wer sich selbst lieb will haben , der muß aus ihm selber gehen, und nicht in ihm selbst, sondern in einem andern sich lieb haben; das ist, er muß sich in ihm selbst leide thun, und allen andern Liebe thun; wie Christus mit Worten und Werken uns lehret.
Darum ist zu besorgen, daß, wer Ablaß sucht, nur suche die Pein zu fliehen, und also sich selbst in ihm selbst liebe, und nicht um Liebe, sondern um Furcht willen gibt. Und in die Furcht wollen unsere Ablaßprediger das Volk treiben mit ihrem Schrecken und Großmachen der Pein und Ablaß; so sie doch sollten die Pein austreiben und verächtlich machen, wenn sie christlich predigen wollten, ob sie auch Geld müssten zugeben.
Zum vierten: Nun ists wohl zu merken, ob ich den Spruch S. Pauli recht hab eingeführt im 16. Artikel, da ich sagte: Man soll vorhin dem Nächsten helfen, und darnach unsere Kirchen bey uns zuerst bauen, und zuletzt Ablaß lösen. Denn S. Paul sagt: wer seinem Hausgenossen nicht wohlthut, ist ärger denn ein Heide, 1 Tim. 5, 8. Das sollten die Verleger haben besser angesehen, so würden sie nicht zu Spott mit ihrem unchristlichen und ketzerischen Verlegen.
Der fünfte Grund ist von den Altären und Kirchen zu Rom, in welchen man Seelen erlöst mit Messen, und die heiligen Väter Päpste das dulden, und darzu S. Thomas in solcher Lehre von Päpsten bestätigten, Hier sag ich: Es ist wahr, daß zu Rom etliche dafür halten, und ich selbst mehr denn eine Messe daselbst für die Seelen gelesen. Es hat mich der Glaube bereuen, darum, daß ich erfahren, daß keine Bewährung oder Bestätigung darüber ist, damit man redlich bestehen möchte, und sie selbst zu Rom nicht viel das achten.
Zum andern: Dieweil denn kein Gebot ist dasselbe zu glauben, auch kein Gebot werden kann, daß man es lösen und suchen muß, derhalben auch kein Verdienst darinnen ist: (denn wo nicht Gehorsam, da ist kein Verdienst; wo aber nicht Gebot, da ist kein Gehorsam,) ists besser, bey dem gewissesten und verdienstlichen bleiben, durch gut Werk für sie bitten: auch ist mir nicht Zweifel, daß die Messe, für die Seelen gehalten, besser sei und kräftiger, zu erlösen die Seelen, denn das Ablaß, durch die Messen gesucht.
Zum dritten: Zu solchem großen gefährlichen Artikel sollte ein christlicher Verleger die Schrift, geistlich Recht, oder redliche Vernunft einführen. Denn was zu Rom oder anderswo geschieht, oder Päpste dulden, könnte auch ein jeglicher Landfahrer oder Kretschmer wohl schwätzen. Darum wenn es die Kirche beschleust, so will ich glauben, daß das Ablaß Seelen erlöse. Indes will ich den Frevel lassen, auf daß ich nicht mich selbst und die armen Seelen mit mir betrüge.
Auch, wie oben gesagt, hält es das geistliche Recht für eine Lügen, und hat sich noch nie ein Papst desselben unterstanden; und ist festiglich zu hoffen, daß Christus lasse keinen so tief fallen, daß ers ihm vornehme; dieweil ers ihm selbst ausgezogen und vorbehalten, da er zu Petro sagt: was du lösest auf Erden, soll los seyn, Matth. 16, v. 19. Die Seelen aber sind nicht mehr auf der Erden. Und wiewohl etliche sich unterstanden, dem Papst zu schmeicheln, diesen Spruch auch unter die Erden zu ziehen, so sinds doch GOttes Worte, und so offenbar, daß sie noch blieben sind, und bleiben werden. Denn sie sind nicht allein über S. Peter und Paul, und alle Päpste, sondern auch über alle Engel, ja, auch über die Menschheit Christi selbst, als er sagt: Meine Worte sind nicht meine Worte, sondern des, der mich gesandt hat, Joh. 14. 24.
Zum vierten, daß S. Thomas bestätiget ist, laß ich seyn: man weiß aber in allen Universitäten, wie weit die Bestätigung sich erstreckt. Darum was der heilige Vater mit Schrift oder Vernunft bewähret, nehme ich an: das andere lasse ich seinen guten Wahn gewesen seyn.
Zum fünften: Ist das nicht wahr, daß Ablaß sei von der Dinge Zahl, die zur Seligkeit und Glauben gehören. Darum, ob der Papst das duldet, ists nicht Wunder, so leider! wohl größere böse Stücke und Tücke außen und innen Rom geduldet werden.
Und daß ich mehr sage, sintemal der Apostel sagt, daß die zugelassenen Dinge nicht förderlich sind zur Seligkeit, sondern was geboten ist: so folget, daß der sicher ist, der das Ablaß gar nichts achtet, und der unsicher ist, der das Ablaß groß achtet. Denn dieser mag leichtlich in demselben irren, jener kann nicht irren. Denn je weiter von dem zugelassen, und näher den Geboten, je sicherer Wesens Denn Gehorsam ist gewiß; Freiheit ist gefährlich.
Der sechste Grund: Daß ich die Doctores scholasticos unbillig verwerfe, als wären sie nicht gnug, einen Prediger zu befestigen rc. das hab ich gethan, nicht daß ich sie ganz verwerfe, denn sie haben das ihre gethan; sondern ihre Opinion: und sonderlich um der Verleger willen, die mich mit denselben vermeinen zu dringen, und führen sie doch nicht ein, da sie bewährt sind mit Schrift und Vernunft, sondern da sie am allernackesten und kränkesten sind, als hier in der Materie vom Ablaß. Darum hab ich nämlich gesagt, (mit ihren Opinion,) auszudrucken, daß ich sie wohl haben will mit Schriften und Vernunft. Denn im predigen soll man Opinion Opinion lassen seyn, und das Wort GOttes predigen, wie uns GOtt durch S. Paul geboten hat, daß man nicht Fabeln, sondern die Schrift, von oben herab eingegeben, lehren soll, 1 Tim. 1, 4. 4, 7.
Am letzten, so er müde worden, die Schrift zu martern, oder vielleicht nicht mehr gewußt, gehet das Wetter über mich, und bin da ein Erzketzer, Ketzer, Abtrünniger, Irriger, Freveler, Uebelreder rc. Dazu antworte ich: GOtt gebe mir und dir seine Gnade, Amen.
So verdorbene Schüler sind diese Verleger, daß sie alle ihre Tage nicht so viel erlernet haben, was Haereticus zu Latein, oder ein Ketzer zu Deutsch heiße; und unterstehen sich dennoch, Schrift zu predigen und Ketzerei vertreiben. Denn ein Ketzer heißt, der nicht glaubet die Stücke, die noth und geboten sind zu gläuben. Dieweil denn sie selbst bekennen, und wahr ist, daß Ablaß nicht geboten, auch nicht noth zur Seligkeit; ists nicht möglich, daß jemand ein Ketzer sei, er verachte, verlasse oder widerrathe das Ablaß wie er will; das ich doch nicht gethan, sondern allein unter die guten Werke in seinen Orden gesetzt. So nun denn solche Verleger die Schrift nicht wissen, lateinisch und Deutsch nicht verstehen und darüber mich so überaus lästerlich schelten, muß mir zu Muthe seyn, als wenn mich ein grober Esel anschreiet; ja, fröhlich bin, und sollte mir leid seyn, daß mich solche Leute einen frommen Christen schulten.
Daß er mir aber zum Stock, Kerker, Wasser und Feuer beutet, kann ich armer Bruder nicht weigern. Wiewohl auch für ihn selbst wäre mein treuer Rath, er erböte sich mit Bescheidenheit zum Rebenwasser, und zum Feuer, das aus den gebratenen Gänsen raucht, des er bas gewohnet.
Sollte nicht einen Christenmenschen verdrießen, daß man mit leiblichem Feuer und Tod allererst so kindisch und spöttisch vornimmt die Leute zu schrecken, so es doch also ein schrecklich ernst Ding ist, (als im 49. Psalm,) in der Schrift Auslegung zu irren und Leute zu verführen, daß es denselben Schriftlästerern das höllische Feuer und ewigen Tod gilt. Darum, wer so harte Stirn hat, daß er vor solchem grausamen unträglichen Dräuen GOttes nicht erschrickt selber, möchte wohl schweigen, andere mit menschlichem Dräuen zu schrecken in unnöthigen Sachen.
Doch, wiewohl diese Materie nicht antrifft Glauben, Seligkeit, Noth oder Gebot, und sie so gottsüchtig und liebesiech sind, auch in solchen unnöthigen unketzerlichen Sachen Ketzer zu verbrennen: so verzeihe mirs mein gnädiger GOtt und Vater, daß ich zu Spott aller Ehre, die nicht dein ist, auch eins trotzen mögen gegen meine Baaliten.
Hie bin ich zu Wittenberg Doctor Martinus Luther, Augustiner, und ist etwa ein Ketzermeister, der sich Eisen zu fressen und Felsen zureissen bedünket, den lasse ich wissen, daß er habe sicher Geleit, offne Thor, freie Herberg und Kost darinnen, durch gnädige Zusagung des löblichen und christlichen Fürsten, Herzog Friedrich Churfürsten zu Sachsen rc. Dabei auch die Schriftlästerer merken mögen, daß derselbe christliche Fürst, nicht, wie sie in ihren letzten trunkenen Positionen gern lügen und schmähen wollten, der sei, der, christlicher Wahrheit zu Nachtheil, mich oder jemand in ketzerischem Vornehmen, auch in diesen Dingen, da Ketzerei nimmer innen seyn mag, schützen wolle.
Er klagt auch, daß mein Sermon bringe groß Aergernis und Verachtung des Stuhls zu Rom, des Glaubens, des Sacraments, der Lehrer der Schrift rc. Dies alles weiß ich nicht anders zu verstehen, denn also: Der Himmel wird noch heute fallen, und wird kein alter Topf morgen ganz seyn.
Doch aber, zu erinnern die armen Leute, die vor großem Geschäft des heiligen Ablaß ein schwach und irrig Gedächtnis haben, sage ich wie vor: das Ablaß sei nicht geboten, nicht noch, und nichts dran gelegen der Seligkeit, ob auch niemand dasselbe achtet, wie er selbst gesagt, und sagen muß.
Derhalben auch nicht möglich, daß Aergernis oder Irrthum geschehe in Verachtung des Ablaß; aber grausamer Irrthum mag geschehen in Großachtung des Ablaß, gleichwie in andern freien ungebotenen Nachlassungen. Denn Aergernis muß seyn in Stücken, die noth sind zur Seligkeit. So folget, daß nicht um Liebe der Seelen, sondern um unser Ehre und Nutz willen wir gerne wollten, daß unsere unnöthige, ungebotene Worte verstanden und genennet würden, Kirch, Papst, Schrift, Sacrament, Lehrer, Glauben, und wir allein alle nöthige und gebotene Dinge wären, und ohne uns nichts, und also unser Aergernis allerdings Aergernis wären. Also haben sich auch die Juden an Christo geärgert; aber er sagt dazu: Laßt sie fahren, sie sind blind und Blinden Führer, Matth. 15, 14.
Daneben merkt, daß bey diesen Verlegern die Schrift lästern, und GOtt in seinen Worten lügen strafen, das heißt bessern und ehren die Christenheit. Aber daß man lehret, wie Ablaß nicht noch zu lösen, ja daß nicht ziemlich sei, von den armen Leuten Geld zu schinden: das heißt die Kirche und Sacrament Unehren, und die Christen ärgern. Das sage ich darum, daß man hinförter ihre Sprache und das neue Rotwelsch verstehen möge.
Auch zu mehrerm Schein seines Vornehmens will er mich dringen, meinen Sermon zu erbieten auf Erkenntnis päpstlicher Heiligkeit rc. sage ich: Ich darf keiner Niesenwurz, habe auch nicht so große Schnuppen, daß ich das nicht rieche. Doch soll es nicht lange währen, ich will meine Materie entbieten, vielleicht mehr denn ihnen lieb seyn soll.
Jetzt sei das gnug, daß nicht noth ist, päpstliche H. und römischen Stuhl zu beladen mit unnöthigen Predigten; es wäre denn ein hölzerner Stuhl ledig; viel weniger mit offenbaren Texten der Schrift, durch die ganze Christenheit einträchtiglich gepredigt und verstanden.
Seine Position, der er sich rühmet zu Frankfurt zu erhalten, deren sich denn auch billig Sonn und Mond verwunderten vor großem licht ihrer Weisheit, halte ich das mehrer Theil für Wahrheit, ohne daß ich wohl leiden möchte, daß, wo da stehet: docendi sunt Christiani, daß da stünde, docendi sunt Quaestores, et haereticae prauitatis Inquisitores.
Hilf GOtt der Wahrheit allein, und sonst niemand, Amen.
Ich vermeß mich nicht über die hohen Tannen zu stiegen; verzweifele auch nicht, ich möge über das dürre Gras kriechen.
Mart. Luther.
Quelle: Lomler, Friedrich Wilhelm (Herausgeber) - Dr. Martin Luthers Deutsche Schriften