Krummacher, Emil Wilhelm - Tägliche Herzensweide aus Luther's Werken - October

Krummacher, Emil Wilhelm - Tägliche Herzensweide aus Luther's Werken - October

Am 1. October.

Es soll und kann die ganze Welt kein ander Licht haben, dadurch sie könne erleuchtet werden, denn Christum allein. Dieser Glaube und Bekenntniß ist der rechte Grund, darauf die christliche Kirche gebauet ist. Dies ist auch der Kirche einzig Merkmahl und Wahrzeichen, dabei man sie, als bei dem gewissesten Zeichen, erkennen soll. Und ist hoch vonnöthen, daß solche Lehre dadurch die Leute zu diesem Glauben und Bekenntniß kommen, fleißig getrieben werde. Denn der Teufel feiert nicht, er lässet nicht ab, wie wir sehen und erfahren, bis er die rechte Kirche trenne und in mancherlei Rotten und Secten zerreiße. Thut nur die Augen auf und sehet in die Welt, so werdet ihr viel Lichter finden, die St. Franciscus, Dominicus, Mohamed und Andere angezündet haben. Man findet, daß die Welt gar voller Abgötterei, falschen Vertrauens, Möncherei, Secten und Rotten ist, da keine mit der andern übereinstimmt, und will doch eine jede die beßte sein. Darum bleibe bei dem einigen Licht; kehre dich nicht daran, daß der oder ein anderer Heilige einen harten Orden und gestreng Leben geführt hat, nicht Fleisch gegessen, ein Haren Hemde getragen. Denn die Welt ist allhier bald zugefahren, hat die Orden ausgebreitet, auch angenommen, der Meinung, daß sie hat dadurch wollen selig werden. Höre, kehre dich nicht daran, sondern: Wenn dieselbigen Ordensstifter gleich auch Wunderlichen gethan, Todten auferwecket, vor großer Andacht und Geistlichkeit sich zu Tode gefastet oder zerpeitscht hatten, so beweget Nichts doch nicht. Ja, wenn gleich ein Engel vom Himmel käme und große Mirakel thäte, und gleich aus Steinen Brod machte; doch, wenn er ohne dieses Licht, Christum, käme, so soll ich sagen: Ich will dich nicht hören, ich will dich nicht haben; denn ich bin des Herrn Christi, und getaufet auf Christum, gereiniget und gewaschen von Sünden mit seinem Blutvergießen. Dein Fasten, Beten und Peitschen hilft mir Nichts; ich glaube Johann, dem Täufer, der mich weiset, nicht auf gestreng Leben, noch Heiligkeit, sondern nur von Christo, dem einigen Lichte zeuget, durch welches alle Menschen erleuchtet und selig werden. Man muß Christo, dem wahrhaften Lichte, glauben, und sonst Keinem. Wer nun von Christo zeuget und mich zu Ihm weiset, deß Zeugniß nehme ich an. Er aber, derselbige Prediger, soll für seine Person mein Leben und Licht nicht sein.

Am 2. October.

Die Wiedergeburt erzeuget sich recht, wenn die Anfechtung und der Tod hergehet; da empfindet man, wer da neu oder alt geboren sei, da ringet und windet sich die Vernunft, das alte Licht, und laßt nicht gerne, was sie denket und will, mag sich nicht erwägen und begeben auf das Evangelium, und ihr Licht fahren lassen. Welche aber neu geboren sind, oder daselbst neu geboren werden, die fahren und folgen, lassen fahren Licht, Leben, Gut, Ehre und was sie haben, trauen und haften an dem Zeugniß Johannis. Darum kommen sie auch zum ewigen Erbe als die rechten Kinder. Siehe, wenn nun das Licht, die Vernunft, der alte Dünkel, todt ist, finster, und in ein Licht verändert worden, so muß denn ihm auch folgen und verändert werden das ganze Leben und alle Kräfte des Menschen. Denn wo die Vernunft hingehet, da folget der Wille heimlich; wo der Wille hingehet, da folget die Liebe und Lust heimlich. Und muß also der ganze Mensch in das Evangelium kriechen und allda neu werden, die alte Haut ausziehen; wie die Schlange thut, wenn ihre Haut alt wird, suchet sie ein enges Loch im Fels, da kriecht sie hindurch, und zeucht ihre Haut selbst ab und lasset sie draußen vor dem Loch. Also muß der Mensch auch in das Evangelium und Gottes Wort sich begeben und getrost folgen seiner Zusagung, es werde nicht lügen; so zeucht er ab seine alte Haut, lasset draußen sein Licht, seinen Dünkel, seinen Willen, seine Liebe, seine Lust, seine Reden, sein Wirken, und wird also ganz ein anderer neuer Mensch, der alle Dinge anders ansiehet, denn vorhin, anders richtet, anders urtheilt, anders denket, anders will, anders redet, anders liebet, anders lüstet, anders wirket und fahret, denn vorhin.

Am 3. October.

Das Fleisch ist so gar sicher und böse, daß es nicht allein an den Verheißungen Gottes verzaget, sondern auch die Dräuungen verachtet. Denn dieselben werden auch verzagen (daß sie nicht so bald erfüllet werden); darum glaubet das Fleisch Gott nicht, wenn Er schon lange dräuet. Und wenn die Verächter und thörichten Menschen hören, daß noch ein Gericht und Strafe dahinter sei, so wider die Sünde gehen soll; O! sagen sie, das wird sich noch wohl verziehen! hätte ich dieweil Geld zu zählen. Jedoch will Gott haben, daß man sich vor seinem Dräuen fürchten und auf seine Verheißung harren soll, welches nicht anders kann geschehen, denn im Glauben. Die Welt aber fraget nach der keinem nicht, ist ihr eben so viel, pfiffe sie eine Gans an. Denn Gott ist geduldig und verzeucht beide, mit seinen Verheißungen und auch Dräuungen, ehe Er denn die erfüllet; Er läugnet aber darum nicht, und will endlich, das Er so lange verzogen hat, erstatten, entweder, daß Er die Bösen um so viel härter strafen wird, oder den Frommen, Gottseligen, so viel größere und reichere Wohlthat erzeigen. Denn Er kommt doch endlich und kommt nur wohl.

Am 4. October.

Unser Vater, der Du bist im Himmel.

Der beste Anfang und Vorrede ist, daß man wisse, wie man nennen, ehren, handeln soll, den man bitten will, und wie man sich gegen Ihm erzeigen soll, daß man Ihn gnädig und geneiget mache zu hören. Nun ist kein Name unter allen Namen, der mehr geschickt mache uns gegen Gott, denn Vater. Das ist eine gar freundliche, süße, tiefe und herzliche Rede. Es wäre nicht so lieblich oder tröstlich, wenn wir sprachen: Herr, oder Gott, oder Richter. Denn der Name „Vater“, ist natürlich süße, derhalben er auch Gott am allerbeßten gefallt, und uns zu hören Ihn am allermeisten bewegt. Desselbengleichen wir uns in demselben bekennen als Kinder Gottes, dadurch abermal wir Gott gar innerlich bewegen; denn nicht eine lieblichere Stimme ist, denn des Kindes zum Vater. Dazu hilft, daß wir sagen: Der Du bist in dem Himmel, welches sind Worte, damit wir unsere klägliche Noth und Elend anzeigen und uns, zu bitten, und Gott, zu erbarmen, emsiglich bewegen. Denn wer anhebet zu bitten: Unser Vater, der Du bist in dem Himmel, und thut das mit Herzensgrund, de bekennet, daß er einen Vater hat, und desselben im Himmel; erkennet sich im Elend und verlassen auf Erden. Daraus denn folgen muß ein herzliches Sehnen, gleichwie einem Kinde das aus seines Vaters Land unter fremden Leuten im Elend und Jammer lebt, als spräche es: Ach, Vater, der Du bist im Himmel, ich, dein elend Kind, auf Erden im Elend, weit von Dir, in aller Gefährlichkeit, in Jammer und Noth, unter den Teufeln und größten Feinden, und mancherlei Gefährlichkeiten, komme zu Dir. -

Am 5. October.

Christi Evangelium ist nie an keinem Orte stärker gangen, denn da mans am wenigsten wollte leiden. Denn da das Stündlein kam, gingen die Tyrannen unter, und das Wort blieb auf dem Plan. Siehe dies zum Exempel an Jerusalem und Röm. Und jetzt auch, da die Fürsten und Bischöfe am heftigsten dem Evangelio wehren, da muß es hinkommen und am meisten gehen. So wird man denn spotten und sagen: Wo sind die nun, die das nicht wollten leiden? Im Grabe liegen sie, die Würmer fressen sie, das Wort Gottes stehet und gehet gleichwohl in ihrer Herrschast. Also mußten Hannas und Kaiphas Christum zu Jerusalem lassen bleiben mit dem Wort und dann Spott dazu haben. Wo aber Christi Wort ist und bleibt, da heißts: Christi Sieg und Reich bleiben; Er behalt ja das Feld mit seiner Lehre, und müssen andere Lehren schweigen, wie die Mause; wie wir sehen in der Erfahrung.

Am 6. October.

Dein Reich komme!

Es sind zween große Irrthümer. Der erste, die da hin und her laufen, daß sie fromm werden, zu Gottes Reich kommen und selig werden, einer gen Rom, der zu St. Jakob, der bauet eine Capelle, der stiftet dies, der das, aber zu dem rechten Punkt wollen sie nicht greifen, das ist, daß sie inwendig sich selbst Gott zu eigen geben, und sein Reich würden, thun viel solcher äußerlicher Werke, und gleißen fast hübsch, bleiben doch inwendig voll böser Tücke, Zorns, Haß, Hoffahrt, ungeduldig, unkeusch. Wider die spricht Christus, da Er gefragt ward, wenn das Reich Gottes käme, Luc. 17,20. 21: Das Reich Gottes kommt nicht mit einem äußerlichen Schein oder Geberde; nehmet wahr, das Reich Gottes ist in euch, inwendig. Als er auch Matth. 24,23 ff. saget: Man wird nicht sagen: Siehe da, oder da ist es, so sollt ihrs nicht glauben. Denn es sind falsche Propheten. Als spräche Er: Wollet ihr das Reich Gottes wissen, so dürft ihrs nicht weit suchen, noch über Land laufen. Es ist nahe bei dir, so du willst. Ja, es ist nicht allein bei dir, sondern in dir. Denn Zucht, Demuth, Wahrheit, Keuschheit und alle Tugend (das ist das wahre Reich Gottes,) mag Niemand über Land, oder über Meer holen, sondern es muß im Herzen aufgehen. Darum beten wir nicht also: Lieber Vater, laß uns kommen zu deinem Reich! sondern: Dein Reich komme zu uns. Denn Gottes Gnade und sein Reich, mit allen Tugenden, muß zu uns kommen, sollen wir es überkommen, wir mögen nimmermehr zu Ihm kommen; gleichwie Christus zu uns vom Himmel auf die Erden kommen ist, und nicht wir von der Erden zu Ihm gestiegen sind in den Himmel.

Am 7. October.

Es ist ein feindseliges Volk, das so bald gelehrt wird. Denn sie gedenken nicht anders, denn daß sie die 10 Gebote als gemeine Dinge hören, und können davon waschen, plaudern und schwatzen, als sonst von etwas Anderm. Es gilt aber, lieber Geselle, nicht Schnatterns, sondern daß du sie ins Leben und in die That hineinbringst und gegen Jedermann öffentlich beweisest, daß du also gesinnt seist, ehe du wolltest wider einiges Gebot Gottes handeln, du wolltest lieber Alles auf Erden drüber fahren lassen. Da sei nun Meister und beweise dich redlich.

Am 8. October.

Nun wollen wir sehen den allerkräftigsten Ablaßbrief, der noch nie auf Erden kam; und dazu nicht um Geld verkauft, sondern Jedermann umsonst gegeben. Andere Lehrer fetzen die Genugthuung in den Beutel und Trutzen; aber Christus setzt sie in das Herz, daß sie nicht naher gesetzt mag werden: also, daß du nicht darfst gen Rom, noch gen Jerusalem, noch zu St. Jakob, noch hieher, oder dorthin laufen um Ablaß; und kann denselben sowohl lösen der Arme, als der Reiche, der Kranke, als der Gesunde, der Laie, als der Priester, der Knecht, als der Herr. Und der Ablaßbrief lautet auf deutsch also, Matth. 6,14.15: Wenn ihr ver. gebet eueren Schuldigern, so wird euch mein Vater auch vergeben. Werdet ihr aber nicht vergeben, so wird euch mein Vater auch nicht vergeben. Dieser Brief, mit den Wunden Christi selbst versiegelt und durch seinen Tod bestätiget, ist gar nahend verblichen und verweset durch die großen Platzregen des römischen Ablasses.

Am 9. October.

Ich habe neulich zwei Wunder gesehen, das erste, da ich zum Fenster hinaus sahe: die Sterne am Himmel und das ganze Gewölb Gottes, und sahe doch nirgend keine Pfeiler, darauf der Meister solch Gewölb gesetzt hatte, noch fiel der Himmel nicht ein und steht auch solch Gewölb noch feste. Nun sind Etliche, die suchen solche Pfeiler, und wollten sie gerne gerne greifen und fühlen. Wenn sie denn das nicht vermögen, zappeln und zittern sie, als werde der Himmel gewißlich einfallen, aus keiner andern Ursach, denn daß sie die Pfeiler nicht greifen, noch sehen. Wenn sie dieselbigen greifen könnten, so stünde der Himmel feste. Ich sehe auch große dicke Wolken über uns, mit solcher Last, daß sie möchten einem großen Meer zu vergleichen sein, und sehe doch keinen Boden, darauf sie ruheten oder fußeten, noch keine Küssen, darin sie gefasset waren; noch sielen sie dennoch nicht auf uns, sondern grüßeten uns mit einem sauren Angesicht, und flössen davon. Da sie vorüber waren, leuchtete hervor der Boden und unser Dach, der sie gehalten hatte, der Regenbogen. Das war doch ein schwacher, dünner, geringer Boden und Dach, da es auch in den Wolken verschwand, und mehr ein Schämen1) (als durch ein gemalt Glas zu scheinen pfleget) denn ein solcher gewaltiger Boden anzusehen war, daß Einer auch des Bodens halber wohl so sehr verzweiflen sollte, als der großen Wasserfeste. Dennoch fand sichs in der That, daß solcher ohnmächtiger (anzusehen) Schämen die Wasserlast und uns beschützete. Noch sind Etliche, die des Wassers und der Wolken Dicke und schwere Last nicht ansehen, achten und fürchten, denn diesen dünnen, leichten und schmalen Schämen. Denn sie wollten gerne fühlen die Kraft solches Schämens, weil sie das nicht können, fürchten sie, die Wolken werden eine ewige Sündfluth ausrichten. Solches muß ich mit eurer Achtbarkeit vor allen Andern einen guten Muth und getrostes Herz hat, in dieser unserer Anfechtung. Ich hatte wohl gehoffet, es sollte zum wenigsten pax politica zu erhalten gewesen sein, aber Gottes Gedanken sind weit über unsere Gedanken. Und ist auch recht, denn es spricht Sanct Paulus (Eph. 3,20), Er höret und thut, supra quam intelligimus aut petimus. Denn wir wissen nicht, wie wir bitten sollen, Röm. 8,26. Sollte Er uns nun also erhören, was wir bitten, daß der Kaiser uns Friede gäbe, so dürfte vielleicht heißen: infra, nicht supra quam intelligimus, und sollte wohl der Kaiser, und nicht Gott, die Ehre kriegen.

Am 10. October.

Die Vernunft, so vom Teufel besessen ist, thut großen Schaden in Gottes Sachen, und je größer und geschickter sie ist, desto mehr Schaden thut sie, wie wir an weisen, klugen Weltleuten sehen, die mit ihrer Vernunft mit Gottes Wort nicht übereinstimmen, ja, je verständiger und klüger sie sind, je mehr und hoffährtiger sie sind wider Gottes Wort. Wenn sie aber vom heiligen Geist erleuchtet wird, so hilft sie judiciren und urtheilen die heilige Schrift. Des Gottlosen Zunge lästert Gott, meine aber lobet und preiset Ihn, und ist doch ein Glied, Instrument und Werkzeug; an beiden ists eben eine Junge, wie vor und nach dem Glauben, und die Zunge an ihr selbst, als eine Zunge, hilft Nichts zum Glauben und doch dienet sie ihm, wenn das Herz erleuchtet ist. Also dienet die Vernunft dem Glauben auch, daß sie einem Ding nachdenkt, wenn sie erleuchtet ist; aber ohne Glauben hilft die Vernunft gar Nichts; sie kann es auch nicht, ja, schadet mehr; wie die Zunge ohne Glauben an ihr selbst redet eitel Gotteslästerung. Wenn aber die Vernunft erleuchtet ist, so nimmt sie alle Gedanken aus Gottes Wort, nach demselbigen richtet und lenket sie die auch. Die Substanz und das Wesen an ihm selbst bleibet, wie es geschaffen ist; die Eitelkeit aber und das Böse gehet unter, wenn die Vernunft vom heiligen Geist erleuchtet wird.

Am 11. October.

Das Reich Christi ist ein Reich der Freiheit und die Freiheit selbst; aber es ist eine Freiheit von der Sünde, vom Gesetze, vom Tode und vom Teufel. Es ist nicht eine Freiheit des Fleisches, welche sich die Welt zu wünschen pflegt; und auch die anjetzo, welche für Evangelisch wollen gehalten sein, brummen und toben, wenn sie auch nur ein wenig getadelt werden, und können die, so sie strafen und erinnern, nicht hören. Sie wollen haben, die Freiheit soll nur geprediget, die Laster aber und Uebelthaten von uns nicht gestrafet werden. Nach dem neuen Menschen ist es betrübt, die Lehre des Gesetzes zu hören; aber dem groben Volke, dem alten Menschen, dem Esel, muß es geprediget werden. Nach dem Fleisch bist du in Sünden, im Tode rc. Dem Fleische soll keine Gerechtigkeit, keine Freiheit geprediget, sondern der Stecken des Treibers auferleget werden. Außer dem Glauben, im Fleisch, muß das Gesetz getrieben werden. Denn wir sollen gebessert werden, damit der Leib der Sünden aufhöre. Welches kann nicht genug erinnert werden, wegen der Geilheit und Muthwillens des Fleisches, welches überall nach Freiheit trachtet, da es doch nothwendig dem Gesetz muß unterworfen werden. Du bist frei vom Gesetze, so viel den alten Menschen anbetrifft, welcher unter dem Stecken des Treibers sein muß, auf daß er getödtet werde. Aber über den neuen Menschen soll dieser Stecken nicht herrschen; denn dieser ist frei, ist ein König und Herr über die Sünde, den Tod, den Teufel, wie ich gesagt habe, wegen des Sohns, der uns gegeben, der die Freiheit auf seinen Schultern hat.

Am 12. October.

„Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel!“

Zum ersten richten wir uns selber, und verklagen uns mit unsern eigenen Worten, daß wir Gott ungehorsam sind und seinen Willen nicht thun. Denn wenn es also um uns stünde, daß wir Gottes Willen thäten, so wäre dies Gebet umsonst. Darum ist es erschrecklich zu hören, wenn wir sagen: Dein Wille geschehe. Denn was mag schrecklicher sein, denn daß Gottes Wille nicht geschehe, und man sein Gebot verachtet, das wir klärlich wider uns selbst in diesem Gebet bekennen? Denn es muß wahr sein, daß wir Gottes Willen nicht thun oder gethan haben, sintemal wir allermeist darum bitten. Denn vor Gottes Augen hilft nicht heuchlen oder spiegelfechten; sondern, wie man bittet, so muß es auch gründlich wahr sein. Dieweil denn wir bis an unser Ende dies Gebet beten müssen, so folget, daß wir auch bis an unser Ende erfunden und beschuldiget werden, als die Gottes Willen ungehorsam sind. Wer mag denn nun hoffährtig sein, oder bestehen vor seinem eigenen Gebet, darinnen er findet, daß Gott, so Er wollte der Gerechtigkeit nach mit ihm handeln, in aller Billigkeit, als einem Ungehorsamen, durch seinen eignen Mund bekannt und überzeugt, alle Augenblick verdammen und verwerfen möchte? Also wirkt dies Gebet eine gründliche Demüthigkeit und Furcht Gottes und seines Urtheils, daß der Mensch froh wird, daß er Gottes Gerichte nur entfliehet und aus lauter Gnaden und Barmherzigkeit behalten werde. Das heißt gerichtet sich selbst, und Gericht geübt vor Gottes Augen, sich gründlich erkennen und beklagen, wie denn dies Gebet ausweiset.

Zum andern, die Gerechtigkeit ist, wenn wir uns selbst also gerichtet und erkannt haben, daß wir denn nicht verzagen vor dem Gerichte Gottes, daß wir uns schuldig erfinden durch Anzeigung dieses Gebets, sondern zu Gottes Gnade Zuflucht haben und in Ihm festiglich vertrauen und bitten, Er wolle uns erlösen von dem Ungehorsam und dem, daß wir seinen Willen nicht thun.

Denn der ist gerecht vor Gott, der seinen Ungehorsam und Sünde, auch das verdiente Urtheil demüthiglich bekennet und darüber herzlich Gnade bittet, und nicht daran zweifelt, sie werde ihm gegeben. Also lehret der Apostel, (Röm. 1,17; Gal. 3,11.), daß ein gerechter Mensch nirgend von Anderm, denn von seinem Glauben und Vertrauen in Gott bestehen möge, und also nicht seine Werke, sondern die bloße Barmherzigkeit Gottes sein Trost und Zuversicht ist.

Am 13. October.

Das ist ein Ding, beharren, festhalten und des Endes erwarten, daran lieget es; es liegt nicht so viel am Anheben, sondern am Hinausführen. Es ist besser, beharren in denen Sachen, denn anfahen; wie Christus sagt, Matth. 10,22: wer beständig bleibet bis ans Ende, der wird selig werden. Wie nun das vom Glauben und endlichen beständigen Bekenntniß des Evangelii gesagt ist, so ist von allen andern Sachen und Handeln zu sagen. Denn darauf gehet auch das Sprüchwort: Der Anfang ist heiß, das Mittel laue, das Ende gar kalt. Und sonderlich haben die Deutschen diese feine Art an sich, mit Händen und Füßen fallen sie wieder davon. Und sonderlich thun sie das in der Lehre, daß sie leicht die neuen Lehren annehmen. Aber das ist aller Menschen Art.

Darum soll man nicht allein denken vom Anfang, sondern vom Ende. Denn wirst du in einem Amte sein und den Sachen helfen und rathen wollen, so wird dir Undankbarkeit begegnen, und man wird deine Wohlthat leicht achten und vergessen, Arges für Gutes, und eitel Undank für deine große Wohlthat bezahlen. Wo du aber kleinmüthig bist, so wirst du zeitlich verdrossen und ablassen. Aber thue es nicht, halte fest, fahre fort, richte dein Amt aus, Gott wird bei dir sein.

Am 14. October.

Wer Christi Wort im Herzen hat, der wird so keck und unerschrocken, daß er kann der Welt und des Teufels Zorn und Toben verachten und dawider Trotz bieten. Wie sichs auch bewiesen hat in den heiligen Märtyrern, ja, auch in jungen Mägdlein, als St. Agatha und Agnes, welche so fröhlich zur Marter sind gangen, als gingen sie zum Tanze, und ihrer zornigen Tyrannen dazu spotteten. Ist dies nicht verdrießlich von einem jungen Mägdlein, daß sie des Teufels Zorn, Schwerdt und Tod sogar verachtet und für Nichts hält, daß sie es nichts Anders nennet, denn zum Tanzen gehen?

Lieber, woher hat sie solchen Trotz? Das liebe Wort Christi gibt ihr solchen. Wo das ins Herz gehet, so machets eben solchen Muth, als dieser heiligen Jungfräulein. Das muß den Teufel über alle Maaßen verdrießen, und das gebrannte Leid thun, daß sein grimmiger Drachen- und Löwenzorn, so die ganze Welt frisset, soll so gar verlachet und verspottet werden.

Am 15. October.

Gottes rechte Hand ist erhöhet, fährt hoch her, lieget aber und sieget immer, das ist, die Gläubigen haben nicht allein den Trost vor Gott, daß sie der Sünden los und gerecht sind vor Gott, sondern auch Hülfe von Ihm haben, daß sie endlich siegen wider Teufel, Menschen und Welt, und also vom Tode, Hölle und von allem Uebel erlöset werden, dürfen keiner Menschen- noch Fürstenhülfe dazu. Sie ist auch kein nütze, und vermag solche hohe große Werke nicht zu thun; sondern die hohe, herrliche Hand Gottes gehet daher in solchen hohen Wunderwerken, und hilft aus allen Nöthen. Sterben wir aber darüber, so bringet sie uns erst recht zum Leben, das kein Ende hat. Denn diese rechte Hand ist zu hoch, es kann sie weder Trübsal, noch Angst, weder Schwerdt, noch Hunger, weder Engel, noch Fürst, herunterreißen, Röm. 8,35. u. s. w. Hangen wir uns nun daran mit festem Glauben, wie alle Gerechten thun, so sind wir auch eben so hoch, und soll uns weder Trübsal, noch Angst, noch Fürst, noch Teufel, weder Feuer, noch Wasser, noch keine andere Creatur, unterdrücken, der Sieg soll unser sein. Wiederum, wer sich an Menschen Arm hanget, und tröstet sich der Fürsten Hand, der muß herunter in Abgrund der Hölle, und wenn er über den Wolken führe, oder im Himmel säße.

Am 16. October.

Warum brauchen die Christen der Vernunft, weil man sie in Glaubenssachen muß zuschließen und beiseits thun, als die sie nicht allein nicht verstehet, sondern auch dawider ist und strebet; darum taugt sie auch Nichts in rechten, frommen, gottseligen Christen, ja, hindert mehr? Darauf antwortete Doctor Luther: Die Vernunft ist vor dem Glauben und Erkenntniß Gottes, ehe ein Mensch neu geboren wird, eitel Finsterniß, weiß und versteht Nichts in göttlichen Sachen; aber in einem Gläubigen, der nun vom heiligen Geist, durchs Wort neu geboren und erleuchtet ist, da ist sie ein schön, herrlich Instrument und Werkzeug Gottes. Denn gleichwie alle Gaben Gottes und natürliche Instrumente und Geschicklichkeiten an Gottlosen schädlich sind, also sind sie an den Gottseligen heilsam: Vernunft, Wohlredenheit, Sprachen rc. fördern und dienen alsdann dem Glauben, da sie zuvor, vor dem Glauben, hinderten. Die erleuchtete Vernunft durch den Glauben empfänget Leben vom Glauben, denn sie ist nun getödtet und wieder lebendig gemacht. Gleichwie unser Leib am lichten Tage, wenns hell ist, besser und sicher, auch fertiger aufstehet, sich beweget, gehet, webet rc., denn in der Nacht, wenns finster ist: als auch die Vernunft nun anders ist, als die nicht mehr so hart wider den Glauben ficht und streitet, wie zuvor, ehe sie erleuchtet war, sondern fördert und dienet dem Glauben nun vielmehr. Also auch die Zunge, die zuvor eine Gotteslästerin war, rühmet, lobet und preiset Gott und seine Gnade; wie meine Zunge jetzt eine andere Zunge ist, denn vorhin im Papstthum; jetzund ist sie erleuchtet, gleichwie ein kalt Eisen, wenn es glühend ist, so ists ein anderes und heiß Eisen. Und das ist die Wiedergeburt, so vom heiligen Geist durchs Wort geschieht, da bleibet die Person sammt ihren Gliedmaßen und Wesen an ihr selbst, wie sie von Gott geschaffen ist, allein, daß sie nun anders gesinnet wird. Die Vernunft ist der Eitelkeit unterworfen, wie alle andere Creaturen Gottes, Röm. 8,20, nämlich dem Narrenwerk; aber der Glaube fordert ab die Eitelkeit vom Wesen.

Am 17. October.

Luther nahm einst sein kleines Martinchen auf den Schooß, küssete es und herzte dasselbige, und sprach: Wie lieb ich sie Alle habe; ach ein großer Segen Gottes ist das; doch wollte ich, daß ich in des Kindes Alter gestorben wäre. Wiewohl geschieht es den Kindern, die in solcher Zeit sterben, obgleich mir's ein groß Herzeleid wäre, denn es stürbe ein Theil von mir selber, und auch ein Theil von der lieben Mutter. Lieber Herr Gott, wie soll sich ein Herzpochen erhoben haben, da Abraham seinen einigen und allerliebsten Sohn Isaak hat sollen tödten? O wie wird ihm der Gang auf den Berg Marijah so sauer sein angekommen! Er wird der Sarah Nichts davon gesagt haben. - Da fing seine Hausfrau an und sagte: Ich kann's in meinen Kopf nicht bringen, daß Gott so grausam Ding von Jemand begehren sollte, sein Kind selbst zu tödten. Darauf antwortete er: Liebe Käthe, kannst du denn das glauben, daß Gott seinen eingebornen Sohn hat für uns sterben lassen, da Er doch nichts Liebers im Himmel und auf Erden gehabt, denn diesen geliebten Sohn?

Am 18. October.

Das ist unser Trost, der uns erhält und das Herz fröhlich und muthig macht wider der Welt Verfolgen und Wüthen, das wir haben einen solchen Herrn, der uns nicht allein erlöset von Sünden, Gottes Zorn und ewigem Tod; sondern auch uns schützet und rettet in Leiden und Verfolgung, daß wir nicht sollen untergehen. Und ob sie schon aufs Gräulichste wider die Christen rumoren, soll darum das Evangelium, noch die Christenheit nicht untergehen, sondern ihre Köpfe darob zerschmettert werden.

Am 19. October.

Das Wort Gottes ist ein solches Wort, das, wenn man nicht alle Sinne zuschließt, und es alleine mit dem Gehöre vernimmt und ihm Glauben beimißt, so kann man es nicht fassen, wie Jesajas 7,9 stehet: Glaubet ihr nicht, so bleibet ihr nicht. Denn das Wort Gottes macht Einen zum Thoren und macht Einen blind; oder, wie der Apostel Paulus (2 Cor. 10,5) spricht: Es nimmt gefangen alle Vernunft unter den Gehorsam Christi. Auf welche Art Christus auch zu den Pharisäern spricht, Joh. 8,37: Meine Rede sähet nicht unter euch. Dieses verstehet Niemand, außer zur Zeit der Trübsal, da der Mensch ganz und gar von allem Rath verlassen ist, und nur schlechterdings am Worte hanget, und in Allem von dem Gehöre des göttlichen Worts sich lenken laßt. Daher kommt die Klage in der Schrift über das jüdische Volk, daß es mit seinem Ohr schwerlich hörte, und seine Ohren nicht neigte, noch gehorchte der Stimme des Herrn, weil es zur Zeit der Trübsale sich nicht von dem Worte Gottes lenken ließe, Apostelgeschichte 28,27, sondern sie wollten sich mit ihren Anschlagen und mit ihren Augen selbst regieren, das ist, sie glaubten nicht, und wollten lieber sein wie Rosse und Maulthiere, die nicht verständig sind, Ps. 32, V. 9.

Am 20. October.

Christus nennet alle Christen zusammen eine Braut und Er ist der Bräutigam; hier soll kein Mittel sein. Was wäre das für eine Ehe, so eine Mittelperson sich müßte zwischen die Ehe stellen und der Braut bei ihrem Bräutigam Etwas erwerben. Eine schlechte Liebe und eine baufällige Ehe ist das, so der Bräutigam seiner Braut nicht die Schlüssel und Gewalt über Wein, Brod, und was im Hause ist, gäbe. Also sollen wir hier wissen, daß Christus unser lieber, freundlicher Bräutigam ist, und wir sind die Braut; da ist kein Mittel vonnöthen; sondern wir wollen selbst mit solcher ganzen Zuversicht zu Ihm treten, als je eine geliebte Braut zu ihrem holdseligen, freundlichen ehelichen Gemahl immer getreten ist. Denn der christliche Glaube bringet zuwege, daß Christus mein Bräutigam ist, und ich seine Braut; es ist sein Reichthum, Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Reinigkeit, Weisheit, Demuth, Geduld und dergleichen alle Tugend von der Gnade Gottes. So nun diese Dinge meines Bräutigams sind, wahrlich, so sind sie auch mein, wie St. Paulus spricht zun Römern 8,32: So für uns aber Gott seinen Sohn dahin gegeben hat, wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken?

Am 21. October.

Kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Niemand erzittere, oder fürchte sich, zu mir zu kommen, er komme getrost und fröhlich zu mir. Ich will ihn nicht zurücke treiben, ich will ihn nicht verwerfen, ich will ihm kein Leid thun, ich will nicht seinen Schmerz vergrößern. O, eine große und reiche Barmherzigkeit desjenigen, der die armen Sünder so lieblich zu sich ruft. Wer wollte nun verzweifeln, er müßte denn sich selbsten feind sein und sich selber von dem Worte „Alle“ ausschließen? Denn, der so Alle ruft, schließt Keinen aus. Das heißt die betrübten Sünder trösten. Also lasset uns hinzutreten mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhle, auf daß wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hülfe noch sein wird. Ebr. 4,16. Es liegt ein Nachdruck, gleichwie in allen Worten, also vornehmlich in diesem: zu mir. Als wollte Er sagen: Was laufet ihr anders wohin? Warum suchet ihr eure Verdienste? Was kümmert ihr euch um Anderer ihre Fürbitten? Zu mir, zu mir, spricht Er, kommt; ohne mich laufet ihr vergeblich, ohne mich suchet und thut, ihr Alles umsonst. Also heißt es beim Hosea 13, 9: Israel, du bringest dich in Unglück, denn dein Heil stehet allein bei mir. Und das ganze 55ste Kapitel Jesaia gehört hieher, da er spricht: wohlan, Alle, die ihr durstig, kommt her zum Wasser, und die ihr nicht Geld habt, kommt her, kaufet und esset, kommt her und kaufet ohne Geld und umsonst beide, wein und Milch, warum zählet ihr Geld dar, da kein Brod, und eure Arbeit, da ihr nicht satt von werden könnet? Höret mir doch zu, und esset das Gute, so wird eure Seele in Wollust fett werden. Neiget eure Ohren her, und kommet her zu mir, höret, so wird eure Seele leben; denn ich will mit euch einen ewigen Bund machen, nämlich die gewissen Gnaden Davids.

Am 22. Oktober.

Das ist aber die Summa unserer Lehre, daß wir lehren und bekennen, daß Gott die Person eher annimmt, denn das Werk, und daß die Person nicht fromm oder gerecht wird durch ihr gut und gerecht Werk, sondern, daß das Werk gut und gerecht wird durch die Person, die gerecht und fromm ist; das Werk gefällt Gott um der Person willen, nicht die Person um des Werks willen, wie unsere Widersacher fechten und vorgeben, der Mensch werde gerecht aus den Werken und nicht aus dem Glauben allein. Wie denn auch alle Werkheiligen thun, welcher Gedanken, Sinn und Gemüth allein auf Werke gerichtet sind, und welcher willen sie hoffen und gedenken, Gott angenehm zu sein, trauen aber nicht auf Gottes Barmherzigkeit, hoffen auch nicht, daß Gott um Christi willen die Sünde vergeben wolle.- Wenn Einer an der Person Gefallen hat, so lasset er ihm gefallen Alles, was sie thut; da wiederum Einem Alles entgegen und zuwider ist, was der thut, dem man feind ist. Gott sieht nicht an, wie groß, wie viel, noch wie köstlich das Werk ist, sondern sieht schlecht auf den Glauben der Person, wie Er wiederum das Werk nicht verachtet, wie gering, unwerth und verworfen es auch ist; sondern verachtet allein den Unglauben der Person. Was ist es auch, daß die Papisten groß rühmen von der Messe, vom wollenen Hemde, von großer Arbeit, von großen, vielen und köstlichen Werken, weil Gott nach den Werken nicht fragt, auch nach denen nicht, dir Er selbst geboten hat, wenn sie nicht im Glauben geschehen? Viel weniger aber fragt Er nach den Werken, die vom Menschen ohne Gottes Wort erdacht und erfunden werden, sondern nach dem Glauben sieht und fragt Er allein, das ist, daß man sich seiner Gnade tröste und darauf verlasse um Christi willen; denn dadurch hebt die Person erst an, Gott zu gefallen; darnach gefallen auch ihre Werke. Der Glaube macht nicht gerecht als ein Werk, sondern darum macht er gerecht, daß er angreift Gottes Gnade und Barmherzigkeit, in Christo erzeigt. In diesem Glauben und Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit lebt und schwebt die Kirche mit einem demüthigen Bekenntniß ihrer Sünde und Unwürdigkeit und hoffet, Gott werde sie ihr um Christi willen vergeben.

Am 23. October.

Das ist gewißlich wahr, wenn mans recht gegen einander rechnet, so haben die Gläubigen den Vortheil, daß sie nicht gerne sollten wechseln mit den Gottlosen. Obgleich diese im Sause leben, und sie viel leiden müssen; doch zerplagen und martern sie sich selbst zehnmal mehr, denn uns, mit ihrem giftigen, unruhigen Haß, und mit so viel vergeblichen Anschlägen, wie sie uns Schaden thun, und allerlei bösen Stücken und Tücken, damit sie sich versündigen, daß sie doch kein gut Gewissen, noch rechte fröhliche Stunden haben, und ihre eigene Teufel sind hier auf Erden; und doch nicht mehr damit ausrichten wider uns, ohne daß sie uns ein wenig beschmutzen und drängen, so weit ihnen Gott erlaubet. Welche aber an Christum glauben, dürfen solcher Sorge und Plage nicht, und können doch ein fröhlich Herz und Gewissen haben. Ob wir ein wenig gedränget werden, und der Teufel uns klemmet; aber dennoch muß er wider ablassen, und wir indeß durch das Wort erquicket werden, daß uns die Last und Drangniß süße wird, und alleine halbe Marter haben, auswendig am äußerlichen Menschen; sie aber zwiefältig des Teufels Märtyrer sind, beide, hier und dort ihre Hölle haben, mit ewiger Plage und Unruhe des Gewissens, von Mord und Blut; daß sie keine fröhliche, gute Gedanken zu Gott schöpfen können, ob sie gleich auswendig eine kleine Freude und Lust haben. So geschieht ihnen recht, wie die Schrift sagt (Jer. 17,18): Herr, gib ihnen zweifache Plage und Herzeleid.

Am 24. October.

Dienet dem Herrn mit Furcht, und freuet euch mit Zittern. (Ps. 2. 11.)

Da ich ein Knabe war, war ich diesem Verse gram; denn ich hörte nicht gerne, daß man sich vor Gott fürchten sollte. Es geschah aber aus der Ursach: denn ich wußte nicht, daß die Furcht sollte mit Fröhlichkeit oder Hoffnung vermischet werden; das ist, ich wußte nicht den Unterschied zwischen unsern und Christi Werken. Unsere Werke sind böse, wie denn die ganze Natur böse ist; darum sollen wir nicht sicher sein, sondern Gottes Zorn und Gerichte fürchten. Dagegen sind Christi Werke heilig und vollkommen; darum sollen wir auf seine Güte trauen. Denn Er ist nicht um seinetwillen geboren, unter das Gesetz geworfen, und endlich an's Kreuz gehängt, sondern hat es um unsertwillen und uns zu gute gethan, hat es uns geschenket und zu eigen gegeben. Darum sollen wir uns also fürchten, daß die Freude nicht gar ausgeschloffen werde. Es soll aber eine rechtschaffene Freude sein. Denn sie wird nicht also in's Herz verschlossen, daß man von Außen keine Zeichen davon sähe. Wenn das Herz zufrieden ist, und glaubt feste, daß uns Gott um Christi willen wieder versöhnet ist, so ist das Angesicht fröhlich, die Augen sind wacker und freundlich, die Zunge lobet Gott. Auf die Weise, 'spricht der heilige Geist, werdet ihr Christo, eurem Könige, dienen, daß inwendig und auswendig Freude sei; doch mit Scheu und Ehrerbietung, daß wir nicht zu Sauen werden und allzusicher, und in eine fleischliche Fröhlichkeit gerathen. Denn Gott ist wohl zufrieden, es ist Ihm nicht zuwider, daß wir fröhlich und guter Dinge seien, wenn man nur nicht sicher ist; ja mit Traurigkeit und Schwermüthigkeit erzürnet und beleidiget man Ihn. Darum sollen wir fröhlich sein, doch also, daß wir nicht sicher werden, sondern neben der Freude soll Furcht, und neben der Furcht Freude mit vermischet sein.

Am 25. October.

Das Opfer, so es angenehm sein soll vor Gott, soll es Lob und Dank sein, oder je nicht ohne Lob und Dank. Und wenn es ohne Lob und Dank geschieht, will und mag Ers nicht, wie Er auch Jes. Kap. 1,11 sagt: was soll mir euer Opfer? Ich will euer Räuchern nicht. Wir können auch sonst Nichts Gott geben; denn es ist schon Alles sein, und wir habens Alles von Ihm; allein Lob, Dank und Ehre können wir Ihm geben. Das meinet auch Ps. 116,12.13: was soll ich doch Gott bezahlen für alles Gute, das Er mir gegeben hat? Ich will nehmen den heilbaren Reich und anrufen Gottes Namen. Du hast zerrissen meine Bande, darum will ich Dir opfern das Opfer des L.obes. Nun ist Lob nichts Anders, denn bekennen die Wohlthat, von Gott empfangen, und dieselbige nicht uns, sondern allein Ihm zuschreiben und wieder heimtragen. Und dasselbige Loben und Bekennen geschieht auf zweierlei Weise. Einmal, vor Gott allein, zum andernmal vor den Menschen und ist ein eigentlich Werk und Frucht des Glaubens; davon lehret St. Paulus, Röm. 10,9.10: mit dem Herzen glaubet man, dadurch wird man rechtfertig, aber mit dem Munde bekennet man, dadurch wird man selig. Denn so du mit deinem Munde bekennest, daß Jesus der Herr sei, und glaubest mit deinem Herzen, daß Ihn Gott von den Todten erweckt hat, so wirst duselig. Als sollte St. Paulus sagen: Das ist nicht der rechte Glaube, daß du heimlich wolltest im Herzen an Christum glauben und im Winkel loben, du mußt Ihn frei mit dem Munde bekennen vor Jedermann, wie du glaubest im Herzen. Das gilt dir denn alsbald den Hals. Denn solch Bekennen mag Teufel und Mensch nicht hören, und das Kreuz ist an solchen Bekennern gebunden; wie du siehest, daß auch jetzt der Papst, Bischof, Pfaffen, Mönche, Christi Wort nicht hören, noch leiden können, daß wohl der Prophet saget: Ich will den heilbaren Kelch nehmen und Gottes Namen anrufen. Als sollte er sagen: Sollte ich Gott loben und bekennen, so werden sie mich drob drängen und ängstigen mit dem Kelch der Marter; wohlan, ich will ihn annehmen in Gottes Namen, und Gottes Lob darum nicht schweigen; er wird mir auch nicht schaden, sondern heilbar sein, und nur frisch zur Seligkeit helfen, das will auch Christus (Mark. 8,38): wer sich mein und meiner Worte schämet vor diesem sündigen und ehebrecherischem Geschlechte, deß wird sich der Sohn des Menschen auch schämen, wenn ihr kommt in der Klarheit seines Vaters mit seinen heiligen Engeln.

Am 26. October.

Alle Gesetze werden in Einem Worte erfüllet, in dem: Liebe deinen Nächsten als dich selbst. Will also sagen: Was beschweret ihr euch mit dem Gesetz? Was martert und plaget ihr euch viel mit seinen Ceremonien von Speisen, Tagen, Stätten, daß man so und so essen, trinken, feiern, opfern soll? Lasset solch Gaukelwerk fahren und höret, was ich euch sage: Alle Gesetze werden aufs reichlichste und vollkömmlichste in den einigen Wörtlein begriffen: Liebe deinen Nächsten als dich selbst. Denn Gott hat kein Wohlgefallen an des Gesetzes Ceremonien, bedarf ihr auch nirgend zu; das aber will Er nun von euch, weil ihr Christen seid worden, haben, daß ihr glaubet an Christum, den Er gesandt hat; wenn ihr das thut, seid ihr in Ihm vollkommen, und habt Alles, was ihr haben sollt. Wollt ihr über den Glauben unserm Herrn Gott einen angenehmen Dienst thun, so befleißiget euch, zu halten dieß kleine, kurze Gebot: Liebe deinen Nächsten als dich selbst, und wisset, daß alle Gesetze darinnen begriffen sind. Wenn ihr das erfüllet, so habt ihr alle Gesetze erfüllet.

Am 27. October.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu. (Phil. 4, 7.)

Dieser Friede Gottes ist nicht zu verstehen von dem Frieden, damit Gott bei Ihm selbst stille und zufrieden ist; sondern den Er uns gibt ins Herz, daß wir zufrieden sind. Gleichwie das Wort heißet, das wir aus Ihm reden, hören und glauben. Es ist Gottes Gabe, darum heißets sein Friede, auch darum, daß er mit Gott Friede mache, ob wir bei den Menschen Unfrieden haben. Derselbige Friede überschwebet alle Sinne, Vernunft und Verständniß. Das mußt du nicht also verstehen, daß ihn Niemand fühlen, noch empfinden möge. Denn sollen wir mit Gott Friede haben, so müssen wirs je fühlen im Herzen und Gewissen; wie könnte sonst unser Herz und Sinne bewahret werden, durch Ihn; sondern also sollst du es verstehen: Wenn Trübsal und Widerwärtigkeit kommt über die, so nicht wissen mit Gebet zu Gott zu fliehen und sorgfältig sind, so fahren sie zu und suchen auch Frieden, aber nur den, den die Vernunft begreifet und erlanget. Die Vernunft aber weiß von keinem Frieden, denn von dem, wenn das Uebel aufhöret. Dieser Friede schwebet nicht über Vernunft, sondern ist ihr gemäß. Darum toben und streben sie auch der Vernunft nach, bis daß sie denselbigen Frieden durch Abthun des Uebels erlangen, es sei mit Gewalt, oder mit List. Also wer eine Wunde hat, der verstehet und suchet die Gesundheit. Aber die an Gott sich freuen, lassen ihnen begnügen, daß sie mit Gott Friede haben, bleiben männlich in Trübsal, begehren nicht den Frieden, den die Vernunft will, nämlich des Uebels Aufhören; sondern stehen fest und warten der inwendigen Starke durch den Glauben, fragen Nichts darnach, ob das Uebel kurz, lang, zeitlich oder ewig sei und bleibe; denken und sorgen nicht, wie das Ende werden wolle, lassen Gott walten immerhin, wollen nicht wissen, wann, wie, wo und durch welchen. Darum thut ihnen Gott auch wieder Gnade und schaffet ihrem Uebel ein solch Ende, mit so großem Vortheil, das kein Mensch hätte können gedenken und wünschen.- Siehe, das heißt der Friede des Kreuzes, der Friede Gottes, der Friede des Gewissens, der christliche Friede, der machet, daß der Mensch auch auswendig stille und mit Jedermann zufrieden ist, und Niemand verunruhiget. Denn das begreifet, noch thut keine Vernunft, daß ein Mensch sollte unter dem Kreuze Lust, unter dem Unfriede Friede haben. Es ist ein Gottes Werk, das Niemand bekannt ist, denn dem, der es erfahren hat; davon auch Paulus gesaget (Röm. 15, 13.): Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Friede im Glauben.

Solches habe ich so grob, und albern daher müssen sagen, um der groben, faulen Christen willen, die nicht weit den Sachen nachzudenken wissen und also unversehens laß und sicher werden, als dürften sie weder Gottes, noch seines Wortes, gehen dahin, als hätte es weder Gefahr, noch Noth mit ihnen; darum verlieren sie den Glauben, und werden untüchtig zu guten Werken. Aber Gott hat uns solche Feinde überbleiben lassen, daß wir zu kämpfen hatten, und nicht faul und sicher würden, gleichwie geschrieben steht (Richt. 3,2): daß Er seinem Volk Israel auch etliche Könige und Fürsten umher ließ bleiben, auf daß sie kriegen lernten und in Krieges Gewohnheit blieben. Denn Gottes Wort ist allmächtig, so ist der Glaube und Geist geschäftig und unruhig, muß immer zu thun haben und zu Felde liegen. So muß das Wort Gottes nicht geringe, sondern die allermächtigsten Feinde haben, an welchen es kann Ehre einlegen nach seiner großen Gewalt, als denn dieser 4 Gesellen sind: Fleisch, Welt, Tod, Teufel, daher Christus heißet der Herr Zebaoth, das ist, ein Gott der Heerfahrt oder Heerschaaren, der immer krieget und in uns zu Felde lieget.

Am 28. October.

Darum wollen wir auch mit St. Paulo muthig sein und sprechen: Es soll verderben und vermaledeiet sein alle Lehre, sie komme vom Himmel oder von der Erden, oder, wo sie denn herkommt und bracht wird, die da lehret den Menschen ihre Hoffnung und Vertrauen setzen in eigene Werke, eigene Gerechtigkeit, Verdienst und gute Werke, und nicht allein laute in die Gnade, Trost und Verdienst Jesu Christi. Wir sind auch an dem nicht widerspenstig und sträflich gegen die Päpste und Nachkommen der Apostel, sondern gütig und wahrhaftig in Christum. Es ist ja billig und recht, daß wir Christum, Gottes Sohn, sollen Menschensclaven vorsetzen. Wollen sie es nicht dulden, sollen sie hinfort gemieden werden von uns, als eine höllische, eine ewige Vermaledeiung.

Am 29. October.

Der Glaube kann nicht betrübt, noch verzagt sein vor Tod, noch Hölle, sondern wo er ist, da richtet er das Herz auf und machet es unerschrocken, daß es getrost kann sagen: Was frage ich nach Sünde, Tod und des Teufels Schrecken? Habe ich doch einen Herrn, der droben zur rechten Hand Gottes sitzet und herrschet über Alles im Himmel und Erden, und mir seine Gerechtigkeit und Leben schenket. Kannst du die Kunst wohl, so will ich auch sagen, du seist ein Doctor über alle Doctor; aber es wird dir gewißlich, wie allen Andern, auch den höchsten Heiligen, widerfahren, daß die daran bald zerrinnen und viel zu wenig werden wird, wenn es recht zum Treffen und Zügen kommt. Denn, daß die Welt die Lehre vom Glauben gering achtet, das machet, daß sie sicher und ruchlos dahin gehet, und nicht weiß, noch erfahren hat, was Schrecken der Sünde und ein verzagt Gewissen thut; aber hernach, wenn sie der Tod und Schrecken übereilet, so weiß sie keinen Rath und fallt plötzlich in Verzweiflung und müssen alsdann, wenn es zu lang geharret, wohl erfahren, was für ein Ding ist um den Glauben, das sie zuvor nicht gewußt; nämlich, daß es nicht sind todte Buchstaben, oder Worte auf den Zungen, oder ein lediger Gedanken und Wahn, den die Papisten Glauben heißen; sondern ein unerschrockener, unverzagter Muth, der da könne mit ganzem Erwägen des Herzens trotzen auf Christum wider Sünde, Tod und die Hölle. Darum klagen hier auch die hohen Heiligen über ihre Schwachheit und müssen wohl bekennen, weil sie noch in Schrecken und Angst, betrübt und traurig sind, daß ihnen noch viel am Glauben fehle. Denn an diesen Worten ist freilich kein Zweifel, noch Mangel: Wer da glaubet, der wird selig u. s. w., daß schon die Hölle zugeschlossen, der Himmel offen, ewiges Leben und Freude da ist; aber da fehlts noch am ersten Stück, daß du noch nicht der Mann bist, der da heißt: qui credit, ein Glaubender, oder je noch schwächlich bist. Jedoch, wie schwach du bist, so du nur an Christo bleibest hangen, wirst du den Trost, Kraft und Stärke finden, die da alles Schrecken, Tod und Hölle überwinden, welches aller Menschen Kräfte, Werke und Verdienst nicht vermögen.

Am 30. Oktober.

Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Höllen sollen sie nicht überwältigen.

Wir wollen die vielfaltigen Gedanken und Gezanke, welche Viele über diese Worte haben, fahren lassen; überhaupt beruhet die Meinung Christi auf diesem Satze: Das ist meine Kirche, welche diese Offenbarung hat, welche du, Petre, hier bekennest. Als wollte Er sagen: Wahrlich, du hasts troffen, denn da stehet Alles darauf; das ist meine Kirche, welche diese Offenbarung hat, daß ich Christus des lebendigen Gottes Sohn bin. Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen. Da solls auf stehen, wer da selig soll werden, da solls auch wohl bleiben, obgleich alle Pforten der Höllen dawider wüthen und toben sollten. Denn ich bin Christus des lebendigen Gottes Sohn, darum soll sie Niemand aus meiner Hand reißen. Obgleich die Pforten der Höllen räuberisch sind und wider mich sowohl, als euch wüthen; doch sollen sie Nichts ausrichten, weil du, Petre, gesagt hast, und zwar recht, daß ich des lebendigen Gottes Sohn und Christus bin. Derwegen bist du selig und Alle sind selig, die dieses glauben und dabei beharren; und ich sage, daß diese Ueberwinder der höllischen Pforten sind, das ist, der Sünde, des Todes und der Hölle, obgleich diese Pforten wüthen und toben. Denn ich bin der Kirche (das ist derjenigen, die, wie du, glauben und bekennen), unüberwindlicher Grund, darauf sie sich gewiß genug verlassen kann. Denn durch mich werden sie überwinden, in mir werden sie Friede haben und Alles ausrichten können. Hieraus erhellet, daß Christus allhier von einer ganz andern Sache rede, als der Papst mit seinem Anhange träumet. Christus redet vom ewigen Leben, von dem Siege über die Pforten der Hölle, von dem Wüthen des Teufels und von der Erhaltung der Kirche und Seligkeit der Gläubigen. Hingegen der Papst verstehet von seiner Gewalt und Tyrannei, oder von dem Gehorsam gegen seine allerthörichtsten und gottlosesten Gesetze, welche nicht von dem Glauben an Christum, der die Pforten der Höllen überwindet, lehren, sondern von zeitlichen Dingen, von Ehrenämtern, von Reichthümern und, daß ich es noch auf das gelindeste gebe, von den Ceremonien, welche mit diesem Leben vergehen müssen, dergleichen Dinge auch die Heiden und Epicuräer lehren können, ohne diese Offenbarung des Vaters von Christo, als dem Sohne des lebendigen Gottes.

Derohalben wollen wir auch die alten Lehren, welche der Papst und seine Anhänger zu ihrem Behuf bei dieser Stelle anführen, fahren lassen, und der einigen und einfältigen Meinung, welche St. Augustinus davon hat, folgen, als welche sowohl dem Glauben ähnlich ist, als auch nach dem Zeugniß der Grammatik bestehet. Denn es ist nöthig, daß eine jedwede Schriftstelle nur einen einzigen, eigentlichen, gewissen und wahren Verstand habe, die übrigen sind zweifelhafte und ungewisse Muthmaßungen, vor welchen man sich in der heiligen Schrift hüten muß. St. Augustini Meinung aber ist diese, daß Christus mit Unterschied rede. Erstlich zu Petto, indem Er spricht: Du bist Petrus! welches man also verstehen muß nach des Herrn Christi gewöhnlicher und liebreicher Leutseligkeit gegen seine Jünger; das ist: Wohlan, du bist doch ja recht Petrus, denn du triffst den Petrum, den Felsen und rechten Grund, da es aufstehet und stehen muß.

Zum andern redet Er zu sich selbst, wenn Er spricht: Und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen.

Auf diesen Felsen, das ist, auf mich, nicht auf dich. Denn er spricht nicht: Du bist Petrus, und auf dich Petrum, sondern auf diesen Felsen (das ist auf mich) will ich meine Gemeinde bauen. Also saget auch Augustinus. Christus spricht nicht: Ich will mich auf dich, sondern dich auf mich bauen, weil Petrus selbst auf Christum, den Felsen, nothwendig muß erbauet haben. Diese Meinung St. Augustini ist deutlich genug, und die eigentliche Meinung. Denn das Wort „bauen“ kann nicht also verstanden werden, als sollte auf Petrum gebauet werden, sintemal Er nicht spricht: auf dich, sondern: auf diesen Felsen. Aber was braucht es viel Worte? Die Kirche muß nothwendig auf einen lebendigen, ewigen Grund, und auf einen solchen Fels, der bei ihr ist bis ans Ende der Welt, gegründet und erbauet, und eine Ueberwinderin der Höllen sein. Petrus aber, der Apostel, außerdem, daß er ein sündiger Mensch ist, ist gestorben, gleichwie alle andere Heiligen, und ist auch selbst auf diesen Felsen erbauet worden. Daher reimet sich diese ganz und gar nicht zu der päpstlichen Tyrannei.

Am 31. October.

Du bereitest vor mir einen Tisch gegen meine Feinde. (Ps. 23,5.)

Gott hat recht und wohl dran gethan, daß Er uns hat lassen bleiben in solchem Stande, da wir müssen mit der Sünde, Tod, Teufel, Welt, Fleisch und allerlei Anfechtungen kämpfen und ringen, auf daß wir genöthigt und gezwungen werden, seine Gnade, Hülfe, Wort und Sacrament zu suchen und zu begehren. Sonst, wo das nicht wäre, würde kein Mensch ein Haar breit weder nach seinem Wort, noch nach seinem Sacrament fragen, weder Gnade, noch Hülfe suchen. Nun aber solche Jagdhunde, ja Teufel hinter uns sind und uns aufstören, so müssen wir wohl munter werden, und wie ein gejagter Hirsch zum frischen Wasser, also auch wir nach Gott schreien, wie der 42ste Psalm sagt, damit unser Glaube wohl geübt, erfahren und stark werde, und wir also in Christo bleiben und fest werden. Sprichst du aber, du fühlest keine Sünde, Tod, Welt, Teufel rc. und keinen Kampf, noch Streit mit ihnen, darum zwinge dich auch der Noth keine zum Sacrament; Antwort: Ich hoffs nicht, daß solches dein Ernst sei, daß du allein unter allen Heiligen und Menschen auf Erden ohne solch Fühlen sein solltest. Und wo ich wüßte, daß es dein Ernst wäre, so wollte ich's wahrlich bestellen, daß man auf allen Gassen, wo du gingest, alle Glocken läuten müßte und vor dir her ausrufen: Hier gehet daher ein neuer Heiliger über alle Heiligen, der keine Sünde fühlet, noch thut. Aber ich will dir ungescherzt sagen: Fühlest du keine Sünde, so bist du gewißlich in Sünden gar todt, todt und die Sünde herrschet mit Gewalt über dich. Und daß ich der groben, äußerlichen Sünden schweige, als: Lust zu Unzucht, Ehebruch, Zorn, Haß, Neid, Rache, Hoffahrt, Geiz, Wollust rc., so ist das schon allzu viel und große Sünde, daß du keine Noth und Lust hast zum Sacrament, denn daran merket man, daß du auch keinen Glauben hast, das Wort Gottes nicht achtest, Christi Leiden vergessen hast, und voll Undankbarkeit steckest und aller geistlichen Gräuel.

Darum ist mein Rath, wenn du ja so gar unempfindlich dich findest, daß du nicht Sünde, Tod rc. fühlest, so greif' an dein Maul, Nase, Ohren, Hände, und fühle, ob's Fleisch oder Stein sei. Ist's Fleisch, wohlan, so glaube doch der Schrift, kannst du deinem Fühlen nicht glauben. Die Schrift sagt aber (Gal. 5,17): Das Fleisch streitet wider den Geist; item (Röm. 7,18.): Im Fleische ist nichts Gutes, und dgl. Denselbigen Sprüchen nach sprich also: Wahrlich, ich fühle, daß ich Fleisch habe an meinem Leibe, so wird gewißlich nichts Gutes drinnen sein. Darum, so lange ich Fleisch habe, ist mir freilich noth, zum Sacrament zu gehen, meinen Glauben und Geist zu starken wider das Fleisch, welches meinem Geist zuwider ist. Die Schrift leugt dir nicht, aber dein Fühlen und Nichtfühlen treuget dich. Denn obwohl die Sünde durch Christum vergeben und also überwunden ist, daß sie uns nicht verdammen, noch das Gewissen beschuldigen kann, so ist sie doch so fern noch da blieben, daß sie uns anfechten und also unsern Glauben üben kann.

Also auch, fühlest du die Welt nicht, so siehe dich um, wo du bist, ob du nicht unter den Leuten wohnest, da du siehest, hörest und erfahrest Mord, Ehebruch, Raub, Irrthum, Ketzerei, Verfolgung und allerlei Untugend.

Wenn du das siehest, so glaube der Schrift, die da sagt: Wer stehet, der sehe zu, daß er nicht falle! Denn in solchen Stücken kannst du auch alle Stunden fallen, nicht allein mit dem Herzen, sondern auch mit der That. Denn du kannst wohl deinen Feind hassen und Schaden thun, oder hindern am Guten rc. Demnach mußt du sagen: Wahrlich, ich sehe, daß ich in der Welt bin, mitten unter allerlei Sünden und Lastern, darein ich wohl fallen kann. Darum, so lange ich in der Welt bin, darf ich's wohl, daß ich zum Sacrament gehe, auf daß ich mich an meinen Heiland halte und meinen Glauben stärke, damit ich solcher bösen Welt widerstehen und vor Sünden und Lastern behütet werden möge. Denn ob uns Christus wohl hat die Welt überwunden, das sie uns nicht kann zur Sünde zwingen, so ist sie doch so fern dablieben, daß sie uns anfechten, plagen und verfolgen und damit unsern Glauben üben kann.

Desgleichen fühlest du den Tod nicht, so gehe zum Beinhause und zu den Gräbern auf dem Kirchhofe, oder glaube der Schrift, die sagt: Allen Menschen ist gesetzt, einmal zu sterben; so wirst du finden, daß du noch nicht im Himmel bist leibhaftig, sondern hast den Tod auch noch vor dir, und dein Grab wartet dein auch unter den andern, und bist deß keinen Augenblick sicher. Wenn du das siehest, so gedenke: Wahrlich, ich bin noch nicht hinüber, ich muß mit dem Tode auch noch kämpfen. So lange ich nun noch lebe, ist mir noth, zum Sacrament zu gehen, auf daß ich meinen Glauben stärke, damit der Tod mich, so er mich übereilt, nicht erschrecke und verzagt mache. Denn es ist ein grausamer Feind, den Ungläubigen unerträglich, ja auch den Schwachgläubigen erschrecklich. Und ob ihn Christus wohl überwunden hat, daß er uns nicht fressen, noch behalten kann, so ist er doch sofern da blieben, daß er uns erschrecken und mit Verzagen anfechten und also unsern Glauben üben kann. Also, fühlest du den Teufel nicht, wie er zum Mißglauben, Verzweifeln, Gott Lästern und Hassen treiben kann, so glaube der Schrift, die uns zeigt, wie er mit solchen Stücken Hiob, David und St. Paulum und Andre mehr geplaget hat, und dich auch noch so plagen kann. Demnach sprich: Wahrlich, der Teufel ist noch ein Fürst der Welt, und ich bin ihm noch nicht entronnen. So lange ich aber in seinem Fürstenthum bin, bin ich sein nicht sicher. Darum muß ich zum Sacrament gehen und mich zu meinem lieben Helfer und Heilande halten, damit mein Herz und Glauben täglich gestärket werde, auf daß mich der Teufel mit seinem Pfahl nicht auch spieße oder mit seinen feurigen Pfeilen erwürge. Denn obwohl Christus uns den Teufel überwunden hat, so ist er dennoch so fern ein Herr der Welt blieben, daß er uns mit den hohen geistlichen Anfechtungen bestreitet und also unsern Glauben üben kann.

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Schemen
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