Kapff, Sixtus Carl von - Am heiligen Christfest.

Kapff, Sixtus Carl von - Am heiligen Christfest.

Text: Tit. 2, 11-14.

Es ist erschienen die heilsame Gnade GOttes allen Menschen, und züchtiget uns, dass wir sollen verläugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt, und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen GOttes und unsers Heilandes JEsu Christi, der sich selbst für uns gegeben hat, auf dass Er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit, und reinigte Ihm selbst ein Volk zum Eigentum, das fleißig wäre zu guten Werken.

Fröhlich soll mein Herze springen
Dieser Zeit,
Da vor Freud'
Alle Engel singen,
Hört, hört, wie mit vollen Chören
Alle Luft
Jauchzend ruft:
Christus ist geboren!

Heute geht aus seiner Kammer
GOttes Held,
Der die Welt \\
Reißt aus allem Jammer;
GOtt wird Mensch, Dir, Mensch, zu gute,
GOttes Kind,
Das verbind't
Sich mit unsrem Blute.

Ei, so kommt und lasst uns laufen,
Stellt euch ein,
Groß und Klein,
Eilt mit großem Haufen,
Liebt den, der vor Liebe brennet,
Schaut den Stern,
Der euch gern
Licht und Labsal gönnet.

Licht und Labsal, Liebe und Freude, Friede und Gerechtigkeit, Leben und Seligkeit für alles Volk und in alle Ewigkeit - das bringt GOttes Sohn vom Himmel herab auf die Erde. In Ihm ruht, wie die Engelschaar sang, die Ehre GOttes, der Friede auf Erden und GOttes Wohlgefallen an der Menschheit. Wir waren allzumal ewig verloren und hatten im Elend der Sünde keinen Trost und keine Hülfe, und mussten durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein. Aber in Christo ist nach dem ewigen Liebesvorsatz GOttes die heilsame Gnade erschienen allen Menschen, und von seiner Krippe aus ertönt der Freudenruf des Engels an die ganze Menschheit: Fürchtet euch nicht, siehe ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der HErr.

Diese frohe Botschaft gilt auch mir und dir und jedem Menschen-Herzen, das aus der Verdorbenheit seiner sündlichen Natur heraus sich sehnet nach GOttes Heil. In Christo ist GOtt eingegangen in die Menschheit, und so ist die Menschheit geheiligt zur Vereinigung mit der Gottheit. Ein Volk des Eigentums sollen wir Ihm werden nach unserer Epistel; dazu hat Er sich für uns gegeben und so in sich selbst uns gereinigt und geheiligt. Alle Vorzüge seiner heiligen Menschheit sollen uns zu Theil werden; denn Alles, was Er von seiner Krippe an bis zum Kreuze, ja bis auf den Thron seiner Herrlichkeit, getan und gelitten, erworben und erstritten, das ist Alles für uns und uns zu gut geschehen. Davon liegt die Bürgschaft in seiner Menschwerdung, in der Er angefangen hat, all' das Unsere auf sich zu nehmen und all' das Seine uns zu geben. Um sein Selbst willen hätte Er nicht Mensch werden dürfen, sondern bleiben können aus dem Thron der Majestät und Herrlichkeit GOttes. In seiner Geburt ist also nicht Ihm, sondern uns das Leben aufgegangen; für Ihn war seine Geburt die tiefste Erniedrigung, für uns aber ist sie die höchste Erhöhung. Darüber wollen wir weiter nachdenken, indem wir betrachten:

Die Geburt Christi - unsere Neugeburt.

  1. Die Geburt Christi ist die Geburt einer heiligen Gott-Menschheit.
  2. Diese Geburt kommt dem ganzen Menschengeschlecht zu Gute.
  3. In dieser Geburt liegt die Notwendigkeit, aber auch die Kraft unserer Neugeburt.

Hochgelobter Heiland, Du schämest dich nicht, uns Brüder zu heißen. Wir danken dir für diese Liebe, und bitten, Du wollest uns zu solchen Menschen machen, an denen Du dein ganzes Wohlgefallen haben kannst und über die der ganze Himmel sich freuen kann. O, bilde uns in dein Bild und mache uns in Dir teilhaftig der göttlichen Natur durch die Kraft deines Heiligen Geistes, in dem Du auch jetzt in uns eingehen und ewig Wohnung machen wollest in uns. Amen.

I.

Die Geburt Christi ist die Geburt einer reinen, heiligen Gottmenschheit. In Christo ist nach unserem Texte die heilsame, seligmachende Gnade Gottes allen Menschen erschienen. Das Wort „erscheinen“ stellt uns JEsum dar als ein Licht aus dunkler Nacht, als die helle Gnadensonne, die über den Todesschatten der Menschheit aufgegangen ist. So sagt auch Johannes: das Leben ist erschienen, das Wort des Lebens, das ewig ist, welches war bei dem Vater von Anfang. Licht und Leben ist in Christo erschienen, weil Er als der wahrhaftige GOtt und als das ewige Leben geoffenbart ist zu unserem Heil. Deswegen spricht Paulus in unserer Epistel von der Herrlichkeit des großen GOttes und Heilandes JEsu Christi. Den großen GOtt nennet er den Heiland, und legt damit ein starkes Zeugnis von seiner ewigen Gottheit ab. Dieser GOtt aber ist geoffenbart im Fleisch. Ob Er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt Er es nicht für einen Raub, GOtt gleich sein, sondern äußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden. So sehen wir Ihn nun als ein armes Kind kein in einer Krippe liegen, mit allen Schwachheiten der kindlichen Natur, seiner selbst nicht bewusst, hilflos und wimmernd, ohne ein einziges Zeichen seines hohen Ursprungs, entleert alles Glanzes und aller Macht seines göttlichen Wesens, damit wir recht überzeugt werden, dass Er wirklich die nämliche Menschennatur an sich genommen hat, die wir haben.

Aber doch ist ein großer Unterschied zwischen seiner Menschheit und zwischen der unsrigen. In unserer Menschheit ist das ungöttliche Wesen und die Ungerechtigkeit, wovon unser Text spricht, zur andern Natur geworden, zur andern, als wie sie GOtt ursprünglich geschaffen. „Durch Einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und der Tod durch die Sünde, und ist also der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen, dieweil sie Alle gesündigt haben.“ Alle sind abgewichen vom Weg und Willen GOttes, Alle untüchtig geworden zu seinem Reiche; da ist nicht, der Gutes, vor GOtt Gefälliges tue, auch nicht Einer (Röm. 5, 12. 3, 12.). Wir sind allesamt wie die Unreinen; alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein unflätiges Kleid, und in diesem Sündenelend sind wir Alle verwelket, wie die Blätter, und unsere Sünden führen uns dahin, wie ein Wind, dass wir zu GOtt seufzen müssen: „Du verbirgst dein Angesicht vor uns und lässt uns in unsern Sünden verschmachten“ (Jes. 64). Das ist das Loos aller Menschen, wie sie von Natur sind, Kinder des Zorns von Natur (Eph. 2, 3.), Fleisch vom Fleische geboren (Joh. 3, 6.). Dadurch ist die menschliche Natur in solchem Elend, dass GOtt sie mit einem Kinde vergleicht, dessen nach seiner Geburt sich Niemand annimmt und das Er in seinem Blute liegen sieht, so dass es, wenn Er nicht hälfe, dem schrecklichsten Tode zur Beute werden müsste (Ezech. 16, 6.). Wenn der HErr dabei sagt: Niemand jammerte dein, dass er sich über dich hätte erbarmet, so zeigt uns das die tiefe Verachtung, zu welcher unser Geschlecht herabgesunken ist. Ja, der ganze Himmel musste trauern über das verlorene Geschlecht, und doch konnte Niemand helfen. Ohne Neuschöpfung war der unermessliche Schaden des Sündenfalls nicht gut zu machen.

Darum sandte GOtt seinen Sohn, zwar in der Gestalt des sündlichen Fleisches, aber ohne alle sündliche Befleckung. Der Engel Gabriel kündigte seine Menschwerdung mit den Worten der Maria an: „Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten, darum auch das Heilige, das von dir. geboren wird, wird GOttes Sohn genannt werden.“ Wie Adam von der Hand des HErrn bereitet wurde, so der Leib oder die Menschheit JEsu, doch mit dem Unterschied, dass Adams Leib zuerst ein toter Erdenklos war, dem erst der Hauch GOttes Leben gab, bei JEsu aber war der Geist da vor dem Leib, der ewige Geist baute sich selbst seinen Leib im Leibe der Maria, und so war vom ersten Entstehen an die Menschheit JEsu ein reiner Tempel eines Heiligen Geistes. Daher sagt Paulus 1 Kor. 45, 47.: „Der erste Mensch Adam ist geworden zu einer lebendigen Seele, der andere Adam, nämlich Christus, zu einem lebendigmachenden Geiste.“ Durch den Sündenfall ist die lebendige Seele des ersten Adam dem irdischen Zug des Leibes und der niederen Seelentriebe unterworfen worden, so dass das Fleisch herrscht über den Geist und der Geist nur wie ein schwacher Funke glimmt; in Christo dagegen ist von Anfang an der Geist Schöpfer und Herrscher des Leibes und der Seele, und alle Regungen, Triebe und Bewegungen seiner Menschheit waren nach dem reinen Willen des Geistes, und also GOttes, weil in seinem Geiste GOtt war und Er nie etwas gegen GOtt in sich aufkommen ließ. Er hätte als Mensch so gut als Adam einem selbstischen, irdischen oder satanischen Zuge folgen können, aber Er blieb in GOtt und so GOtt in Ihm, und so war seine Menschheit eine heilige Gottmenschheit, die unter Kampf, Versuchung, Entbehrung und Leiden aller Art alle Rechte GOttes vollkommen erfüllte und so die Rechte der Gottheit sich erwarb, nicht als einen Raub, ohne Arbeit, sondern in verleugnungsvollem, Alles überwindendem Gehorsam. Der Lohn dieses Gehorsams war der, dass die Menschheit JEsu in die vollkommene Herrlichkeit der göttlichen Natur verklärt wurde, so dass sogar sein Leib die unsterbliche Lichtnatur GOttes erhielt.

Von dieser völligen Aufnahme der Menschheit in die Gottheit war die Geburt JEsu der Anfang; in ihr ist die durch den Sündenfall zerrissene Kette zwischen GOtt und Mensch wieder angeknüpft worden, und dieses Herabsteigen der Gottheit in die Menschheit ist eine wahre Neuschöpfung der Menschheit, wodurch sie nach Hebr. 2, 16. selbst vor den Engeln einen Vorzug bekommen hat; denn Er nimmt nirgends die Engel an sich, sondern den Samen Abrahams oder Adams nimmt Er an sich. Der Engel höchstes Ziel ist, wie Adams vor dem Sündenfall: mit allen Gedanken in GOtt zu sein. Seit dem Sündenfall ist das uns rein unmöglich. Aber in Christi Geburt wurde das Sein der Menschheit in GOtt begründet und durch das Sein GOttes in der Menschheit; denn GOtt war in Christo und in Ihm wurde Gottheit und Menschheit Eins. Dies geschah aber nicht bloß für die Person Christi, sondern

II.

die Geburt der heiligen Gottmenschheit JEsu kommt dem ganzen Menschengeschlecht zu gute. Deswegen rühmt unsere Epistel von Christo, dass Er sich selbst für uns gegeben hat, auf dass Er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte Ihm selbst ein Volk zum Eigentum. Christus hat sich für uns gegeben - das ist der Schlüssel zu dem ganzen Lauf JEsu, von seiner Geburt bis zu seinem Tode. Wozu verließ Er den Thron seiner göttlichen Majestät, da alle Engel Ihn anbeteten, und wie war es möglich, dass Der, den aller Himmel Himmel nicht zu fassen vermögen, in einen menschlichen Leib einging, sich der Gottheit begab und als ein armes, schwaches Kindlein geboren wurde? Es wäre nicht möglich, das zu fassen, wenn nicht die Liebe GOttes unendlich größer wäre, als all' unser Begreifen. Diese Liebe trieb den Vater, sein Liebstes und Höchstes, sein Ebenbild, sein Leben, hinzugeben für uns, und der Sohn gab willig all' das Seine für uns her und nahm unsere arme Natur an sich, um diese Natur in seiner Person zu vereinigen mit GOtt. Für sich bedurfte er nicht, Mensch zu werden, so wenig, als zu leiden und zu sterben; denn seine Gottheit war keines Zuwachses an Herrlichkeit fähig. Folglich ist Alles, was der Sohn von seiner Menschwerdung an getan und erlitten, aus uneigennützigster Liebe bloß für uns und uns zu gut geschehen.

Seine Geburt ist also eigentlich unsere Geburt, die Neuschöpfung einer heiligen, mit GOtt vereinigten Menschheit ist unsere Neuschöpfung; für uns hat etwas ganz Neues, das Sein GOttes in der Menschheit, mit Christi Geburt angefangen, wir sollen dadurch, wie unser Text sagt, zum Volk des Eigentums, zum auserwählten, mit GOtt eng verwandten Geschlecht in ewiger Einheit mit GOtt werden, damit das verlorene Bild GOttes wieder hergestellt, ja noch mehr uns zu Theil werde, als wir durch den Sündenfall verloren haben, nämlich dass wir sogar der göttlichen Natur sollen teilhaftig werden. Deswegen sagt Paulus (Röm. 8, 29.): „GOtt habe uns verordnet, dass wir gleich sein sollten dem Ebenbild seines Sohnes, auf dass derselbige der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern.“ Christus der Erstgeborne, Menschen seine Brüder, seinem Ebenbilde gleich - wie wunderbar ist diese Wahrheit, wie erhaben die Würde, zu der GOtt uns in Christo beruft! Kinder des Zorns, grundverdorbene, durch die Sünde entstellte Geschöpfe sollen Christo ähnlich werden. Ja, Er, der vom Himmel gekommen, Er schämet sich nicht, sie Brüder zu heißen. Kein Mensch dürfte es wagen, auch nur so zu denken, aber Er nennt uns so, und deswegen ist Er, wie wir Fleisch und Blut an uns haben, es gleichermaßen teilhaftig und allerdinge seinen Brüdern gleich geworden, auf dass Er barmherzig würde und ein treuer Hohepriester vor GOtt, zu versöhnen die Sünde des Volks (Hebr. 2, 14 - 17.).

Er ist unser Hohepriester und Stellvertreter. Was in seiner Person war, soll uns zu Theil werden. Durch die Vereinigung seiner Gottheit mit unserer Menschheit ist unser ganzes Geschlecht geheiligt, und Alles, was Mensch heißt, zur Vereinigung mit GOtt befähigt worden, wie durch Josephs Erhöhung seine ganze Familie erhöht worden ist, oder wie wenn Einer mit seiner ganzen Familie in den Adelstand erhoben wird, da dann Alle um seines Verdienstes willen die Ehren, Vorrechte und Ansprüche des adeligen Standes zu genießen haben. Deswegen sagt Paulus (1 Kor. 15): „Wie in Adam Alle gestorben sind, so sollen in Christo Alle lebendig gemacht werden. Denn so um des Einigen Sünde willen der Tod geherrscht hat durch den Einen, vielmehr werden die, so da empfangen die Fülle der Gnade zur Gerechtigkeit, herrschen im Leben durch Einen, JEsum Christ.“

Christus ist der Lebenswiederbringer der ganzen Menschheit. Wie ein wilder Baum veredelt wird durch ein kleines Reis oder Auge von einem edlen Baum, und wie so in allen Ästen und Zweigen des Baumes das Leben des veredelten herrscht, so ist Christus als das edelste Reis dem wilden Stamm der Menschheit aufgepfropft und dadurch der ganze über die Erde sich verbreitende Baum veredelt worden. Und wie bei der Einimpfung unserer Kinder Gifttröpfchen Lymphe in das ganze Blut übergeht und die ganze Blutmasse gegen die giftige Krankheit schützt, so ist, nur in umgekehrter Weise, das reine Fleisch und Blut JEsu der ganzen Menschheit als eine heilige Lebenskraft eingeimpft und sie dadurch gegen den tödlichen Biss der giftigen alten Schlange gesichert. In Ihm, dem Geliebten, sind wir angenehm gemacht vor GOtt, in Ihm schaut GOtt uns als gereinigt und geheiligt, so dass wir mit dem Weihnachtslied sagen können:

Meine Schuld kann mich nicht drücken,
Denn Du hast Meine Last
All' auf deinem Rücken,
Kein Fleck ist an mir zu finden,
Ich bin gar rein und klar
Aller meiner Sünden.
Ich bin rein um deinetwillen,
Du bist g'nug Ehr' und Schmuck,
Mich darein zu hüllen.

Hat GOtt seines eigenen Sohnes nicht verschonet, sondern Ihn für uns Alle dahingegeben, wie sollte Er uns mit Ihm nicht Alles schenken? Wer so sprechen kann, der feiert in Christi Geburtsfest sein eigenes, er sieht in Christo durch den Glauben sich erhoben zur Gemeinschaft GOttes, und weiß, dass, was GOtt angefangen, das wird Er auch vollenden, und wie an uns, so an Allen, die der HErr nach seinen Verheißungen noch herzuführen wird. Auch das, was jetzt noch Wüste und Einöde ist, soll noch durch Christum blühen und fröhlich stehen in aller Lust und Freude. Denn es werden Lebenswasser in der Wüste fließen und Ströme in den Gefilden (Jes. 35). Denn Christus ist das Licht der Heiden und das Heil der Menschheit bis an der Welt Ende (Jes. 40). Seit Er Mensch geworden ist, ist es nicht mehr eine Schande, sondern eine Ehre, ein Mensch zu sein.

Das kleinste Kind steht höher in unsern Augen, so wie wir denken, dass JEsus auch ein solches Kind ward, und selbst über Ungläubige und Sünder strahlt ein höheres Hoffnungslicht von der Krippe zu Bethlehem. Und wer du auch sein magst, wenn du heute die Menschwerdung GOttes im Glauben dir zueignest, so wirst du dadurch ein neuer Mensch, und wenn du mit Dank und Freude deinen natürlichen Geburtstag feierst, so muss es dir eine unendlich höhere Freude sein, heute den Geburtstag zu feiern, durch den du geboren bist für den Himmel.

Freilich aber dürfen wir dabei nicht vergessen, dass das, was wir im Glauben als göttlichen Lebenskeim in uns aufnehmen, auch wirklich zum Leben in uns werden und mit seiner Kraft unser ganzes Leben durchdringen muss. Erneuert euch im Geist eures Gemütes - ruft Christi Menschwerdung uns zu; daher sehen wir noch

III.

wie in Christi Geburt die Notwendigkeit, aber auch die Kraft unserer Neugeburt oder Wiedergeburt liege. Unser Text sagt: „Die heilsame Gnade GOttes züchtiget uns, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt.“ Die Gnade züchtigt in doppeltem Sinn: sie beschämt und straft unser ungöttliches Wesen, und sie erzieht uns zu göttlichem, gottseligem Wesen. So besonders auch die Gnade, die durch die Menschwerdung GOttes uns erschienen ist. Daraus, dass GOtt Mensch werden musste, sehen wir, wie unendlich viel unsere Erlösung gekostet hat, wie schrecklich tief also unser natürliches Verderben ist, da nicht anders zu helfen war, als durch das unbegreiflichste Wunder, durch das Herabsteigen GOttes in unsere Natur. Daraus sehen wir, dass wir nicht so bleiben dürfen, wie wir von Natur sind, sonst bleiben wir in dem entsetzlichen Jammer, der GOtt vom Himmel herabgetrieben hat. Wie darf Ein Mensch diese Liebe GOttes an sich umsonst sein lassen! Auch in seiner Menschwerdung legt GOtt uns Segen oder Fluch vor. Lassen wir uns nicht zu dem erheben, wozu seine Menschwerdung uns bringen will, so bleiben wir unter dem Zorne GOttes, der auf der Sünde lastet, wie ein Berg. Ja, wem Christus nicht zum Leben wird, dem wird Er zu größerem Tode, und wie wollen die entfliehen, die eine solche Seligkeit nicht achten! (Hebr. 2, 3.) Deswegen züchtigt uns die Gnade, deckt unser ungöttliches Wesen uns auf, zeigt uns, dass wir es verläugnen müssen, und dass wir nur in GOtt wahres Leben haben, so wie nur durch Vereinigung der Gottheit mit der Menschheit in Christi Menschwerdung neues Leben erschienen ist.

Aber eben diese Vereinigung GOttes mit unserer Menschheit in Christo gibt uns auch die Kraft, von unserem ungöttlichen Wesen zu lassen und göttlich gesinnt, d. h. wiedergeboren zu werden. Wir selbst können uns so wenig wiedergebären, als ein Kind sich Leben und Geburt geben kann. Daher heißt die Wiedergeburt in der Schrift: Geburt von Oben. Von Oben herab, aus GOttes Wesen, muss das Leben in uns kommen, durch das wir neugeboren werden. Das geschieht durch die Mittheilung des Heiligen Geistes. Was GOtt in der Person Christi leibhaftig, wesenhaft getan hat, das will Er durch seinen Geist in uns Allen tun. Wie Er in Christo sich vereinigt hat mit der Menschheit, so will Er mit der ganzen Menschheit, als dem Leibe Christi, sich vereinigen. Das tut Er durch seinen Geist. Wie der Heilige Geist den Leib Christi im Leibe der Maria bildete, so bildet Er auch den großen Leib Christi, die mit Ihm vereinigte Menschheit. Schon an unsern zarten Kinderseelen arbeitet der Heilige Geist, und durch die Taufe werden sie, nach der Grundbedeutung des Wortes, eingetaucht in den Namen, d. h. in das Wesen des dreieinigen GOttes. Da legt der Geist die Keime des göttlichen Lebens in die Seelen, und fängt kurz nach der unreinen sündlichen Geburt die geistliche Neugeburt an, und zwar in Kraft der Menschwerdung Christi, durch welche unsere Menschheit geheiligt ist zur Vereinigung mit der Gottheit. Je älter wir werden, desto mehr straft der Geist alles ungöttliche Wesen an uns, Alles, was sich zwischen GOtt und uns stellt und an der Vereinigung mit GOtt uns hindert; er entleidet uns die weltlichen Lüste, Alles, was dem Fleische gefällt und an die Sinnenwelt uns fesselt, Er wirkt ein Verlangen nach unserem Ursprung, nach GOtt, im Herzen, und je mehr wir von Ihm uns traurig machen lassen über der Sünde, desto mehr lässt Er in Christo uns Gerechtigkeit finden, und wer den Glauben an die ganze Offenbarung GOttes in Christo in sich wirken lässt, in den gießt der Geist auch die Liebe aus, die das Element des neuen Lebens ist und immer wesentlicher mit GOtt uns vereinigt, als das Band aller Vollkommenheit.

Je mehr wir so Tempel des Heiligen Geistes werden, desto mehr wächst das Kind, das an der Krippe in Bethlehem, in unserer Taufe, in der Buße, im ersten Glauben, in der ersten Liebe in uns geboren ist; wie das JEsuskind wuchs und stark ward im Geist, und wie Er endlich nach vollendetem Werk auch nach seiner Menschheit völlig in GOtt erhöht wurde, so wachsen wir durch den Geist und durch alle Geburten, ja durch tägliche Erneuerungen zu dem Mannesalter Christi, zu der göttlichen Höhe, die JEsus uns ersieht mit den Worten: „dass sie Alle Eins seien, gleichwie Du, Vater, in mir, und ich in Dir, dass auch sie in uns Eins seien.“ Da ist dann die letzte Verheißung der Engel: „GOttes Wohlgefallen an den Menschen“, nicht mehr bloß zurechnungsweise durch den Glauben an JEsum, sondern wirklich durch Nachbildung des Lebens Christi in uns erfüllt, und es gilt, was GOtt von seinem Thron herab gesprochen: „Wer überwindet, der wird es Alles ererben, und Ich werde sein GOtt sein und er wird mein Sohn sein,“ ein Mensch - GOttes Sohn; zu solcher Höhe hebt Christi Menschwerdung uns hinan.

Nun, Geliebte, wer wollte solcher Herrlichkeit nicht teilhaftig werden, wer nicht gerne verläugnen das ungöttliche Wesen, als ob es nicht da wäre, als wüssten wir nichts von den Dingen, die durch unsere sündliche Geburt in uns sind, als wäre nur Christi Leben und des Geistes Wesen in uns? So viel dieses Leben in uns herrscht, so viel wächst unsere innere, sich vielleicht bald auch äußerlich offenbarende Herrlichkeit, und je mehr wir nach unserem Texte als das Volk des Eigentums fleißig sind zu guten Werken, zu einem gottseligen Wandel, desto mehr können wir fröhlich warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen GOttes und Heilandes JEsu Christi, der selbst unsern Leib verklären will zur Ähnlichkeit seines verklärten Leibes, so dass wir ganz, nach Geist, Seele und Leib, wieder GOttes Bild an uns tragen. So weit hinaus schauen wir an der Krippe zu Bethlehem. Darum

Freuet euch, ihr Christen alle,
Freue sich, wer immer kann.
GOtt hat viel an uns getan;
Freuet euch mit großem Schalle,
Dass Er uns so hoch geacht't,
Sich mit uns befreund't gemacht!
Freude, Freude, über Freude,
Christus wehret allem Leide;
Wonne, Wonne, über Wonne,
Er ist unsre Gnadensonne. Amen.

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