Luther, Martin - Anweisung zu einer christlichen Kindererziehung

Luther, Martin - Anweisung zu einer christlichen Kindererziehung

Es werden allenthalben Klagen geführt über ungerathene Kinder, die nicht ihren Eltern gehorchen wollen, noch sie von Herzen lieb haben, sondern ihnen viel Kummer machen durch ihre Untugend und gottlos Wesen. Ich achte aber, es ist viel der Eltern eigene Schuld, als welche die Kinderzucht zum Theil nicht recht zu führen verstehen in der Furcht Gottes, zum Theil säumig und lässig darin sind. Das thun sie wohl, daß sie nach der Welt Lauf die Kinder lieben und auferziehen, wie sie sich in die Welt sollen schicken, bereiten ihnen Reichthum, schmücken sie aufs beste; machen, daß sie gesehen werden vor der Welt, und richten alles sorgfältig aus, was den Leib angehet: aber nach der Seele, in der Furcht Gottes, ist fast niemand, der sie recht unterweise und lehre. Man sehe nur darauf, wie man sich zur Sache stellt; niemand ist, der seine Kinder recht lehrt beten und die Stücke wissen, so zur Seligkeit gehören. Es sind etliche Thiere, die ihre eigenen Jungen fressen, und verderben ihre eigenen Früchte: also sind auch solche Menschen, die ihre Kinder nicht lehren und unterweisen. Ja es ist kein Thier auf Erden, das gegen seine Jungen so hart ist, wie ein Mensch, wenn wir es nach der Seele wollen ansehen. Darum wären sie wohl werth, wenn Gott nicht so fromm wäre und die Eltern vor den Kindern vertheidigte, daß ihnen die Kinder noch mehr Herzeleid verursachten, und gar über die Köpfe und schmissen, weil sie so wenig Achtung auf sie haben, und sie nicht wohl ziehen und unterweisen.

Daß aber das Regiment der Eltern noch ein wenig gehet, und die Kinder noch ein wenig gehorsam sind, das kommt wahrlich nicht aus unserm Verdienste, sondern ist eitel Gnade Gottes, die ihnen solches zum Ueberfluß spendet, und wie andere Güter aufs Gerathewohl hingibt, sonst sollte wohl alles zu Trümmern gehen.

Darum thut es noth, euch Eltern zu vermahnen, mit allem Fleiß über der Rinderzucht zu halten. Wiewohl es Sünde und Schande ist, daß es dahin mit uns kommen ist, daß wir uns allererst sollen reizen und reizen lassen, unsere Kinder und junges Volk zu ziehen, und ihr Bestes zu bedenken, so doch die Natur selbst uns sollte treiben, und auch der Heiden Exempel uns mannichfaltig weisen. Es ist kein unvernünftig Thier, das seiner Jungen nicht wartet, und lehret, was ihnen gebühret zu wissen. Und was hilfts, daß wir sonsten alles hätten und thäten, und wären gleich eitel Heilige, so wir das unterweges lassen, darum wir allermeist leben, nämlich des jungen Volkes pflegen? Ich achte auch, daß unter den äußerlichen Sünden die Welt vor Gott von keiner so hoch beschweret ist, und so gräuliche Strafe verdienet, als eben von dieser, die wir an den Kindern thun, daß wir sie nicht ziehen.

Derohalben bitte ich euch, meine lieben Christen, wollet diese meine Vermahnung zu Herzen nehmen, und bei euch lassen Frucht schaffen, daß ihr euch der armen Jugend mit Ernst annehmet, und durch göttliche Hilfe ihnen rathet und helfet zu seligem und christlichem Wandel nach Geist und Leib, zu Lob und Ehren Gott, dem Vater, durch Jesum Christum, unsern Heiland.

Damit aber dies um so besser geschehe, will ich euch zuerst vorhalten die Ehre und Hoheit des Standes, in welchen euch Gott gesetzt hat als Hausväter und Hausmütter, und danach will ich euch an die Pflichten erinnern, die ihr als solche treulich zu erfüllen Gott und der Welt schuldig seid.

Man muß zwei Dinge an den Eltern sehen, zum ersten, daß sie Fleisch und Blut sind, zum andern aber das Kleinod, das Gott an die Eltern gehänget hat, nämlich sein Wort. Denn er hat sie also in sein Wort gefasset, wie in ein Heiligtum, und sie bekleidet mit seinem Willen. So muß man die Eltern nun ansehen, als die das Wort und den Willen Gottes tragen. Aber das ist das rechte lebendige Heiligthum in Vater und Mutter. Denn Gott hat da sein Wort hingelegt, darinnen die ganze göttliche Majestät ist.

Es hat nämlich Gott gefallen, daß aus Vater und Mutter die ganze Welt herkomme. Er könnte aus Stein und Holz Menschen, ja Kinder Abrahams, wie der heilige Johannes der Täufer spricht Matth. 3, 9., wohl machen: er will es aber nicht thun, sondern er will, daß eins vom andern komme. Darum schaffet er uns auch Kinder, und gebeut ihnen, daß sie ihren Eltern gehorsam seien, und uns, daß wir sie auferziehen und zum Besten halten. Denn was wären wir sonst Gott nütze, wenn wir solches nicht thäten? Darum hat er uns die Kinder so nahe eingepflanzet, daß er sie nicht aus Stein oder holz, sondern aus unserem eigenen Fleisch und Blut spinnet, daß ja die Ehre und Gehorsam der Kinder gegen die Eltern, und die Sorge, Mühe und großer Fleiß der Eltern gegen die Kinder desto herzlicher und williger geschehe. Wenn wir nun die Kinder nicht wohl regieren, ziehen und lehren, die aus unserm Fleisch und Blut kommen, wie wollten wir uns ihrer annehmen, wenn sie aus Stein oder Holz herkämen?

Aber da ist die leidige Plage, daß niemand solches wahrnimmt noch achtet, gehen hin, als gäbe uns Gott Kinder, unsere Lust und Kurzweil daran zu haben, als gieng es uns nichts an, was sie lernen oder wie sie leben, und will niemand sehen, daß es der hohen Majestät Befehl ist, die solches ernstlich wird fordern und rächen. Darum wisse ein jeglicher, daß er schuldig ist, bei Verlust göttlicher Gnade, seine Kinder vor allen Dingen zu Gottesfurcht und Erkenntnis zu ziehn.

Daß aber dies mit willigem und fröhlichem Herzen geschehe, hat Gott dem Ehestand die Ehre gethan, daß er ihn allernächst nach seiner Ehre gesetzt hat in das vierte Gebot, da er gebeut: Du sollst Vater und Mutter ehren. Laß sehen, gib mir eine Ehre im Himmel und auf Erden, nächst Gottes Ehre, die dieser Ehre gleich sei! Da ist weder weltlicher noch geistlicher Stand so hoch geehret; und wenn nichts mehr Gott hätte vom ehelichen Leben lassen hören, denn dies vierte Gebot, so sollte man ja genugsam daraus genommen haben, daß kein höher Amt, Stand, Wesen und Werk vor Gott sei, - nächst dem Evangelio, welches Gott selbst angehet - als der elterliche Stand. Denn Er gebietet nicht nur schlechthin, die Eltern lieb zu haben, sondern zu ehren: du sollst Vater und Mutter ehren. Gegen Brüder, Schwestern und den Nächsten insgemein befiehlt er nichts Höheres, als sie zu lieben; Vater und Mutter aber sondert er ab, zieht sie allen anderen Personen auf Erden vor, und setzet sie neben sich. Denn es ist viel etwas Höheres, jemanden ehren, als ihn lieben. Jenes begreift nicht nur die Liebe in sich, sondern auch eine gewisse Zucht, Demuth und Scheu, gleich als wie gegen eine Majestät, die allda verborgen sei. Kurz, man soll sie nach Gott für die Obersten halten, als welche an Gottes Statt sind, und ob sie gleich gering, arm und gebrechlich sind, daß sie dennoch Vater und Mutter sind, von Gott verordnet und gegeben.

So sind sie auch Gott ganz ähnlich in ihrem Amte gegen die Kinder, und ist uns in ihnen fein abgemalet das göttliche und väterliche Herz gegen uns. Denn in Vater und Mutter können wir spüren und erfahren, wie Gott gegen den Menschen gesinnt ist, darum er sich auch nicht schämt des väterlichen Namens; und gleich wie für uns Gott sorget, uns nähret, schützet und schirmet, lehret und unterweiset, also auch der Vater lehret das Kind, nähret es, und versorget es. So könnte auch den Eltern das Kind nicht näher sein, als es ist, nämlich Fleisch und Blut, ja die Natur seiner Eltern. Darum hat ein frommes Kind zu keiner Creatur eine größere Zuversicht, als zu seinen Eltern, in welchen uns so trefflich fein abgemalet ist, wie Gott gegen uns, und wir gegen ihn gesinnt sind. Denn wie sich ein Kind alles Guten zu seinen Eltern versiehet, also verstehet sich ein Christ alles Guten gegen Gott; und wiederum, Gott stellet sich gegen einen Christen, wie ein Vater gegen sein Kind, und noch wohl freundlicher. Es weiß auch eben so ein Christ, daß Gott mehr für ihn sorget, als alle Menschen und Creaturen, ja mehr, als er selber. Wenn wir also nichts anders hätten von Gott, denn die große, herrliche Güte unserer Eltern, in welchen Gott seine Güte erzeiget, könnten wir Gott nicht genug dafür danksagen. Aber weil wir alle Vater und Mutter haben, ist der Stand ein gemein, veracht Ding worden, wird nicht viel davon gehalten, wie Gottes Werken allen geschieht; so sie gemein werden, wird man ihrer bald müde, suchet nur, was neu und seltsam ist. Die Welt muß blind und verstockt bleiben, daß sie nicht sehe die großen Wunder des HErrn, und welch ein fein köstlich Gotteswerk es ist, Vater und Mutter fein, Kinder zeugen und ihrer warten. Es glänzet und gleißet nicht, darum gilt es auch vor der Vernunft nicht. Wenn eine junge Frau in dem Schmuck einer Königin dahergienge, das wäre ein herrlich und köstlich Ding vor der Welt, da jedermann das Maul über aufsperrte. Und doch, wenn ein Weib die Kindlein fein wohl ziehet: gegen solchen Schmuck sind Perlen, Sammet und gülden Stück wie ein alter, zerrissener, geflickter Bettlersbeutel.

Es fließet auch daraus alle gute Sitte und gut Regiment. Denn wo in Häusern Gehorsam nicht gehalten wird, wird man es nimmermehr dahin bringen, daß eine ganze Stadt, Land, Fürstenthum oder Königreich wohl regieret werde.

Denn da ist das erste Regiment, davon einen Ursprung alle anderen Regimente und Herrschaften haben. Wo nun die Wurzel nicht gut ist, da kann weder Stamm noch gute Frucht folgen. Denn was ist eine Stadt anders, als ein Haufen Häuser? Wie sollte denn eine ganze Stadt wohl regieret werden, wo in Häusern kein gut Regiment ist, ja da weder Kind, Knecht noch Magd gehorsam ist? Ebenso ein ganzes Land, was ist es anders, als ein Haufen Städte, Märkte und Dörfer? Wo nun die Häuser übel legieret werden, wie kann ein ganzes Land wohl regieret werden? Ja da muß nichts anders draus werden, denn eitel Tyrannei, Morden, Dieberei, Ungehorsam. Denn ein Fürstenthum ist ein Haufen Länder und Grafschaften, ein Königreich ein Haufen Fürstentümer, ein Kaiserthum ein Haufen Königreiche. Diese alle spinnen sich aus einzelnen Häusern. Wo nun Vater und Mutter übel regieren, lassen den Kindern ihren Muthwillen, da kann weder Dorf, Markt, Stadt, Land, Fürstenthum, Königreich noch Kaiserthum wohl und friedlich regieret werden. Denn aus dem Sohne wird ein Hausvater, ein Richter, Bürgermeister, Fürst, König, Kaiser, Prediger, Schulmeister rc. Wo er nun übel erzogen ist, werden die Unterthanen wie der Herr, die Gliedmaßen wie das Haupt. Darum hat Gott als am nöthigsten angefangen, daß man im Hause wohl regiere. Denn wo das Regiment im Hause wohl und rechtschaffen gehet, ist dem andern allen wohl gerathen; denn wir sehen, daß das ganze menschliche Geschlecht daher kömmt und alle andere Obrigkeit.

Wiewohl also das vierte Gebot klein ist in Worten, so ists doch kräftig in der That, denn die ganze Welt wird in dem Gebot regieret; und wenn dies Regiment der Eltern hinweggenommen würde, so wars mit der ganzen Welt geschehen. Wer daher in diesem Regiment ist, dem ist befohlen ein groß Amt, das hat auch Paulus fein erkläret und hoch gerühmet, da er spricht: 1. Cor. 12. das Weib ist des Mannes Ehre; denn Gott hat dem Mann ein Amt befohlen, sein Weib und Kinder zu regieren, nicht darum, daß sichs der Mann überhebe, und ein Wohlgefallen darin habe, sondern daß es ein trefflicher Befehl ist von der göttlichen Majestät, darum ist der Mann ehrenreich. Wer nun nickt Weib und Kind hat, der hat diese Ehre und das Amt nicht. Also spricht er auch vom Mann, daß er Gottes Ehre sei, das heißt: daß er unter Gottes Gewalt sei, und wird von Gott regieret. Wie nun der Mann unter Gott ist, so ist das Weib unter dem Mann. Also lobet und preiset die Schrift überall den ehelichen Stand.

Wir sehen aber auch aus Matth. 18, 1 - 10., wie ein hohes Amt den Eltern aufgetragen ist, weil selbst die Engel den Kindern herzlich gerne dienen, und thun, was ihr Bestes ist, die großen Geister, die vor Gottes Augen stets stehen, ihn stets hören und sehen. Wenn wir mehr nicht hätten, als diesen einigen Spruch, da Christus sich hören lässt, wie Gott, seinem Vater, so viel an dem jungen Volk gelegen sei: so sollten wir schließen, es wäre unter allen guten Werken kein größeres noch besseres, als junge Leute reckt ziehen. Denn wer wollte es nicht groß halten, denen dienen, welchen die Engel dienen, so stets vor Gottes, Angesicht sind? Darum sollten Vater und Mutter, Knechte und Mägde, Schulmeister und Prediger und alle, die mit jungem Gesinde umgehen, von Herzen und willig und lustig zu solchem Dienst sein, und sich nichts verdrießen lassen, sintemal diese große Himmelsfürsten sich nicht schämen, dem jungen Gesinde zu dienen, und auf sie zu sehen.

Weiter spricht Christus: Wer ein solch Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf. Da stehet es klar: wer eines Kindes sich recht mit Ernst annimmt und es zieht, daß es Gott lernet erkennen, nicht lernet fluchen, schwören, stehlen, dem, spricht Christus hier, sage ich es zu, daß er mich selbst aufnimmt, und mir so Liebes thut, als trüge er mich auf seinen Armen, und pflegte mein, wie meine Mutter mein gepfleget hat. Daher kömmt denn das gemeine Sprüchwort und ist auch wohl wahr, daß Vater und Mutter können an den Kindern den Himmel verdienen und die Hölle, wenn sie denen wohl oder übel vorstehen. Denn Vater und Mutter müssen sorgen und gedenken, wie sie die Kinder leiblich versorgen mit Essen, Trinken, Schuh und Kleidern, und auch an der Seele, daß sie Gott recht erkennen lernen durch sein Wort. Also sind die Seelen der Kinder, welche Vater und Mutter zu versorgen haben, die Hungrigen, Durstigen, Nackenden, Gefangenen, Kranken, von welchen Christus spricht Matth. 25, 40.: „was ihr gethan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir gethan. Da machet also Gott aus eines jeglichen Hausvaters Hause, der da Kinder hat, ein Spital und setzet ihn zum Spitalmeister, daß er seiner Kinder warten soll, sie speisen, tränken und mit guter Lehre und Exempel vorstehen, daß sie lernen Gott vertrauen, glauben, ihn fürchten und ihre Hoffnung auf ihn setzen, seinen Namen ehren, nicht schwören, noch fluchen, wachen, arbeiten, des Gottesdienstes und Worts warten, und ihm den Sabbath feiern; daß sie zeitlich Ding lernen verachten, Unglück mit Sanftmuth und Geduld tragen und den Tod nicht fürchten, das Leben nicht lieb haben.

Siehe, welche große Lectionen dies sind! Siehe, wie viel gute Werke du vor dir hast in deinem Hause, an deinen Kindern, die solches alles bedürfen, wie eine hungrige, durstige, bloße, arme, gefangene, kranke Seele. Wie eine selige Ehe wäre das, wo solches Ehevolk beisammen wäre, und stünden also ihren Kindlein vor. Fürwahr, ihr Haus wäre eine rechte Kirche, ja ein Paradies. Denn Vater und Mutter werden Gott hier gleich, denn sie sind Regenten, Doctor, Pfarrherr, Prediger, Schulmeister, Richter und Herr.

So ist auch das der rechte Gottesdienst, den du Gott dem HErrn erweisen kannst in deinem Hause. Denn was hilft es dir, wenn du für dich selbst noch so fromm bist, bist aber fahrlässig in Auferziehung deiner Kinder? Man findet Leute, die dienen Gott mit viel seltsamer Uebung und halten Dinge aus eigner Andacht; aber den wahren Gottesdienst ihres Hauses, die Kinder recht zu ziehen, gehen sie blindlings vorbei, und machen es, wie vor Zeiten die Juden, die den Tempel Gottes verließen und opferten auf den Höhen. Darum sollst du am ersten Acht haben, was Gott von dir fordere, und was er dir für ein Amt auferlegt hat, 1. Cor. 7. 20. Glaube mir, es ist viel nöthiger, daß du achtest und Sorge habest, die Kinder wohl zu ziehen, denn Gebete thun, fremde Kirchen besuchen, oder viel Gelübde thun. Da gelobet einer dies, der andere jenes, niemand aber gelobet, daß er Gott zu Ehren seine Kinder wolle regieren und lehren: lässt sie sitzen, die ihm Gott befohlen hat, an Leib und Seele zu bewahren, und will Gott in andern Dingen dienen und ehren, davon ihm nichts befohlen ist. Aber, ihr Eltern, stehet ihr euern Kindern wohl vor, so thut ihr Gott das angenehmste Werk, wie Paulus lehret 1. Timoth. 5, 4. und 8. So eine Wittwe Kinder oder Neffen hat, solche laß zuvor lernen ihre eigene Häuser göttlich regieren, und den Eltern Gleiches vergelten; denn das ist wohlgethan und angenehm vor Gott. So aber jemand die Seinen, sonderlich seine Hausgenossen, nicht versorget, der hat den Glauben verleugnet und ist ärger, als ein Ungläubiger. Wenn wir nicht so toll und thöricht, und ganz verstockt wären, und besehen von der Welt Fürsten, dem Teufel, Joh. 12, 31., konnten wir wohl merken und greifen, daß dies die rechten Werke wären, die aus Gottes Wort und Befehl hergehen. Wenn ein ehelicher Mann sein Lebtag nichts anders Gutes thäte, denn er zöge allein das Kind recht zu der Furcht Gottes, so meine ich, er hätte ihm genug gethan. Das größte Werk, das du thun kannst, ist eben das, daß du dein Kind recht ziehest. Ich meine nicht, daß du bei der Wiege singest, daß es schweiget, sondern daß es nicht lernet fluchen oder schelten rc. Du thätest eben so wohl, als betetest du alle Sonntage ein Gebet, lasest die Predigt, oder fastetest alle Woche zu Wasser und zu Brot. Ist viel besser, daß du deinen Kindern wehrest, was sie Böses thun. Laßts euch gesagt sein! Die Kinder lernen jetzund fluchen und Unzucht, ehe sie wissen, was es ist.

Aber das sollen, wie gesagt, die Eheleute wissen, daß sie Gott, der Christenheit, aller Welt, ihnen selbst und ihren Kindern kein besser Werk und Nutzen schaffen mögen, denn daß sie ihre Kinder wohl aufziehen. Es ist nichts, was für Werke genannt werden mögen, gegen diesem einigen Werk, daß die Ehelichen ihre Kinder ziehen. Denn dasselbe ist ihre richtigste Straße gen Himmel, mögen auch den Himmel nicht eher und besser erlangen, denn mit diesem Werk. Es ist auch ihr eigen Werk, und wo sie sich desselbigen nicht befleißigen, so ist es gleich ein verkehrt Ding, als wenn Feuer nicht brennt, Wasser nicht netzet. Also wiederum ist die Hölle nicht leichter verdienet, denn an seinen eigenen Kindern, mögen auch kein schändlicher Werk nicht thun, denn daß sie die Kinder versäumen, lassen sie fluchen, schwören, schandbare Worte und Liederlein lernen, und nach ihrem Willen leben. Dazu etliche sie selbst reizen mit übrigem Schmuck und Förderung, zu der Welt, daß sie nur der Welt wohl gefallen, hoch steigen und reich werden; allzeit mehr sorgen, wie sie den Leib, denn die Seele genugsam versehen. Es ist auch kein größerer Schade der Christenheit, denn der Kinder versäumen. Denn soll man der Christenheit wieder helfen, so muß man fürwahr an den Kindern anheben, wie vor Zeiten geschah.

Endlich willst du alle deine Sünden wohl büßen, und Gnade bei Gott erlangen, seliglich sterben, und dein Geschlecht auch zeitlich weit und ferne strecken: so schaue nur mit allem Ernst auf dies Stück, die Kinder wohl zu ziehen. Kannst du es nicht, bitte und suche andere Leute, die es können, und laß dich kein Geld, Kost, Mühe und Arbeit dauern. Denn das sind die Kirchen, Altar und Testament, die du hinter dir lässest, die dir auch leuchten werden im Sterben, und wo du hinkommest.

Ja, wenn man solches thäte, würde uns Gott auch hier schon reichlich segnen und Gnade geben, daß man solche Leute erzöge, davon Land und Leute gebessert möchten werden; dazu feine, gezogene Bürger, züchtige und häusliche Frauen, die darnach fortan fromme Kinder und Gesinde ziehen möchten. Denn wollen wir feine geschickte Leute haben, beide zu weltlichem und geistlichem Regiment, so müssen wir wahrlich keinen Fleiß, Mühe noch Kost an unsern Kindern sparen, sie zu lehren und zu erziehen, daß sie Gott und der Welt dienen mögen, und nicht allein denken, wie wir ihnen Geld und Gut sammeln. Denn Gott kann sie wohl ohne uns ernähren und reich machen, wie er auch täglich thut. Darum aber hat er uns Kinder gegeben und befohlen, daß wir sie nach seinem Willen aufziehen und regieren, sonst bedürfte er Vater und Mutter nirgends zu.

Da denke nun selbst, wie großen Schaden du thust, wo du darinnen säumig bist und es an dir lässest fehlen, daß dein Kind nützlich und selig erzogen werde; dazu alle Sünde und Zorn auf dich bringest, und also die Hölle an deinen eigenen Kindern verdienest, ob du gleich sonst fromm und heilig wärest. Derhalben auch Gott, weil man solches verachtet, die Welt so gräulich strafet; welches wir auch alle klagen, sehen aber nicht, daß es unsere Schuld ist; denn wie wir sie ziehen, so haben wir ungerathene und ungehorsame Kinder und Unterthanen.

Es ist aber hier kein Scherz, willst du nicht hören und folgen, so merke, der Herr hat noch eine sonderliche, große Strafe darauf gesetzt. „Wer ärgert dieser Geringsten einen, die an mich glauben,“ spricht Christus, „dem wäre besser, daß ein Mühlstein an seinen Hals gehänget würde, und er ersäufet würde im Meer, da es am tiefsten ist.“ Da stehest du, wie eine große Sünde es ist, der Jugend nicht schonen und sie vernachlässigen. Es hat Gott selbst auf den Todtschlag keine leibliche größere Strafe gesetzt, als daß man den Todtschläger mit dem Schwert richten und ihm gleichermaßen das Leben nehmen soll; aber von denen, so das junge Volk ärgern, zum Bösen ziehen und verwahrlosen, sagt der Herr hier, daß eine solche Strafe folgen soll, daß sie lieber sollten im Meer sich ersäufen lassen. Darum ist hier nicht zu scherzen, sondern hoch von nöthen einem jeden ehrlichen Menschen, daß wer seines Kindes Seele mehr, tiefer, fleißiger ansehe, als das Fleisch, das von ihm kommen ist, und sein Kind nicht anders achte, denn als einen köstlichen, ewigen Schatz, der ihm von Gott befohlen sei zu bewahren, daß ihn der Teufel, die Welt und das Fleisch nicht stehlen und umbringen. Denn er wird von ihm gefordert werden am Tode und jüngsten Tage mit gar scharfer Rechnung. Denn wo meinst du, daß herkommen wird das schreckliche Heulen und Klagen derer, die da rufen werden Luc. 23, 29.: „O selig sind die Leiber, die nicht Kinder geboren haben, und die Brüste, die nicht gesäuget haben?“ Ohne Zweifel darum, daß sie ihre Kinder nicht wieder zu Gott gebracht haben, von dem sie sie zu behalten empfangen haben, und jetzt also alle ihre Verdammnis von ihren eigenen Kindern kommt. Wo sie die nicht gehabt hätten, wären sie vielleicht selig worden. Fürwahr, solche große, wichtige Worte sollten wohl den Eltern die Augen aufthun, daß sie alle Mühe und Fleiß anwendeten, ihre Kinder recht zu ziehen, wozu Gott Gnade und Segen geben möge.

Nachdem wir nun gesehen haben, mit welchen Ehren Gott den Vater- und Mutterstand bekleidet hat, also, daß er ihn allernächst neben seine Ehre setzet, und ihm die größte Gewalt und Herrschaft auf Erden gibt, so lasset uns nun weiter betrachten, wie man Kinder wohl und selig erziehen solle. Denn Gott hat diese Ehre und Gewalt nicht umsonst den Eltern gegeben, sondern will, daß sie derselben gebrauchen, und sich dadurch reizen lassen, den Pflichten, die wir jetzt kürzlich und als in einer Summa erklären wollen, desto williger und treulicher nachzukommen.

Man soll aber zuvörderst wohl merken, daß dies wie jedes andere Werk muß im Glauben geschehen. Denn Zucht und Lehre, dazu man die Kinder hält, ist an ihm selber nichts vor Gott, es sei denn, daß es geschehe im Glauben, daß der Mensch nicht daran zweifle, es gefalle Gott wohl, daß die Eltern die Kinder zum Besten erziehen, und lasse ihm solch Werk nichts anders sein, denn eine Vermahnung und Uebung seines Glaubens, Gott zu vertrauen und sich alles Guten zu ihm zu versehen, ohne welchen Glauben kein Werk lebet, gut und angenehm ist. Denn viel Heiden haben ihre Kinder hübsch und ehrlich vor der Welt erzogen, es ist aber alles verloren gewesen um des Unglaubens willen, wie Paulus spricht Röm. 14, 23.: „was nicht aus dem Glauben kommt, das ist Sünde;“ und wiederum: „die Gott lieben, denen ist es alles gut.“ Röm. 8, 28.

Auch sollen die Eltern bei Zeiten und flugs im Anfange dazu thun, daß sie ihren Kindern nach Gottes Befehl wohl vorstehen, dieweil sie sich noch ziehen, biegen und leiten lassen, und nicht harren, bis sie erwachsen und in ihrem Muthwillen erhärtet werden, oder warten, bis sie andern Leuten in die Hände kommen. Denn man darf nicht gedenken, daß fremde Kinder so nahe zu Herzen gehen, als die eigenen, und ob es schon zu Zeiten geschieht, so geschieht es doch gar selten, also, daß unter hundert Kindern kaum eins ist, dessen man sich so herzlich annimmt, als wäre es ein eigen leiblich Kind. Dazu kannst du nicht wissen, wie lange du bei deinen Kindern bleibest, denn es ist gar bald geschehen, daß Gott deine Seele aus der Welt fordert. So gehen dann deine Kinder elend und verwaist umher, niemand ist, der sich ihrer recht annimmt, können sich auch nicht selber regieren, werden leichtlich verführt, weil kein guter Grund bei ihnen gelegt ist und verderben durch deine Schuld. Du hattest sollen der Zeit und Gelegenheit wahrnehmen, da dir Gott das Leben schenkte, und du bei ihnen warst.

Damit meine ich aber nicht, und ist auch nicht die rechte Zucht, daß du allein mit Strafen und Schlägen die jungen Kinder sollst zwingen, und allzu harte halten. Daraus kommt nichts Guts, sondern verursachet, daß der Kinder Gemüth, weil es noch zart ist, ganz in Furcht „und Blödigkeit geräth, und erwachset in ihnen ein Haß gegen die Eltern, daß sie entlaufen und thun, was sie sonst nimmer gethan hätten. Denn was für Hoffnung mag sein an einem Menschen, der einen Haß und Mißtrauen hat zu seinen Eltern und ganz an ihnen verzagt?

Darum spricht Paulus Ephes. 6, 4.: „Ihr Väter, reizet eure Kinder nicht zum Zorn,“ und erklärt dies Col. 3. 21.: „auf daß sie nickt scheu werden.“ Es ist ein bös Ding, wenn um der harten Strafe willen die Kinder den Eltern gram werden; denn viel ungeschickte Väter feine Köpfe mit ihrem Poltern, Stürmen, Streichen und Schlagen verderben, wenn sie mit Kindern anders nicht, denn gleich als ein Henker oder Stockmeister mit einem Diebe umgehen. Doch will St. Paulus damit nicht, daß man die Kinder nicht dürft erzürnen oder schlagen, sondern daß man sie aus Liebe strafen soll, nicht, daß man seinen bösen Muth kühle, und nichts darnach frage, wie man der Kinder Untugend bessere.

Ein Kind, das einmal blöde und kleinmüthig worden ist, dasselbe ist zu allen Dingen untüchtig und verzagt, und fürchtet sich allezeit, so oft es etwas thun oder angreifen soll. Und das noch ärger ist, wo eine solche Furcht in der Kindheit bei einem Menschen einreißet, die mag schwerlich wieder ausgerottet werden sein Leben lang. Denn weil sie zu einem jeglichen Worte des Vaters oder der Mutter erzittern, so fürchten sie sich hernach ihr Leben lang vor einem rauschenden Blatte. Desgleichen soll man auch nicht gestatten den Weibern, die der Kinder warten, daß sie die Kinder zu fürchten machen mit allerlei Gaukelei, sonderlich des Nachts. Vielmehr soll man dazu thun, daß die Kinder also erzogen werden, daß sie eine gute Furcht haben mögen, daß sie die Dinge fürchten, die mau fürchten soll, und nicht, daß man sie alleine furchtsam mache, welches ihnen ihr Leben lang schadet.

Die Erfahrung lehret, das durch Liebe weit mehr ausgerichtet werden könne, als durch knechtische Furcht und Zwang. Denn ein Knabe, der unter seinem Zuchtmeister ist, thut nicht was er will, und man kann nicht wissen, was hinter ihm steckt, dieweil sein Meister über ihm hält. Wenn er aber frei wäre, so würde man sehen, was hinter ihm wäre, da würde er dann seine Natur zeigen, und seine eigenen Werke thun. Darum sind die Werke, die er also gefangen und verwahret thun muß, nicht recht seine Werke, sondern vielmehr des Zuchtmeisters, der sie ihm abdringet und zwinget. Denn wo nicht der Zuchtmeister über ihm wäre, so thäte er derselbigen keines, sondern das Widerspiel. Und stehet mit ihm also: je härter ihm das Böse äußerlich verboten wird, je unwilliger er im herzen über den Verbieter wird. Das sehen wir genug in der Erfahrung, daß die Knaben, so am allerhärtesten erzogen werden, wo sie los werden, so werden sie viel arger, denn die nicht so hart sind gezogen. So gar ist der Natur nicht zu helfen mit Geboten und Strafen. Man muß mehr dazu thun.

Gleichwohl kann ein Kind eines Zuchtmeisters nicht entbehren, sondern muß ihn haben, daß er es strafe, unterweise und zum Besten ziehe; sonst wo ein Kind ohne solche Zucht wäre, würbe nichts Gutes aus ihm, sondern müßte verderben. Nur muß man in der Strafe auch ein Maß halten; denn was z. B. Kindereien sind, als Kirschen, Aepfel, Birn, Nütze nehmen, muß man nicht also strafen, als wenn sie Geld, Rock und Kasten wollen angreifen; da ist denn Zeit, ernstlich zu strafen. Meine Eltern haben mich gar hart gehalten, daß ich auch darüber gar schüchtern wurde. Die Mutter stäupte mich einmal um einer geringen Nuß willen, daß das Blut hernach floß, und ihr Ernst und gestreng Leben, das sie mit mir führten, das verursachte mich, daß ich darnach in ein Kloster lief und ein Mönch wurde; aber sie meineten's herzlich gut. Sie konnten nur nicht die Geister unterscheiden, als nach welchen die Strafen einzurichten und zu mäßigen sind. Denn man muß also strafen, daß immer der Apfel bei der Ruthe sei. Darum ist Salomo ein rechter königlicher Schul- und Zuchtmeister. Er verbeut der Jugend nicht, fröhlich und bei den Leuten zu sein, denn da werden eitel Hölzer und Klötze draus. Also halten viele ihre Jugend gefangen, wie man Vögel in die Bauer setzet, daß sie die Leute nicht sehen noch hören mußten, mit niemand reden durften. Es ist aber der Jugend gefährlich, also allein zu sein, also gar von Leuten abgesondert zu sein. Darum soll man junge Leute lassen hören und sehen, und allerlei erfahren; doch daß sie zur Zucht und Ehre gehalten werden. Es ist nichts ausgerichtet mit solchem Zwang. Es ist gut, daß ein junger Mensch viel bei den Leuten sei; doch daß er ehrlich zur Redlichkeit und Tugend gezogen und von Lastern abgehalten werde. Jungen Leuten ist solcher tyrannischer Zwang ganz schädlich, und ist ihnen Freude und Ergötzen so hoch von nöthen, wie ihnen Essen und Trinken ist, denn sie bleiben auch desto eher bei Gesundheit.

Man soll aber auch sich vorsehen, daß man nicht zu weit zur Linken ausweiche, und die Kinder zu gelinde halte. Denn insgemein wird auf diesen zwo Seiten gefehlt, entweder durch allzugroße Strenge und Erbitterung, oder durch allzugroße Hätschelei und Verzärtelung. Die falsche Naturliebe verblendet die Eltern, daß sie das Fleisch ihrer Kinder mehr achten, denn die Seelen. Darum spricht der weise Mann Sprüchw. 13, 24.: „wer der Ruthen schonet, der hasset sein eigen Kind; wer aber sein Kind lieb hat, der stäupet es vielmal.“ Ebenso Cap. 22, 15.: „es ist in eines jeglichen Kindes Herzen thörlich Vornehmen, aber die Ruthe mag das alles austreiben.“ Und Salomo Cap. 23, 14.: „schlägst du dein Kind mit Ruthen, so wirst du seine Seele von der Hölle erlösen.“ Eltern, die ihre Kinder allzusehr lieben und lassen ihnen den Muthwillen, die thun im Grunde nichts anders, denn daß sie dieselben hassen. Sie erziehen einen Bösewicht, den sie einmal zum Rabenstein begleiten mühen.

Ja, sprechet ihr, es sind noch Kinder, sie verstehen noch nicht, was sie thun. Es ist wahr. Aber ein Hund, oder ein Pferd, oder ein Esel verstehen auch nicht, was sie thun, dennoch lehret man sie gehen, herzukommen, nachfolgen, etwas thun oder lassen, ob sie es wohl nicht verstehen. Ein Holz oder Stein verstehet auch nicht, daß er ungeschickt ist zu einem Hause, der Werkmeister aber bringet ihn in eine Form: wie vielmehr ein Mensch? - Oder verstehen es nur anderer Leute Kinder, und wollen es denn deine Kinder nicht auch verstehen? Solche Leute, die mit ihren Kindern also zärteln, die werden auch ihrer Kinder Sünde tragen, so wohl, als wenn sie sie selbst begangen hätten. Es ist zu erbarmen, wie die Kinder jetzt so übel erzogen werden; da ist keine Ehre noch Zucht; die Eltern lassen ihren Kindern den Willen, halten sie in keiner Furcht; die Mütter sehen nicht auf ihre Töchter, die Vater nicht auf ihre Söhne, lassen ihnen alles nach, strafen sie nicht, lehren sie weder züchtig noch ehrbarlich leben. Daher wachsen sie auf in allerlei Sünden und bösen Begierden, denen sie ohne alle Furcht und Scheu nachhängen. Darnach aber kömmt es, daß der Vater die Schande, und die Mutter die Schmach tragen muß. Das ist denn die Strafe, daß sie ihr Kind nicht wohl gezogen haben. Gott will haben, daß die Jugend regieret und mit guter Disciplin gezwungen soll werden; denn dasselbe Alter ist sehr schwach und unerfahren, und gedenkt nur auf närrische, kindische und schädliche Dinge. Darum kann es sich selbst nicht regieren, kann auch nicht sehen, was ihm nütze und gut sei. Darum hat aber Gott die Eltern verordnet, die auf die Jugend sehen, und sie in ihrem Leben und Sitten regieren sollen, daß sie thun, was ihnen und ihrem Amt gebühret, und das mit Nichten überschreiten.

Andere aber, die ihre Kinder verderben, sind die, die ihren Kindern Anlaß geben, die Welt lieb zu haben, die nicht weiter für die Kinder sorgen, denn daß sie tapfer einhertreten, springen, tanzen und sich zieren können, den Leuten gefallen, ihre Begierden reizen, sich der Welt gleich stellen. Man findet jetzt wenige, die solche Acht haben auf ihre Kinder, daß sie also versorget werden mit den Dingen, die Gott und der Seelen Heil betreffen, als die sie versorgen mit Kleidern, Lust, Reichthum und Ehre. Also gehet dann Gottes Wort heimlich unter gutem Schein gar zu Boden, und wird erfüllet, was im Propheten Jesajas Kap. 57, 5. und Jeremias Kap. 7, 31. und Kap. 32, 35. geschrieben stehet, daß die Kinder von ihren eigenen Eltern verzehret werden, und thun wie der König Manasse, der sein Kind dem Abgott Moloch ließ opfern und verbrennen, 2. Kön. 21,6. Was ists anders, denn fein eigen Kind dem Abgott opfern und verbrennen, wo die Eltern ihr Kind mehr ziehen der Welt zu Liebe, denn Gott? Lassen sie so hingehen und in weltlicher Lust, Liebe, Freude, Gut und Ehre verbrannt, Gottes Liebe, Ehre und ewige gute Lust in ihnen ausgelöschet werden. O wie gefährlich ists, Vater und Mutter zu sein, wo nur Fleisch und Blut regieret!

Hie sagen etliche: ja, wie wollte ich mein Kind unter die Leute bringen und mit Ehren ausstatten? Ich muh sie also schmücken und ihnen zeitlich Gut erwerben. Sage mir, ob das nicht Worte sind eines Herzens, das an Gott verzweifelt, und mehr auf seine Sorge, als auf Gottes Sorge trauet, 1. Petr. 5, 7. Es ist ein Zeichen, daß ihr für eure Kinder noch nie Gott gedanket, noch nie für sie recht gebetet, noch sie nie ihm befohlen habt, sonst würdet ihr wissen und erfahren haben, wie ihr solltet auch der Kinder Ausstatten von Gott bitten und gewarten. Darum lässet er euch auch gehen in eurem eigenen Sinn, mit Sorgen und Aengsten, und doch nichts wohl ausrichten. Denn der die Kinder gibt, der erschaffet und gibt auch das dazu, dadurch sie erzogen und erhalten werden, fönst würden sie nicht lange leben, und an allem Mangel leiden müssen. Gott aber verleihet es diesem reichlich und häufig, jenem aber gibt er allein eine Nothdurft und nicht alles also überflüssig, jedoch gleichwohl so viel, daß keins Hungers stirbt. Daher kommt es, daß armer Leute Kinder, welche allein Wasser und Brot zu essen haben, schöner, völliger und stärker vom Leibe sind, denn der Reichen, welche alle Tage Gesottenes und Gebratenes und aller Dinge die Fülle haben, und doch gleichwohl dürre, spitzig und gelbe sind.

Ihr lobet den herrlichen Segen Gottes an den Früchten, die ihr jährlich ohn euer Sorgen und Mühen von den Bäumen nehmet: warum bedenkt ihr das nicht vielmehr an euren Kindern, als eures Leibes Früchten, welche übertreffen und schönere auch herrlichere Kreaturen Gottes sind, denn aller Bäume Früchte? Sehet ihr an ihnen nicht deutlich Gottes Allmacht, Weisheit und Güte, der sie aus nichts gemacht hat; hat ihnen in Einem Jahr Leib, Leben und alle Glieder so fein artig und hübsch geschaffen und gegeben, und will sie auch ernähren und erhalten? Gleichwohl gehet ihr dahin, achtets nicht viel, werdet über solchen Gaben Gottes blind und geizig, scharret, schindet und schabet, wie ihr nur könnet, daß ihr ihnen nur viel möget hinterlassen. Ist denn die Speise mehr, als der Leib? Oder der Leib mehr, als die Seele? Nähret Gott nicht auch die Vögel unter dem Himmel? Kleidet er nicht die Lilien auf dem Felde, die nicht spinnen, noch arbeiten und doch herrlicher gekleidet sind, als Salomo in aller seiner Pracht? Wisset ihr nicht, daß einem Kindlein, noch ehe es auf die Welt kömmet und geboren wird, sein bescheiden Theil, was und wie viel es haben und was aus ihm werden soll, allbereit zugeeignet und versehen ist, wie die Schrift saget und das gemeine Sprichwort lautet: je mehr Kinder, je mehr Glücks. Ach lieber Herr Gott, wie groß ist doch die Blindheit, Unwissenheit und Bosheit an einem Menschen, der das nicht bedenken kann, sondern thut das Widerspiel in den allerbesten und herrlichsten Gaben Gottes!

Die Dritten, die ihre Kinder verderben, sind die, die ihnen mit schandbaren Worten und Fluchen, mit bösen Exempeln und Gebärden vorgehen. Es sind etliche gewesen, ich habe auch etliche gekannt und wollte Gott, daß keine mehr wären, die sich von dem Gewinn ernähreten, den ihre Töchter oder Weiber mit Unkeuschheit eroberten. Ohne Zweifel wären Mörder den Töchtern nutzer gewesen, als solche Eltern. Ebenso gibt es Leute, denen gefällt es überaus wohl, wenn ihre Söhne kriegerisch und beherzt sind, andere zu schlagen, gleich als wäre es ihnen eine große Ehre, daß sie sich vor niemand fürchten. Solche werden endlich für ihre Thorheit wohl bezahlet, daß sie oft Trauern und Herzeleid an ihren Söhnen erleben, indem sie oft plötzlich um das Leben kommen, und geschieht ihnen recht. Die Kinder, wie die hitzige Jugend pflegt, sind geneigt zu böser Lust und zum Zorn, darum ist Noth, daß ihnen die Eltern nickt weiter Ursache dazu geben durch ihre Exempel in Worten oder Gebärden. Denn was sollte eines Vaters Kind, der da gewohnt ist, zu fluchen und schandbare Worte zu reden, anders lernen, als fluchen und schandbare Worte?

Es stehet insbesondere sehr übel, daß das junge Mädchenvolk mit Worten und Gebärden so überaus frech ist, und zuweilen fluchen, wie die Landsknechte. Ich geschweige der sonderbaren Worte und ärgerlichen groben Sprichworte, die immer eines von dem andern hört und lernt. Das kommt daher, daß die Mütter im Hause ihnen solche Exempel vortragen, und nicht fleißiger auf die Zucht in der Jugend sehn. Denn nach den Müttern gerathen die Kinder und lernen es die Mägde von den Frauen, bis endlich in allen Ständen weder Zucht noch Ehre übrig bleibt, wie wirs leider zu unsern Zeiten sehen, und derhalben der verdienten Strafe mit gewarten müssen.

Gott sei es geklagt im Himmel, man findet Knaben und Mägdlein von zehen, zwölf Jahren, die allerhand schändliche Fluchwörter sagen und unverschämte Reden führen. Wovon lernen sie es? Von niemand, als von denen, die es ihnen verwehren sollten, von Vater und Mutter und von dem schändlichen bösen Gesinde. Denn es gehet ihnen viel lieber ein, und merkt es auch viel besser, als das Vater Unser. Darum sollte man bei dem jungen Volke vorsichtiger und bedächtiger sein, nicht alles reden und thun, was man sonst redet oder thut. Wie denn die Heiden auch gesagt haben: vor jungen Leuten soll man sich am allermeisten schämen. Aber wie viel sind derer, die es thun? Darum steht es auch so übel allenthalben in der Welt, daß keine Zucht, keine Ehrbarkeit, kein Glaube, keine Treue mehr bei den Leuten ist. Ursach: die Alten thun ohne Scheu und reden alles, und lassen die Jungen zusehen. Die lassen sich denn bedünken, sie hätten es auch Macht; was andere und sonderlich die Eltern thun, das sei ihnen auch unverboten. Daß aber unser HErr Gott dazu lachen sollte, das kannst du aus der Predigt unsers HErrn Christi lernen Matth. 18, 1-10. Denn da die Welt sich lässet dünken, es sei ohne sondere Gefahr, einen Fluch thun oder ein grob schandbar Wort herauslassen vor den jungen Leuten, da sagt Christus, besser wäre es, einen Mühlstein am Halse haben und mitten in dem Meer liegen, als solche ärgern. Man sündiget also schwer, wenn man schandbare Worte redet vor jungen unschuldigen Knaben und Mägdlein. Denn solche Leute werden schuldig aller Sünden, die da entspringen aus ihren unbedachtsamen Worten. Denn das zarte unerfahrene Alter wird gar leichtlich mit solchen Reden beflecket, und was noch ärger ist, es behält gar lange solche unfläthige Worte. Gleich als wenn ein Fleck kommet in ein fein Tuch, der setzet sich viel fester drein, als wenn er in ein grob und rauh Tuch gekommen wäre. Darum sollte man allen Fleiß anthun, daß man die jungen Knaben und Mägdlein wohl bewahrete, daß sie nicht schändlich Ding sehen und hören, denn sie haben ohnedem viel böse Lust in ihrem Geblüte. Wenn man nun das Feuer nicht mit Wasser auslöschet, sondern mit anderm Feuer schüren will, was Gutes meinest du sollte daraus werden? Aber leider, wie viel böse Leute findet man, die des Teufels eignen Handwerks sich bedienen, und verderben die unschuldigsten Seelen mit ihren giftigen schandbaren Worten. Der Teufel wird genennet ein Verderber der Gemüther, das er doch nicht thut, ohne durch Hilfe solcher schädlichen Zungen derer, die seines Theils sind und ihm nachfolgen.

Wie mag ein Kind oder Mägdlein wieder ausrotten ein schandbar Wort, das es einmal gehört hat? Der Samen ist ausgestreuet und wurzelt in seinem Herzen, auch wider des Kindes Willen. Darnach wachset er in seltsamen und wunderbarlichen Gedanken, die ein junger Mensch nicht wieder los werden kann. Aber wehe dir, der du dem einfältigen Herzen, das von den Sachen nichts gewußt hat, solche Mühe, Gefahr und Gift eingegossen hast. Du hast den Leib wohl nicht geschändet, aber so viel an dir gewesen ist, so hast du geschändet die Seele, die viel edler ist, denn der Leib, ja seine Seele todt geschlagen! Siehe wohl zu, daß dich niemand eines so greulichen Verbrechens vor dem Herrn anklagen darf!

Willst du aber ein christlicher Hausvater und Hausmutter sein, so sollst du vielmehr die Kinder vom Argen abhalten und zum Guten führen. Als, wenn ein Kind einen Fluch thut oder ein schandbar Wort lässt laufen, daß du mit Ernst ihm zuredest und sprichst: schäme dich in dein Herz hinein, und thue es nie wieder! Desgleichen, daß sie sich scheuen vor Lügen, und sonderlich Gottes Namen dazu zu führen, denn der HErr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen mißbraucht. Dagegen sollst du sie treiben und reizen, Gottes Namen zu ehren und stetig im Munde zu haben in allem, was ihnen begegnen und unter Augen stoßen mag. Denn das ist die rechte Ehre des Namens, daß man sich alles Trosts zu ihm versehe und ihn darum anrufe, also, daß das Herz zuvor durch den Glauben Gott seine Ehre gebe, darnach der Mund durch das Bekenntnis. Solches ist auch eine selige nützliche Gewohnheit, und sehr kräftig wider den Teufel, der immerdar um uns ist, und darauf lauert, wie er uns möchte zu Sünde und Schande, Jammer und Noth bringen, aber gar ungerne höret, und nicht lange bleiben kann, wo man Gottes Namen von Herzen nennet und anrufet; und sollte uns mancher schrecklicher und greulicher Fall begegnen, wo uns Gott nicht durch Anrufen seines Namens erhielte. Auch wiederum, wenn jemand etwas Gutes ungedacht widerfährt, wie gering es auch ist, daß man spreche: Gott sei gelobet und gedanket; das hat mir Gott bescheret :c. Solches wäre Gott angenehm und uns nützlich.

Die Eltern, Hausväter und Mütter sollen auch ihre Kinder und Gesinde etliche sonderliche Gebetlein sprechen lassen, wenn sie zu Tische oder Bette gehen wollen, in welchen sie die Sünde bekennen, und Gott beides, ihre eigene und allgemeine Gefahr und Noth vortragen, und um Errettung oder Linderung bitten. Daß solche Uebung insonderheit angerichtet und gehalten werde, ist nützlich und christlich.

So soll man die Kinder auch ferner unterweisen in der Lehre Gottes. Das ist aber die Lehre Gottes, so du die Kinder lehrest erkennen den Herrn Christum, daß du sie lehrest, stets im frischen Gedächtnis haben, wie Er für uns gelitten hat, was Er gethan und was Er verheißen hat. Also war den Kindern Israel von Gott geboten, daß sie ihren Kindern und Nachkommen erzählen sollten die Wunder, die Gott ihren Vätern in Egypten gethan hatte Ps. 78, 4. Und wenn sie nun solches wissen, und noch nicht lernen Gott lieben, ihm danken und beten, und Christo nachfolgen, soll man weiter vornehmen die Strafe des HErrn, das ist, halte ihnen vor das schreckliche Gericht Gottes und seinen Zorn über die Bösen. Wenn einer solches lernt von Jugend auf erkennen, nämlich Gottes Wohlthaten und Verheißungen, daraus sie Gott lieben lernen und Gottes Strafe und Dräuungen, daraus sie Gott lernen fürchten, so weiß er es hernach, wenn er alt wird. Denn Gott will in den zweien Dingen geehrt werden, daß man ihn liebe als einen Vater, der Gutthaten halben, die er uns erwiesen hat, erweiset und noch erweisen wird, und daß man ihn fürchte als einen Richter, wegen der Strafe, die er erzeiget hat und erzeigen wird. Darum spricht er bei dem Propheten Maleachi 1, 16.: „bin ich euer Vater, wo ist meine Ehre?“ „Also sollen nun die Kinder Gottes lernen singen von Gnade und Recht.“ Ps. 101, 1. Denn dies beides will St. Paulus haben, wenn er spricht, man füll die Kinder auferziehen in Unterweisung und Strafe des HErrn. Zur Unterweisung gehört, daß du ihnen sagest, wie Gott alle Dinge erschaffen hat, und daß ihnen Gott die Sinne, Leben und Seele gegeben hat, darzu noch täglich sie mit allen Gütern versorge, die er erschaffen hat. Ferner, daß er hat für uns alle gelitten, Wunder gethan, gepredigt und noch viel größere Dinge verheißen. Mit diesen Dingen sollst du sie ermahnen, daß sie Gott dankbar sein und ihn erkennen und lieb haben als einen Vater. Zu der Strafe gehört, daß du ihnen sagest, wie Gott vor Zeiten mit großen Plagen geschlagen hat die Egypter, die Heiden, die Sodomiter, die Kinder Israel, ja alle Menschen in Adam; wie er noch täglich viele schlägt mit Pestilenz, mit Galgen, Schwert, Wasser, Feuer, wilden Thieren und Krankheiten, und wie er dräuet künftig in der Hölle mit den Teufeln. Dieses will Gott den Kindern viel mehr vorgehalten haben als der Menschen, das ist, unsere eigene Strafe. Und das nicht ohne Ursache. Denn daraus lernen sie allewegen übel sich zu Gott aufsehen, und nicht Menschen, sondern Gott fürchten. Denn sollte man sie alleine gewöhnen zu der Eltern Furcht, so käme es dazu, daß sie endlich auch in den Dingen, die Gott angehen, sich vor Menschen fürchten, und würden also kleinmüthig werden. Darum soll man die Kinder also ziehen, nicht daß sie Eltern fürchten, sondern daß sie wissen, daß sie Gott erzürnen, wenn sie ihre Eltern nicht fürchten. Also werden sie nicht kleinmüthig werden, sondern wenn sie schon ihrer Eltern beraubt werden, weichen sie doch nicht von Gott, weder im Glück noch im Unglück; denn sie haben mit der Furcht Gottes ihre Eltern fürchten gelernt, und nicht Gott mit der Eltern Furcht.

Demnach solltet ihr immer Gottes Wort mit ihnen treiben und üben, daß es nicht verroste noch verdunkle, sondern stets im Gedächtnis und Werk als neu und hell bleibe. Denn je mehr man von Gottes Wort handelt, je Heller und neuer es wird, und heißet billig: je länger je lieber. Wo maus aber nicht treibet, so wirds bald vergessen und unkräftig. Es sollte keiner kein Vater werden, er hätte denn gelernt, daß er seinen Kindern kann predigen die Gebote Gottes und das Evangelium, daß er fromme Christen zöge. Es treten ihrer aber viel in den Stand der heiligen Ehe, können kaum ein Vater Unser beten. Sie wissen nichts, so können sie auch ihren Kindern nichts predigen noch lehren. Man sollte die Kinder recht unterweisen in der Furcht Gottes. Denn soll die Christenheit in ihre Kraft kommen, so muß man wahrlich an den Kindern anheben, so wirds ein fein Ding. Ich möchte es wohl leiden, daß man in der Wiege anhübe. Da könnte etwas Gutes bekleiben, aufgehen und Frucht schaffen, daß solche Leute erwüchsen, deren ein ganzes Land genießen und froh werden möchte. Da wäre auch die rechte Weise, Kinder wohl zu ziehen, weil man sie mit Gutem und Lust kann gewöhnen. Denn was man allein mit Ruthen und Schlägen soll zwingen, da wild keine gute Art daraus, und wenn mans weit bringet, so bleiben sie dock nicht länger fromm, als die Ruthe auf dem Nacken lieget. Aber hie wurzelt es ins Herz, daß man sich mehr vor Gott, als vor Ruthen und Knütteln fürchtet. Darum siehe zu, daß du deine Kinder vor allen Dingen lässest unterrichten in geistlichen Dingen, daß du sie erst Gott ergebest, und darnach weltlichen Geschäften.

Aber das ist jetzt leider alles umgekehrt. Doch hätte man noch Hoffnung, daß die Schulmeister möchten dabei das Beste thun, daß zum wenigsten in der Schule die Kinder etwas Gutes lernten, und zur Gottesfurcht angewiesen werden. Aber die Hoffnung ist auch gering. Ich möchte sagen, die Juden halten ihre Kinder besser zur Schule, als die Christen. Darum stehet es so übel aus mit der Christenheit. Denn alle ihre Kraft und Macht stehet in den Nachkommen, und so sie in der Jugend versäumet werden, so gehet es christlichen Kirchen gleich einem Garten, der versäumet wird im Frühling.

Ja, sprichst du, wer kann seine Kinder so entbehren? sie mühen im Hause der Arbeit warten. Antwort: sie sollen ja auch nicht wie vor Zeiten zwanzig oder dreißig Jahre lernen, und doch nichts lernen. Es ist jetzt eine andere Welt, und geht anders zu. Meine Meinung ist, daß man die Knaben könnte etliche Stunden des Tages zur Schule lassen gehen, und nichts desto weniger die andere Zeit im Hause schaffen, am Handwerk helfen und wozu man sie haben will, daß beides mit einander gehe. Bringen sie doch sonst wohl zehnmal so viel Zeit zu mit Käulchenschiessen, Ballspielen, Laufen und desgleichen. - Also kann ein Mägdlein so viel Zeit haben, daß sie des Tags etliche Stunden zur Schule gehe, und dennoch ihres Geschäfts im Haufe wohl warte; verschläft und vertanzt es und verspielt es doch wohl mehr Zeit. Es fehlet allein daran, daß man nicht Lust noch Ernst dazu hat, das junge Volk zu ziehen, noch der Welt zu helfen und rathen mit feinen Leuten. Der Teufel hat viel lieber grobe Blöcke und unnütze Leute, daß den Menschen ja nicht so wohl gehe auf Erden. Wo man sie aber lehrete und zöge in Schulen, wo gelehrte und züchtige Meister und Meisterinnen wären, die da Sprachen und andere Künste und Historien lehrten, da würden sie hören die Geschichte und Sprüche aller Welt, wie es dieser Stadt, diesem Reiche, diesem Fürsten, diesem Manne, diesem Weibe gegangen wäre, und könnten also in kurzer Zeit gleichsam der ganzen Welt von Anbeginn, Wesen, Leben, Rath und Anschläge, Gelingen und Mißlingen vor sich fassen wie in einem Spiegel; daraus sie denn ihren Sinn schicken, und sich in der Welt Lauf richten könnten mit Gottesfurcht, dazu witzig und klug werden aus denselben Historien, was zu suchen und zu meiden wäre in diesem äußerlichen Leben, und andern auch darnach rathen und regieren. Die Zucht aber, die man daheim ohne Schulen vornimmt, die will uns weise machen durch eigene Erfahrung. Ehe das geschieht, so sind wir hundertmal todt, und haben unser Leben lang alles unbedächtig gehandelt, denn zu eigner Erfahrung gehört viel Zeit.

Und wenn mans gründlich bedenkt, so sind aus den Historien und Geschichten fast alle Rechte, Künste, guter Rath, Warnung, Dräuen, Schrecken, Trösten, Starken, Unterricht, Fürsichtigkeit, Weisheit, Klugheit sammt allen Tugenden, als aus einem lebendigen Brunnen gequollen. Das macht, die Historien sind nichts anders, denn Anzeichnung, Gedächtnis und Merkmal göttlicher Werke und Urtheile, wie er die Welt, sonderlich die Menschen, erhält, regieret, hindert, fördert, strafet und ehret, nachdem ein jeglicher verdient Böses oder Gutes. Und obgleich viele sind, die Gott nicht erkennen noch achten, doch müssen sie sich an die Exempel und Historien stoßen und fürchten, daß es ihnen nicht auch gehe, wie dem und dein, so durch die Historien werden vorgebildet, dadurch sie härter bewegt werden, denn so man sie schlecht mit bloßen Worten des Rechts oder der Lehre abhält und ihnen wehret. Wie wir denn lesen nicht allein in der heiligen Schrift, sondern auch in den heidnischen Büchern, wie sie einführen und vorhalten der Vorfahren Exempel, Wort und Werk, wo sie etwas erheben wollen bei dem Volk, oder wenn sie vorhaben zu lehren, ermahnen, warnen, abschrecken.

Dazu zeuget die Erfahrung, daß alle, die nicht wohl gelernt haben, klagen und ist ihnen leid, daß sie gute Künste verachtet und in ihrer Jugend dieselben nicht getrieben haben, daß sie doch zum wenigsten hätten gut schreiben und lesen gelernt. Ihr Eltern könnet euren Kindern keinen bessern noch gewissern Schatz lassen, denn daß ihr sie laßt gute Künste und Wissenschaften lernen. Haus und Hof verbrennet und geht dahin, Kunst aber ist gut zu tragen, und bleibt. Wenn man weit von einander ist mit dem Leibe, doch kann man mit Briefen und Schreiben gegenwärtig sein, und einer mit dem andern reden und sein Herz anzeigen. Und wenn auch ein Knabe darnach ein Handwerk treibt und Bürger wird, schadet ihm solche Lehre nicht zur Nahrung, kann sein Haus desto besser regieren. Das junge Volk will ja doch spielen und springen, oder je etwas zu schaffen haben, da es Lust inne hat, auch nicht gut wäre, daß man alles wehrte: warum sollte man denn ihm nicht solche Kunst vorlegen, sintemal es jetzt von Gottes Gnaden alles so zugerichtet ist, daß die Kinder mit Lust und Spiel lernen können, es seien Sprachen oder andere Künste, oder Historien. Und ist jetzt nicht mehr die Hölle und das Fegfeuer in unsern Schulen, da wir innen gemartert sind, und doch nichts, denn eitel nichts gelernt haben durch so viel Stäupen, Zittern, Angst und Jammer. Nimmt man so viel Zeit und Mühe, daß man die Kinder lehret spielen auf Karten, singen und tanzen: warum nimmt man nicht auch so viel Zeit, daß man sie lesen, schreiben, rechnen und andere Künste lehret, weil sie jung und müßig, geschickt und lustig dazu sind? Ich rede für mich wenn ich Kinder hätte und vermochte, sie müßten mir nicht allein die Sprachen und Historien hören, sondern auch singen und die Musik mit der ganzen Mathematik lernen.

Die Musik insonderheit ist der schönsten und herrlichsten Gaben Gottes eine, der ist der Satan sehr feind, denn sie ist eine halbe Disciplin und Zuchtmeisterin, so die Leute gelinder und sanftmüthiger, sittsamer und vernünftiger macht. Die Noten machen den Text lebendig, vertreiben viel Anfechtung und böse Gedanken, und verjagen den Geist der Traurigkeit, wie man am König Saul sieht. Auch vergißt man dabei alles Zorns, Unkeuschheit, Hoffahrt und anderer Laster.

So sage ich nun, daß man die Kinder ohne Unterlaß zur Schule schicke, es seien Knaben oder Mägdlein. Welche aber die Begabtesten darunter sind, der man sich verhofft, daß geschickte Leute sollen werden zu Lehrern und Lehrerinnen, zu Predigern und andern Aemtern, die soll man ganz dazu verordnen. Denn, mein lieber Christ, hast du ein Kind, das zur Lehre geschickt ist, so bist du nicht frei, dasselbige aufzuziehen, wie dichs gelüstet, stehet auch nicht in deiner Willkühr, damit zu fahren, wie du willst: sondern du mußt darauf sehen, daß du Gott schuldig bist, seine beide Regiment zu fördern, und ihm darin zu dienen. Gott bedarf eines Pfarrherrn, Predigers, Schulmeisters in seinem geistlichen Regiment. Kannst du ihm denselbigen geben, und thust es nicht, siehe, da raubst du nicht einen Rock den Armen, sondern viel tausend Seelen aus dem Reiche Gottes, und stoßest sie in die Hölle, so viel an dir ist; denn du nimmst die Person weg, die dazu tüchtig wäre, solchen Seelen zu helfen. Wiederum, ziehst du dein Kind, daß ein Seelsorger werden kann, da gibst du nicht einen Rock, stiftest auch nicht eine Schule oder Kirchen: du thust wohl ein Größeres, und gibst einen Gottesdiener, der viel tausend Seelen zum Himmel helfen kann. Was liegt daran, daß sie nicht alle gerathen? Es gerathen dennoch etliche. Was weißest du, obs nicht dein Sohn sein wird? Bist du doch nicht werth mit alle deinem Gut, daß du eine Stunde zu solchem göttlichen Stift und großen Gottesdienst helfen solltest, und kannst dein Leben lang dazu helfen! Also auch im weltlichen Regiment kannst du deinem Herrn oder Stadt damit mehr dienen, denn daß du ihm Schlösser und Städte bautest, und aller Welt Schätze sammeltest. Denn was hilft solches alles, wenn man nicht gelehrte, weise, fromme Leute hat?

Nun ich wills hiebei lassen bleiben, und jedermann gebeten haben, treulich dazu zu helfen, daß die Kinder insgesammt wohl zur Schule gehalten werden, damit sie beides, Gott und der Welt, recht lernen dienen, und ihnen zeitlich und ewig wohl gehe.

Quelle: Luther, Martin - Anweisung zu einer christlichen Kinder-Erziehung

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