Krummacher, Friedrich Wilhelm - XII. Letztes Zusammentreffen Sauls und Davids.

Krummacher, Friedrich Wilhelm - XII. Letztes Zusammentreffen Sauls und Davids.

„Siehe, das Alles thut Gott zwei oder dreimal mit einem Manne, daß er seine Seele herumhole aus dem Verderben, und erleuchte ihn mit dem Licht der Lebendigen.“ So Elihu zu Hiob, (Hiob 33, 29 u. 30) nachdem er denselben darob zurechtgewiesen, daß er in den Leidensschlägen, die ihn betroffen, nur eine Offenbarung des Zornes, ja, ein unverdientes Strafverhängniß Gottes, und nicht vielmehr eine heilsame Züchtigung der ewigen Liebe erblicke, bei der es allein auf seine Demüthigung, Läuterung und Heiligung abgesehn sei. Elihu preist die unermüdliche Langmuth, in welcher der Herr mit Glimpf und Unglimpf dem Sünder nachgehe, ob er nicht endlich vor ihm sich beugen, und zerknirscht seine Gnadenhand ergreifen wolle. Und freilich wird nie ein Sünder verloren gehn, der nicht bekennen müsse, daß er zu unzähligen Malen in seinem Leben die nach ihm ausgeworfenen göttlichen Retterseile muthwillig zerrissen und von sich geschleudert habe. Das aber wird einst der nimmer sterbende „Wurm“ in seinem Innern sein, daß er sich gestehen muß, er habe, indem er sündigte, wohl ein Bewußtsein von dem gehabt, was Gott gebiete und untersage; aber es so wenig zu seinem Rechte kommen lassen, daß er vielmehr, so oft der Schleier lügenhafter Entschuldigungen, hinter dem er sich mit seiner Schuld vor seinem Gewissen zu verstecken gesucht, sich habe lüften wollen, denselben krampfhaft fest- und zusammengehalten habe. Eine volle Anwendung leidet das Gesagte auf den König Saul. Noch einmal werden wir ihn heute eine Heimsuchung der göttlichen Gnade erfahren, aber dieselbe abermals an seiner Geübtheit in der Kunst der Selbstbelügung gänzlich scheitern sehn.

1 Sam. 26, 6. Da antwortete David und sprach zu Ahimelech, dem Hethiter, und zu Abisai, dem Sohne Zeruja, dem Bruder Joabs: Wer zieht mit mir hinab zu Saul in's Lager? Abisai sprach: Ich ziehe mit dir.

Zum letzten Male begegnen sich Saul und David auf ihrem Lebenswege, und es kommt zu einem Auftritt, der uns zur tiefsten Wehmuth stimmen wird. Sehen wir, wie sie sich finden die Beiden, und was der Ausgang dieser ihrer letzten Begegnung war.

1.

Wir treffen den Flüchtling David wieder in der Wüste Siph. Was ihn bewog, in dieselbe Gegend zurückzukehren, deren Bevölkerung ihn einst so treulos an seine Verfolger verrieth, wird nicht gemeldet. Ob er irgend Grund zu haben glaubte, die Siphiter jetzt sich versöhnlicher zu denken, als einstmals, oder ob eine leise Hoffnung, es könnte sein Freund Jonathan noch einmal ihn dort aufsuchen wollen, ihn dahin verlockte, wer mag es mit Bestimmtheit sagen? Wirthlicher, als das düstre Moor- und Heideland Paran war die Wüste Siph allerdings. Genug, er lenkte mit den Seinen wieder in sie ein, und schlug sogar ohnfern des Städtleins Siph sein Lager auf. Hatte er wirklich auf einen Umschwung der Gesinnung bei den dortigen Einwohnern gerechnet, so sah er sich darin auf das bitterste getäuscht. Wohl mehr aus Furcht vor dem Zorn des Königes, als aus patriotischer Anhänglichkeit an ihn, verriethen sie den David zum zweiten Mal. Saul rückte auf einen von dort erhaltenen Wink unverweilt mit einer Mannschaft von dreitausend jungen Kriegern heran, um den verhaßten Eidam bei dem Hügel Hachila, der ihm als David's Lagerstätte bezeichnet worden war, zu überrumpeln. Der Eindruck der rührenden Scene bei der Höhle in der Wüste Engeddi, durch die ihm ein so unzweideutiger Beweis von der Unschuld und Treue Davids zu Theil geworden, war gänzlich wieder in ihm erloschen, dagegen der alte Grimm wo möglich nur noch verstärkt wieder in ihm aufgelodert. Bei dem genannten Hügel traf er jedoch den Verfolgten, der mittlerweile tiefer in die Wüste zurückgewichen war, zu seinem Verkruste nicht mehr an, und schlug daselbst zu einer kurzen Rast sein eignes Lager auf. Als aber David Kunde davon erhielt, was wider ihn im Anzuge sei, ordnete er zunächst Späher ab, die nach der Stellung seiner Widersacher forschen sollten; und da diese ihm meldeten, Saul lagere mit seinen Mannen am Fuße des Hügels Hachila, machte er sich mit einigen seiner Getreuen auf, und schlich sich, durch Felswände und dichtes Buschwerk gedeckt, so nahe an das königliche Lager heran, daß er es von der Anhöhe her, auf der er stand, ganz überschauen konnte. Ein Wagstück war's, das er unternommen hatte; aber er vertraute seinem Gott, von welchem ihm, wie er nicht zweifelte, auch zu diesem Gange die Anregung geworden war. Noch einmal gedachte er einen Anlauf auf das Herz des Königes zu nehmen, ob es sich nicht endlich noch zur Reue erweichen lassen möchte. In ähnlicher, nur noch unzweideutigerer Weise, als damals zu Engeddi, hoffte er es ihm unter die Augen rücken zu können, daß er ihm ein treuer Unterthan und ein von Herzen ergebener Knecht sei, und nicht im entferntesten etwas Uebeles wider ihn im Schilde führe. Schon hatte die Nacht ihren Schleier über das Land gebreitet, und nur der Mond leuchtete mit seinem milden Glanze den kühnen Spähern; ließ sie aber so viel entdecken, als genug war. Tiefes Schweigen herrschte im königlichen Lager, und man überzeugte sich bald, daß Alles, ermüdet von dem beschwerlichen Tagesmarsche, bereits in tiefen Schlummer versunken sei. Im Vordergrunde auf der Schwelle der Wagenburg lag der König auf seinem Feldbette ausgestreckt. Zu seiner Seite Abner, der Sohn Ner, sein Vetter und Feldhauptmann, von dem wir noch weiter hören werden. David hatte Beide an mehr als einem Merkmal bald erkannt und flüsterte mit raschem Verständniß des göttlichen Winks, den er sich hier gegeben glaubte, seinen Begleitern, dem Ahimelech, einem zum Glauben Israels übergetretenen Sprößling des Kanaaniterstammes der Hethiter, und dem Abisai, dem Sohne seiner Stiefschwester Zeruja und Bruder Joab's, zu: „Wer geht mit mir hinab zu Saul in's Lager?“ Ein kühner Gedanke! Der Hethiter stutzt und trägt Bedenken. Abisai dagegen, in dessen Adern ein dem davidischen verwandtes Blut floß, ist rasch entschlossen, und spricht, nur freilich mit andern Hintergedanken, als diejenigen Davids waren: „Ich folge dir!“

So steigen denn die Beiden leisen Schrittes von der Felsenhöhe ins Thal hinab, und langen, von Niemandem angerufen noch behindert, bei der königlichen Wagenburg an. Da lag ihr hoher Herr vom Schlaf überwältigt vor ihnen. Das Sinnbild seiner Herrschaft, sein Spieß, stack zu seinen Häupten in der Erde. Zu seiner Seite lag der Mann, der ihn bewachen sollte, aber gleichfalls dem Schlummer sich überlassen hatte: der Feldhauptmann Abner, und rings umher schlaftrunken das ermattete Volk. Ein klägliches Schauspiel! Schmach über ein Heer, wie dieses, und namentlich über dessen Führer! Wir hören indeß, „ein tiefer Schlaf vom Herrn sei auf sie gefallen,“ und da ziemt es uns freilich, die Hand auf den Mund zu legen und unser Urtheil wenigstens zu mildern. Was geschieht? Abisai, der Eiferer, hat seinen Entschluß rasch gefaßt. „Siehe doch,“ raunt er dem David zu, „wie Gott der Herr heute deinen Feind in deine Hand beschlossen hat. So laß mich nun, daß ich den Wütherich durchbohre und in „die Erde spieße!“ Abisai erkannte richtig, daß es der Herr sei, der ihnen den König in ihre Hand gegeben; griff aber in der Beurtheilung der Absicht, in der dies geschehen, nach seinem gottentfremdeten Herzen fehl. Der Geist, der den David beseelte, wußte sich den göttlichen Wink besser zu deuten. „Ferne sei es,“ erwiederte er, „daß du ihn verderbest; denn wer wird die Hand an den Gesalbten des Herrn legen, und unverdammt von dannen gehn? So wahr der Herr lebt, wofern Gott ihn nicht schlägt, und seine Zeit nicht kam, daß er sterbe, und er etwa in einen Streit ziehe und darin umkomme, verhüte es der Herr, daß ich meine Hand an seinen Gesalbten lege! Aber reiche den Speer mir, der zu seinen Häupten steht, und ebenso seinen Wasserbecher, und laß uns dann wieder von hinnen ziehn!“ - Und so geschieht es. Mit der genannten Beute ziehen sie leise wieder ab. „Und es war Niemand,“ bemerkt die Geschichte, „der es sah, noch ahnete, noch erwachte; sondern sie schliefen alle; denn,“ fügt sie, wie wir bereits vernahmen, ausdrücklich hinzu, „ein tiefer Schlaf vom Herrn war auf sie gefallen,“ was auch dahin verstanden werden kann, daß der Herr sie für eine Weile noch in den Schlaf festgebannt habe, von dem sie sich in unverantwortlichem Leichtsinn hatten überwältigen lassen.

Seht euch nun noch einmal unsern David an, wie er dort mit dem Speere Sauls, dem Sinnbild seiner Herrschermacht, davonzieht. Er bietet in diesem Momente eine symbolisch bedeutsame Erscheinung dar. Unbewußt weissagt er von seiner eignen Zukunft, indem er als der vorausgeworfene Schatten des Bildes vor uns steht, in welchem wir ihn einst erblicken sollen. Im Rath der unsichtbaren Wächter war es ja unwiederruflich beschlossen, daß sich Saul's Scepter auf den Bethlehemiten vererben sollte, und hier sehen wir ein dämmerndes Vorspiel dieser Thatsache vor uns.

Nachdem den Beiden das gewagte Spiel gelungen, nehmen sie ihre Stellung wieder auf dem Gipfel der Anhöhe, die unmittelbar an das königliche Lager stieß. Von hier aus läßt David nun mit der ganzen Macht seiner Stimme den Wächterruf in das Lager der Schlummernden hinein erschallen, und donnert dem Sohne Ner, der dem Könige zum nächsten Trabanten bestellt war, die Frage zu: „Abner, ist es sein, was du gethan hast? So wahr der Herr lebt, ihr seid Kinder des Todes, (d. i. ihr seid des Todes schuldig,) daß ihr euern Herrn, den Gesalbten Gottes, nicht behütet habt. Siehe zu, Abner, wo ist der Spieß des Königes, und wo sein Wasserbecher, die ihm zu Häupten standen?“ Während er aber die fahrlässigen und pflichtvergessenen Hüter also schilt, wacht auch der König auf, und spricht, nicht wenig betroffen: „Ist das nicht deine Stimme, die zu meinem Ohre dringt, mein Sohn David?“ - „Ja,“ antwortete dieser in tiefster Ehrerbietung, „meine Stimme ist es, mein Herr König!“ Dann mit wehmüthigster Betonung, spricht er weiter: „Warum doch verfolgt mein Herr also seinen Knecht? Was that ich denn? Was ist Uebles in meiner Hand? Es höre doch nun mein Herr, der König, die Worte seines Knechtes: ist es etwa der Herr, der dich wider mich reizet,“ - (d.i. läßt er in seinem Zorne dich richterlich von einer Sünde in die andre fallen, so, daß du auch wider diejenigen wüthest, die dir am treusten ergeben sind,) „o, dann laß uns ihm ein Speisopfer bringen,“ (das ihn versöhne und ihn zur Milde stimme.) „Sind es aber Menschenkinder,“ (etwa das dich umgebende Hofgesinde,) „welche dich wider mich aufstacheln, so seien sie verflucht vor dem Herrn, daß sie mich verstießen, daß ich nicht bleiben kann in des Herrn Erbtheil,“ (dem Erbvolke Jehovas und dessen Heiligthum,) „und daß sie zu mir sprechen: Gehe hin und diene andern Göttern: - So verfalle nun mein Blut nicht fern von dem Angesicht des Herrn auf die Erde,“ (indem man mich in heidnische Lande verbannt), „denn der König Israel ist ausgezogen als gegen einen ohnmächtigen Floh, und jagt mir nach, wie man ein Rebhuhn jagt auf den Bergen.“

Saul vernimmt diese herzbrechenden Worte, und in der That beginnt noch einmal, was von Herz und Rechtsgefühl noch in ihm übrig ist, sich in ihm zugegen. „Ich habe gesündigt, „spricht er, aber diesmal schon ohne Thränen. „Komme wieder, mein Sohn David, ich will dir kein Leid mehr thun, darum, daß meine Seele heutiges Tages theuer gewesen ist in deinen Augen. Siehe ich habe thörlich und sehr unweislich gethan.“ - Also doch ein aufrichtiges Geständniß; aber ohne die geringste Spur einer wahren Buße und lauteren Beugung vor dem allmächtigen Gott. Zu einem: „Ich beging eine Thorheit, ich versündigte mich,“ versteht sich wohl auch der Verworfenste, wenn er eines Frevels gegen einen Menschen sich überführt sieht, in welchem er plötzlich seinen Wohlthäter, oder gar, wie Saul in David, den Retter seines Lebens entdeckt. Kalt weht es uns aus dem Sündenbekenntniß des Königes an; viel kälter schon, als aus dem ähnlichen Geständniß, das wir in Engeddi von seinen Lippen vernahmen. Und welch' ein bedenkliches Zeichen, daß er des schnöden Bruchs seines bei Engeddi gegebenen feierlichen Versprechens auch nicht mit einer Silbe gedenkt! Seine Verhärtung scheint wieder um einen bedeutenden Schritt ihrer völligen Reife näher gerückt zu sein. Weniger noch, als uns, konnte sich dies dem David verbergen. Das scheinbar zärtliche: „Komm wieder, mein Sohn!“ fand keinen Anklang in seinem Herzen. David ruft ihm von seiner Bergeshöhe zu: „Siehe, hier ist dein Speer; sende der Jünglinge einen herüber, ihn zu holen,“ und fügt dann, den Eindruck verrathend, welchen die dem Anscheine nach so wohlwollenden Worte des Königs in ihm hervorgerufen, mit bedeutsamem Ernste hinzu: „Der Herr wird einem Jeglichen vergelten nach seiner Gerechtigkeit und seinem Glauben. Der Herr hat dich heute in meine Hand gegeben; ich aber wollte meine Hand nicht an den Gesalbten des Herrn legen, Und wie heute deine Seele in meinen Augen ist groß geachtet gewesen, so werde meine Seele groß geachtet vor den Augen des Herrn, und er errette mich von aller Trübsal!“ - Wie köstlich diese Worte David's! Welch' einen wohlthuenden Blick eröffnen sie uns in sein tiefstes Innere! In einem gewissen Grade scheint auch der König von denselben erfaßt. „Gesegnet seist du, mein Sohn David!“ spricht er, und fährt, fast weissagend, fort: „Du wirst es thun und hinausführen,“ d. h. immer groß und glücklich sein! und nachdem er dies gesagt, geht David seines Weges und Saul des seinen. Sie waren für immer geschieden. Im Leben sahen sie sich niemals wieder. Wie wehe wird uns bei dieser Abschiedsscene! Dem Könige Saul waren nun bis auf seinen Sohn Jonathan, der ihm aber auch nur ein Dorn im Auge war, alle geistlichen Rathgeber, Hüter und Stützen von der Seite genommen. Der alte Samuel, der, nachdem Saul ihm stillschweigend den Scheidebrief gegeben, nichtsdestoweniger, so lange er noch auf Erden weilte, im Erinnerungsbilde wie eine fernher mahnende und wahrschauende Geistererscheinung den König von manchem Schritte, der nicht taugte, zurückgeschreckt hatte, war unter den Lebenden nicht mehr. Der fromme Priester Abjathar und der ernste Prophet Gad hatten sich länger schon von Saul getrennt und dem David sich angeschlossen, und nun sah Saul auch seinen treuen Eidam nicht mehr, der ihm durch die Macht seines edleren Sinnes und Verhaltens wenigstens zuweilen noch die Dienste eines Weckers für sein abgestumpftes Gewissen geleistet hatte. So stand denn jetzt mit allem Grunde zu besorgen, er werde unaufhaltsam und mit verdoppelten Schritten der Reife seines Verderbens entgegeneilen. Und wirklich geschah es. Es währte nicht lange, als er sich wieder durch einen neuen Einfall der Philister in große Bedrängniß versetzt sah. Er war nicht mehr der Held, wie weiland. Mit seinem Glauben war nach und nach auch sein Muth gebrochen. Vergebens suchte er Rath. Träume gewährten ihm einen solchen nicht, das „Urim und Thummim“ stand ihm, nachdem der Hohepriester von ihm gewichen, nicht mehr zur Verfügung, und die Propheten hatte er sich ja alle gründlich verfeindet. So griff er denn zum Aeußersten, und nahm statt zu Gott, dem eine Kainsscheu ihn mehr und mehr entfremdet hatte, seine Zuflucht zu einem Zauberweibe in Endor und forderte diese unter greulichen Schwüren, daß ihr des ausdrücklichen göttlichen Verbotes ohnerachtet ihr Thun nicht werde zu einer Missethat gerechnet werden, auf, den Samuel aus dem Todtenreiche heraufzubeschwören, damit er noch einmal dessen Rath und Weisung vernehmen könne. Und als nun bekanntlich Gott der Herr vermöge seiner wunderwirkenden Allmacht, um dem ruchlosen Gaukelspiel für immer ein Ende zu machen, dasselbe in furchtbaren Ernst sich verkehren ließ, und dem Könige wirklich die gewünschte Erscheinung Samuels gewährte, damit er aus dessen Munde sein Todesurtheil vernähme, da stürzte der gekrönte Frevler sammt der entsetzlich überraschten Betrügerin von Schrecken übermannt und vor Bestürzung an allen Gliedern zitternd zur Erde nieder; aber von Buße, von Zerknirschung über seine Unthat und von Geschrei um Gnade ward an dem Könige nicht eine Spur gefunden. Wehe dem Unglückseligen! Er war in der Wage gewogen, und zu leicht befunden. Verworfen ward er, weil er seinen Gott verworfen und muthwillig Gottes Weg verlassen hatte. - Unglückseliger Mann! Die Engel des Friedens weinen über dich, und die Hölle triumphirt! -

Auf die letzten Verfolgungen, welche David in den Wüsten Engeddi und Siph zu bestehen hatte, bezieht sich unverkennbar der 7. Psalm. Die Ueberschrift desselben lautet nach dem Grundtext in gedrängter Kürze: „Lied: Verirrung (oder Thorheit, nemlich Saul's,) welches David sang wegen der Worte (d. i. der Verleumdungen) des Mohren (hebr. Kusch) aus Benjamin.“ Eine deutliche Anspielung auf den Namen des Vaters Sauls, des „Kisch,“ unter welchem aber Saul selbst gemeint ist. Der Mohr aber dient öfter als Bild des Sünders. Der Sänger beginnt nun sein Lied mit dem Ausdruck seines Gottvertrauens: „Auf dich Herr traue ich, mein Gott; hilf mir von allen meinen Verfolgern, und errette mich!“ - Es richtet sich dann sein Blick von der Mehrheit seiner Verfolger auf den Einen, der ihr Haupt ist. „Schaffe,“ spricht er, „o Herr, daß er meine Seele nicht zerreiße, wie ein Löwe, sie zermalmend ohne Erretter!“ - Er beruft sich auf sein gutes Gewissen: „Herr, mein Gott, habe ich dieses (nemlich dessen meine Verläumder mich beschuldigen) wirklich gethan, und ist Unrecht in meinen Händen,“ - (derselbe Ausdruck, dessen er sich in seiner Selbstrechtfertigung vor Saul bediente-,) - „habe ich den mir Befreundeten Böses vergolten, oder diejenigen, so mir ohne Ursach grollten, beraubt: dann verfolge mein Feind meine Seele, und ergreife sie und trete mein Leben zu Boden, und lege meine Ehre in den Staub, Sela.“ - Hierauf ruft er den Herrn um Schutz und Hülfe an: „Stehe auf, Herr, in deinem Zorn; erhebe dich über den Grimm meiner Feinde, und erwache zu mir, der du Gericht geordnet hast. Und die Versammlung der Völker umgebe dich,“ (d. i. zeige dich derselben als den Weltenrichter,) „und über ihr kehre zur Höhe“ (zu deinem erhabenen Thronsitz) „zurück. Der Herr richtet Völker, so richte auch mich, o Herr, nach meiner Gerechtigkeit und Unsträflichkeit“ (sofern ich mich nemlich deren in dem Handel mit dem Könige, der mir gram ist, zu rühmen habe). „Laß der Gottlosen Bosheit doch ein Ende nehmen, und festige den Gerechten; denn du, gerechter Gott, prüfest Herzen und Nieren.“ - An die Stelle der Bitte tritt nun die Hoffnung: „Mein Schild ist bei Gott, der die Rechtschaffenen errettet. Gott ist ein rechter Richter, und ein Gott der täglich droht. Will man sich nicht bekehren, so wetzet er sein Schwerdt und spannt seinen Bogen, und zielt, und hat darauf gelegt tödliche Geschosse und macht seine Pfeile brennend.“ - David ahnt den schreckend vollen Ausgang seines Verfolgers. „Siehe,“ fährt er fort, „er kreiset Bosheit aber er geht schwanger mit Unglück und gebiert Täuschung. Er hat eine Grube gegraben und ausgehöhlt; aber in die Grube, die er gemacht hat, fällt er selbst hinein. Sein Unglück wird auf seinen Kopf kommen und sein Frevel herabsteigen auf seinen Scheitel.“ Eine Lobpreisung der Gerechtigkeit Gottes bildet den Schluß des Psalms: „Preisen will ich den Herrn nach seiner Gerechtigkeit, und will loben den Namen des Herrn, des Allerhöchsten.“

Man wird sagen, dieser Psalm sei alttestamentisch, und athme den Geist des Gesetzes. Dem ist so. David, der Prophet, redete nicht aus dem Eigenen, sondern als Organ und Vertreter des Gottes, der vom Berge Ebal herab der Welt verkünden ließ: „Verflucht sei der, der nicht hält die Worte dieses Gesetzes, daß er darnach thue,“ und dem es auf der damaligen Entwickelungsstufe seines Reiches ziemte, vor Allem als den „Heiligen in Israel“ sich zu offenbaren. Meint aber Jemand in dem Gott des Alten Testamentes einen andern zu erkennen, als in dem des neuen, so lausche er nur in letzteres hinein, und welche Donnerworte schlagen auch hier an sein Ohr! Man höre: „Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten. Wer auf sein Fleisch säet, der wird vom Fleische das Verderben erndten.“ - „Unser Gott ist ein verzehrend Feuer.“ - „Gehet hinweg von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist!“ - „Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“ - „Aergert dich dein Fuß, so haue ihn ab; es ist dir besser, daß du lahm zum Leben eingehest, denn daß du zween Füße habest, und werdest in die Hölle geworfen, in das ewige Feuer, da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht erlischt.“ - Man vernehme dies und manches dem Aehnliche, und überzeuge sich, daß hier wie dort derselbe Gott uns entgegen tritt, schrecklich den verhärteten Sündern, den Bußfertigen dagegen ein Gott der Huld und Gnade. Darum werde vor allem Andern die dringliche apostolische Mahnung beherzigt: „Schaffet mit Furcht und Zittern, daß ihr selig werdet; denn Gott ist's, der in euch wirket beides das Wollen und Vollbringen nach seinem Wohlgefallen.“ Daß dieses Wort auch uns zu Herzen dringe, und der Herr Beides auch uns gewähre, das sei der betende Wunsch, mit dem wir diesmal unsere Betrachtung schließen!

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