Kapff, Sixtus Carl von - Am dritten Trinitatis Sonntag.

Kapff, Sixtus Carl von - Am dritten Trinitatis Sonntag.

Text: 1 Petri 5,5-11.
Desselben gleichen, ihr Jungen, seid untertan den Ältesten. Allesamt seid untereinander untertan, und haltet fest an der Demut. Denn GOtt widersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt Er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand GOttes, dass Er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf Ihn; denn Er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe, und sucht, welchen er verschlinge. Dem widersteht fest im Glauben, und wisst, dass eben dieselbigen Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Der GOtt aber aller Gnade, der uns berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christo JEsu, derselbige wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. Demselbigen sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

„Wer den Bruder nicht liebt, der bleibt im Tode.“ - Diese Wahrheit ist uns vor acht Tagen tief zu Herzen gegangen. Unsere beiden letzten Betrachtungen haben uns gezeigt, dass es ohne Liebe kein Leben, keinen Frieden und keine Seligkeit gibt. Unser heutiger Text nun zeigt uns die Wurzel des geistlichen Lebens, aus der allein die himmlische Pflanze der Liebe emporsprossen kann. Das ist die Demut, die JEsus selbst als die Pforte zu seinem Reich allem anderen voranstellt in dem ersten Wort der Bergpredigt: „selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr.“ Glaube, Liebe, Hoffnung - diese drei Grundbestandteile unseres geistlichen Lebens können nur da gedeihen, wo Demut das Herz erfüllt. Deswegen sagt unser Text: „Haltet fest an der Demut, denn GOtt widersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt Er Gnade.“

In dieser Demut ist JEsus uns mit dem vollkommensten Beispiel vorangegangen. Nach dem heutigen Evangelio hat Er sich so freundlich zu den Geringsten und Verachtetsten heruntergelassen, dass die Pharisäer über Ihn murrten: „dieser nimmt die Sünder an und isst mit Ihnen.“ Nur wenn diese Demut JEsu auch unser Herzensgrund wird, nur dann können wir uns zu den Bekehrten und Hochbegnadigten rechnen, über die Freude ist vor den Engeln GOttes im Himmel. Wenn wir dagegen dem Hochmut und der Eigenliebe unserer natürlichen Selbstsucht uns überlassen, so hat der Teufel über uns Macht, der nach unserem Text wie ein brüllender Löwe umhergeht und sucht, welchen er verschlinge. Die Hochmütigen sind am Leichtesten seine Beute. Sie vermögen auch die Leiden nicht mit Geduld und so zum Segen zu ertragen, die Leiden, von denen unser Text sagt, dass sie über Alle ergehen, die in dieser Welt sind. Je mehr wir in der Demut stehen, desto leichter wird uns jeder Kampf im Leiden, sowie jeder Kampf gegen den Satan. Daher betrachten wir nach unserem Text

Den großen Segen der Demut,

  1. sie hat Gnade bei GOtt und den Menschen,
  2. sie ist eine Macht gegen den Satan,
  3. sie gibt Kraft im Leiden.

Niedriger JEsu, Demutsquelle!
Dein Auge steht klar und helle
Die Tiefe meines Herzens ein;
Ob ich mich selbst in Hoffart blähe,
Ob ich in wahrer Demut stehe: -
Prüf' und erforsche, wie ich's mein'!
Erkenne, ob mein Aug'
Ins Licht zu sehen taug'?
Und mach lauter, HErr JEsu Christ,
Was noch nicht ist
Demütig, wie Du selber bist.

Amen.

I. Die wahre Demut hat Gnade bei GOtt und den Menschen.

Das sagt unser Text mit den Worten: „GOtt widersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt Er Gnade.“ Die Hoffärtigen sind die Menschen, die sich selbst nicht erkennen, sich für brav, gescheit und geschickt halten, vor GOtt Ansprüche von Gerechtigkeit und Verdienst haben und andere Menschen gering achten, vor GOtt sich nicht in Buße beugen und gegen Menschen sich mit Gebärden, Worten und Werken anmaßend oder doch eigenliebig, eitel und selbstgefällig bezeugen. Solche Seelen taugen nicht in das Reich GOttes. GOtt will Alles in Allem in uns sein, GOtt will uns mit Sich erfüllen, mit seiner Weisheit und Gerechtigkeit, mit seiner Kraft und Seligkeit. Aber so in uns eingehen kann GOtt nur dann, wenn wir aus uns selber ausgehen. GOtt kann nur dann uns Alles sein, wenn wir selbst nichts mehr sein wollen, d. h. wenn wir unser ganzes Wesen Ihm zum Opfer darbringen, Alles, was wir sind und haben, nur als seine unverdiente Gnadengabe erkennen und durch Alles seine Ehre und Verherrlichung suchen.

Wenn dagegen unser sündliches und unreines Ich uns noch so viel gilt, so muss GOtt sich uns entziehen; denn GOtt und das natürliche Ich sind verschieden wie Tag und Nacht, und geschieden wie Himmel und Erde. So lange wir uns so recht sind, wie wir sind von Natur, so lange wir ohne und außer GOtt etwas sein wollen, so lange können wir GOtt nicht haben, und da GOtt das Leben ist, so haben wir kein Leben, keinen Frieden und keine Ruhe, so lange wir nicht in tiefer Demut uns GOtt hingegeben haben. Deswegen sucht GOtt die Hoffärtigen von ihren Höhen herab in die Niedrigkeit zu führen; Er widersteht ihnen nach unserem Text, er vermacht ihnen ihre eigenen Wege mit Domen, Er zertrümmert oft auf Einmal ihr' ganzes irdisches Glück, Reichtum, Ehre, Gesundheit, Familienfreuden; das Alles macht GOtt oft plötzlich zunichte, nur um das Herz von seinen Höhen herunter zu bringen.

Das erkannte selbst ein heidnischer König. Nebukadnezar hatte sich im stolzen Gefühl seiner Macht erhoben; daher nahm ihm GOtt seinen Verstand, sein Königreich und Alles, was er hatte und liebte, und als ein Narr war er wie die Tiere des Feldes. Nachdem diese schwere, höchst demütigende Strafe sieben Jahre gewährt hatte, gab ihm GOtt wieder seinen Verstand und größere Herrlichkeit als vorher. Da erkannte er, wie gut gemeint die Strafe gewesen sei und ließ allen Völkern seines Reiches sagen: „ich lobe und preise den König vom Himmel; denn alles sein Tun ist Wahrheit und seine Wege sind recht, und wer stolz ist, den kann Er demütigen.“ Diesen Segen der Demütigung erkannte auch David. Er sagt Psalm 18: „wenn du mich demütigst, so machst du mich groß, „ und Psalm 119: „ehe ich gedemütigt ward, irrte ich, nun aber halte ich Dein Wort.“ Wer sich nicht demütigen lässt, dem geht es wie der Rotte Korah, die sich unter Mose und Aaron nicht demütigen wollte und deren 250 Seelen von der Erde verschlungen zur Hölle fuhren, oder wie dem übermütigen König Sanherib, der sich schon des Sieges rühmte und in Einer Nacht 185.000 Mann verlor, oder wie dem Herodes, der sich einen GOtt nennen ließ und alsbald mit Krankheit geschlagen und von den Würmern gefressen wurde. So widersteht GOtt den Hoffärtigen.

Den Demütigen dagegen gibt Er Gnade, denen, die ihre Sünde mit bußfertigem Sinn erkennen und bereuen, sich aller Gnade unwert, dagegen aller Strafe und Verwerfung wert achten und so in herzlicher Heilsbegierde nach Christo verlangen und Ihm, als dem einzigen Arzt, sich gläubig hingeben; solchen Seelen gibt GOtt die hohe Gnade der Vergebung ihrer Sünden; ja Er schenkt ihnen um JEsu willen eine Gerechtigkeit, als hätten sie nicht gesündigt, und je mehr sie ihr eigen Wesen Ihm zum Opfer bringen, desto mehr macht Er sie zu Erben aller seiner himmlischen Güter. Hierin liegt der Grund aller Demut und der Grund aller Gnade. Demütigung vor GOtt um der Sünde willen, das ist der Grund aller wahren Demut. Daher sagt unser Text: „so demütigt euch nun unter die gewaltige Hand GOttes, dass Er euch erhöhe zu seiner Zeit.“

Zwar auch schon nach der Natur haben wir Alle Ursache, unter die gewaltige Hand GOttes uns zu demütigen; denn Er sitzt über dem Kreis der Erde, und die darauf wohnen sind wie Heuschrecken. Ja die Völker sind vor Ihm geachtet, wie ein Tropfen, so im Eimer bleibt, und wie ein Scherflein, so in der Waage bleibt (Jes. 40.). Macht schon das uns klein vor GOtt, so müssen tausendfache Übertretungen uns noch viel mehr niederbeugen. Wenn selbst die Seraphim vor seiner Majestät ihr Antlitz und ihre Füße verhüllen, wie dürfen wir sündebeladene Erdenwürmer vor Ihm erscheinen? Im Psalm 119 lesen wir: „ich fürchte mich vor Dir, dass mir die Haut schaudert, und entsetze mich vor Deinen Rechten.“ So muss Jeder sagen, der im Gefühl seiner Sünde vor der Heiligkeit GOttes steht. Wie der Zöllner im Tempel seine Augen nicht aufzuheben wagte, und wie der verlorene Sohn rief: „Vater, ich bin hinfort nicht wert, dass ich dein Sohn heiße, mache mich als einen deiner Taglöhner,“ so müssen wir mit tiefster Beugung unter die Heiligkeit GOttes uns als solche erkennen, die auch nicht der geringsten Wohltat GOttes wert sind.

Je mehr wir uns so als der Hölle wert erniedrigen, desto mehr kann GOtt uns erhöhen, was unser Text als besonderen Segen der Demut nennt. Die höchste Erhöhung ist die, dass Er die Gerechtigkeit Christi uns zurechnet, seinen heiligen Geist uns mitteilt, und dadurch uns zu seinen lieben Kindern macht. Eine höhere Würde, als diese ist, gibt es auf der ganzen Erde nicht. Unbekehrte, hochmütige Menschen mögen die höchsten Ehren der Erde erlangen, aber selbst Königskronen reichen nicht an die innere Würde derer, die GOtt als seine Kinder liebt, mit denen Er nach Hos. 2. sich vermählt und vertraut zu Einem Geiste, denen Er den Himmel eröffnet und dort eine alles Irdische überstrahlende Herrlichkeit, ja Kronen und Thronen verheißt, da die Überwinder mit Christo sitzen sollen auf seinem Stuhl.

Diese Würde derer, die in tiefer Demut Nichts sind, auf dass der HErr Alles in ihnen sei, ist zwar hier verborgen, doch lässt der HErr manchmal auch äußerlich etwas Hervorscheinen von der Erhöhung, die einst an ihnen offenbar werden soll. Wie JEsus auf dem Berge verklärt wurde und so seinen Jüngern einen Vorgeschmack seiner künftigen Verherrlichung gab, so lässt der HErr die Seinen auch schon in dieser Welt manchmal etwas erfahren, was ihnen das Wort bestätigt: „Wer sich selbst erniedriget, der wird erhöht werden.“ Eine solche Erhöhung der Demütigen ist alle Gebetserhörung, alle Hilfe aus Nöten und Trübsalen, die sie als wohlverdiente Züchtigung annehmen, alles Aufhören der äußeren oder inneren Gerichte, deren sie sich schuldig gaben, aller Genuss des göttlichen Friedens, alle Ruhe und Seligkeit nach Kampf, Sorge und Noch. In allen solchen Erfahrungen zeigt der HErr eine Erhöhung der Demütigen, bald mehr innerlich, bald auch äußerlich vor den Augen der Menschen.

Dahin gehört auch das Wort unseres Textes: „alle eure Sorge werft auf Ihn, denn Er sorgt für euch.“ Das ist ein besonderer Segen der Demut, dass wir in der väterlichen Obhut GOttes stehen und fest glauben dürfen, Er werde Alles zu unserem Besten lenken. Wer im eigenen Geist selber Alles hinausführen und durch selbstgemachte Sorgen sich helfen will, dem gelingt es schlecht, wer aber demütig seine Schwachheit erkennt und GOtt sich hingibt als dem, der allein helfen kann, der darf erfahren, wie wunderbar GOtt für ihn sorgt, wie Er alle Umstände, die kleinsten, wie die größten, zu unserem Nutzen und zu unserer Freude lenkt und sich ganz als Vater an uns beweist. Dieses Sorgen GOttes für uns, da wir uns kindlich in seinen Schoß legen dürfen, ist eine ganz besondere Erhöhung, durch die das Wort unseres Textes erfüllt wird: „den Demütigen gibt GOtt Gnade.“ dadurch führt er bis auf diesen Tag Tausende gefangen. Je mehr Hochmut in uns, desto mehr Gewalt des Teufels über uns; je mehr Eigenwille in uns, desto mehr wirkt des Teufels Wille auf uns. Das Fleisch ist allezeit eine offene Türe für den Satan; nur wenn unser Geist durch Hingabe an den Willen GOttes HErr ist über das Fleisch, also über Eigenliebe und Eigenwillen, nur dann sind dem Satan die Türen verschlossen. Deswegen ist herzliche Demut eine Macht gegen den Feind.

Diese Gnade und Erhöhung dürfen wir ganz besonders auch im Umgang mit Menschen erfahren. Demut gegen Menschen muss der Ausfluss unserer Demut gegen GOtt sein. Der Anfang unseres Textes lautet im Grundtext: „euch einander unterwerfend haltet fest an der Demut, „ wörtlich: bindet wie mit einem Knopf fest an euch den niedrigen Sinn. Vor GOtt sich demütigen ist nicht so schwer: aber vor Menschen die Schuld bekennen, vor Menschen um Vergebung bitten, vor Menschen den eigenen Willen aufgeben und sich selbst verleugnen und sich demütigen unter seines Gleichen, unter solche, die wir für viel geringer, als uns halten, das ist schwer. Aber ohne das gibt es keine wahre Demut. Von aller Pflichterfüllung gegen GOtt liegt die Probe in unserem Umgang mit Menschen. Wer den Bruder nicht liebt, der liebt auch GOtt nicht; wer gegen Menschen sich hochmütig und eigenwillig beträgt, der ist auch gegen GOtt nicht 'demütig. Darum gilt es im täglichen Leben gegen die, die uns im Handel und Wandel umgeben, mit denen unser Ich auf jedem Schritt zusammentrifft, auch da Demut, Hingabe, Selbstverleugnung zu beweisen.

Weil das so Viele, auch Fromme, nicht können, weil die Eigenliebe und der Eigenwille so viel Macht hat, daher kommt so viel Widrigkeit, Kälte und Lieblosigkeit im Umgang, der, statt ein schönes Zusammenleben zu sein, oft ein trauriges Auseinanderleben ist, weil es an dem rechten untereinander-untertansein fehlt. Aber wo das Herz aus seiner gründlichen Demütigung vor GOtt auch die rechte Kraft zur. Demütigung vor Menschen hernimmt, da ist Friede und Freude und da tut der HErr was unser Text verheißt, Er erhöht zu seiner Zeit die, welche unter Andere untertan sind in Seiner Furcht, nicht in Menschenfurcht und Menschengefälligkeit. Den Sanftmütigen verheißt JEsus, dass sie das Erdreich besitzen sollen, und die sich in stiller Verleugnung des Eigenwillens unter Andere hinuntergegeben haben, die werden durch Unterliegen siegen; Unrecht wird ihnen zum Recht werden, Schmach zur Ehre, Unterdrückung zur Herrschaft, Leiden zur Herrlichkeit. So gibt GOtt den Demütigen Gnade, Sieg und Erhöhung. Wie so die Demut ein großer Segen ist vor GOtt und Menschen, so ist sie

II. eine Macht gegen den Satan,

vor dem unsere Epistel so ernstlich warnt mit den Worten: „seid nüchtern und wacht, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher, wie ein brüllender Löwe, und sucht, welchen er verschlinge.“ Seid nüchtern, hütet euch besonders vor der Berauschung eures Geistes durch den Hochmut; dadurch hat der Satan unsere ersten Eltern verführt und dadurch führt er bis auf diesen Tag Tausende gefangen. Je mehr Hochmut in uns, desto mehr Gewalt des Teufels über uns;: je mehr Eigenwille in uns, desto mehr wirkt des Teufels Wille auf uns. Das Fleisch ist allezeit eine offene Türe für den Satan; nur wenn unser Geist durch Hingabe an den Willen GOttes HErr ist über das Fleisch, also über Eigenliebe und Eigenwillen, nur dann sind dem Satan die Türen verschlossen. Deswegen ist herzliche Demut eine Macht gegen den Feind.

Die Demut ist das Gefäß, in das GOtt den Reichtum seiner Gnade niederlegt, im demütigen Glauben haben wir GOtt, und es gilt uns das Wort des Johannes: „der in uns ist, ist stärker, als der in der Welt ist.“ Wie wohltuend sind diese Worte, wenn wir die Macht des Satans bedenken, wie sie unser Text schildert. Als unser Widersacher geht er umher, wie ein brüllender Löwe, und sucht, welchen er verschlinge. Als unser Widersacher gönnt er uns nichts, als Böses, und kann es nicht sehen, dass wir dem, der unser Leben und unsere Seligkeit ist, GOtt, uns hingeben. Wie er Hiob verklagte, David verführte, Judas verstockte, so ist er unablässig bemüht, Seelen zu verderben, oder, wie unser Text sagt, zu verschlingen, in den Abgrund des Verderbens zu reißen. Wie der Blutdurst des Löwen und seine grimmige Macht und Stärke Alles mit Schrecken erfüllt, so ist auch der Satan ein, starker Gewaltiger, wie ihn JEsus selbst nennt, und wie Luther von ihm sagt:

Groß' Macht und viel List
Sein' grausam Rüstung ist;
Auf Erd' ist nicht seins Gleichen.

Mit einem solchen Feind dürfen wir es ja nicht zu leicht nehmen; er sucht auf alle Art den Seelen beizukommen und sie in sein Netz zu ziehen, bald mit List, bald mit Gewalt, bald durch Lust, bald durch Last, bald durch Wirkung innerer Gedanken und Bilder, die er wie feurige Pfeile in die Seele hineinwirft, bald durch Vorspiegelung und Vorführung äußerer Reiz- und Lockungsmittel aus dem, was vor der Welt als groß, lieblich und schön gilt. Durch das Alles will der Satan von GOtt abführen und so des Lebens uns berauben. Und da ist keiner, an dem er nicht seine gottlosen Verführungskünste versuchte. So lange wir im Fleische leben, so lange ist unser Fleisch die offene Türe, durch die er eingehen kann, wenn wir sie nicht geschlossen halten durch den Geist, wenn wir das Fleisch nicht kreuzigen samt seinen Lüsten und Begierden.

Dazu gibt unser allerheiligster Glaube allein die Kraft. Daher sagt unser Text: „dem widersteht fest im Glauben,“ im Glauben an den Sohn GOttes, der die Werke des Teufels zerstört und alle Macht und Gewalt ihm genommen hat, so dass er nichts vermag über Alle, die in Christo JEsu sind. JEsus ist die Burg, sein Name ist das feste Schloss, dahin der durch den Glauben gerecht Gewordene läuft und beschirmt wird. Am Kreuze JEsu ist der alten Schlange der Kopf zertreten und die Handschrift, die wider uns zeugt, aus der Satan uns verklagen konnte, zerrissen, und durch Tod und Auferstehung hat JEsus die Gewaltigen, die bösen Geister unter dem Himmel, ausgezogen und schaugetragen öffentlich und einen Triumph aus ihnen gemacht durch sich selbst (Kol. 2.). Daher können wir im Glauben an JEsum, als an den für uns gekreuzigten und auferstandenen Siegesfürsten, alle feurigen Pfeile des Bösewichts als mit einem Schilde auslöschen.

Aber des Glaubens Element und Boden ist die Demut, und nur so lange wir in der Demut stehen, nur so lange sind wir in der Festung, in der kein Feind uns antasten kann. Wollen wir ohne den HErrn nichts, sein, so kann Er Alles sein in uns und für uns; trauen wir unseren eigenen Gedanken, unserem eigenen Willen nichts Gutes zu, fürchten wir uns vor uns selbst, als vor dem größten Feind, so kann GOtt durch seinen Geist unsere Herzen und Sinne bewahren in Christo JEsu. Dagegen hochmütige Gedanken trennen uns von GOtt und so sind wir dem Feinde preisgegeben.

Das wissen die Meisten von uns aus Erfahrung. Wenn es zu Rückfällen kam im geistlichen Leben, wenn Fleischeslust die Gedanken einnehmen durfte, wenn Augenlust in der Welt wieder eine Weide suchte, wenn im Wandel mit Anderen wir durch Ungeschick, durch vorschnelle Reden, durch unlautere Werke uns verfehlten und zu Schanden wurden, was war die Wurzel solcher Rückfälle? Fast immer finden wir, dass der Hochmut es ist. Es ging im Geistlichen gut, wir hatten Friede mit GOtt, spürten besonderen Segen im Gebet und Kraft in der Heiligung; es gelang uns im Beruf und Geschäft, und Wohlstand wurde uns zu Teil; wir wurden vielleicht gelobt und geehrt, da erhob sich das eitle Herz und gefiel sich selbst und gab GOtt nicht die Ehre und erkannte nicht mehr seine Unwürdigkeit und ließ nach im Eindringen in GOtt und Kraft-ziehen aus GOtt, und so konnte der Feind durch die offenstehende Türe des Fleisches eintreten, weil der Geist schlief im Rausch hochmütiger Gedanken.

Das ist der Gang bei den meisten Sünden der Kinder GOttes. Hochmut kommt vor dem Fall. GOtt selbst lässt hochmütig gewordene, vereitelte Seelen fallen, da sie ohne das ihren inneren Schaden nicht einsehen würden. Wer dagegen in demütiger Hingabe an den HErrn und auch in demütiger Selbstverleugnung gegen Menschen bleibt, der hat darin eine Macht, alle sich erhebende unlautere Gedanken gleich als unechte zu erkennen und so alle Finsternis durch das Licht, in dem er wandelt, strafen zu lassen. Auch erhält die Demut uns fortwährend im rechten Gebetsgeist, und das Gebetsleben verwahrt gegen den Satan, wie wenn im Feld überall Schildwachen und Posten ausgestellt sind, die das Lager vor jedem Überfall des Feindes sichern. Hinwiederum ist das Gebet die Übung und Stärkung der Demut, deren sie beständig-bedarf. Die Versuchungen, aus der Demut zu fallen, sind groß, von außen und innen. Deswegen ermahnt Petrus: „haltet fest an der Demut, lasst euch durch nichts von ihr reißen.“ Dazu hilft besonders ernstliches Gebet. Der Umgang mit GOtt zeigt uns stündlich neu unsere Nichtigkeit und Unwürdigkeit und macht uns weich und hingebend gegen Jedermann.

Ist so die wahre Demut eine Macht gegen den Satan, so ist sie

III. auch eine Kraft im Leiden,

in jeder Anfechtung von außen und innen. Im Leiden geduldig auszuhalten - das ist das Dritte, wozu unser Text uns ermahnt, wobei er uns damit tröstet, dass dieselben Leiden, über die wir klagen, allgemein über alle Kinder GOttes in der Welt ergehen und dass ja das Leiden nur eine kleine Zeit währe und GOtt darin stärke und dadurch vollbereite zur seligen Ewigkeit. So tröstlich diese Gedanken sind, so ist doch die rechte Geduld im Leiden nicht möglich ohne den stillen Demuts- und Verleugnungssinn, der nach dem Bisherigen Gnade bei GOtt und Menschen und Macht gegen den Satan uns verleiht. Was macht ungeduldig im Leiden? Wohl auch das Schmerzliche des Leidens selbst und die Kreuzflüchtigkeit und Zärtlichkeit des Fleisches, dem alles Wehtuende und Bittere zuwider ist. Doch können ja das Alle ertragen, die das edle Kräutlein „Geduld“ recht als Arznei zu gebrauchen wissen. Aber wo ist dieses zu finden, und wo dagegen herrscht die Ungeduld? Da herrscht die Ungeduld/wo es an demütiger Erkenntnis unserer großen Unwürdigkeit und Sündhaftigkeit fehlt.

Wenn wir noch so viel von uns halten, so begehren wir gute Tage und sehen alle Trübsal als etwas an, das uns nichts angehe, das kein Recht über uns habe. Da hört man so manchen Leidenden in die Klage ausbrechen: „womit habe ich denn mein Unglück verschuldet? ich bin ja ganz unschuldig, ich habe nicht so gelebt, wie andere Leute, die ihr Leiden sich selbst zuziehen.“ So haben wir in unserem Bibellesen der letzten Tage den Hiob oft sprechen hören. Er berief sich wiederholt auf seine Gerechtigkeit und konnte es nicht reimen, dass ein Mann wie er, in solches Leiden kommen solle. Da gibt es ein falsches Mitleid mit uns selbst, in dem wir uns als unschuldige Dulder aufs Höchste bedauern und beklagen und wie mit GOtt rechten können. In solchem Sinn konnte Hiob von der Ungeduld sich so weit fortreißen lassen, dass er den Tag seiner Geburt verfluchte.

Es prüfe sich nur ein Jedes von uns, das über große Ungeduld im Leiden zu klagen hat. Gewiss werden wir als die Hauptursache der Ungeduld das erkennen, dass wir noch viel zu viel auf uns halten und dass die Bekenntnisse von unserem Sündenelend oft bloße Redensarten sind; wenn es aber darauf ankommt, die Schuld, namentlich auch die Lieblingssünden, recht zu erkennen und um ihretwillen geduldig zu leiden, da fehlt es an aller Willigkeit. -

Doch eben unter dem Leiden demütigt uns der HErr am meisten und bricht den Eigenwillen und die Eigenliebe, und schmelzt, was in sein Reich nicht taugt. Hat dann so der Geist GOttes uns überzeugt, dass wir als elende, unwürdige Sünder noch viel mehr verdient hätten, ja dass wir der Hölle schuldig wären, o wie macht das so still und geduldig, wie können wir das Alles uns gefallen lassen, was GOtt uns auflegt und auch was Menschen uns antun! Was wir von GOtt unmittelbar annehmen können, Krankheiten, Unglücks- und Todesfälle - das ist leichter zu tragen, als was von Menschen kommt, wobei dann in uns Zorn, Rache, Hochmut und Hass sich regt und uns beredet, solche Beleidigung sei nicht zu ertragen, solches Unrecht dürfen wir nicht auf uns liegen lassen, solches Schmähen über uns verdiene unseren entschiedensten Hass und wir müssen widerstreben, wiedervergelten und uns auf jede Art Recht verschaffen.

Wie ganz anders ist es, wenn wir unsere Sünde vor GOtt tief erkennen und einsehen, wie von allen Sünden, auch von denen, die wir nie getan haben und deren man uns mit Unrecht beschuldigt, doch der Keim in uns liegt und wir ohne GOttes Bewahrung in die gröbsten Sünden hätten versinken können, so dass wir vor GOtt uns aller Fehler schuldig geben müssen und bekennen, dass uns nie zu viel geschieht. O wenn die Leute vollends unser Herz sehen könnten in allen seinen geheimen Gedanken, mit den Bildern, Lüsten, Neid-, Hass- und Hochmuts-Regungen, die darin sind, ach, wie würden wir dann selbst Alles als gerecht erkennen, was Andere wider uns haben oder tun! Gewiss je mehr wir vor GOtt uns demütigen, desto leichter werden wir alle Leiden ertragen lernen, und gewiss haben schon Viele von uns erfahren, dass, so wie wir unser Leiden als verdient in Geduld annehmen und in gründlicher Buße uns vor GOtt demütigen, so macht GOtt auch dem Leiden ein Ende, wie das Gold im Tiegel vom Feuer genommen wird, sobald es ganz stille ist und keine wegzuschmelzende Schlacke mehr sich hören lässt. Das erfuhr jener Uhrmacher, der in den ersten zwölf Jahren seiner Ehe in stetem Unfrieden mit seiner Frau lebte. Eines Abends, nach einem heftigen Zank, ging er ins Freie und dachte: „Warum sind wir doch so unglücklich, wir haben unser gutes Brot, und haben uns doch im Grunde lieb; aber meine Frau gibt bei jedem Unfall im Hause mir die Schuld. Bin ich denn Schuld?“ Je mehr er so fragte, desto mehr hieß es in ihm: „du bist Schuld.“ Nun nahm er sich vor, immer die Schuld auf sich zu nehmen. Eine Zeitlang half es. Bald aber wurde die Frau misstrauisch und sagte: „Das sagst du nur aus lauter Bosheit, dass du Schuld bist, im Herzen denkst du doch anders.“ Und der Unfriede ward ärger, als vorher. Da betete er in einer schlaflosen Nacht sehr ernstlich um Erleuchtung. Alsbald wurde es Licht in ihm und er sagte: „ich habe doch Schuld, dass meine Frau so ist, ich bedarf einer solchen Demütigung; wäre ich wahrhaft bekehrt, so wäre sie gewiss anders.“ Von da an trug er alle Widrigkeiten mit stiller Ergebung im Gefühl, es geschehe ihm nur, was er verdiene. An einem Nachmittag aber, wo sie ihn tief gekränkt hatte, sagte er zu ihr: „Liebe Frau, ich muss doch recht schlecht sein, dass du so gegen mich bist; wenn ich nicht so schlecht wäre, so würde es der liebe GOtt nicht zugeben, dass du so gegen mich sein könntest.“ Da erblasste sie, fiel ihm weinend um den Hals und rief: „Nein, du bist nicht schlecht, ich bin schlecht, aber ich will besser werden.“ Und sie ward besser, und der Friede des Hauses ward nicht mehr gestört.

Ach, Geliebte! wie von Liebe, so wird von Demut viel gesprochen, aber wenig geübt, und die dem äußern Schein nach Demütigsten sind oft gegen ihre Umgebungen so anmaßend und in ihrem ganzen Wandel so eigenwillig und eigenliebig, dass man an ihrem ganzen Christentum irre werden möchte. Aber wie ohne Liebe, so ist ohne Demut kein geistliches und so auch kein ewiges Leben, kein Leben in GOtt für uns möglich. Und im Himmel werden die am hellsten leuchten, die hier den niedrigsten und demütigsten Sinn hatten. Aber auch schon für diese Zeit gilt, was ein Lied sagt:

Ruhe nirgends lieber bleibt, Als wo Demut ziert.
Was zur Niedrigkeit fein treibt Und hinunter führt,
Gibt wahre Ruh. Hier und dort
Ist keine Ruh, Als bei GOtt;
Zu Ihme zu! GOtt ist die Ruh. Amen.

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autoren/k/kapff/kapff_3_nach_trinitatis.txt · Zuletzt geändert: von aj
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