Krummacher, Gottfried Daniel - Das Haupt der Gemeine
Von welchen wichtigen Folgen Vereinigungen verschiedener Gegenstände mit einander seien, davon belehrt uns Natur und Schrift. Setzt die entgegengesetzten Elemente des Wassers und Feuers in Verbindung mit einander, so erlöscht entweder dieses, oder jenes brennt wie Feuer. Vereinigt es mit einem gewissen Grad von Kälte, so wird's hart wie Stein, und der Strom baut sich seine feste Brücke selbst. Hebt die Verbindung auf, worin wir mit der Luft stehen, und wir sind des Todes. Setzt einen menschlichen Körper in Verbindung mit Elektrizität und rührt ihn, so sprühen Feuerfunken von ihm. Setzt ein Ei mit der Wärme in die gehörige Verbindung, und siehe, es entwickelt sich ein lebendes Wesen daraus. Siehe die Sonne, wie sie uns wieder ihre längere Gemeinschaft gönnt, und erwägt den Segen, der uns daraus zufließen wird. Doch genug von natürlichen Dingen.
Erwägt vielmehr das angenehme Geheimnis, das uns die Schrift von einer möglichen Vereinigung mit Christo und deren seligen Folgen offenbart! Er heißt das Leben, was muß es also mit sich bringen, mit ihm vereinigt sein! Er heißt Gerechtigkeit, Weisheit, Kraft, von welchem Nutzen muß die Vereinigung damit sein„ Billig erklärt es deswegen der Katechismus nicht für eine Unwahrscheinlichkeit, nicht für eine Unart, nicht für einen Mangel von Wahrnehmung dieser und jener Pflichten, sondern für eine Unmöglichkeit, daß die, so Christo durch einen wahren, ungefärbten Glauben sind eingepflanzt, nicht Früchte der Dankbarkeit bringen sollten. Vereinigt einen Toden mit dem Leben, bleibt der tot? Einen Kranken mit der Gesundheit, bleibt der krank? Einen Armen mit dem Reichtum, bleibt der arm? Einen Nackten mit der Kleidung, bleibt der nackend? Einen Durstigen mit Trank, einen Hungrigen mit Speise, bleibt der durstig und hungrig? Einen Sünder mit Jesu, bleibt der ein Sünder?
Diese Vereinigung stellt uns die Schrift unter mancherlei Geschäften, als Essen und Trinken, auch unter mancherlei Bildern vor. Eins der merkwürdigsten ist das: Der Verein des menschlichen Körpers mit dem Haupte, wovon wir jetzt zu reden gedenken.
Und hat alle Dinge unter seine Füße getan, und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeine über alles, welche da ist sein Leib, nämlich die Fülle des, der alles in allem erfüllet.
Epheser 1,22.23
Im Vorhergehenden preist der Apostel die unschätzbaren Wohltaten Gottes an der Gemeine, nämlich zuvörderst ihre Erwählung von der Grundlegung der Welt und ihre Verordnung zur Kindschaft gegen ihn selbst durch Jesum Christum nach dem Wohlgefallen seines Willens, ihre Verordnung zum Erbteil nachdem Vorsatz des, der alle Dinge wirkt nach dem Rat seines Willens. Zugleich gibt er den Zweck dieser Verordnung und Erwählung an, welcher darin besteht, daß wir sollen sein heilig und unsträflich vor ihm in der Liebe, etwas sollen sein zu Lobe seiner Herrlichkeit, zu Lobe seiner herrlichen Gnade, durch welche er uns hat angenehm gemacht in dem Geliebten. Sodann preiset er die Wohltat der Erlösung durch das Blut Christi, nämlich die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade, welche uns reichlich widerfahren ist durch allerlei Weisheit und Klugheit. Und hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Wohlgefallen. Ferner preist er die Gläubigen glückselig, daß sie durch Christum das Wort der Wahrheit, nämlich das Evangelium von ihrer Seligkeit gehört haben, und da sie gläubig wurden, versiegelt seien mit dem Geiste der Verheißung, welcher ist das Pfand unsers Erbes zu unserer Erlösung, daß wir sein Erbteil würden, zu Lobe seiner Herrlichkeit. Weil aber Augen dazu erforderlich sind, diese Herrlichkeit zu sehen, so erbittet ihnen der heilige Apostel dieselben vom Vater der Herrlichkeit, um ihn selbst, um die Hoffnung ihres Berufs, um den Reichtum seines herrlichen Erbes an seinen Heiligen, und um zu erkennen, welche da sei die überschwengliche Größe seiner Kraft an uns, die wir glauben, nach der Wirkung seiner mächtigen Stärke. Die Hervorbringung dieses Glaubens schreibt der Apostel der nämlichen allmächtigen Kraft zu, die der Vater angewendet hat, da er Christum von den Toten erweckte und setzte zu seiner Rechten im Himmel. Jetzt redet er von seiner Erhöhung und setzt endlich in unserm Text hinzu. Und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeine über alles.
Wir betrachten denn:
- Das Verhältnis Christi zu der Gemeine als deren Haupt.
- 2. Das Verhältnis der Gemeine zu Christo als dessen Leib.
I.
Wir unterstehen uns, hier von einer Sache zu handeln, welche der Apostel am Schlusse des 5. Kapitels ein großes Geheimnis nennt, das er lieber bewundern und genießen als beschreiben und erklären will. Die Erfahrung der Sache selbst ist das allerbeste, und ohne dieselbe das Wissen nur aufblähender Wind, wo nicht gar irdisch, menschlich und teuflisch. Das Wissen blähet auf, aber die Liebe bessert. Wer Gott liebet, ist von ihm erkannt, sagt Paulus 1. Kor. 8,1.3. Doch sagt er auch Vers 7: Es hat aber nicht jedermann das Wissen. Zu den Galatern aber sagt er 4,9: Ihr habt Gott erkannt, ja vielmehr ihr seid von ihm erkannt.
Um uns denn das Verhältnis Christi zu der Gemeine als deren Haupt deutlicher zu machen, mag es dienlich sein, zu bemerken, daß erstlich unter Haupt im biblischen Sinne eine Hauptperson verstanden werde, ein Oberster oder Anführer in gutem oder bösem Sinne. So sagt der Mann, der Engel des Bundes, das ist der Sohn Gottes, den Josua mit einem bloßen Schwert in seiner Hand sah: Ich bin der Fürst, eigentlich das Haupt über die Heere Gottes. (5,24)
Wie das Haupt am menschlichen Körper das vornehmste Glied ist, so nennt man billig diejenige Person das Haupt eines Vereins, von welcher das Dasein, der Zusammenhang und das Gedeihen desselben abhängt, und ohne welche er nichts sein, sich auflösen würde. Nehmt selbst einer siegreichen Armee ihr Haupt, so büßt sie mit demselben den Sieg ein, den sie vielleicht schon in Händen hatte, es sei denn, daß dasselbe schnell ersetzt würde. Wendet dies auf Christum und seine Gemeinde an! Ihm verdankt sie ihr Dasein, ihren Zusammenhang, ihren Flor; nehmt ihr dies Haupt: So habt ihr sie selbst vernichtet, und selbst der großen Hälfte, die schon im Himmel ist, entfallen ihre Siegespalmen und Überwinderkronen, und sie sinkt in ihre vorige Sklaverei, in ihren vorigen Jammer und Tod. Es ist als nähmet ihr der Welt die Sonne. O jämmerlicher Fall, wenn es von Menschen, von Christen, die sonst so selig waren, heißet: Ihr habt Christum verloren, welches öfter der Fall ist, als man meint.
Es kann aber kein Haupt ohne Glieder, es kann keine Hauptperson ohne Untergeordnete sein. Beide gehören zusammen, auch in der geistlichen und seligen Beziehung, in welcher wir hier von dem unvergleichlichen Haupte reden. Eine Menge soll er zur Beute haben, und ihm Kinder geboren werden wie der Tau aus der Morgenröte. Er hat Schafe, und die muß er herführen, aus was für einem Stall sie auch sein mögen, denn freilich kommen sie alle aus einem schmutzigen Stalle. Sein Körper muß vollständig sein, und es ist unmöglich, daß einem so schönen Leibe, wie der seinige ist, will nicht sagen ein Glied oder Gelenk, sondern nur ein Härlein fehle, welches ihn ja verunstalten würde.
Die Beschaffenheit des Hauptes ist für die Untergebenen von der größten Wichtigkeit, ihre Ehre oder Schande, ihr Glück oder Unglück. Je ansehnlicher, weiser, mächtiger, gütiger es ist, desto besser sind sie beraten. Ist es gar unüberwindlich, so sind sie es auch; die ganze Gesellschaft ist ihren Widersachern um so furchtbarer, je mehr ihr Haupt es ist. Das Haupt, von dem wir stammeln, wird daher im Hohenliede unter schönen doch orientalischen Bildern gepriesen. Sein Haupt ist das feinste Gold; seine Locken sind kraus und schwarz wie ein Rabe; seine Augen wie Taubenaugen an den Wasserbächen, mit Milch gewaschen, stehen wie Diamanten in Ringen; seine Gestalt ist wie Libanon, auserwählt wie Zedern, und darum ist sie so schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie die Heeresspitzen.
Die Sache, das Recht des Hauptes ist es, zu beschließen, zu regieren, zu befehlen; die Sache der Untergebenen aber, keinen eigenen Willen, keine eigene Weisheit zu haben, ganz von der Anordnung des Hauptes abzuhangen, nichts eigenmächtig vorzunehmen, schiene es ihnen auch gut; sich zu unterwerfen, auch so sie die Anordnung nicht verstehen, dies auch nicht weiter zu begehren, als es dem Haupte gefällt, Erläuterung darüber zu geben; auf das Haupt zu vertrauen, sich leiten zu lassen, unbedingt zu gehorchen und zu folgen, wohin es führt.
Ein Oberhaupt hat neben seinen Rechten auch wichtige Verpflichtungen. Es muß für alles sorgen, nichts darf seiner Aufmerksamkeit und Vorsicht entgehen, was dazu dienst, Schaden zu verhüten oder zu erstatten, Gefahr abzuwenden, Vorteile herbeizuführen. Er muß stets über die ganze Herde wachen und sie, wie Mosi befohlen war, tragen wie eine Amme ihr Kind, und sie nirgend vernachlässigen. Es muß sie, wo es Not tut, kräftig vertreten du sein Leben eben so wohl für sie wagen, als sie für ihn. Sie aber sind berechtigt, gänzlich auf das Oberhaupt zu vertrauen und sich lediglich auf ihn zu verlassen, und da am allermeisten, wo Not, Tod und Gefahr am größten ist; berechtigt, alle Sorgen, alle Anliegen auf dasselbe zu werfen, und nichts zu sorgen. Und erkennt nicht derjenige, von dem wir reden, diese Obliegenheiten vollkommen an? Israels Hüter schläft noch schlummert ja nicht, und deine Mauern sind immerdar vor ihm. Er bewahrt dich wie seinen Augapfel. Die Haare auf deinem Haupte sind gezählet, und keines derselben wird umkommen. Wenn du durchs Wasser gehest, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht sollen ersäufen, und so du ins Feuer gehest, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht anzünden. Sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen. Berge sollen wohl weichen, und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer. Ich will heben und tragen. Wer sie ängstigt, ängstigt ihn selbst. Ich bin der gute Hirte, der nicht fleucht, wen der Wolf kommt, sondern ich lasse mein Leben für die Schafe. Alle eure Sorgen werfet auf ihn, denn er sorget für euch! Wirf dein Anliegen auf den Herrn, denn er wird dich versorgen und den Gerechten nicht ewiglich in Unruhe lassen. Setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade! Fürchte dich nicht, glaube nur! Abraham glaubte auf Hoffnung, da nichts zu hoffen war. Hiob wollt auch dann auf den Herrn hoffen, wenn es auch schiene, Gott wollte ihn töten.
An dies alles mögen wir denken, wenn Christus das Haupt genannt wird. Doch bezieht sich diese Ansicht mehr aufs allgemeine, wohin der Ausdruck unsers Textes „über alles“ deutet, und worauf die unmittelbar vorhergehenden Worte zielen: „Er hat alles unter seine Füße getan.“ Dies alles läßt kein Ding ausgenommen. Unter seiner Direktion stehen und den Winken seines Szepters gehorchen willig oder notwendig alle Dinge, und er ist derjenige, der ein Herr wäre über die Vögel des Himmels, und sollte euch nicht versorgen? Die Elemente toben und schweigen auf sein Geheiß. Die guten Engel macht er zu Winden und Feuerflammen und sendet sie zum Dienst denen, die ererben sollen die Seligkeit. Sie beten ihn alle an. Die Teufel müssen, obgleich sträubend, seinen Ratschlüssen dienen und sie samt den gottlosen Menschen wider ihren Willen und wider ihr Wissen ihm zum Preis, ihnen selbst zum Untergang, ausführen helfen. Selbst die Sünde, dies Ungeheuer, ärger wie der Teufel selbst, muß zur Verherrlichung seines Richterstuhls oder seines Gnadenthrones dienen. Durch ihn regieren die Fürsten, und wie frei die Könige sich dünken, so werden doch ihre Herzen von ihm gelenkt, und er neiget sie, wohin er will. Welch' ein Oberhaupt! Was für eine Macht, was für eine Weisheit, was für eine Kraft muß es besitzen, um alle Dinge zu tragen, um alles in allen zu wirken, alles zu regieren, um für alles zu sorgen! Welch' ein Glück, einen solchen zu seinem gnädigen Oberhaupt zu haben!
Jedoch, obschon dem Apostel diese allgemeine Ansicht auch in unserm Texte nicht fremd ist, so versteht er doch ein weit genaueres Verhältnis Christi zu der Gemeine, wenn er ihn Haupt nennt, als dasjenige ist und sein kann, was sonst das Wort Oberhaupt andeutet. Er nimmt seine vornehmste Rücksicht auf das Haupt des menschlichen Körpers, welche in der engsten Beziehung und wechselseitigen Wirkung auf einander stehen, so daß in beiden ein und dasselbe Leben ist, beide ein Ganzes ausmachen, und eins ohne das andere nichts Vollständiges, sondern etwas Verstümmeltes darbieten würde. Er betrachtet die ganze Gemeine als einen Menschen, den Christus, das Haupt gemacht hat, wie er Kap. 2 V. 15 sagt: Er hat einen neuen Menschen in ihm selber geschafft. Ein Mensch aber, so wie er sichtbar ist, besteht aus den beiden vornehmsten Teilen, dem Haupte und dem Körper oder den Gliedern, die aber zusammen gehören, und so nennt er Christum das Haupt an diesem Menschen.
Über dieses erhabene, der Vernunft verborgene, der Erfahrung merkbare und selige Verhältnis unaussprechlicher Art bemerken wir Folgendes.
Das Haupt ist das Vornehmste am menschlichen Körper. Christus ist das A, aber auch das Z, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte. Er ist das Ziel, aber auch der Weg dazu samt der Tür, die zu demselben führt, und auch derjenige, der sie öffnet. Betrachtet den Menschen ohne Haupt! Er ist scheußlich, ohne Leben, ohne Wärme, ohne Kraft, der Verwesung Raub. Betrachtet die Gemeine ohne Christum! Sie kann ohne ihn nichts; sie ist tot in Sünden, entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, unter dem Fluche, ein Raub des ewigen Todes, unfähig, auch nur etwas zu denken, was taugt, ein vom Weinstock abgelöster Rebe, der nicht nur keine Frucht bringt, sondern verdorret, ins Feuer geworfen und verbrannt wird; ohne Verstand, ohne Liebe, ohne etwas, das gilt, unnützes Salz, wert, hinausgeschüttet und zertreten zu werden.
Sehet da, ein schwaches Bild des Menschen ohne Christus. Setzet nun noch hinzu, daß er ohne Haupt nicht sein kann, und erwäget, daß der Satan, diese gräuliche Majestät, da das Haupt ist, wo Christus es nicht ist, und entsetzet euch über euch selbst, so lange und in sofern ihr ohne Christum seid!
Das Haupt ist ferner der vornehmste Sitz der Sinnen, und zwar der edelsten. Es ist geziert mit den Augen, diesen Wunderwerken Gottes, diesen Spiegeln der Seele, diesen Bildern der Weisheit, die oft anderer Gedanken erraten, diesen Quellen, denen das Wasser der Wehmut, der Liebe, des Mitleids entströmt, die Tränen, und in welchen oft unaussprechliche Empfindungen ihre Sprache finden und nicht selten die größte Beredsamkeit sind. Wie beredt waren dort die stummen Tränen, die jenes Weib über den umklammerten Füßen Jesu vergoß, ihm verstehbar, ihr selbst unaussprechlich. Ach, und haben nicht die Augen des Hauptes, vom dem wir reden, oft geweint, um uns geweint, damit es zu uns heißen konnte: Weine nicht?
Das Haupt ist verherrlicht durch das Gehör, diese wunderbare Tür der Seele, durch welche sie auf eine unbegreifliche Weise die Gedanken anderer erfährt, die der Mund verkörpert, indem er die Gedanken des Geistes in ein Kleid aus Luft webt und sie so auf eine ganz unerklärbare Weise mit der Zunge in andre Geister sendet, ein Bild der Allmacht! Und hat nicht das majestätische Haupt, von dem wir stammeln, geöffnete Ohren, um zu hören den Ruf der Elenden, den Schrei der Angst, das Seufzen der Unterdrückten, das Flehen des Betenden, den Psalm der Freude und des Lobes? Ist nicht das Haupt, das Angesicht, der Schauplatz, wo die Empfindungen der Seele sichtbar werden: Zorn und Gnade, Wohlwollen, Beifall, Freundlichkeit? Daher betet die Gemeine: Herr, erhebe über uns das Licht deines Angesichts, laß leuchten dein Antlitz, so genesen wir. Ja, wir betrachten das Haupt als den Sitz der Seele und den Quell der Lebensgeister, der sich durch den ganzen Leib ergießt. Es ist der Wohnsitz der edelsten Seelenkräfte: Der Weisheit, des Verstandes, des Gedächtnisses, und die Glieder haben, eben weil es Glieder sind, Anteil an diesen Vorzügen des Hauptes und den Genuß davon. Und sagt: Ist nicht Christus der Wohnsitz aller Gottesfülle, womit er jegliches Glied nach seinem Maße erfüllet? Haupt und Glieder sind zwar verschieden und zwar sehr verschieden. Haupt ist Haupt, und Glieder sind nie Haupt, sondern Glieder, doch sind beide Eins. Alle haben nur eine Weisheit, eine Gerechtigkeit, einen Geist, einen Glauben, eine Kraft; da ist nicht Grieche, Jude etc., sondern alles und in allen Christus (Kol. 3,11). Das Haupt regiert und führt und merkt auf das geringste Glied und wachet über dasselbe ihm zu nutz. Ich will meine Hand zu den Kleinen kehren.
Das Haupt ist Christus. Wie ist er es geworden? Nicht durch eigne Anmaßung, sondern durch den ewigen Ratschluß, Verordnung und Eidschwur seines himmlischen Vaters, und er daher das Lamm, geschlachtet von Anfang der Welt. Außer ihm kein Heil, auch kein Tropfen. Er ist's durch des Vaters Gabe, der uns seinen einigen Sohn und in demselben alles Leben und volle Genüge geschenkt und zu eigen gegeben hat. Ein Sohn ist uns gegeben. Er ist es durch freiwillige Einstimmung: Siehe hie bin ich, deinen Willen tue ich gern, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen. Das ist meine Speise, daß ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk. Er ist's durch seine Menschwerdung als der zweite Adam, durch den alle gerecht werden, wie sie durch Adam sind verloren worden; durch seine Salbung mit Bequemmachung zu seiner hohen Bestimmung, so daß ihr nun vollkommen seid in ihm und keinen Mangel habt an irgend einer Gabe, und durch ihn in allen Stücken reich gemacht seid, welcher euch auch wird festbehalten bis ans Ende, daß ihr unsträflich seid auf den Tag unsers Herrn Jesu Christi (1. Kor. 1,5).
Was für ein Haupt ist er? Ein einiges, und kann auch nur ein einiges sein. Es bedarf auch keines mehr. Es ist an ihm allein genug und überschwenglich genug. Sagt uns von nichts anderem, denn wir wollen von nichts wissen als von ihm allein. Er soll's uns allein sein, und ist's auch. Behaltet eure Weisheit, eure Kraft, euer Gutes für euch und sehet zu, wie weit ihr damit kommt. Wir können sie nicht brauchen und haben sie nicht nötig, sondern stehen in der Einfalt auf Christum. Es ist ein reiches, ja allgenugsames Haupt. Die lebendige Quelle, der es nie an Wasser gebricht; der Sitz aller Gottesfülle. Er ist ein lebendiges und lebendig machendes Haupt, und wie er durch den Vater lebt, also leben wir durch ihn.
Und wie ist er das Haupt der Gemeine? Durch Annahme ihres Fleisches, denn wir sind Fleisch von seinem Fleisch. Sie kommen alle von einem her, beide, der da heiliget, und die da geheiligt werden, darum schämet er sich nicht, sie Brüder zu heißen. Wie die Kinder Fleisch und Blut haben, ist er es gleichermaßen teilhaftig geworden, auf daß er durch den Tod die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel. Durch Übernahme ihrer Schuld, da er bezahlte, was er nicht geraubt hatte, und er, der Gerechte, litt für die Ungerechten, starb für die Gottlosen. Durch die Liebe, denn wie mein Vater mich liebet, also liebe ich euch auch. Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben lässet für seine Freunde. Durch seinen Geist, den er den Seinigen schenkt, und so selbst in ihnen wohnt und wirkt. Durch die allergenaueste und wahrhaftige Vereinigung, wie die zwischen Haupt und Gliedern nur immer sein mag, und durch Mitteilung seiner Natur, seines Lichts, seines Lebens, seines Sinnes, seiner Freude, seines Friedens. Kraft dieser Vereinigung ist er ihr Leben, ihre Gerechtigkeit; seine Stärke die ihrige, und sie sind Christi teilhaftig, sind sein Haus. Daher wird auch alles, was mit dem Haupte geschehen ist, gerechnet, als ob's mit ihnen selbst vorgegangen wäre, weshalb es uns nicht befremden darf, wenn die Schrift unserm Glauben vorhält, die Angehörigen Christi seien in ihm erwählt, mit ihm gekreuzigt, gestorben, begraben und auferwecket, ja sogar gen Himmel gefahren, wenn sie die Ausrottung der Sünde aus seinem Tode, ihre Erneuerung aber aus seiner Auferstehung herleitet und sie ermahnt, sich als solche anzusehen und zu benehmen, welche gestorben sind der Sünde, Gott leben und ins himmlische Wesen versetzt sind.
Doch wie gesagt, Paulus will dieses große Geheimnis der Gottseligkeit lieber bewundern als erklären; lieber erfahren als beschreiben. Und dies sei auch unser Sinn.
II.
Laßt uns denn jetzt noch einiges über das Verhältnis der Gemeine zu Christo bemerken.
Sie ist sein Leib, von ihm selbst bereitet, gleicher Natur mit ihm und göttlichen Geschlechts. Sie wird von ihm geliebt, versorgt und verpflegt, denn es hat noch nie jemand sein eigenes Fleisch gehasset, sondern er nährt es und pflegt seiner, gleichwie auch der Herr die Gemeine (Eh. 5,20). Von ihm, als ihrem Haupte, empfängt sie alles Gedeihen und Wachstum, in ihm ist sie weise, gerecht und stark, aus ihm entsteht ihr ganzes geistliches Leben.
Sie ist seine Fülle. Durch sie ist Christus erst vollständig. Ein Christus ohne Gemeine wäre wie ein Haupt ohne Leib; die Gemeine ohne Christus wie ein Leib ohne Haupt; beide mit einander verbunden machen einen schönen, vollkommenen, untadelhaften Menschen, von dem Gott sagt: Siehe, er ist worden als unser einer. Christus will und soll und muß daher eine Gemeine haben und hat sie wirklich. Der Teufel, die Welt und alles mag sich dagegen sträuben, wie es kann, Christus muß sie haben, zu dem Ende sendet er sein Wort, und da dasselbe für sich allein nur ein toter Buchstabe ist, so begleitet er's mit seinem kräftig wirkenden Geist, wodurch Odem und Leben in die Getöteten kommt, wodurch die Widerspenstigen untertänig gemacht, und die, so ferne waren, nahe gebracht werden. O wohl uns, daß Jesus uns haben muß und soll, daß er ein großes Volk in dieser Welt hat! Nun werden auch gläubig, wie viel ihrer zum ewigen Leben verordnet sind. Zu dieser Gemeine gehören alle, die sich nach ihm sehnen, die um seinetwillen allem absagen, die sich ihm anvertrauen und übergeben, die auf ihn hoffen und ihn lieben.
Er aber erfüllet alles in allen, macht alles in allen vollkommen. Er erfüllet alles, allen Mangel. Was sie nicht haben, hat er; was sie nicht vermögen, kann er; was ihnen schwer, ist ihm leicht; was ihnen unmöglich ist, stellt er in Wirklichkeit dar; was sie nicht wissen, versteht er. Sind sie schwach, er heißt Kraft, ratlos, er heißt Rat, verdammlich, er heißt unsre Gerechtigkeit, Finsternis, er heißt Licht; sind sie unrein, er ist ihre Heiligung, in unzähligen Versuchungen und Gefahren, er ist unsere Erlösung, in Angst und Gedränge, er ist unser Friede. Er erfüllet alles, alle Seelenkräfte, den Verstand mit Weisheit, daß Gedächtnis mit seinen Verheißungen, das Urteil mit seiner Wahrheit, den Willen mit seiner Liebe, das Gewissen mit seiner Ruhe, das ganze Wesen mit seiner Gottheit, wesentlich, wahrhaftig, erkennbar, fühlbar. Er erfüllet alles, jedoch staffelweis, denn des Gerechten Pfad glänzet wie ein Licht, das da fortgeht und leuchtet bis auf den vollen Tag. Erst das Gras, dann die Ähren, darnach der volle Weizen in den Ähren. Erst ein Kind, dann Jüngling, dann Mann. Er tuts nach seiner Weisheit, je nachdem er will, und niemand kann etwas nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel. Er erfüllet, macht vollkommen. Er läßt nichts halb, sondern führt's auch glücklich und ganz zum Ziele. Jetzt ist nicht nur unser Willen und Weissagen Stückwerk, sondern auch alles übrige. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich es stückweise, dann aber werde ich es erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Er erfüllet alles in allen Gliedern, keins ausgenommen. Mag ein Glied auch noch so gering sein und von sich selbst und andern kaum für ein Glied angesehen werden, so kennet doch der Herr die Seinen, und schmückt sogar die Glieder, die ihm am übelsten anstehen, am meisten. Alle haben die Zusicherung: Ich will euch nicht verlassen noch versäumen. Getreu ist, der euch ruft, der, der wird's auch tun. Er, er erfüllt es, und nicht wir selbst, wie er uns gemacht hat, und nicht wir selbst, zu seinem Volk und zu Schafen seiner Weide. (Ps. 100,3)
Welches sind denn die Obliegenheiten, das diesem Verhältnis angemessene Verhalten der Gemeine des Leibes Christi? Viel ließe sich davon sagen. Der Apostel sagt davon hier nichts und ist nur beschäftigt, die Augen der Epheser lediglich auf Christum und seine unanfängliche Gnade zu lenken, wie Moses die Augen der Gebissenen auf die erhöhte Schlange, um so zu genesen, und im folgenden Kapitel schildert er das große Elend, worin wir stecken, um den Blick noch unverwandter zu heften. Hierher gehört aber alles, was Christus gebeut, vom Absagen alles dessen, was jemand hat, von der Verlierung seines eigenen Lebens, von der Verleugnung seiner selbst, von dem Bleiben in ihm, weil wir ohne ihn nichts tun. können; insbesondere aber gehört das Verhalten hierher, was uns nur der Heilige Geist lehren kann, das der Apostel in den Worten andeutet, wo er sagt: Lasset uns aber rechtschaffen sein in der Liebe, und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus (Kap. 4,15). Das Verhalten, was demjenigen entgegengesetzt ist, welches der Apostel Kol. 2,18.19 tadelt, wo er sagt: Lasset euch niemand das Ziel verrücken, der in eigener Wahl einhergeht in Demut und Geistlichkeit der Engel, des er nie keins gesehen hat, und ist ohne Sache aufgeblasen in seinem fleischlichen Sinn; und hält sich nicht an dem Haupt, aus welchem der ganze Leib durch Gelenke und Fugen Handreichung empfängt und an einander sich enthält, und also wächset zur göttlichen Größe.
So sehet denn nun zu, wer euer Haupt, und ob Christus es sei. Ihr findet im 2. Vers des folgenden Kapitels ein anderes Haupt benannt, nämlich den Fürsten dieser Welt, der sein Werk in uns hat, so lange wir Kinder des Unglaubens sind, wo wir auch Kinder des Zorns sind. Erschreckliches Haupt, unter welchem wir nach dem 3. Vers bis zu unserer Wiedergeburt unsern Wandel gehabt haben in den Lüsten des Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft. Er kann sich aber auch verstellen in einen Engel des Lichts. Seid ihr davon errettet? Oder wenn ihr nicht Mut habt, dies zu sagen: Begehrt ihr's von ganzem Herzen? O wir haben alle erdenkliche Ursache, dies aus aller Kraft zu begehren und aufs allerernstlichste zu suchen. Die ganze Welt gilt nichts dagegen. Suchet, suchet dies, bis ihr's findet. Muß Christus eine Gemeine, wir müssen, wir müssen ihn zum Haupte haben, sonst können wir nicht leben, wir wollen ihn, es gehe auch wie es kann.
Ihr Heilsbegierigen, laßt euch denn das Ziel nicht verrücken! Haltet euch an dem Haupte, das alles in allen erfüllet! Verliert je länger je mehr alles eigne Leben, damit Christus euer Leben, in euch offenbar werde! Werdet ihm je länger je untertäniger, wie der Leib dem Haupte!
Ich schließe mit Pauli Worten Phil. 4,19: Mein Gott aber erfülle alle unsere Notdurft, nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit in Christo Jesu! Dem Gott aber und unserm Vater sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.