Krummacher, Friedrich Wilhelm - Der ungerechte Haushalter.

Krummacher, Friedrich Wilhelm - Der ungerechte Haushalter.

Predigt über Lucas 16,1-12.

gehalten den 17. August 1851.

Lucas 16,1-12.
Er sprach aber auch zu seinen Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Haushalter; der ward vor ihm berüchtiget, als hätte er ihm seine Güter umgebracht. Und er forderte ihn, und sprach zu ihm: Wie höre ich das von dir? Thue Rechnung von deinem Haushalten; denn du kannst hinfort nicht mehr Haushalter sein. Der Haushalter sprach bei sich selbst: Was soll ich thun? Mein Herr nimmt das Amt von mir; graben mag ich nicht, so schäme ich mich zu betteln. Ich weiß wohl, was ich thun will, wenn ich nun von dem Amt gesetzt werde, daß sie mich in ihre Häuser nehmen. Und er rief zu sich alle Schuldner seines Herrn, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Er sprach: Hundert Tonnen Oel. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Brief, setze dich, und schreibe flugs fünfzig. Darnach sprach er zu dem andern: Du aber, wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Malter Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Brief, und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungerechten Haushalter, daß er klüglich gethan hätte. Denn die Kinder dieser Welt sind klüger, denn die Kinder des Lichts, in ihrem Geschlecht. Und Ich sage euch auch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten. Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten unrecht ist, der ist auch im Großen unrecht. so ihr nun in dem ungerechten Mammon nicht treu seid, wer will euch das Wahrhaftige vertrauen? Und so ihr in dem Fremden nicht treu seid, wer will euch geben dasjenige, das euer ist

Es ist euch bekannt, Geliebte, daß man das eben verlesene Gleichniß sammt der ihm angehängten Mahnung den schwierigsten und räthselhaftesten Schriftstücken beizuzählen pflegt. Ob mit Grund? Ich möchte es bezweifeln, und vielmehr dafür halten, daß man sich durch einige mißverstandenen Ausdrücke verleiten ließ, das, wer weiß, wie ferne, zu suchen, was ganz nahe vor der Hand liegt. Treten wir noch einmal beherzt, nur mit möglichst einfältigem Auge, an das dem Ansehen nach allerdings sehr geheimnißvolle Evangelium heran, und verweilen mit unsrer deutenden Betrachtung zuerst bei den Zügen des Gleichnisses selbst; und sodann bei der Anwendung, die wir den Herrn davon machen hören.

Er selbst aber, der Herr, leite uns auch hier in alle Wahrheit, und kröne unser Reden und Hören mit seinem Segen.

1.

Wir begegnen dem Herrn heute inmitten einer großen und sehr gemischten Versammlung. Neben seinen Jüngern bemerken wir zunächst einen Kreis zudringlicher Priester, Pharisäer und Schriftgelehrten, und sodann in einiger Entfernung einen Haufen heilsbegieriger Zöllner, die, mehr, als irgend eine andere Klasse des Volks, schon weil sie im Dienste der Römer, dieser verhaßten Heiden standen, vor Allem aber wegen der ihnen, allerdings nicht immer ohne Grund, zur Last gelegten Betrügereien und Unterschlagungen öffentlicher Gelder der Verachtung der Menge preisgegeben waren. Eine je wegwerfendere Behandlung sie aber von Seiten der Juden zu erdulden hatten, um so stärker fühlten sie sich durch die Leutseligkeit und Milde des göttlichen Sünderfreundes angezogen. Nicht wenige unter ihnen trugen auch in der That schon an dem stillen Unglück ihres erwachten Schuldbewußtseins unendlich schwerer noch, als an der Schmach und Schande, womit die öffentliche Meinung sie überhäufte; und so war es hier etwas Anderes und Tieferes noch, was das Herz zu Jesu hinzog, als die rein menschliche Holdseligkeit und Herablassung des Schönsten der Menschenkinder. Erst eben noch hat der Heiland jene gedrückten und zurückgesetzten Leute in seinen drei Gleichnissen von dem verlorenen und wiedergefundenen Schaf, Groschen und Sohn gegen die verächtlich die Nase über sie rümpfenden Pharisäer in Schutz genommen; und nun läßt er in gleicher, eben so huldreicher als weiser Absicht das Gleichniß folgen, mit dessen Deutung wir uns heute zu befassen haben. Er richtet seine Rede zwar an die Jünger; doch sind es die Pharisäer und die Zöllner, denen dasselbe vorzugsweise gilt. Versetzen wir uns im Geiste auf deren Standpunkt, und hören wir, soviel als möglich, mit ihren Ohren: und das Verständniß der bedeutsamen Parabel wird uns gar sehr erleichtert werden.

“Ein reicher Mann hatte einen Haushalter“, d.i. einen Verwalter. So beginnt unsre Gleichnißrede. Schon dieser ihr erster Zug ist sehr bedeutsam. Es wird uns darin die Stellung angedeutet, die wir hinieden Alle zu Gott dem Herrn einnehmen, so wie der Gesichtspunkt bezeichnet, aus welchem wir, was wir irgend sind und haben, anschauen und würdigen sollen. Wir besitzen nichts Eignes. Was wir unser nennen, ist, das Große wie das Kleine, Gottes Geschenk und Darlehn. Ein anvertrautes Gut ist’s, mit dem wir nach seinem Willen und seiner Weisung wuchern sollen, und für dessen Verwaltung und Verwendung wir Ihm, der einst Rechnungsklage von uns fordern wird, verantwortlich sind. Ich sage “wir“, und umfasse mit diesem Wort uns sammt und sonders. Auch du, mein allerärmster Bruder, darfst nicht wähnen, auf dich leide, was von einem Haushalterverhältniß hier geschrieben stehe, keine Beziehung. Wie dürftig du bist, du bist doch immer unsres Gleichen einer, ein unsterblicher, zu hohem Beruf geschaffener, für die Ewigkeit bestimmter Mensch, der sein Leben hat, und seinen Verstand, und die ihm zugemessene Gnadenfrist, und mancherlei Befähigung und Kraft, und Gottes Wort und seine Gnadenmittel obendrein. Sieh, anvertrautes Vermögen und Gut die Fülle! Fern bleibe darum von dir der Wahn, als ruhe auf die weniger Haushalterberuf und Haushalterverantwortlichkeit, als auf Andern. Nur Treue, lieber Bruder, Treue, und auch das scheinbar geringe Erbe, welches dir zugemessen ward, wird dir die reichsten und die schönsten Zinsen tragen! –

Von dem Haushalter unsrer Parabel vernehmen wir nun zuvörderst sehr üble Dinge. “Er ward vor seinem Herrn berüchtigt“, heißt es, “daß er ihm seine Güter durchbringe.“ Entsetzlich dies! – Wer ist dieser treulose und strafbare Verwalter? Sucht ihn nicht zu weit, lieben Freunde. Wisse, du selber bist der Mann, der du deine Zeit, deine Kräfte und deine Gaben entweder in unverantwortlicher Trägheit verkommen lässest, oder sie lediglich im Dienste eines fleischlichen Egoismus verzehrest. Du, du, der du was du bist und hast statt der Verherrlichung Gottes, und deinem und deiner Brüder wahrem Heil, nur den nichtigen Dingen dieser Welt und deinem weltlichen Behagen weihest. Ja du, dessen ganzes Thun und Sinnen, Unternehmen und Bemühen im irdischen Broderwerb, oder in der Jagd nach eitler Ehre, oder im Haschen nach den armen und betrüglichen Freuden dieses Aeons aufgeht. Du Kind des Materialismus, Verstrickter du in den Netzen der Eitelkeiten, leichtfertiger Freund des sogenannten Zeitvertreibs, und du, darauf allein versessen, Ergötzlichkeit zu bieten und zu nehmen: ihr alle, wenn auch mit gröberen Sünden nicht befleckt, ja wenn selbst tugendlich, und ehrsam, und wohlgelitten, aber nichtsdestoweniger aller Verkennung und Geringschätzung eueres höhern Berufes voll, und voll von Gleichgültigkeit gegen alles das, was aus den Schätzen des göttlichen Wortes und der göttlichen Gnade zu eurer ewigen Erlösung und Beseligung euch geboten wird: - ihr seid es, deren Bild aus jenem Haushalter mich anschaut, welcher „übel berüchtigt ward vor seinem Herrn, daß er ihm seine Güter durchbringe.“ Und verkennt es nicht, in dem Schicksale jenes Mannes malt sich dasjenige, das auch euch in naher Zukunft betreffen wird, vorausgesetzt, daß ihr nicht in euch geht und euer thun und Wesen ändert. O schaut, der Himmel, der ihm bisher so freundlich lachte, beginnt sich plötzlich über ihm zu trüben. Die Luft, in der er athmet, wird schwer und schwül. Dumpfe Donner grollen über seinem Haupte; und mit dem Scherzen und dem Tändeln hat’s ein Ende. Sein Herr hat ein Wort mit ihm zu reden; aber der ernste, richterliche, vor die Schranken fordernde Ton, in dem er sich vernehmen läßt, bedeutet ihm nicht eben etwas Gutes. „Herzu jetzt!“ heißt’s zu ihm; „Wie höre ich das von dir? Thue Rechnung von deinem Haushalt; denn du kannst hinfort nicht mehr Haushalter sein!“ – Furchtbare Botschaft! Was sagt der Herr zu seinem Verwalter, als: ich breche meine Verbindung mit dir ab; ich vertraue deinen Händen nichts mehr an; ich entlasse dich aus meinen Diensten, ja, ich weise dich weg aus meines Reiches Grenzen! – Brüder, die Verdammniß liegt in diesen Worten; die Hölle wirft ihren Flammenschein durch sie hindurch. Wie mochte den Umstehenden, namentlich den Pharisäern, aber nicht minder auch den Zöllnern, und vor Allen dem verlorenen Kinde, Judas Ischarioth, bei diesem Mark und Bein erschütternden Zuge unsrer Parabel zu Sinne werden! Wie, daß ihre Füße sie noch getragen haben! Aber haben wir weniger Ursache zu erschrecken diesem Ausspruche dessen gegenüber, der mit sicherm Blicke Zeit und Ewigkeit durchmißt? Wissen wir mit völliger Bestimmtheit, daß nicht vor Abend noch die Stunde schlagen wird, da auch an uns die göttliche Vorladung ergeht, und dann das “Thue Rechnung von deinem Haushalten!“ auch zu unserm Ohre dringt? Und vorausgesetzt, es geschähe so, was dann, Geliebte? Werden wir von dem Auge, das Herz und Nieren prüft, als treue Verwalter der uns anvertrauten Güter erfunden werden? Ich gestehe euch: mir schneidet diese Frage durch Mark und Bein. Geschieht euch etwa anders, lieben Brüder? – Nicht wahr, auch euch erbebt das Herz? – Erbarme sich unser Aller Gott der Herr! – Doch, er ist in der Tat geneigt, sich zu erbarmen, wo anders wir uns nur geneigt erfinden lassen, die Straße einzuschlagen, die uns der Fürst des Lebens im weitern Verfolge unsrer Gleichnißrede auf’s allerfreundlichste bezeichnen will.

Der ungerechte Haushalter ist noch nicht entlassen, sondern die unheilsvolle Entsetzung unter stillschweigenden Bedingungen ihm nur erst angekündigt. Er hat die Güter seines Herrn noch in Händen; ja, es wird ihm noch Zeit gelassen, sich zu besinnen. Und er besinnt sich. Zuerst sehen wir ihn auf die Anklage seines Herrn verstummen. Er thut wohl daran. Widerrede und Selbstrechtfertigung würden ihm unvermeidlich dem Verderben überliefern. Dem Richter in der Höhe und seinem Gesetze Recht geben in ihrem verdammenden Urtheil über uns ist der Anfang des Wendepunkts zur Rettung, und der erste sichere Schritt zu allem Heil. Hiermit beginnt bereits die Klugheit der Gerechten. „So wir uns selber richten“, sagt Gottes Wort, „so werden wir nicht gerichtet.“ – Der Haushalter, in Nachdenken sich versenkend, geht still mit sich zu Rathe, wie er aus seinem Schiffbruch noch heil entrinnen möge. Wir vernehmen sein Selbstgespräch. “Was soll ich thun?“ hören wir ihn sagen. “Mein Herr nimmt das Amt von mir. Graben kann ich nicht; so schäme ich mich zu betteln.“ Der letztere Zug gehört unleugbar nur zur Vervollständigung des parabolischen Gemäldes. Es prägt sich darin der Sinn des Weltmanns aus, der zu grober Handarbeit, als daran von Kindesbeinen nicht gewöhnt, sich nicht verstehen kann, und zum Betteln sich zu hoch und vornehm dünkt. Will man aber, daß auch den letzten Worten des Verwalters eine geistliche Bedeutung zum Grunde liege, so ist es sicher falsch, dieselbe, wie Etliche gethan, dahin auszulegen: „Ich werde weder arbeiten, noch flehen und beten.“ Solche Deutung liefe schnurstracks der ganzen Absicht unsres Gleichnisses zuwider; indem uns in demselben ja der Haushalter in seinem Verfahren nicht als Warnungszeichen, sondern vielmehr, - versteht sich, nur der Form seines Verhaltens nach, - als Vorbild aufgestellt werden soll. Hat indeß das „Graben kann ich nicht, so schäme ich mich zu betteln“, in der That auch geistlichen Sinn, so kann es nur dieser sein: „Es gibt einen Weg, auf welchem Rettung und Seligkeit zu finden sind, ohne daß Einem einerseits sinaitisch die Erfüllung des Gesetzes als die unerläßliche Bedingung der Annahme bei Gott auf den Nacken gebürdet wird; und ohne daß man sich andrerseits damit begnügen lassen muß, statt in den ehrenvollen Stand eines Kindes und Hausgenossen Gottes, in die schmähliche und niederdrückende Stellung eines zwar großmüthig von der verdienten Strafe losgesprochenen und begnadigten, aber doch nach wie vor aus vornehmer Höhe herunter angesehenen und mit Geringschätzung behandelten Bettlers und Delinquenten sich verwiesen zu sehn.

Unser schwer bedrängter Haushalter hat endlich den ersehnten Ausweg entdeckt. “Ich weiß, was ich thun will“, hören wir den, wie es scheint, selber durch den glücklichen Einfall, der ihm geworden, auf’s freudigste Ueberraschten ausrufen, “wenn ich nun von meinem Amt gesetzt werde, daß sie mich in ihre Häuser nehmen;“ und ohne irgend jemandem vorher seinen Plan zu verrathen, schreitet er sofort zur Ausführung desselben. Er läßt die Schuldner seines Herrn vor sich laden, und spricht, in umgekehrter Weise, wie sein Herr zu ihm, zu dem erstern: „Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?“ – „Hundert Tonnen Oels“, lautet die Antwort. – „Nimm deinen Brief“, spricht der Verwalter, „setze dich und schreibe flugs fünfzig!“ – Demnächst zu dem zweiten: „Du aber, wie viel schuldest du meinem Herrn?“ – Antwort: „Hundert Malter Weizen!“ – Der Haushalter: „Nimm deinen Brief und schreibe achtzig!“ – Und so fährt er fort, bis er durch die ganze Schuldnerreihe durch ist. Einem jeden wird abgerechnet und erlassen, je nachdem vorausgesetzt werden darf, daß es ihm wünschenswerth erscheinen möge. – „Aber damit lud der Mann ja wieder eine neue Ungerechtigkeit auf sich?“ – Freilich ja; aber wir haben’s in ihm ja auch nur mit einem Weltkinde zu thun. Vernehmt jetzt das Urtheil des Gutsherrn über seines Untergebenen That. Er “lobt“ den ungerechten Haushalter. „Wie, er lobt ihn, und heißt solche lug- und trugvolle Selbsthülfe gut?“ Er kann nicht anders, sondern muß anerkennen, daß der Verwalter es klug gemacht habe. Und hatte er es nicht in der That, da er in solcher Weise die Schuldner sich zu Dank verpflichtete und für den in Aussicht stehenden Nothfall sich eine gastliche Aufnahme in ihren Häusern sicherte? Freilich ist es eben nur die Klugheit, oder das Formelle der That, was der Gutsherr lobend anerkennt, während er das Materielle oder den Inhalt derselben natürlich nicht anders, denn als eine schnöde Betrügerei verdammen kann. Was ist Klugheit, als geschickte Benutzung aller gegebenen Verhältnisse und Mittel zur Erreichung eines gewollten Zwecks. Die Weisheit theilt mit der Klugheit die Kunst und das Geschick, nur, daß ihre Mittel immer heilig sind, wie ihre Zwecke.

2.

Das Gleichniß des Herrn habt ihr gehört. Mit dem Urtheil des Gutsherrn über seinen Verwalter schließt es ab. Jetzt vernehmen wir die Anwendung, welche der Herr Jesus seiner Parabel folgen läßt. Er beginnt mit der allgemeinen Bemerkung, daß “die Kinder dieser Welt klüger seien, als die Kinder des Lichts in ihrem Geschlecht.“ Das “in ihrem Geschlecht“ bezieht sich sowohl auf jene, als auf diese, und heißt allerdings zuerst: “in ihrer Art.“ Der Herr deutet an, daß hier dem Geiste nach von zweierlei Stamm und Volk die Rede sei: dem aus Gott geborenen und dem unverneuten, das nur „Fleisch vom Fleische ist;“ dem Geschlechte des ersten, und demjenigen des andern Adams. Es bezeichnet aber jener Ausdruck auch so viel, als: “für den Bereich, in dem sie sich bewegen;“ oder: “für ihre Lebenssphäre.“ Diese ist eine sehr verschiedene. Der Einen „Wandel ist im Himmel“; der Andern Gesichts- und Strebekreis reicht über die Grenzen des Sichtbaren nicht hinaus. Die „Kinder dieser Welt“ sind diejenigen, welche auf zeitliches Durchkommen und Wohlergehn ihr ganzes Sinnen und Sorgen beschränkt sein lassen. Die „Kinder des Lichtes“ wurden, erleuchtet durch den Geist des lebendigen Gottes, ihres höhern Berufes sich bewußt, und die erste Sorge ihres Herzens gehet dahin, wie sie vor Gott bestehn und selig werden mögen. Freilich sind genau erwogen auch die Klügsten unter jenen kurzsichtiger und dümmer, als die Einfältigsten unter diesen: denn letztere wissen, was zu ihrem Heil und Frieden dient, während die ersten blind und toll in ihr Verderben rennen. Nichtsdestoweniger aber werden die Kinder des Lichts in ihrer Lauheit, Trägheit und Saumseligkeit für ihre höhern Zwecke, tausendmal durch das Geschick, den Ernst und den Eifer übertroffen und beschämt, womit die Weltkinder ihre elenden Erdenziele verfolgen und in der Regel auch erreichen. Darum Nachahmung dieser nicht in der Ungerechtigkeit, aber in der Klugheit! Ihre Weltklugheit werde, geheiligt und verkläret zur “Klugheit der Gerechten“, auch das Eigenthum der Lichteskinder!

Aber, in was soll diese Klugheit sich erweisen? Von Unzähligem bezeichnet der Herr Eins ausdrücklich, worin sie es soll. “Und ich sage euch auch“, beginnt er, und will damit sagen: „Ich werde nun, wie der Gutsherr in meinem Gleichniß, ebenfalls eine Klugheit loben und euch anempfehlen;“ und fährt dann fort: “Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbet, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“ Da stehen wir denn vor dem großen Räthselspruch, der den Schriftauslegern des Kopfbrechens schon so viel verursacht hat. Ja, es gibt Solche, die gegenwärtig noch an der Entzifferung desselben gar verzweifeln wollen. Der Deutungen, die man beigebracht hat, ist eine große Menge. Eine unter ihnen ist vor andern sinnreich und entsprechend. Ich kann mir nicht enthalten, sie euch mitzutheilen.

Der Haushalter in unserm Gleichniß repräsentirt die Pharisäer und Schriftgelehrten. Der denselben von ihrem Oberherrn im Himmel anvertraute Schatz ist: Gottes Wort. Sie sind nicht treu mit diesem Kleinod umgegangen, sondern haben das überwiesene Gut verschleudert und umkommen lassen, indem sie nur ihre rabbinischen Satzungen, oder höchstens die mosaischen Gebote verkündeten. Sie sollen aufhören, den bedrückten und beladenen Sündern unerträgliche sinaitische Joche aufzubürden, die sie selbst mit keinem Finger anrühren, und sollen ihnen, im geistlichen Gegenbilde des Verfahrens, welches der Schuld erlassende Haushalter einschlug, auch die Leutseligkeit Jehovahs in Mittheilung des tröstlicheren Theils seines heiligen Wortes kund werden lassen. Mit freundlichen Lippen sollen sie ihnen neben den zehn Geboten und denselben angehängten Flüchen, auch die Verheißungen der heiligen Propheten predigen, welche den bekümmerten Herzen Erlösung und Erlassung ihrer Sündenschuld in Aussicht stellen. Sie würden ihren Hörern in solcher Weise vermittelst ihres Amtes Wegweiser und Führer zu Jesu, dem nunmehr erschienen und einzigen Seligmacher, werden. Von der Höhe ihrer Priester- und Hierarchenherrlichkeit müßten sie, die Männer auf Mosis Stuhl, nun bald herunter, indem das bereits angebrochene neue Reich eine ganz andere Ordnung der Dinge mit sich führe. Wenn aber ihre Würden erbleichen, und sie ihrer Aemter und Stellen entsetzt, ja endlich gar beim Herannahen ihres Lebensendes klärlich inne werden würden, daß das Gesetz in dem Augenblicke, da Noth an Mann gehe, auch sie selbst zu trösten und aufzurichten nicht vermögend sei, so würden dann die, vielleicht ohne ihr Wissen und Wollen, durch ihre Predigten zu Jesu geleiteten armen Sünder an sie herantreten, und zu ihnen, den nun selber geistig Darbenden, etwa also sprechen: „Kommt mit uns; wir wohnen in geistlichen Friedenshütten; bei uns ist’s gut sein; eilt, euch uns zuzugesellen. Dankbar für die Dienste, die ihr uns geleistet, zeigen wir euch jetzt sprudelnde Quellen, die euern Herzensdurst auf ewig stillen. Kommt, wir geleiten euch zu dem Helfer aus aller Noth, und verkündigen euch das Evangelium des Friedens!“ - - Ihr seht, eine Erklärung, der sich das Liebliche nicht abzusprechen ist. Auch ich habe eine Zeitlang ihr beipflichten zu müssen gemeint; aber bei näherer Erwägung erschien sie mir doch unhaltbar. Und dies vornehmlich aus zwei Gründen: einmal, weil das Wort Mammon nimmermehr den geistlichen Schatz des göttlichen Worts, sondern nur irdische Habe, Geld und Gut, bezeichnen kann; und sodann, weil die unmittelbar folgenden Worte des Herrn: „Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ich auch im Großen ungerecht. So ihr nun in dem ungerechten Mammon nicht treu seid, wer will euch das Wahrhaftige vertrauen? Und so ihr in dem Fremden nicht treu seid, wer will euch geben das Eure?“ - - ich sage, weil diese Worte mit jener Erklärung schlechterdings nicht in Einklang zu bringen wären. Denn es würde ja alsdann in diesem Ausspruche des Herrn dem Worte Gottes das ihm allein zustehende Prädikat des Wahrhaftigen geradezu entzogen, und die Offenbarung Gottes, welche doch das Unsre, d.h. das dem unsterblichen Wesen des Menschen eignende ist, als das Fremde dargestellt.

Es muß demnach der Sinn unsrer Parabel ein andrer, und gewiß ein näher liegender sein; und er ist es in der That. Des Herrn Absicht geht zunächst nur einfach dahin, neben den Pharisäern und Zöllnern auch uns zu eröffnen, wie Gott das uns verliehene irdische Besitzthum von uns als seinen Haushaltern verwaltet sehn wolle, und was das Edelste, Köstlichste und Beste sei, das wir mit demselben hieniden beginnen und erzielen könnten. Er bezeichnet die irdische Habe, des Götzendienstes halber, der in der Welt mit ihr getrieben wird, geradezu mit dem Namen des phönizischen Idoles: Mammon. Den “Mammon der Ungerechtigkeit“, oder “Unwahrheit“, nennt er unser Geld und Gut sowohl um der vielen Sünde willen, die daran klebt, und namentlich in den Händen der Pharisäer und allerdings auch der Zöllner daran haftete, als auch, und dies vornehmlich, um des Gegensatzes willen, in welchem es zu den wahrhaftigen Gütern, auf welche er im elften Verse hinweist, als ein Unwahres, als ein Scheingut sich befinde, welches, statt den Menschen wirklich reich zu machen und zu beglücken, nur die Schmerzen bitterster Täuschung ihm bereite. Wenn er uns nun zuruft: „“Mit“ – oder vielmehr, wie der Buchstabe des Grundtextes besagt, „aus dem nichtigen Mammon heraus machet euch Freunde“, so ist sein Gedanke dieser: die Liebe löse zuerst euch innerlich von dem Mammon, und lehre euch mit ihm, als mit einem göttlichen Darlehn, so weit ihr reichen könnt, Barmherzigkeit und Milde üben. Erzeigt euch als die Vertreter der hülfreichen Freundlichkeit eures Gottes, und bethätigt euch in solcher Weise als die Verherrlicher seines Namens. Ein schöner Gnadenlohn bleibt euch alsdann nicht aus. Ihr erwerbt euch Freunde, ihr erobert Herzen. Die Geringen, unter denen ihr als stille, hülfreiche Engel waltet, in Kurzem fühlbar, und wird ihnen zum Leitstern, der allmählig auch sie euerm Herrn und Gott gewinnt und zuführt; oder sie, deren Thränen ihr trocknetet, gehören schon dem Herrn an; - denn den Armen wird das Evangelium gepredigt; - und nun erquicket ihr sie doppelt, indem ihr sie in dem tröstlichen Bewußtsein stärkt, daß sie mit ihrem Glauben nicht allein auf Erden stehn. So bildet sich eine holde Gemeinschaft um euch her. Ein Gefolge innig ergebener, segnender, fürbittender Herzen begleitet euch auf Flügeln dankbarer Gegenliebe. Und „wenn ihr einst darbet“, oder buchstäblicher nach dem Grundtext: „Wenn auch ihr einst (im Tode nämlich, von euerm irdischen Haushalterposten) in Gnaden“ entlassen werdet, dann seht ihr euch nicht vereinsamt. Viele, die vor euch heimgegangen, jubeln euch als alten, herzlichst Verbundenen froh entgegen, und empfangen euch, „nehmen euch auf“, (freilich nicht als Pförtner oder Mittler gar; Mittler und Pförtner ist nur Einer;) in die „ewigen“, d.i. paradisischen „Hütten“.

Seht, so hat der Herr an einem Beispiele gezeigt, was es heiße, als ein kluger und treuer Haushalter göttlich anvertrautes Gut verwalten, und wie durch eine solche gottgefällige und gottgeweihte Verwaltung selbst das Gemeinste, wie der Mammon, verklärt, und selbst das Geringfügigste und Unedelste zu reichstem Gewinne rentbar gemacht werden könne. Die elende Silberscherbe, im Dienste des Herrn treu verwendet, knüpft zarte und selige Herzensbande; die erbärmliche Münze, nur für das Diesseits brauchbar, stärkt und belebt die Gemeinschaft der Heiligen.

Der Herr schließt mit einigen allgemeinen Lehrsprüchen. “Wer im Geringsten treu ist“, beginnt er, “der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist auch im Großen ungerecht.“ Nichts ist gegründeter, als das. Die Treue ist ja nur die ächte Liebe in ihrer naturgemäßen Lebensentfaltung und durchhaltenden Krafterweisung; und so geht’s denn nur darum, daß jene Liebe, die Liebe Gottes, wirklich in uns wohne, und wir in Wahrheit, mit lebendigem Haushalterbewußtsein und dem aus dem Dankgefühle entspringenden Drange, nur Ihm zu leben und zu dienen, vor Seinem Angesichte wandeln: so wird’s nicht fehlen, daß wir im Großen nicht allein, wo es z.B. gilt, das Höchste für Ihn zu wagen, sondern eben sowohl im Kleinsten, wo Er etwa nur Hungernde oder Nackte uns vorführt, daß wir in denselben Ihn speisen oder kleiden sollen, Ihm freudigst zu Willen sind. Unsre Wonne ist’s alsdann, Seinen Winken nachzukommen, und die Tage erachten wir für unsre schönsten, an denen uns dazu der reichste Anlaß gegeben ward. Wo aber jene inn’re Grundbedingung fehlt, da wird man auch, bei allem Schein der Treue, treulos sein wie im Kleinen, so im Großen; und wo Einer im Großen treu erschiene, und „im Geringen ungerecht“, da fehlte es sicher an jener Grundbedingung, und die “Treue im Großen“ wird bei näherer Beleuchtung unausbleiblich als leerer Schein, d.h. statt als eine Frucht der Liebe zum Herrn, nur als ein Ausfluß der Eigenliebe, des Ehrgeizes, oder welches unreinen Affectes sonst, erfunden werden. Die Liebe zu Gott wird aber erst in uns lebendig, nachdem Er selbst mit treuer Liebe uns zuvorkam, und uns recht traut und freundlich nahe trat. Wenn im großen Erlösungswerke Sein Herz sich uns erschloß, und wir verstehen lernten, was das ist: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er seinen eingebornen Sohn dahingab;“ wenn Er in Christo mit Seinem Gnadengruße sich uns zuneigte, und uns hoffnungslosen Sündern plötzlich die Kleinodien der Vergebung, der Rechtfertigung und der göttlichen Kindschaft in den Schooß wirft: dann ist dem heiligen Geist Raum geschafft, die Liebe in unsre Herzen auszugießen, die nicht anders kann, als treu zu sein, und gleich mit der zartesten Gewissenhaftigkeit als mit einem Bestandtheil ihres eigensten Wesens geboren wird. Der Heilige Geist schafft nur ganze Leute, Leute aus einem Gruß und Korne, die, was sie an dem einen Orte, auch an dem andern sind, und von einem Unterschied zwischen Schuld und Schuld nicht wissend, hier, wie da, und dort, wie hier vor Gottes Augen wandeln, und das Kleinste, wo Gott gebeut, dem Größten gleich achten; ja im Kleinen es mit dem Thun des göttlichen Willens um so genauer nehmen, je tiefer sie der Gedanke rührt, daß der große Gott herablassend genug sei, um auch in den engen Kreisen ihrer unscheinbarsten Lebensthätigkeiten Seines Aufmerkens sie zu würdigen, und je weniger sei ihre Herzensdemuth auf den Einfall gerathen läßt, zur Leistung von irgend etwas Großem berufen zu sein.

Leicht begreiflich ist es, daß denen, die in dem “ungerechten“ d.i. unwahren und nichtigen “Mammon nicht treu“ sind, auch “das Wahrhaftige“, der höhere und geistliche Schatz nicht anvertraut, und die “in dem Fremden“ d.h. in dem, was sie nur vorübergehend gebrauchen und verwalten sollen, und was an sich mit ihrer eigentlichen Bestimmung gar nichts gemein hat, auch “das Ihre“, d.i. das ihrer wahren Natur Entsprechende und Zugehörige, oder das ihnen als für die Ewigkeit geschaffenen Wesen von Anfang her göttlich zuerkannte Höhere “nicht gegeben“ werden könne. – Unverkennbar redet der Herr hier im Blick auf die Schriftgelehrten, die ihn umstehen, zunächst von dem höhern Gut, sofern dasselbe zu amtlicher Verwaltung überwiesen wird; und seine Meinung ist: wer im Zeitlichen und Irdischen sich gewissenlos und untreu erfinden lasse, erweise sich schon hierdurch als untauglich zum geistlichen Haushalteramte, dessen er ebenfalls nicht als in Gott und vor Gott warten, und welches er nur dem Argwohn und der Verlästerung preisgeben werde. Wie mancher Prediger bleibt sein Lebenlang trotz aller seiner Orthodoxie und seines pastoralen Eifers, in der Kirche des Herrn ein unnützer Knecht, weil er in dem engern unscheinbaren Kreise seines häuslichen Lebens und Thuns nicht durchhaltend als einen Knecht Gottes sich bewährt. Seinem öffentlichen Worte fehlt darum die Wucht, seiner amtlichen Erscheinung der Stempel des göttlichen Berufs, welcher letztere ihm in der That auch abgeht. Ja, es steht in Frage, ob ihm auch nur für seine eigene Person “das Wahrhaftige“ anvertraut ward? Nach dem Ausspruche des Herrn: „So ihr in dem Fremden nicht treu seid, wer will euch geben das Eure“ ist’s sehr zu bezweifeln. –

Wir schließen, mit dem herzlichen Wunsche, daß unsre Betrachtung uns zu einer neuen Ermunterung gereichen möge, den Herrn um das wesentliche Siegel der göttlichen Kindschaft: um die Treue im Kleinen betend anzugehn; und hoffen zugleich, es werde die in der erwogenen Parabel uns zur ersprießlichsten Rentbarmachung auch das geringfügigsten Guts ertheilte Anleitung, eine gute Statt bei uns finden. Ja, „machen auch wir uns Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn wir nun darben, sie uns aufnehmen in die ewigen Hütten.“ Die Wege hierzu sind uns in den Vereinsthätigkeiten unsrer Tage reichlich gebahnt. Tausende von Hülfsbedürftigen nach Leib und Seele warten nur der Bethätigung auch eurer Liebe, um dann, in den sanften Schooß ihrer Herzensgemeinschaft euch bettend, an den trauten und erquickungsreichen geistigen Beziehungen, die zwischen ihnen und euch sich bilden werden, euch die Erfahrung machen zu lassen, daß dem Samen selbst des nichtigsten Besitzes, wo nur zarte Treue gegen den Herrn denselben streute, himmlische Blumenbeete entsprießen können; und sich mit euch zu freuen, wenn nun, was unfehlbar zutrifft, der Gott aller Wahrheit thatsächlich euch besiegeln wird Salomos Wort: “Laß dein Brod über Wasser fahren, so wirst du es finden nach langer Zeit;“ – und das Wort des Apostels: “Wer da säet im Segen, der wird auch erndten im Segen.“

Ich könnte nun “Amen“ sagen; aber für mich spreche, die Deutung, die wir unserm Gleichnisse gegeben, bestätigend, dieses Amen Paulus, welcher uns 2. Cor. 9,12-15. den Sinn des “Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon u.s.w.“ in einem lieblichen Lebensbilde zur Anschauung bringt. Er schreibt seinen Corinthern: “Denn die Handreichung dieser Steuer (die eure Liebe dargereicht) erfüllet nicht allein den Mangel der Heiligen, sondern ist auch überschwänglich durch viele (d.i. eine überfließende Quelle vieler) Danksagungen gegen Gott; indem sie (die durch euch Erquickten) um der Probe (eurer Treue) willen, durch diesen (Liebes-)Dienst gegeben, Gott preisen über euerm unterthänigen Bekenntniß des Evangelii Christi, und über eurer einfältigen Mittheilung an sie und an Alle, und über ihrem Gebet für euch, (für welches, und dessen Erhörung, sie auch den Herrn preisen,) welche verlanget nach euch um der überaus großen Gnade Gottes willen an euch. – Gott aber sei Dank für Seine unaussprechliche Gabe!“ – Ja, Dank, Dank Ihm von Grund unsrer Seelen! – Amen.

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