Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Das gnadenvolle Geheimnis des großen Versöhntages, nach 3. Buch Mosis Kap. 16

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - Das gnadenvolle Geheimnis des großen Versöhntages, nach 3. Buch Mosis Kap. 16

Das richtige Verständnis der gnadenvollen Geheimnisse des großen Versöhntages, welche in dem 16. Kapitel des 3. Buches Mosis enthüllt werden, setzt das vorgängige Verständnis der Bedeutung der Opfer im Allgemeinen und des gesamten Opferdienstes unter dem alten Bund voraus. Die Anleitung, welche wir dazu geben wollen, kann nicht auf alles das, was bei den Opfern in Betracht kommt, näher eingehen: wir werden vielmehr unter Zugrundelegung der Anordnungen, welche in dem genannten 3. Buche Mosis verzeichnet sind, zu unserm Zwecke hauptsächlich das hervorheben, was zur Auferbauung dient in unserm allerheiligsten Glauben.

Das dritte Buch Mosis, auch genannt das Buch Leviticus, stand bei dem jüdischen Volk als das Buch, was vornehmlich von den Opfern handelt, von jeher in sehr hohem Ansehen. Zum Unterricht in der Muttersprache und in der Lehre des Heils wurde dieses Buch in allen jüdischen Schulen zu Grunde gelegt. Aber, wird man sagen, was bedeutet das für uns Christen? Uns geht doch der ganze Opferritus nichts mehr an. Das ist richtig; aber als Schatten und Vorbilder des einzigen Opfers was vor Gott gilt, des Opfers Christi am Kreuze geschehen, haben die Opfer des alten Bundes auch für uns den höchsten Wert, wenn wir anders ein Bedürfnis haben für Trost im Leben und für Stärkung im Glauben. Wenn wir sagen: Opfer des alten Bundes, so ist dies nur uneigentlich zu verstehen; denn als Vorbilder und Gleichnisse gehören die Opfer zu dem neuen Bund, zum Bund der Gnade.

Was bedeuten die Worte Opfer und opfern? Nach dem Gebrauch unserer und der neueren Sprachen überhaupt verstehen wir unter Opfer eine Handlung, womit man Gott gewisse Dinge barbringt, um seine Gunst zu erlangen oder seinen Zorn zu versöhnen. Oder es ist eine Handlung, womit man sich gewisser Dinge von Wert freiwillig entäußert zu Gunsten eines Dritten; in diesem Sinne spricht man z. B. von Opfern, die auf den Altar des Vaterlandes niedergelegt werden, wenn man zum allgemeinen Besten Geschenke an Geld oder an wertvollen Dingen darbringt. Diese Begriffe von Opfer, mit denen wir aufgewachsen sind, sind aber ganz verkehrt und stehen einem richtigen Verständnis am meisten im Wege, da wir nie von der Vorstellung loslassen können, es handele sich dabei allein um ein von uns zu verrichtendes Werk.

Dieselbe verkehrte Vorstellung finden wir bei den Heidenvölkern des Altertums, die teils in Nachäfferei des göttlichen Opferdienstes, teils aus einem dunklen Drang nach einer Genugtuung für Übertretung und Sünde, nach einer Versöhnung Gottes mit dem Menschen durch einen in Mittel tretenden Tod, ihren Göttern Schlachtopfer darbrachten, und zwar nicht nur von Tieren, sondern sogar von Menschen. Sie nannten solche Opfer piacula, das ist Sühnmittel, Mittel den Zorn der Götter ob begangener Missetat wegzunehmen und ihre Gunst sich wieder zu erwerben. So drehte es sich auch bei den Heiden um das opus operatum, um das getane Werk; und da sie, bei allem Verstand, den sie sich zutrauten und bei aller Bildung deren sie sich rühmten, die Wahrheit hassten, so bedachten sie nicht mal den großen Unverstand eines Opferns, welches nichts anders sagte als: Trinkt Gott Blut der Tiere? -

Hören wir nun welche Bedeutung die hebräische Sprache, in welcher Wort und Sache eins find, dem opfern gibt. Die Grundbedeutung des hebräischen Wortes Korban (Opfer), was von Karab abgeleitet wird, ist: nahen, nahe bringen. Wenn wir beim Propheten Jeremia Kap. 30, 21 lesen: „Ihr Fürst soll aus ihnen hervorgehen und ich werde ihn mir nahen machen und er soll zu mir nahen: denn wer ist der, der mit seinem Herzen willig ist (sich verbürgt) mir zu nahen? spricht der Herr“, so ist das ganz dasselbe, was der Apostel Paulus so ausdrückt: dass Er der Herzog unserer Seligkeit sich selbst durch ewigen Geist unsträflich geopfert habe.

Opfern ist also eine Handlung des Hinzunahens zu Gott. Gott selbst in seiner zuvorkommenden Gnade hat dem Menschen, der sich von ihm durch mutwilligen Ungehorsam entfernt und entfremdet hat, die Opfer angeordnet und eingelegt, um mittelst derselben ihm zu nahen.

Das hat Adam unmittelbar nach dem Fall, da er noch im Paradies war, verstehen lernen, als Gott der Herr ihm von Fellen geschlachteter Tiere Röcke machte und sie ihm anzog.

Von ihrem Vater Adam haben Kain und Abel opfern gelernt, und schon bei diesen ersten Opferern, deren die Schrift erwähnt, sehen wir wie das Werk als solches nichts ist und dass alles auf die Gesinnung ankommt.

Nach dem die erste Welt in der Sintflut untergegangen, lesen wir von Noah, dass er einen Altar baute und nahm von allerlei reinem Vieh und von allerlei reinem Gevögel und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der Herr roch den lieblichen Geruch seines Opfers und sprach: „Ich will hinfort die Erde nicht mehr verfluchen, um des Menschen (d. i. Christi) willen.“

Noch deutlicher sehen wir, als Gott mit Abraham einen Bund aufrichtete, dass das Opfern desselben, was die Tiere und die Art der Schlachtung betrifft, bereits in völligem Einklang ist mit der späteren Anordnung auf Sinai. In gleicher Weise haben Isaak, Jakob und die Patriarchen geopfert, so dass wir denselben Ritus, den der Herr durch Mosen vorgeschrieben, in den Hauptzügen von Adam an bei allen Gläubigen als bereits vorhanden annehmen können.

Das war ihnen allen bewusst, dass der Mensch, indem er ein Opfer darbringt d. i. etwas, womit er zu Gott naht, von dem Gefühl durchdrungen ist von Gott entfremdet zu sein; dass er eingesteht, dass es um Gott zu nahen eines Mediums, einer Vermittlung bedarf. So weiß ein solcher Mensch, dass er selbst Gott nicht nahen kann und deshalb lässt er das Opfer zu Gott nahen; und indem das Opfer Gott naht und er am Glauben in dem Opfer mit nahekommt, wird Gott dem Menschen gewogen. Das war von Anbeginn die Bedeutung des Opferns.

Das Opfer war durchgängig etwas geschlachtetes, etwas was getötet und dessen Blut ausgegossen wurde; entweder vom Vieh und zwar vom reinen Vieh und dies dreierlei Art: ein Rind, ein Schaf oder ein Widder, eine Ziege oder ein Bock; oder vom Gevögel: eine Turteltaube oder eine junge Taube. Sodann gab es Opfer von der Frucht der Erde, etwas von Mehl gebackenes ober geröstetes und Räuchwerk; immer etwas zerriebenes, zerstoßenes, gebranntes.

Die Unterlage, worauf geopfert wurde, heißt Altar. Das hebräische Wort ist abgeleitet von schlachten, so dass wir es füglich mit „Schlachtbank“ übersetzen können.

Mit dem Opferdienst waren ursprünglich die Häupter der Familien, die Erstgebornen, betraut und diese Ordnung galt auch noch zu Mosis Zeit. Jetzt aber ging nach dem Befehl des Herrn der gesamte Dienst des Altars und der Opfer auf einen Stamm, auf Levi; unter diesen Leviten hatten hinwiederum die Söhne Aarons besondere Rechte des Dienstes, und aus ihnen wurde als aller Priester Erster der Hohepriester genommen.

So war also nach der auf Sinai gegebenen Ordnung der Opferdienst ausschließlich ein Vorrecht der Leviten und der Priester. Der Ort des Opferdienste war vor der Türe - das ist vor dem Eingang der Hütte des Stifte, in welcher Gott sich offenbarte; an jedem andern Ort war das Opfern verpönt.

Da wie wir schon angedeutet das Opfern keineswegs ein bloßer Werkdienst war, so kam dabei alles auf die Beschaffenheit des Opferers an, auf seinen Gemütszustand. Dass die Sache mit dem Schlachten der Tiere nicht abgetan war; dass es eine Verhöhnung des heiligen Gottes gewesen wäre Tiere ihm darzubringen und sich selbst ihm zu entziehen - das war bildlich ausgedrückt in der Vorschrift: Jedes Opfer muss mit Salz gesalzen sein.

So wenig es in der Absicht Gottes lag den Menschen bei den Opfern mit dem Werk als solchem zu beschäftigen, ebenso fern lag es ihm den Menschen dadurch bloß belehren zu wollen, dass Er, Gott, der Urheber alles Guten sei und dass der Mensch eben durch Gaben und Darbringung zu dieser Erkenntnis genötigt werde um sich für die empfangenen Wohltaten dankbar zu erweisen. Wäre das die Meinung, so hätte das Opfer Kains den Vorzug gehabt vor dem des Abel; dann wären überhaupt die Früchte des Feldes geschickter zum Opfer als Tiere, deren Schlachtung und Verbrennung nebst dem beständigen Blutvergießen keinen Sinn haben würde.

Das nun war die Absicht Gottes mit dem Opferdienst:

Wenn ein Rind, Schaf oder Ziege dargebracht wurde, so musste der Opferer darüber seine Sünde bekennen, sich selbst anklagen und verdammen. In aufrichtiger Buße musste er mit seiner Sünde vor Gott einkommen und in tiefer Demut des Herzens wahrhaftige Reue über die Sünde als solche empfinden.

Sodann musste er seine Sünde auf das Opfer legen und sich selbst derselbigen dadurch entledigen, was bei wahrer Erkenntnis der Sünde nur am Glauben möglich war.

Indem dann der Opferer sich mit seinen Händen auf das Opfertier stützen musste, bekannte er mit dieser sinnbildlichen Handlung, dass er an und für sich in dem Abgrund seiner Verlorenheit versinken müsse.

Sah nunmehr der Opferer wie das Tier getötet, auf das Holz hinaufgehoben wurde und verbrannte, so war ihm das die Predigt: Siehe, so bist du des Todes schuldig; du liegst unter gleichem Fluch und gleicher Strafe; so verdienst du ans Holz geschlagen zu werden und die Pein der Hölle und der Flammen des Zornes Gottes auszustehen. Betrachtete er dagegen, wie an seine Stelle das Opfer eintrat, während er verdient hätte, dass seine Seele, sein Leben, sein Innerstes ausgegossen und aus dem Mittel getan werde; dass das Opfer, was nichts Todeswürdiges getan, nur eine fremde Schuld und Strafe trug: so hatte er eine handgreifliche Lehre von Gottes Gerechtigkeit und dass derselben müsse genug getan werden; zugleich eine Lehre von der gnädigen Versöhnung und von der Vergebung seiner Sünden, indem Gott durch das Opfer befriedigt und der Opferer dem Herrn dadurch angenehm gemacht war. Wie die Gemeine singt:
Ich bins, ich sollte büßen
In ew'gen Finsternissen,
Was nun dein Tod versühnt;
Die Geißeln und die Banden,
Und was du ausgestanden,
Das alles, Herr, hab ich verdient.

Du nimmst auf deinen Rücken
Die Lasten, die mich drücken,
Du duldest meine Pein.
Du bist ein Fluch; dagegen
Schenkst du mir allen Segen,
Dein Schmerz muss mir zum Troste sein.

So war denn die ganze Handlung eine Predigt von dem verheißenen Christo, und wie in dem Tod und Blutvergießen der Tiere, woran Gott an sich kein Gefallen haben konnte, sinnbildlich dargestellt war das ewige Opfer des Lammes ohne Fehl, Christi.

Gottes Wesen, Gerechtigkeit und Wahrheit verbieten eine andere Auffassung des Opferdienstes und können namentlich nicht mit der Ansicht in Einklang gebracht werden, als ob der Wert und die Annehmlichkeit des Opfers in dem getanen Werk d. i. in dem Opfer als solchem liegen könnten.

Gott ist Geist. Wie er Geist ist, so ist er eitel Liebe und Heiligkeit. Wie sollte er denn versöhnt werden durch ein Opfer von Fleisch und Blut, ein Opfer was nicht in sich trage und mitbringe einen Geist nach Gott, der wie Gott eitel Liebe Gottes und der Menschen und eitel Heiligkeit ist, gemäß dem Geist der Heiligkeit! Das würde ebenso wenig im Einklang sein mit Gottes Wahrheit und Gerechtigkeit. Zu dem ersten Menschen hatte es geheißen: „Wes Tages du davon isst, sollst du des Todes sterben.“ Das Gesetz verlangt also, dass die Menschheit welche gesündigt hat auch bezahle für die Sünden, wie könnten die Tiere die nicht gesündigt haben, für die Sünden der Menschen bezahlen?

Mochte denn auch der Opferer, wo er nach dem Gesetz seine Opfer darbrachte, formelle Vergebung, formelle Reinigung von Sünden und Erlass der äußerlichen Strafe erlangen: innerliche reale Vergebung, Erlass und Reinigung hatte er nur dann, wenn das Opfer ihm eine sinn- und vorbildliche Handlung war, wenn er mit dem Auge des Glaubens hinschaute auf den, der durch die Opfer abgebildet wurde als der einzige Darsteller der Reinigung unserer Sünden.

Dies haben wir bei den Opfern wohl zu beachten: nämlich, dass Gott gegen Sünde, Missetat und Übertretung kein anderes Mittel der Vergebung und Reinigung geboten hat, als das Blut und den Tod des Opfertiers, das Besprengen mit desselben Blute und das Waschen in lebendigem fließendem Wasser, so dass überall die Verheißung von Vergebung der Sünden an das Opfer geknüpft wird.

Da also der sündige Mensch durch kein anderes Mittel oder Werk sich reinigen und heiligen konnte; da er also wie er war Gotte nicht nahen durfte: so ließ er und zwar nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Grund der zuvorkommenden Anordnung Gottes statt seiner das Opfer Gott nahen. Das Opfer gab Genugtuung und versöhnte Gott; und wegen der Gültigkeit des Opfers, was im Glauben an Gottes Verheißung nahegebracht war, ging der Sünder gerechtfertigt nach Hause.

Deshalb erforderte das Gesetz vor allen andern Werken das Opfer, welches namentlich in Bezug auf Sündenvergebung als das erste und vornehmste Werk dastand. Denn das Opfer ist Vorbild: der Körper und das Wesen aller Verordnungen des Opferdienstes ist Christus.

Betrachten wir nun näher, wie in den einzelnen Stücken des Opferritus Christus vorgebildet ist, den Gott dazu verordnet hat, dass er zu Gott nahe als das allein ihm wohlgefällige Opfer.

Christus war Priester und Opfer zugleich: er opferte nicht wie die andern Priester, er opferte sich selbst.

Wie das Opfertier an die Stelle des Opferers trat, so ist Christus eingetreten an die Stelle und im Namen aller die an ihn glauben.

Das Opfertier, ein Tier ohne Fehl und Makel, trug fremde Schuld und Strafe: so ist Christus gekommen ein Opferlamm ohne Fehl und Makel tragend unsere Schuld und Strafe. In ihm war ein vollkommener Gehorsam, eine vollkommene Liebe Gottes und der Menschen, und so war er ein Gotte wohlannehmliches Opfer für den Sünder und dem Sünder zu gut. Durch ewigen Geist hat er sich selbst unsträflich dargebracht.

Wie denn der Opferer über dem Opfer seine Sünde und Missetat zu bekennen hatte, so sollen wir über Christo bekennen, wer und was wir sind und dass er von Gottes wegen zur „Sünde“ gemacht worden ist für uns. Wie er seine Sünden auf das Opfer legen musste, so sollen wir unsere Sünden nicht bei uns behalten, sondern auf unser Opfer, das ist Christum, legen; und das geschieht, wenn wir glauben, dass Gott unser aller Sünden auf ihn geworfen. Wie er sich zu stützen hatte auf das Opfer, so sollen wir in unserm Versinken uns stützen und verlassen auf Christum.

So wie der Opferer den Hals des Opfers durch einen Ring ziehen und sodann mit einem Messer ihm die Kehle abstechen musste: so sollen wir das ganze Leiden und Sterben Christi uns im Glauben zueignen und bekennen, dass wir es sind, die wir mit unseren Sünden den Herrn ans Kreuz geschlagen haben.

Ich, ich und meine Sünden,
Der sich so viele finden
Wie Sandes an dem Meer,
Die haben dir erreget
Das Elend, das dich schläget,
Und das betrübte Marterheer.

Der Opferer sah in dem Tode des Opfers die Strafe seiner Sünden, den eignen Tod; in dem Verzehren des Opfers durch die Feuerflammen warb ihm vorgehalten wie er selbst verdient habe ewig zu brennen in der Glut des Zornes Gottes: gleicherweise haben auch wir in dem Tode Christi unsern Tod, so wie in seiner äußersten Verlassenheit am Kreuz die uns beschiedene höllische Pein zu erblicken, und zu glauben: dass er diesen Tod und diese Qual für uns durchgemacht und von uns genommen habe.

Sah nun der Opferer, wie der Priester das Opfer hin und her bewegte und sodann auf das Holz auf dem Altar hinauftrug: so haben wir zu glauben, dass Christus sich selbst vor Gott bewegt hat in seinem ganzen Innern seinen Willen zu tun und sein Gesetz zu vollbringen; dass er selbst an seinem Leib unsere Sünden hinaufgetragen hat auf das Holz des Kreuzes, worauf er sich freiwillig hat hinauftragen lassen, wie ein Lamm auf die Schlachtbank.

Die Priester wurden genommen aus der Mitte ihrer Brüder, der Kinder Israel, an ihrer Statt zu Gott zu nahen, sie Gotte zu heiligen und Opfertiere zu schlachten und somit für das Volk, anstatt des Volkes und im Namen des Volks nach Gottes Befehl die Dinge auszurichten, die bei Gott für das Volk zu tun waren. So standen die Priester vor Gott gleichsam als Bürgen dafür, dass alles, was nach dem Gesetz für das Volk zu tun war, gesetzmäßig vollbracht werde. In gleicher Weise ist Christus Bürge bei Gott um alles im Namen und anstatt des Volkes zu vollbringen, was für das Volk zu leisten ist und was das Volk selbst zu leisten hätte, wenn es dazu im Stande wäre.

Dass aber der Tiere Blut durch den Hohenpriester in das innere Heiligtum getragen und deren Leiber außerhalb des Lagers verbrannt wurden, das sollte vor allem ein Vorbild davon sein, dass Christus als der ewige Hohepriester mit seinem eignen Blut in den Himmel eingeben würde, daselbst eine ewige Versöhnung sich zu finden, indem er mit seinem Blut und mit seiner Fürbitte erscheint vor dem Angesicht Gottes; dass sein Leib außerhalb Jerusalems auf Golgatha gleichsam verbrannt und zu Asche gemacht werden würde in der Hitze des Zornes Gottes, welche uns hätte verzehren müssen, wo nicht unser teurer Heiland dies alles für uns hätte tun und leiden wollen.

Das Aufgehen des Opfers in den Flammen mit dem Geruch des verbrannten Fleisches bedeutet sowohl die Auferstehung als die Himmelfahrt Christi. Dass der heilige Geist den sonst widrigen Geruch des brennenden Fleisches lieblich nennt, das belehrt uns zu unserm Trost, dass dieser Opfergeruch bedeutet den Duft des Wohlgeruche des vollkommenen Gehorsams Christi und seiner Liebe, womit er das unsägliche Leiden erduldet hat.

Die gesamten Opfer können füglich unter zwei Klassen gebracht werden.

  1. Die erste ist die der Sühnopfer; das sind die, die zur Versöhnung gehören;
  2. Die andere ist die der Dankopfer, die zur Heiligung gehören.

In jene Klasse sind zu rechnen: die Brandopfer für alle Vergehen aus Irrtum und Unwissenheit; sodann die Sündopfer und Schuldopfer für wissentliche Sünden. Das sogenannte Brandopfer wurde ganz von den Flammen verzehrt; das Sünd- und Schuldopfer war zum Teil zum Unterhalt der Priester bestimmt.

Der Dankopfer gab es sechs verschiedene:
Schlachtopfer von Vieh,
Speiseopfer von Feldfrüchten, Mehl, gebackenem und geröstetem, Trankopfer von Wein,
Hebeopfer von Gold, Silber, Edelsteinen und dergleichen,
Räuchopfer von Räuchwerk auf dem Räuchaltar,
Lobopfer von einem Lamm, einer Ziege oder einem Rind.

Die Bedeutung dieser Opfer finden wir Röm. 12,1 und Ebr. 13,12-15.

Dass bei diesen verschiedenen Opfern die der ersteren Klasse, die Sünd- und Schuldopfer, den Grund bilden, soll uns belehren, dass die Heiligung beruhe ausschließlich in dem Blute der Versöhnung und von diesem Grunde unzertrennlich sei; sodann dass jegliche Dankbarkeit und Heiligung der Versöhnung bedarf. Weil demnach das Lobopfer ein Loben des Opfers unserer Versöhnung ist, so soll das Lobopfer nicht aufhören in Ewigkeit, wie geschrieben steht. Indem wir denn Gott Lob und Dank opfern, bekennen wir, dass auch die Frucht der Versöhnung aus ihm ist, und dass wir diese Frucht gewiss würden verderben lassen, würde sie nicht ewig frisch gehalten durch das Blut der Versöhnung.

Hierbei haben wir stets fest zu halten, dass Opfer überhaupt etwas bedeutet, was man Gott nahen lässt. Auch in den einzelnen Gattungen der Opfer ist die Wortbedeutung im hebräischen zu beachten. Feueropfer z. B. ist etwas angezündetes; Schlachtopfer, etwas geschlachtetes; was wir Sündopfer nennen, heißt im hebräischen einfach: Sünde; Schuldopfer heißt: Schuld; Dankopfer: Völligkeiten; Speiseopfer: Speise; Trankopfer: Tran; und endlich Brandopfer heißt Aufgang d. i. das was ganz in Flammen aufgeht.

Dass bei den Opfertieren gewisse Eigenschaften erfordert waren und dass dann doch das Gute und das Nichtgute in den Flammen aufgeht, bedeutet: dass vor Gott das eine mit dem andern Sünde ist und dass vor ihm nicht anderes Geltung habe, als seine ewige Gnade und Erbarmung, wonach) er bei sich selbst den Entschluss gefasst hat zum Preis seines herrlichen Namens, wie er uns sich wollte wohlannehmlich und wohlangenehm machen in dem Sohne seiner Liebe.

Die verschiedenen Opfertiere haben wiederum jedes seine Bedeutung. So z. B. ist das Schaf ein Sinnbild der Unbeholfenheit und des Irregehens; die Ziege oder der Bock ein Sinnbild der Fleischeslust; die Taube der Einfalt. Das Rind ist Sinnbild des Gehorsams und der Arbeitsamkeit, der Widder ein Sinnbild der Stärke, auch wo es auf unsern Herrn geht, der Gottheit.

Dass bei den Opfern der Kopf, sodann die Haut über der Leber und endlich alles Fett verbrannt werden musste, das soll uns belehren: wie vor Gott nichts bleibt von Verstand, Gefühlen und Geschicklichkeit, die ein Mensch haben möge; dass nach dem Fall alles nichts ist als Sünde; dass Gott allein Gott ist und aus ihm, durch ihn und zu ihm das Gesamte. Und so sei in uns durch den ewigen Geist verherrlicht und von uns gepriesen der Vater in den Himmeln, der uns seinen Kindern, den Glaubenden in den Namen seines Sohnes, gewogen ist und uns für Gerechte hält in dem vollkommenen Gehorsam, Selbstentäußerung und Tode seines Sohnes, der da ist aller Opfer Gegenbild.

Bringen wir in dieser Weise Gott seine von ihm verliehenen Gaben ihm zum Lobe dafür, dass wir alles was uns zu leben und Gottseligkeit vonnöten ist, von Ihm haben: so lässt er uns königlich genießen, was in seinen Gaben für uns liegt und eingeschlossen ist. Wollen wir zu Gott nahen und fühlen wir, dass es uns unmöglich ist, weil Gott Geist ist und wir Fleisch: dann sollen wir das ihm nahen lassen, was ihm allein gefallen kann; nicht unser Werk, nicht ein Rind oder Schaf aus unserm Stall, sondern das Lamm, was er für uns ausersehen hat, dass wir leben und Frieden haben in ihm, das Lamm, was sich freiwillig hingegeben und selbst dargebracht hat auf der Schlachtbank Golgatha, Gott zum süßen Geruch. Wenn wir dieses Lamm Gott nahen lassen, darauf legend unsere Sünden, uns auf sein gebenedeites Haupt stützend und seine Heilsverdienste ergreifend, so sind wir vor ihm gerecht. Durch kein anderes Opfer, durch keine andere Darbringung, durch kein anderes Werk können wir gerechtfertigt werden vor Seinem Angesicht. Was ihm Genugtuung geben und ihn befriedigen soll, muss seinem Gesetz gemäß sein: diesem seinem ewigen Gesetze ist nach dessen innerstem Wesen und Geist nur das eine Opfer gemäß, was alle vorigen Opfer in sich hat aufgehen lassen.

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