Lobstein, Friedrich - Gottes Arbeit an den Menschenherzen - Ein geprüfter Glaube.
Matth. 15,21-28.
Und Jesus ging aus von dannen, und entwich in die Gegend Tyrus und Sidons. Und sieh, ein kananäisches Weib ging aus derselbigen Grenze, und schrie ihm nach und sprach: Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird vom Teufel übel geplagt. Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm, baten ihn und sprachen: Lass sie doch von dir, denn sie schreit uns nach. Er antwortete aber und sprach: Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlornen Schafen von dem Hause Israel. Sie kam aber, und fiel vor ihm nieder und sprach: „Herr, hilf mir!“ Er aber antwortete, und sprach: Es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brot nehme, und werfe es vor die Hunde. Sie sprach: „Ja Herr; aber doch essen die Hündlein von den Brosamlein, die von ihrer Herren Tische fallen.“ Da antwortete Jesus, und sprach zu ihr: „O Weib, dein Glaube ist groß! dir geschehe, wie du willst. Und ihre Tochter ward gesund zu derselbigen Stunde.
Je weiter man im christlichen Leben vorschreitet, desto mehr kommt man immer auf den Glauben zurück. Er ist von allen göttlichen Wirkungen die schönste, die fruchtbarste, die notwendigste; auch nennt ihn der Heiland vorzugsweise „das Wort Gottes.“
Sogar die Liebe, welche die Hauptsumme des Gesetzes ist, entspringt aus dem Glauben; denn sie kommt „aus einem reinen Herzen, einem guten Gewissen und ungefärbten Glauben. (1. Tim. 1,5.)
Wir bewundern Christoph Kolumbus, wie er sich hinauswagt auf unbekannte Meere, mit einer gewissen Zuversicht des, das er hofft und indem er nicht zweifelt an dem, das er nicht sieht; (Hebr. 11,1) wohlan, der christliche Glaube wagt sich noch weiter; sein Ziel ist die jenseitige Welt und sein Weg führt auch über Meere und Abgründe.
Und was dem Glauben Leben gibt, ist nicht das Erkennen, nicht irdisches Wohlergehen, es sind Kämpfe, Zweifel, Entbehrungen; - und gerade die Seelen, die am festesten im Herrn stehen, sind diejenigen, die am meisten erschüttert, am meisten vom Sturm umher geschlagen worden sind.
Wann die schwachen Stützen zertrümmert sind, dann wird Raum für die unendliche Größe der Allmacht Gottes, und für den Glauben, der die Welt überwindet.
Das Evangelium, welches uns mehr noch durch Beispiele als durch Vorschriften belehrt, bietet uns besonders Beispiele des Glaubens. Da haben wir den Hauptmann von Kapernaum, den Blinden von Jericho, den Gichtbrüchigen, und noch andere Kranke, Männer und Weiber; aber alle diese Beispiele treten zurück vor der Glaubensstärke des kananäischen Weibes. Dieser Syrophönizierin gibt der Heiland selbst das schönste Zeugnis, indem er ausruft: „Oh Weib, dein Glaube ist groß, dir geschehe, wie du willst!“ Es liegt in ihrem Glauben eine Kraft, eine Ausdauer, ein männlicher Mut, die ihn wirklich zu einem Musterglauben machen. Und doch war für das kananäische Weib Grund genug vorhanden, sich gleich im Anfang entmutigen zu lassen; behandelt zu werden, wie sie behandelt wurde, sich nicht daran zu ärgern, sondern bis ans Ende festzuhalten an dem, was von Anfang an ihr Verlass war: das ist die Lehrzeit, die wir durchzumachen haben, wenn unsre Verbindung mit Christus einen Erfolg haben soll.
Wie nur ist ein heidnisches Weib zu einer solchen christlichen Höhe gelangt? Der Herr, wie wir sehen, lässt sie durch manche Prüfungen hindurchgehen. Es gibt aber äußere und innere Prüfungen; die ersteren kommen uns von äußeren Ereignissen, die letzteren aus den Kämpfen wider uns selbst. Und diese letzteren Prüfungen sind heftiger als die ersteren. In unserm Herzen ist eine ganze Welt von Aufruhr, und diese innere Welt hat das kananäische Weib besiegt. Lazarus hatte vor der Tür des Reichen mit körperlichen Schmerzen und Nahrungssorgen zu kämpfen, und dies schon ist eine recht harte, eine entsetzliche Lage. Aber es gibt noch viel gefährlichere Feinde für unsern Glauben. Das sind die Entdeckungen, die wir in uns selbst machen, und die Banden des alten Menschen, die plötzlich in den tiefen Gründen des Herzens erscheinen. Folgt nur Jesu, auf dem schmalen Wege werdet ihr Gelegenheit haben euch kennen zu lernen; ihr werdet finden, dass nicht Alles in euch so rein und gut ist, wie die Welt es glaubt. Aber ihr seht auch aus dem Beispiel des kananäischen Weibes, dass der Glaube nicht nur der Sieg über die Welt, sondern auch der Sieg über unser eignes Herz ist. Ihr könnt euch selbst besiegen, und das ist ein Triumph, schöner als der Triumph über äußere Ereignisse.
Wer ist dessen fähig? Lasst uns zusehen.
Ihr habt vor euch einen geprüften Glauben. Der Herr ist hier „wie das Feuer eines Goldschmieds, und wie die Seife der Wäscher.“ (Mal. 3,2.) In dieser Schule ist das kananäische Weib geworden, was sie jetzt ist. Sie geht durch drei Prüfungen hindurch, die allgemeiner Natur sind.
Über diese drei Prüfungen des Glaubens lasst uns jetzt reden. Der Weltmensch kennt sie nicht. Aber sobald man mit Jesu wandert, dann kommen sie aus dem Herzen eine nach der andern hervor, denn der Heiland verschont keinen damit, weil er uns liebt, und will, dass wir teilnehmen sollen an seiner Herrlichkeit.
Lasst uns die Geschichte des kananäischen Weibes näher ins Auge fassen, und wir werden sehen, warum Er also handelt.
„Und Jesus“, sagt unser Text „ging aus von dannen und entwich in die Gegend von Tyrus und Sidon.“ Gewöhnlich ging er nicht bis dahin, seine Sendung, wie er selbst sagt, ging nur an die verlornen Schafe aus dem Hause Israel. Er hatte jedoch noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stalle waren, „und dieselbigen muss ich“, sagt er, „herführen, und sie werden meine Stimme hören, und wird eine Herde und ein Hirte sein!“ (Joh. 10,16.)
Das kananäische Weib ist eines dieser andern Schafe. Sie ist eine Frau, deren Tochter krank ist, und übel geplagt wird vom Teufel. Diese Prüfung wirft sie nieder vor den Heiland. Wahrscheinlich hatte sie schon von ihm gehört, als von „einem Propheten, mächtig von Taten und Worten, vor Gott und allem Volk.“ (Luk. 24,19.) Es waren dies schon einige vorbereitende Eindrücke, die sie empfangen hatte. Aber in ihrer unmittelbaren Berührung mit dem Herrn sollte sich dies Alles aufklären. Das kananäische Weib hatte weder das Gesetz noch die Propheten, aber Seelennot hatte sie. Und als eine unglückliche Mütter ruft sie Jesu nach: „Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Was antwortete ihr der Herr darauf? Zuerst nichts! Wir lesen: „Er antwortete ihr kein Wort.“
Dies die erste Prüfung, eine schwere Prüfung! Man ruft den Herrn an, und er antwortet nichts. Lasst uns tiefer in die Lage des kananäischen Weibes eingehen - morgen können wir uns in derselben befinden. Es gibt solche Prüfungen, wo wir aufschreien möchten zum Herrn, und wo gewöhnliche Gebete nicht mehr ausreichen.
Die Prüfung der Kanaaniterin ist eine häusliche; wenn wir in das Familienleben eindringen wollten, wir würden da auch recht viel Heimsuchungen finden. Aber die eigentliche Prüfung der Kanaaniterin hatte noch nicht begonnen; die wahren, wirklichen Heimsuchungen fangen erst dann an, wenn Christus uns nichts antwortet.
Mit Christus kann man durch Feuer und Wasser gehen, aber nicht immer fühlt man seine Nähe. Die Welt des Gebets ist oft wie verschlossen, man bittet, und bekommt nicht, man sucht, und findet nicht, man klopft an, und es wird nicht aufgetan. (Matth. 7,7.) Das Gebet prallt zurück, als ob der Himmel von Erz wäre; und wenn das Gebet nichts fruchtet, was bleibt dann übrig? Dass der Herr sich nicht bewegen lässt, das ist's, was uns Leiden schafft. Ach! welch ein Zustand, wenn man sich mit sich selbst herumschlagen muss, und von allen Seiten nichts als Elend aus dem Herzen hervorbricht. Die Seele ist in solchen Augenblicken ein wahres Labyrinth, man kennt sich nicht mehr, man findet sich nicht mehr, und alles, was man tut, ist verlorene Mühe. Die Gedanken gehen wüst durch einander, Kleinmut befällt das Herz, der Wille wird völlig kraftlos, „alle Wasserwogen und Wellen gehen über uns.“ (Psalm 42,8.)
So sind wir, wenn wir ohne den Herrn sind; es ist gut, dies zu wissen, es alle Tage zu wissen.
„Jesus antwortete nichts!“ Arme Kanaaniterin, und: doch hast du nicht aufgehört ihn anzuflehen. Du hast nichts gemerkt, dass der Herr Mitleid mit dir fühle, und doch hast du den Glauben festgehalten; die Jünger haben dich fortziehen wollen, aber dein Glaube war stärker als die Jünger. Seht, daraus spricht mehr als die Kanaaniterin, daraus spricht Gott; das ist Gott im Menschenherzen, Gott der da wirkt, und treibt, der das Göttliche entbindet und eine jener Großtaten vorbereitet, wie er sie tut und man sie findet allein in dem Elend eines armen Sünders.
Warum antwortete Jesus nicht? dieser Fall kann sich auch bei uns zutragen. Die Prüfung der Kanaaniterin ist unser aller Prüfung wenn man glauben muss, so doch das Gefühl dawider ist. Wir pflegen nur so lang zu glauben als wir etwas spüren, und wenn unser Herz nichts mehr fühlt und unser Gebet nichts mehr wirkt, so glauben wir auch nicht mehr; aber mit dem wahren Glauben ist es anders; bei ihm heißt es: „wie dem auch sei, mein Herz steht zu ihm, meine Hilfe kommt von ihm.“ Was das Kananäische Weib aufrecht erhält, ist der lebendige Heiland, den sie nicht aus den Augen lässt. Nicht von sich selbst, sondern von ihm aus nimmt sie ihren Ausgangspunkt. Dass wir nicht wanken, das liegt nicht in uns, sondern kommt von außen. Es gibt eine Fülle, die nie abnimmt und wir haben sie in der Person Jesu. In seiner Person habt ihr auch sein Werk, seine Verheißungen, seine ewige Liebe, sein Mittleramt. Mag Er sprechen oder schweigen, seine Arme entgegen strecken oder sich in Schicksalsstürme verhüllen, Er lebt, Er ist treu, Er kann sich nicht selbst verleugnen. Wenn endlich werdet ihr dies glauben?
Es wäre wohl Zeit es ein für allemal zu glauben, aber statt dessen was tut ihr? Ihr forscht in euch selbst und macht eure Gefühle zu eurem Erlöser. Ihr baut auf die Höhen und Tiefen eures Verstandes, auf eure Befürchtungen oder Hoffnungen, und wie dann fest stehen? Das ist grade das rechte Mittel in das Schwanken hinein und nie wieder heraus zu kommen.
Ihr braucht einen lebendigen Fels und diesen Felsen habt ihr: er heißt Jesus Christ, gestern und heute und derselbe in Ewigkeit. Das was er für die Kanaaniterin war, ist er noch auch für den elendesten Sünder. Aber Glauben müsst ihr haben, und glauben heißt fest bleiben, als sähe man ihn, der doch unsichtbar ist. Das ist nicht leicht, ich weiß es wohl, aber eben weil es euch fehlt, müsst ihr es lernen.
Wenn aber wollt ihr es lernen: wenn alles gut geht, wenn ihr im Frieden schwimmt, wenn ihr ringsum Stützen habt? Unter diesen Bedingungen wäre das Kananäische Weib nie das Kananäische Weib geworden. Jesus antwortete nichts, dies ist die Schule des wahren Gläubigen.
Ihr fragt: aber was soll in dieser Zwischenzeit geschehen? Wenn ich unterdes sterbe und mein Herz mich verlässt, was soll geschehen? - Nun, ihr müsst warten! Habt ihr nie den Herrn warten lassen? Von was habt ihr bisher gelebt? Ist's nicht von seiner Güte, Geduld und Langmut. Ist's nicht die große Geduld eures Herrn, die euch zum Heil wird? Und wenn Er zögert, wollt ihr Ihn nicht erwarten, da ihr doch die Verheißung habt, dass er gewiss kommen und nicht verziehen wird. Hört den Psalmisten: „Ich harrte des Herrn, und er neigte sich zu mir und hörte mein Schreien.' (Ps. 40,2.) Bleibt ruhig und seid stille, er wird euch erlösen.
Aber statt dessen wollt ihr auf Rossen davon eilen. Bleibt, wartet, es ist gut in Ruhe zu erwarten die Erlösung des Herrn. Legt euch wie die Sünderin zu Jesu Füßen.
Diese Stellung ist's, die euch fehlt und das ist das einzige was Not tut. „Er wird euch decken in seiner Hütte zur bösen Zeit.“ (Ps. 27,5.) Geht ein in seine Hütten, und ihr werdet sehen, dass man sich wohl dort fühlt. Wenn ihr nicht mehr beten könnt, so könnt ihr doch noch seufzen, und wenn ihr nicht mehr seufzen könnt, ein Andrer betet, ein Andrer seufzt für euch. „Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ (Hebr. 10,35.) Der Heiland der Kanaaniterin lebt noch: „er hat euch einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will er euch sammeln. Er hat sein Angesicht im Augenblicke des Zornes ein wenig verborgen, aber mit ewiger Gnade will er sich eurer erbarmen, spricht der Herr, euer Erlöser.“ (Jes. 54,7.)
Habt ihr die erste Prüfung glücklich bestanden, dann werdet ihr einer zweiten gewürdigt werden. Es ist stets ein Zeichen, dass der Herr unserer gedenkt, wenn er sich uns auf diese Weise nähert. Lasst uns wieder auf das Kananäische Weib blicken. Jesus lässt sich herbei zu antworten, aber seine Antwort gleicht ganz einer Abweisung; „ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israels.“ Also nicht zu dir, du unglückselige Kanaaniterin, du gehörst nicht zum Hause Israel, stehest fern dem Bunde und den Verheißungen. Der, den du verfolgst mit deinem Schreien, lässt dich ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt.
So hätte die Kanaaniterin wohl sprechen können, so sprechen wir oft in Stunden der Prüfung, wenn es scheint als läge ein Abgrund zwischen uns und den Worten des Erlösers. Diese Prüfung hat noch einen allgemeinen Charakter. Sie bezeichnet alle diejenigen Lagen, wo man die Versprechungen des Herrn nicht ergreifen kann; wo es scheint, als sei er bloß für Andere gekommen und nicht für uns. Die Bibel liegt vor uns voll der trefflichsten Wahrheiten, wir erkennen sie an als das Wort Christi - aber keines dieser Worte wirkt etwas, man kann sich keinen Buchstaben davon aneignen. Man glaubt, man gehöre nicht zu der Verlorenen, oder hält sich für nicht reuig genug, für nicht vorbereitet genug auf Christus: man verwirrt sich in eine Welt von Zweifeln und diese Zweifel sind eine neue Überlistung des alten Menschen. Man nimmt sie für Demut und im Grunde genommen sind sie nichts als Selbstgerechtigkeit. Man will das Heil, das uns umsonst geboten wird in seinem ganzen Umfange, nicht umsonst annehmen, man will sich vorbereiten auf den Herrn; aber je mehr man sich abmüht, je weniger erreicht man den Zweck. „Kann auch ein Mohr seine Haut wandeln, oder ein Parder seine Flecken?“ (Jer. 13,23.)
Oder wenn man so nicht zum Ziel kommt, fängt man es anders an. Man stellt Vergleiche an, und sucht rechts und links nach den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel. Man sagt sich, „wenn ich so wäre, wie jener da, wäre ich wohl glücklich und könnte mir alles aneignen.“ Man zählt zum Beispiel alle die auf, die weiter vorgeschritten scheinen, und meint, wenn man zu der Höhe, auf der sie stehen, erst gelangt sei, wolle man auch glauben, wie sie, und denken, man gehöre in den Stall Christi. Das heißt, man will an einen Erlöser glauben, wenn man keines Erlösers mehr bedarf, man will sich seine Verheißungen annehmen, wenn man sich selbst hinreichend versorgt hat.
Welche Verkehrtheit! Jesum zum Arzt derer machen, die gesund sind, da er doch gekommen ist, zu suchen und zu retten was verloren ist; warten bis man vorbereitet ist, bis man sich belebt glaubt, während der Quell des Lebens doch in Ihm ist, und Er seine Macht keinem anderen gibt.
Was sind alle diese ausgezeichneten Christen, die man als vom Herrn bevorzugte Schafe aufzählt. „Hier ist kein Unterschied; sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie an Gott haben sollten.“ (Röm. 3, 23.)
Der am wahrsten Bekehrte wird am ersten seine Nichtigkeit fühlen; wenn er mehr getan hat als andere, so ist's nicht sein Werk, sondern die Gnade Gottes, welche in dem Schwachen mächtig ist. Vers wechselt nicht die Rollen, gebt euch Jesum so hin, wie ihr seid, und Er wird euch bilden, so wie Er es haben will. Zwischen ihm und euch gibt's keine Kluft, sondern der Weg ist frei.
Das kananäische Weib denkt sich: „Er ist hier für mich, und ich für ihn.“ Sie versichert sich des Herrn, und das heißt, sich seiner Verheißungen versichern. Werft alle Bedenklichkeiten weg und die Worte des Herrn werden euch erreichen können. Öffnet eure Herzen, weg mit allen jenen Sorgen, und Berechnungen und Bedenken! Sei fröhlich und singe, unfruchtbare Seele, die du nicht mehr gebärst; breite aus die Stätte deines Zeltes und mache deine Stricke lang.
Lerne endlich die Liebe Christi kennen, die alles Denken übersteigt; und wann willst du sie erkennen? Wiederum dann, wenn Alles gut geht? wann du geschickt genug warst, dir selbst zu helfen? Ach! der rechte Zustand sind die Kämpfe nach außen, und Befürchtungen nach innen. Da muss physische und geistige Ohnmacht sein, wo Christus, sich verherrlichen und wo Seine Gnade uns genügen soll.
Nicht das kananäische Weib bewundern wir, sondern die ewig siegende Gnade: sie ist's, die an uns arbeitet, nicht wir; sie ist's, die euch den Stall zu den verlorenen Schafen öffnet; und wenn sie öffnet, wer will ihn verschließen? wenn sie zuschließt, wer will ihn öffnen?
Höre nicht auf deine Bedenklichkeiten, ergreife mit voller Zuversicht die dir dargebotene Gnade. Nachdem ihr glauben gelernt, so doch das Gefühl dawider war, so glaubt nun auch trotz eurer Skrupel. Ihr werdet sehen, wie das stark macht, ihr habt den Beweis davon am kananäischen Weibe. Wenn sie ein Wort sich aneignet, was doch gegen sie zu sein scheint, so ist's eben, weil sie sich an den Herrn gehängt hat, und wenn er sie tötete, sie würde dennoch hoffen. Tuet desgleichen, und ihr werdet den Sieg schon mit zwei Fingern haben. Jedoch noch nicht ganz. Es ist noch eine dritte Prüfung übrig, die härteste von allen.
Christus sieht sich nochmals um; ist's um ihr zu helfen? Rein, Er antwortet ihr mit noch härteren Worten: „Es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brot nehme, und werfe es vor die Hunde.“ Da steht nun die Kanaaniterin da, mit Verachtung überschüttet. Er will ihr ihre Unwürdigkeit fühlen lassen. Christus gleicht hier eher einem Richter, als einem Erlöser.
Diese Prüfung hat ebenfalls einen allgemeinen Charakter. Dann trifft sie uns, wenn Christus uns vor uns selbst stellt, dass er in uns den Stachel der Sünde wach rufe.
Die Sünde hat eine erdrückende Wucht, es gibt eine Trostlosigkeit, in der wir keine Gnade mehr sehen, und wo „unsre Sünden uns ergriffen haben, und ihre Zahl mehr ist denn Haare auf unserm Haupte, und unser Herz uns verlassen hat.“ (Ps. 40,13.)
Unsere größte Prüfung ist dann der Schrecken über unsere Unwürdigkeit. - Wir sollen auch noch unser Gewissen besiegen, wie wir über unsere Gefühle und Zweifel gesiegt haben. Das Gefühl der Sünde kann auf mehr denn eine Weise reden, es gibt Menschen, zu denen es nie spricht, und zu denen es erst dann sprechen wird, wenn es schon zu spät ist. - Andere gleichen Kranken, die von einem inneren Fieber gequält werden, das nicht ausbricht; das sind solche, die sich stets krank fühlen bei allem ihren Wohlstand ohne zu wissen, weshalb. - Es ist die Sünde, die an ihnen nagt, sie aber wollen's nicht einsehen, und leiden nicht, dass man ihnen davon spricht.
Anderwärts ist das Gefühl der Sünde noch ein anderes.
Es ist ein einzelner Gewissensbiss, der uns verfolgt durch das ganze Leben.
Es gibt peinliche Erinnerungen, die einen wohl auf Augenblicke in Ruhe lassen, die aber immer wiederkehren, wie ein Wurm, der nie stirbt, und wie ein Feuer, das nie erlischt. Aber das wahre Gefühl der Sünde ist etwas Allgemeineres. Es naht dir, wenn dein ganzes Wesen bloß wird vor der Klarheit Gottes.
Es gibt solche Augenblicke, wo wir, ohne eine neue Sünde begangen zu haben, uns auf einmal ein Gräuel sind. Christus hat auch für den achtbarsten Christen Lasten, die ihn erdrücken wollen, wo er glaubt, es nur mit einem Richter zu tun zu haben, und der wahre Christus wie verschwunden ist.
Aber die Kanaaniterin hält dennoch den Glauben fest. Ihr Herz verurteilt sie, aber hier ist, der größer ist, denn ihr Herz, sie weiß, „wo die Sünde mächtig geworden ist,“ aber sie weiß auch: „da ist doch die Gnade viel mächtiger geworden.“ (Röm. 5,20.) Sie antwortet: „Ja Herr, aber doch essen die Hündlein von den Brosamlein, die von ihrer Herrn Tische fallen.“ Sie kennt eine Hoffnung, die nicht zu Schanden werden lässt, ein Erbarmen, das nicht verdammt.
Was auch das Gewissen davon reden mag, Christus ist kein Richter. „Er ist nicht gekommen, dass er die Welt richte, sondern dass er die Welt selig mache.“ (Joh. 12,47.) Lasst diesen „offenen Born wider die Sünde und Unreinigkeit“ (Sach. 13,1) nicht aus den Augen.
Und wann wird dieser Born für dich fließen; ist's wieder dann, wenn alles gut geht? Wenn du zufrieden bist mit deinen Fortschritten im Christentum? O, danke Gott, wenn du dich endlich erkannt haben wirst als den größten der Sünder; nur dann kannst du sagen: „Es ist mir Barmherzigkeit widerfahren, auf dass an mir vornehmlich Jesus Christus erzeigte alle Geduld, zum Exempel denen, die an ihn glauben sollen zum ewigen Leben. (1. Tim. 1,16.)
Hiermit schließt die Prüfung, diejenige die nur eine kurze Zeit währt, und also, dass wir sie können ertragen. Was nachher folgt, ist Lob, Ehr und Herrlichkeit. Als Christus sich wieder umwandte, sagte er zum kananäischen Weibe: „O Weib! dein Glaube ist groß, dir geschehe wie du willst! Und ihre Tochter ward gesund zu derselbigen Stunde.“
„So ist es denn wahr, dass er uns vergelten wird nach unserem Glauben!“ (1. Sam. 26,23.)
Wenn wir nicht glauben, so sehen wir keine Wunder, so wir wenig glauben, so sehen wir wenig Wunder, so wir immer glauben, so sehen wir immer Wunder. Und es ist das Wenigste, dass der Glaube über die Welt siege; er hilft dir, dich selbst besiegen, und deine Gefühle, und deine Zweifel, und selbst dein Gewissen. Der Glaube ist der Grundstein deiner Seele, - ihrer Freiheit und ihres Glückes. Wann bist du Herr über die Verirrungen deines alten Menschen? Dann, wenn du zu hoffen vermagst trotz allen Grundes zur Hoffnungslosigkeit.
Der wahre Soldat bedarf der Kämpfe, der wahre Matrose der Stürme, der wahre Christ einer Welt, die ihm verschlossen ist. Diese Schule hatte die Kanaaniterin durchgemacht; ihr ganzer Weg wurde von Liebe geleitet.
Denkt an das heidnische Weib, wenn ihr etwas Anderes wünscht, als einen schmalen Weg, eine verschleierte Zukunft und ein Leben voller Kämpfe. Das ist euer Gewinn, dass ihr Christo folgt, heute in der Niedrigkeit, morgen in der Herrlichkeit. Es ist wahr „sein Weg geht durch das Meer, und sein Pfad durch große Wasser“, (Ps. 77,20) aber warum seht ihr auf den Weg? Eure Zuversicht sei, der euch leitet.
„Ihm ist gegeben alle Macht und Weisheit Gottes, und so haben wir an ihm die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kol. 1,27). Geht mit ihm und bleibt unter seiner Zucht; er wird euch bewahren vor allem Übel, auf dass ihr unsträflich seid und Freudigkeit habt auf die Zukunft unsers Herrn Jesu Christi.