Diedrich, Julius - Der fünfzehnte Psalm.
Hier wird uns ein Lied des wahrhaften Reichs- und Hausgenossen Gottes beschrieben, wie im vorigen Psalme das Wesen des Gottlosen dargestellt war. Erkannt wird aber der wahre Israelit und Christ an seinem Wandel nach der zweiten Tafel; an dem äußern Gottesdienste und dem Mundbekenntnisse lassen es auch die Heuchler nicht fehlen. Gott hat sich aber so nahe mit der Menschheit verbunden, auf solche nahe Verwandtschaft mit der Gottheit ist die Menschheit angelegt, dass Niemand Gott ehren kann nach der ersten Tafel, ohne zugleich den Nächsten nach der zweiten zu ehren.
1. Gott recht erkennen, ist schon in Ihm leben und Ihn lieben, und wer Ihn liebt, der liebt das ewige Liebeswesen selbst, und liebt Alles, wie Gott alles liebt. Die Liebe ist niemals vom Glauben zu trennen, denn glauben heißt schon ganz aus Gottes Liebe leben. Das verstehen diejenigen schlecht, welche den äußern Gottesdienst schon für frommes Werk achten und Christi Kirche nach Art der Reiche dieser Welt ansehen, welche durch äußeres Werk bestehen und groß werden.
David stellt sich im heiligen Geiste die Frage: HErr, wer wird weilen in Deinem Zelte? Wer wird wohnen auf Deinem Berge? Das will er sich von Gott lehren lassen, denn Gott allein sagt es uns richtig, wer Seine Vertraute seien. Gott hat Sein Gezelt unter sündigen Menschen aufgeschlagen, dass sie bei Ihm Gastfreundschaft finden, Gott hat hier auf einer Höhe über dem irdischen Treiben einen Stand eingenommen, da wir Zuflucht bei Ihm finden sollen. Im alten Testamente war das vorbildlich in der Stiftshütte; im neuen dagegen ist es im Geiste vollendet: in unserm Fleische wohnt das Wort, durch Seine Gnadenmittel schauen wir Jesum verklärt wie auf Tabor und Er gibt den hellen Schein Seiner Gnade in unser Herz, welcher uns heiligt zu Seinem Bilde. 2. Nun hören wir, welche das seien, wir sehen es, wie Jesus uns in Seinem Gnadenreiche ausgestaltet. Der ist Gottes Vertrauter durch Seine Gnade, wer untadelig wandelt, ohne Widerspruch und Zwiespalt in sich selbst, in lauterer Einfalt, wer Gerechtigkeit übt gegen seinen Nächsten, dass er nicht sich selbst zum Mittelpunkte der Welt macht, nicht das seine sondern den Segen des Nächsten sucht, und Wahrheit redet in Seinem Herzen. Der natürliche Mensch ist durch und durch verlogen, weil er sich zu Gott selber macht und sich beständig über sich selbst täuscht. 3. Darum trügen auch alle seine Worte und Gebärden. Wer mit seiner Zunge nicht verleumdet, seinem Nächsten kein Arges tut, und seinen Nächsten nicht schmäht. Der natürliche Mensch, im Gefühle seiner Verderbtheit, will sich erheben durch Verkleinerung des Nächsten, darum ist sein böses Tun eingefasst in viele Zungensünden, in Verleumden und Schelten. Sich selbst will er sichern, weil er die Sicherheit in Gott nicht hat, und darum tut er dem Nächsten, dessen Bestes er suchen sollte, dessen Heil ihm auch nie schadet, sondern ihn nur erfreuen sollte, beständig alles Arge, was er vermag. Seinen Nächsten schilt er immer, als ob der ihm hinderlich wäre und wünscht ihn. aus dem Wege, daher kommt dann wieder lauter Argestun. Wer aber solch Wesen an sich erkennt und bereut, und sich zu Christi Gnade flüchtet, der lernt es von Ihm und in Ihm gar anders, dass er nun dem Nächsten gern vergibt, ihm zurecht hilft und ihn gern mit sich zum Himmel zöge.
Verachtet ist in seinen, des Reichsgenossen Augen 4. der von Gott Verworfene, er fürchtet nicht das Drohen der großen Riesen, sondern weiß dies in Gott, dass die Er verworfen hat, uns nimmer schaden können. Gott gedenkt es gut mit uns zu machen, wenn sie uns eine Zeit lang Böses zufügen. Dem kann derjenige aber nicht trauen, welcher nicht selbst in Gottes Gnade ruht. Der Fromme achtet der Gottlosen mit all ihrer Klugheit und Macht nicht, sondern ehret die Gottesfürchtigen, wenn sie auch als die Elenden und Armen, als die Leidtragenden und Seufzenden unter Christi Kreuze geringe Gestalt haben. Der natürliche Mensch dagegen sieht an solchen viele Gebrechen, während der Fromme Gottes Liebeswerk an ihnen sieht und sich ihre Seelen gar teuer sein lässt. Gottes Gnade, in der er selber steht, bringt ihm solche Anschauung bei. Wer zu seinem Schaden schwört und ändert es nicht. Der natürliche Mensch schwört auch dem HErrn, bekennt auch Seinen Namen mit, wo es nichts kostet; wenn es aber Not und Gefahr bringt, weicht er vom Bekenntnisse. Christus lehrt uns dagegen Seinen Namen über alle Bequemlichkeit und allen Genuss des Fleisches schätzen, dass wir unser Kreuz getrost tragen und des Endes warten; Er wird ja die Treue, die man im Leide bewiesen, herrlich lohnen. Sein Geld 5. gibt er nicht auf Wucher, dass er des Nächsten Not für sich ausbeuten möchte, denn bei Jesu hat er's gelernt und genießt dessen selber,, dass dieser, der höchste HErr, uns zu Gute alle Schmerzen duldete. Er wollte uns fürwahr nicht ausbeuten; sondern Er duldete für uns und teilte uns die Beute aus. Und Er nimmt nicht Geschenk gegen den Unschuldigen, wie sich der natürliche Mensch leicht bestechen lässt. Jesus wollte Leid tragen, damit Er uns von Sünden hilft, wie könnten wir nun fleischlichen Vorteil mitnehmen und der Welt Freundschaft achten, wo sie den Unschuldigen mit unsrer Hilfe unterdrücken will? Wer solches tut, wird nicht wanken ewiglich, denn in ihm hat die Gnade wirklich Wurzel gefasst, an ihm hat der heilige Geist Sein Werk und wird es auch vollenden. Erkennst du nun, dass der alte Mensch noch gar mächtig in dir sei und dich oft in Gedanken, Worten und Werken zu Falle gebracht habe, so verzweifle doch noch nicht, denn hier hörst du, wie man in Christi Gezelte durch Seine Gnade anders werden soll. Seine Gnade wird es alles tun, lass dich ihr nur von ganzem Herzen. Jesus nimmt die Sünder an und isst mit ihnen; die aber bei Ihm essen, bei Ihm weilen und wohnen, die erfüllt Er auch mit Seinem Liebesgeiste, dass sie kein Böses mehr tun können. Weile also immer ununterbrochen bei Ihm, mache dich in Seinem Worte recht ansässig, so wird das alte lügenhafte, gehässige Wesen auch aus dir schwinden, und himmlische Einfalt und Liebe werden in dir regieren.
Gebet. O habe Dank, Du ewiger heiliger HErr und Gott, dass Du uns arme sündige Menschen bei Dir im Hause weilen auf Deinem reinen, lichten Berge willst wohnen lassen, Nimm uns noch heute wieder an und ziehe uns in Dein Wesen, dass wir Dich über Alles und unsern Nächsten wie uns selber lieben: durch Jesum Christum. Amen.