Krafft, Johann Christian Gottlob Ludwig - Christus, unsere Weisheit - Vierte Predigt.
Christus, unsere Erlösung.
Mit dreifacher Würde, uns zu Gute, sehen wir denjenigen angethan, dessen Ankunft, dessen Erscheinung auf Erden wir in diesen Wochen feiern. Ein dreifaches Amt verwaltet Er. Er ist Prophet und Hohenpriester und König der Welt. Als Prophet der Welt ist Er das Licht der Welt, unser oberster Lehrer, der göttliche Gesandte, der uns den ganzen Rath und Willen Gottes unsrer Seligkeit halber verkündigt hat. Als Hohenpriester der Welt ist Er der Mittler zwischen Gott und den Sündern, der die Erlösung der Sünder erst möglich gemacht hat, indem Er durch sein dargebrachtes Opfer am Kreuze die Sünde der Welt versöhnt hat, und nun Vergebung der Sünden erwirkt und das Recht giebt, Kinder Gottes zu werden, Allen, die an seinen Namen glauben, und für sie bittet, und sie vertritt. Als König der Welt ist er Herr über Alles, und das Haupt seiner Gemeinde, die sein Leib ist in allen ihren Gliedern, die Er durch seinen heiligen Geist regiert und heiligt und sie bewahrt und reinigt und ihnen durchhilft und aushilft zu seinem himmlischen Reiche, zur ewigen Ruhe und Freude. Als Prophet ist Er uns von Gott zur Weisheit gemacht, zum Lehrer der Weisheit verordnet, auf daß Er uns erleuchte, wer Gott ist, und wer wir sind, und was uns Noth ist, und uns Erkenntnis; des Heils gebe. Als Hohenpriester ist Er uns von Gott zur Gerechtigkeit gemacht, daß Er uns kraft seines Todes für uns im göttlichen Gerichte vertrete und die Lossprechung auswirke, daß Er das erkannte Heil uns verschaffe, das da ist in Vergebung unsrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unsres Gottes. Als König ist Er uns von Gott zur Heiligung gemacht, daß Er durch seinen heiligen Geist uns Kraft gebe, Ihm zu dienen ohne Furcht unser Lebenlang in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die Ihm gefällig ist, und zu wachsen in allen Stücken der christlichen Vollkommenheit an Ihm, der das Haupt ist, auf daß Er uns zu seiner Zeit auch seiner Herrlichkeit theilhaftig mache. So lange Er uns noch nichts weiter, als unser Lehrer ist, können wir uns auch Seiner erst wenig freuen, denn so lange ist sein Heil noch nicht unser; vielmehr wird die Last unsrer Sünde und Schuld, die auf uns liegt, immer drückender und schwerer. Erst, wenn wir wissen, was wir an Ihm als unsrem Mittler und Hohenpriester haben, haben wir Frieden mit Gott, und Freudigkeit und Zugang zum Vater in aller Zuversicht, durch den Glauben an Ihn. Mittelst dieses seligmachenden Glaubens aber wird auch die Liebe Gottes ausgegossen in unser Herz durch den heiligen Geist, welcher uns gegeben wird, und dadurch werden wir von Stufe zu Stufe gefördert in aller Vollkommenheit und geheiliget. Dieses königliche Amt und Werk des Herrn zu unsrer Reinigung und Heiligung vollendet Er in der Zukunft durch unsre völlige Erlösung. Er führt es hinaus, und läßt nicht ab, bis Er alle seine und unsre Feinde überwunden hat. Der letzte Feind, der überwunden wird, ist der Tod. Durch die Auferweckung unsrer Leiber, durch unsre Verklärung im Reiche der Herrlichkeit vollendet Er dereinst an uns sein Werk. Und je mehr wir wachsen in der Heiligung, desto lebendiger wird diese unsre Hoffnung. In dieser Hoffnung gründe und stärke uns der Herr durch sein Wort und seinen Geist, und segne uns dazu diese Stunde.-
O Gott, wer sind wir, daß Du Dich unser also angenommen, daß Du uns Christum, Deinen Sohn, zur Fülle alles Segens gemacht hast, daß wir um Seinetwillen und durch Ihn nun empfangen können Licht um Licht, Gnade um Gnade, Kraft um Kraft, und als Deine Kinder auch sollen die Erben Deiner Herrlichkeit seyn! So segne uns die festlichen Tage dieser Woche, daß wir aufs Neue beides erkennen, unsre Unwürdigkeit und Deine Barmherzigkeit, und uns im Glauben freuen des Aufgangs aus der Höhe, der Sonne der Gerechtigkeit, die Du uns in Ihm hast aufgehen lassen, und Heil unter ihren Strahlen. Gieb, daß wir aufs Neue inne werden ihrer erleuchtenden, erwärmenden, stärkenden und seligmachenden Kraft. Dazu wollest Du uns die Betrachtung Deines Wortes segnen in dieser Stunde! Amen.
Text: 1. Korinth. 1, 30.
Von welchem auch ihr herkommt in Christo Jesu, welcher uns gemacht ist von Gott zur Weisheit, und zur Gerechtigkeit, und zur Heiligung, und zur Erlösung.
Von diesen vier Gaben der Gnade Gottes in Christo, die der Inbegriff unsres Heils sind, haben wir die drei ersten in den verflossenen drei Advent-Sonntagen, jede einzeln, betrachtet. Die erste Segnung, die uns Gott in Christo bereitet hat, ist die Weisheit. Wer Weisheit suchet, komme Hieher und lerne! Hier, ist Weisheit, nicht bloß dem Namen, sondern der Wahrheit nach.. Hier, und sonst nirgend, findet Befriedigung, wer Gotteserkenntniß und seines Wortes Verständniß, wer Aufschluß über sich und seine Bestimmung, über die Menschheit, über die Geschichte, über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sucht. Hier ist Wahrheit und Gewißheit, die das Herz gewiß macht, die nicht trügt, die nicht irre führen kann, denn es ist Christus, es ist der, der uns von Gott zur Weisheit gemacht ist. Die zweite Hauptwohl, that, die uns Gott durch Christum bereitet hat, ist die, Gerechtigkeit, unsre Rechtsprechung im göttlichen Gericht, die Vergebung der Sünden, die Erlassung aller unsrer Schuld, welche eine Gnadenwohlthat ist, was uns und unsre Unwürdigkeit betrifft, und in sofern mit Recht Begnadigung heißt, welche aber auch eine Rechtshandlung ist, was Christum und sein Verdienst betrifft, wodurch diese Gnade erworben worden, und im göttlichen Gericht deshalb von Rechts wegen zuerkannt wird denen, die an Ihn glauben, und in dieser Hinsicht wird diese Gnaden, wohlthat mit Bedeutung und Nachdruck unsre Rechtfertigung genannt. Wer also Vergebung sucht, komme Hieher, und kaufe Ablaß, Ablaß, der gültig ist in Gottes Gericht, und kein Geld kostet, denn er ist bezahlt mit dem theuren Blute Christi. Wir sind theuer erkauft. Durch den Glauben an Ihn empfangen wir wahrhaftige und völlige Vergebung. Er ist uns von Gott selbst zur Gerechtigkeit gemacht. Die dritte Gnadenwohlthat, die uns von Gott durch Christum zufließt, ist unsre Heiligung, unsre Reinigung von der Sünde selbst, von aller Befleckung des Fleisches und Geistes. Wer mit Christo durch den seligmachenden Glauben verbunden wird, wird Ein Geist mit Ihm, und empfängt aus Ihm Kraft, sich zu reinigen und Frucht zu bringen in Geduld. Bei Niemanden, als bei dem, der unsre Gerechtigkeit ist, finden wir auch Stärke; bei Ihm aber finden wir sie. Ist die Sünde in uns mächtig, so ist doch seine Gnade noch Mächtiger, uns gründlich von ihr zu heilen. Die Züchtigung, in der wir so schwach erscheinen, und meist auch sind, ist ein Hauptmittel dazu. Seine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Er giebt den Müden Kraft, und Stärke genug den Unvermögenden. Die auf Ihn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln, wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden. Wir vermögen Alles durch den, der uns mächtig macht, durch Christum, der uns auch hiezu, zu unsrer Heiligung, von Gott selbst gemacht ist.
Was bleibt uns, geliebte Zuhörer, nach dem Allen zu wünschen noch übrig? Wenn wir durch Jesum Licht für unsern Verstand gefunden haben, wenn wir durch Ihn Gotte versöhnt, Frieden haben in unsrem Gewissen, und wenn wir erfahren, daß Er uns auch die Kraft darreicht, die uns zur Heiligung Noth ist, was bleibt uns nach dem Allen noch zu wünschen übrig? Nichts weiter, als daß er uns zu seiner Zeit auch von allem Uebel, von allen Leiden erlöse, daß Er endlich alle und jede Folge der, Sünde aufhebe, also auch diesen unsern Leib, diesen Leib des Todes unsterblich und verklärt wie, der herstelle. Und sehet, auch das soll geschehen, und nicht außen bleiben. Davon eben heißt es viertens zuletzt in unsrem Texte: Christus ist uns von Gott auch zur Erlösung gemacht.
In andern Stellen der Schrift wird das Wort Erlösung auch in einem weitern Sinne gebraucht und das ganze Werk Gottes in Christo, das ganze Werk unsres Heils darunter begriffen. In diesem weitern Sinne ist Er in jeder Hinsicht unser Erlöser, auch in sofern Er uns zur Weisheit, zur Gerechtigkeit und zur Heiligung von Gott gemacht ist, namentlich, in wiefern wir Ihm allein unsre Rechtfertigung im göttlichen Gericht verdanken, wie es im Brief an die Römer heißt: Wir werden gerecht ohne Verdienst, aus seiner Gnade, durch die Erlösung, so durch Jesum Christum geschehen ist (Röm. 2, 24.). An welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden (Ephes. 1, 7.). Aber in andern Schriftstellen hat das Wort Erlösung die engere Bedeutung der künftigen Vollendung unsrer Erlösung? unsrer schließlichen Befreiung von allem Uebel. In diesem Sinne sprach Paulus kurz vor seinem Ende (2. Timoth. 4, 8.): Der Herr aber wird mich erlösen von allem Uebel, und aushelfen zu seinem himmlischen Reiche. Und in diesem Sinne wird das Wort, auch in unsrem Texte gebraucht, wo die Erlösung von den übrigen Gaben der Gnade unterschieden und zuletzt genannt, und als die Vollendung des Heils bezeichnet wird, das uns Gott in Christo bereitet hat. Diese Erlösung beginnt zum Theil auch schon hienieden. Ist, es nicht etwas Großes und jetzt schon Seligkeit, wenn uns Erleuchtung geschenkt worden, wenn Christus unsre Weisheit geworden, wenn wir wissen? an wen wir glauben, und Erkenntniß der Wahrheit empfangen haben? Wie glücklich sind wir dann doch jetzt schon in Vergleich mit denen, die sich selbst für weise halten, die, vom Dünkel eigner Weisheit aufgeblasen, hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn, oder sich wägen und wiegen lassen von jedem Wind der Lehre, lernen immerdar, und können nicht zur Erkenntniß der Wahrheit kommen! Ist es nicht hier schon Erlösung und der Anfang der ewigen Freude in unsrem Herzen, wenn wir den Frieden der Seele, den Frieden mit Gott gefunden haben durch den Glauben an Christum, wenn Er unsre Gerechtigkeit geworden, und seine Gerechtigkeit, und nicht die unsrige, nun der Grund, der unbewegliche Grund unsrer Zuversicht ist? Wie selig sind wir dann doch jetzt schon vor denen, die noch immer ihre Hoffnung auf eigene Gerechtigkeit gründen, in dem zerrissenen und besudelten Kleide ihrer eignen Gerechtigkeit sich Wohlgefallen, suchen Ruhe und finden sie nicht, halten sich mit den Christen in Laodizea für reich, und wissen nicht, daß sie sind elend und jämmerlich, arm, blind und bloß! Und von wie vielen Nebeln und Leiden werden wir hienieden schon erlöset in dem Maaße, als Christus unsre Heiligung wird! Mit jeder Unlauterkeit des Herzens, von der Er uns erlöset und reiniget, ist eine bittre Wurzel von Leiden aller Art von uns genommen, und eine Quelle unzähliger Uebel verstopft. Die bittersten Leiden sind die immer, die wir uns selbst bereiten durch Stolz und Neid, oder durch Ehrgeiz und verborgene Eigenliebe, oder durch unreine Lüste und Leidenschaften, oder durch Geldgeiz und Habsucht, oder durch Afterreden, Zorn, Hader und Haß. Von diesen Wurzeln alles Uebels werden wir gereinigt in dem Maaße, als wir geheiligt werden. Wir werden erlöset von aller Menschenfurcht und von unfruchtbaren tobten Werken im Dienste des vergänglichen Wesens dieser Welt, und werden Knechte und Mägde des Herrn, Gefäße der Ehre in seinem Hause, dem Hausherrn bräuchlich zu allem guten Werk, in dem Maaße, als wir geheiligt werden. . Mit-Leib und Seele, mit Kraft, mit Zeit und Vermögen werden wir dem Herrn eigen und seine Werkzeuge, und säen auf Hoffnung einer ewigen Freudenernte im Himmel, in dem Maaße, als wir geheiligt werden. Ja, die Knechte und Mägde des Herrn werden nach dem Maaße, daß die Kraft seines Wortes und Heiligen Geistes nach Geist, Seele und Leib, je mehr und mehr sie durchdringt und von der Krankheit der Sünde selbst heilt; schon hier von vielem, vielem Uebel erlöset, und sind nicht mehr unselig, wie die, deren Herz nach wie vor ein Tummelplatz des ungöttlichen Wesens und der weltlichen Lüste ist, und welche, ständen sie durch Stand, Reichthum, Schönheit und Ehre hienieden auch noch so hoch, nimmer glücklich dabei sind und seyn können, so lange sie von der Wurzel alles Uebels in ihnen? nicht erlöset, so lange sie nicht geheiligt werden, wie die Erfahrung auch sattsam lehrt. Ja, mit Recht heißen die Gläubigen schon hier die Erlöseten; sie sind es, und sie allein sind es, die da sagen können: Wir sind selig, ob, wohl sie, so lange sie hienieden sind, auch alle sagen müssen mit dem Apostel (Röm. 8, 24.): Wir sind wohl selig, doch in der Hoffnung. Kraft dieser Hoffnung aber sind sie es auch wirklich jetzt schon, nämlich durch Christum, der die Hoffnung ihrer Herrlichkeit ist; einst aber werden sie es vollkommen seyn. Auf diese Hoffnung der dereinstigen vollkommenen Erlösung zur Zeit der Wiederkunft des Herrn, zur Zeit der Auferstehung des Fleisches, sieht der Apostel in unsrem Texte ganz insbesondere, wenn er sagt, daß uns Christus von Gott auch zur Erlösung gemacht worden. Wir harren, sagt er in gleichem Sinne im achten Kapitel des Briefs an die Römer, wir harren auf unsres Leibes Erlösung; und eben so im vierten Kapitel des Briefs an die Epheser, wo er den Gläubigen sagt, sie seyen mit dem heiligen Geist versiegelt auf den Tag ihrer Erlösung. Dieser Tag der Wiederkunft Christi, der Tag der Auferweckung unsrer Leiber kann auch allein in vollem und schließlichem Sinne der Tag unsrer Erlösung genannt werden, weil erst mit diesem Tage die Befreiung von allen Folgen der Sünde eintritt; denn die Wirkungen des Todes, der der Sünde Sold ist, sind nicht völlig aufgehoben, bis auch unser Leib wieder auferweckt wird. Ist aber dieser wieder hergestellt, so sind alle Folgen aufgehoben, die die Sünde gehabt hat, so ist keine mehr übrig. Nach diesem Tage sehnt sich mit uns die ganze Kreatur, wie der Apostel sagt (Röm. 8.): Das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Denn auch sie ist mit in die Folgen des Falls des Menschen hineingezogen und der Eitelkeit, nämlich der Vergänglichkeit, mit unterworfen worden; die Erde ist um den Sünde des Menschen willen verflucht worden, und keineswegs das jetzt, was sie ursprünglich war. Aber, sagt per Apostel, auch sie ist unterworfen worden auf Hoffnung. Denn auch die Kreatur frei werden wird vom Dienste des vergänglichen Wesens, zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, sagt er, daß alle Kreatur sehnet sich mit uns, und sehnet sich noch immerdar. Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst,, die wir haben des Geistes Erstlinge, sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft, und warten auf unsres Leibes Erlösung. Nun diese Erlösung ist uns. in Christo zugesagt, und das, ist die vierte große Wohlthat, die uns Gott in Ihm bereitet hat. Und sollte Er nicht auch in dieser Hinsicht Werth geachtet seyn in unsren Augen, und unsrem Herzen theuer? Sey unser Leib immerhin der geringste Theil unsres Wesens, immer ist er ein werther Theil unser selbst, und so mit der Seele vereinigt, daß sie ihn unmöglich anders, als lieben kann. Das fühlen, wir im Schmerze, der, durch unsre Seele fährt, wenn wir die Leiber der Unsrigen sehen in die Erde versenkt werden, das fühlen wir im Schauer, der uns überfällt, wenn wir's uns irgend lebhaft vor Augen halten, wie über kurz oder lang unsre eigenen Glieder der Verwesung anheimfallen und im Grabe modern werden. Das fühlen, wir, und wer unter uns weiß, wie bald?, in den Leiden und Bangigkeiten des letzten Kampfes! Aber wir, trauern darüber nicht, wie die, die keine Hoffnung haben, wir haben nicht Ursache, vor dem Tode uns zu fürchten, den Gedanken an den Tod von uns ferne zu halten in den Tagen der Gesundheit, und ihn geflissentlich zu verscheuchen in den Tagen der Krankheit und in den Tagen des Alters, und seine Annäherung auf alle Weise uns zu verbergen, auch wenn er schon vor uns sieht, wie diejenigen müssen, die im Tode verlieren, was ihnen hienieden das Liebste gewesen. Denn ist Christus hienieden unser Leben geworden, so ist Sterben in jeder Hinsicht unser Gewinn. Der Seele nach sind wir alsbald bei dem Herrn; für das sündliche Fleisch aber, für den. sterblichen Leib, den wir ausziehen, werden wir an jenem Tage mit einem verklärten und unsterblichen Leibe wieder bekleidet. Es wird gesäet verweslich, aber es wird auferstehen unverweslich. Es wird gesäet in Schwachheit, ein hinfälliger Leib, aber er wird auferstehen in Kraft, ein Leib, über den weder Tod noch Krankheit irgend eine Gewalt hat. Es wird gesäet in Unehre, ein Leichnam, der den Lebendigen Ekel und Abscheu erweckt, aber er wird auferstehen in Herrlichkeit. Wann dieß geschehen seyn wird, dann können wir jenes Triumphlied anstimmen, das uns der Apostel zum voraus in den Mund gelegt hat: Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Gott sey Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum.
Sehet da, geliebte Zuhörer, in unsern Textesworten, so kurz sie sind, einen umfassenden Unterricht über das Heil, das uns Gott in Christo bereitet hat. Es beginnt dieß Gnadenwerk, wie das Schöpfungswerk begann, mit dem Hervorrufen von Licht in der Finsterniß, und es endet mit der Erlösung, mit einer Herrlichkeit, die kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist, Gott ewiglich darin zu preisen. Daran lehrt uns der Herr auch gedenken am Schlüsse des Gebets, das Er uns gelehrt hat: Erlöse uns von dem Hebel; denn Dein ist das Reich, und die Kraft, und die Herrlichkeit. Keine der in unsrem Texte genannten vier Gnadenwohlthaten darf fehlen; jede der, selben ist uns unentbehrlich. Wie nöthig ist uns Christus als unsre Weisheit! Wie wüste und leer ist's in unsrem Herzen von Natur, und wie finster auf der Tiefe! Wie untüchtig zum Reiche Gottes sind wir ohne des Heiligen Geistes Erleuchtung! Wie nöthig ist uns Christus als unsre Gerechtigkeit! Wer kann ohne Mittler vor Gott erscheinen und vor sein Gericht treten? Wer mit dem Kleide seiner eignen Gerechtigkeit im hochzeitlichen Saale des Himmels erscheinen? Gelobt sey Gott, der uns selber den Mittler bereitet hat, der in Christo war und die Welt mit Ihm selber Versöhners, der den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht hat, auf daß wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt! Wie, nöthig ist uns Christus als unsre Heiligung! Gott verschont in Christo des Sünders, aber nicht der Sünde. Der Sünder soll leben, aber die Sünde in ihm sterben und getödtet, und er gereiniget von ihr und geheiliget werden von Stufe zu Stufe; denn in den Himmel kann nichts Unreines eingehen. Wie nöthig ist uns Christus als unsre Erlösung! Wer, als Er, kann unsre Gräber öffnen, und unsre Leiber wieder erwecken? und den Himmel und die Erde umschaffen, und einen neuen Himmel und eine neue Erde darstellen, in welchen Gerechtigkeit wohnt? Das Alles soll uns werden aus der Fülle der Gnade Gottes in Christo, und soll uns werden in der hier vorgeschriebenen Ordnung; Eines geht immer aus dem Andern hervor. Erst Licht, Weisheit; das ist die Erweckung, wo es im Herzen heißt: Was muß ich thun, daß ich selig werde? Das ist der Zug des Vaters zum Sohne. Die Wohlthat, die wir nun zuerst bedürfen, und zuerst auch empfangen, ist die Vergebung, unsre Begnadigung, unsre Rechtfertigung im göttlichen Gericht durch den Glauben: Christus unsre Gerechtigkeit. Dadurch wird Er zugleich unsre Heiligung. Erst Christus für uns, und dadurch und darnach Christus in uns. Die Buße zu Gott und der Glaube an Christum ist der Boden, worauf die Heiligung wächst mit allen ihren Früchten, und auf diesem Grund und Boden der Demuth vor Gott und des Glaubens an Christum, müssen wir uns täglich erneuern, täglich neu feststellen im Geiste unsres Gemüths, wenn es an der täglichen Stärkung und dem täglichen Wachsthum unsres inwendigen Menschen, an der täglichen Kreuzigung des alten Menschen sammt seinen Lüsten und Begierden nicht fehlen soll. Wie aber aus der Gerechtigkeit die Heiligung, so aus der Heiligung die Erlösung. Die Sünde ist die Quelle alles Uebels, mit, hin die Reinigung von der Sünde auch der gerade Weg zur Erlösung von allem Uebel. Und das Alles nicht aus uns, sondern von Gott durch Christum, auf daß, wie geschrieben steht, wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn.
Ja, zur Freude haben wir Ursache, zur Freude über die Geburt des Erlösers, die uns in dieser Woche wiederum verkündigt wird. Es ist ein theures und werthes Wort, das uns Allen verkündigt wird, daß Jesus Christus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen. Wer unter uns sich darüber nicht von Herzensgrund freuen kann, den bitten wir, in sich zu gehen. Wer unter uns seine geistlichen Bedürfnisse noch nicht fühlt, wen die Liebe dieser Welt noch fesselt, wundre sich nicht, wenn ihn zeitlicher Reichthum und Ehre dieser Welt, und Wohl, leben und gute Tage mehr interessiren, als Christus und sein Heil. Das heißt nicht Weisheit, bloß von Hören, sagen wissen und auswendig gelernt haben vom Wege der Seligkeit, und ihn doch nicht gehen; solche Erkenntniß vermehrt nur die Schuld. Das ist das Gericht, sagt Jesus, daß das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen lieben die Finsterniß mehr, als das Licht, Das heißt nicht Gerechtigkeit, mit dem Munde Jesum bekennen, und dem Leibe nach erscheinen beim heiligen Abendmahl, wo das Herz doch ferne ist, wo wir nicht gedemüthigten Geistes, als Mühselige und Beladene vor Ihm erscheinen, und darum auch nicht mit lebendigem Glauben des Herzens; da wird die Schuld und Last der Sünde nicht von uns genommen, sondern der Zorn Gottes bleibt über uns. Da werden wir auch von der Herrschaft der Sünde nicht frei, und erfahren Christum nicht als unsre Heiligung, und die leibliche Auferstehung ist alsdann eine Auferstehung des Schreckens, der ewigen Schande und Schmach, die Auferstehung des Gerichts.
O, Geliebte, lasset uns Weisheit kaufen, dieweil der Tag der Gnade noch leuchtet, lasset uns den Frieden suchen, die Reinigung unsres Gewissens durch den Glauben, dieweil sie für uns noch zu finden ist, lasset uns der Heiligung nachjagen, dieweil es noch Zeit ist, und jede Bestrafung des Heiligen Geistes, jede Belehrung und Erinnerung über Unlauterkeit, die noch in uns ist, im Herzen mit aller Sorgfalt bewegen, Ihn um Kraft bitten, und nicht ablassen damit, bis Er uns erhört, bis Er uns reinigt. So werden wir uns auch freuen können unsrer Erlösung, und, wie sich ein Lehrer ausgedrückt hat, das Evangelium nicht hören und lesen, wie ein Advokat ein Testament liest, sondern so, wie der Erbe es liest. Sind wir Kinder, so sind wir auch Erben. Zu dieser Freude mache der Herr uns tüchtig, daß wir ein Hosianna von Herzen Ihm singen können an dem Feste seiner Erscheinung, und daß Er am Tage seiner Wiederkunft uns bekennen könne vor seinem himmlischen Vater! Amen.