Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Achte Predigt.

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Achte Predigt.

Ein Haufe Lästrer, unser Gott!
Wagt's, deinen Sohn mit wildem Spott,
Den Sohn, den Mittler, den zu schmähn,
Durch den selbst Himmel einst vergehn!
O kenntet ihr, den ihr verhöhnt!
Auch euch, auch euch hat er versöhnt!
Ach wüßtet ihr's, die ihr ihn haßt,
Sanft ist sein Joch, leicht seine Last.

Wir predigen den gekreuzigten Christum, den Juden ein Aergerniß und den Griechen eine Thorheit (1 Cor. 1,23). Die Welt, dem Evangelium gegenüber, ist was sie war und war, was sie ist. Vom Jahre 30 an bis zum Jahre 1854 hat sie wider das Christenthum gestritten, weil es ihr von jeher ein Aergerniß oder eine Thorheit war. Wenn Paulus in unserm heutigen Texte den Philippern schreibt, daß sie im Kampfe für ihren Glauben sich standhaft gegen ihre Widersacher halten sollen, so versteht er unter diesen Widersachern nicht Irrlehrer in der Gemeinde, sondern Ungläubige, denen das Evangelium ein Aergerniß oder eine Thorheit war. Theils waren es Juden, theils Heiden. Die Juden sahen ihr väterliches Gesetz bedroht. Hatten sie die Zähne zusammengebissen über Christum, wie hätten sie sie nicht zusammenbeißen sollen über die Christen! Sonderlich haßten sie Paulum, der so mächtig für die evangelische Freiheit kämpfte, und nicht wollte, daß man das Joch der väterlichen Satzungen den Jüngern des Herrn auf den Nacken legen sollte. Waren um deßwillen viele Christen aus den Juden wider ihn: wie viel mehr mußten's die ungläubigen Juden sein! Hatte er doch, als er in und bei Philippi predigte, viel von diesen halsstarrigen Menschen leiden müssen (Apg. 17, 5 rc.). Was ihm widerfahren war, das widerfuhr nachher auch den durch ihn bekehrten Christen zu Philippi. Dazu kamen die Feinde aus dem Heidenthum, die entweder aus Eigennutz oder weil die evangelische Weisheit ihnen eine Thorheit und ein Unverstand war, manchen Sturm wider die Gemeinde erregten, wie sie schon gleich in den ersten Tagen sich wider die neue Predigt zusammengerottet hatten (Apg. 16). So fehlte es also den theuren Brüdern nicht an heftigen Widersachern, wie denn solcher Kampf wider die Freunde Christi fortgedauert hat bis auf unsere Zeit. Wir predigen den gekreuzigten Christum, der Welt ein Aergerniß und eine Thorheit. Ebendarum aber ermuntert der Apostel die Christen zu einem muthigen, standhaften Kampfe gegen die Widersacher. Hört was er sagt:

Phil. 1, V. 27-30:
Wandelt nur würdiglich dem Evangelium Christi, auf daß, ob ich komme und sehe euch, oder abwesend von euch höre, daß ihr stehet in Einem Geist und Einer Seele, und samt uns kämpfet für den Glauben des Evangelii; und euch in keinem Wege erschrecken lasset von den Widersachern, welches ist eine Anzeige ihnen der Verdammniß, euch aber der Seligkeit, und dasselbe von Gott. Denn euch ist gegeben um Christi willen zu thun, daß ihr nicht allein an ihn glaubet, sondern auch um seinetwillen leidet, und habet denselben Kampf, welchen ihr an mir gesehen habt, und nun von mir höret.

Der Apostel hatte gesagt, daß er wieder zu den Philippern kommen und ihren Glauben stärken und ihre Glaubensfreudigkeit mehren werde. Das führt seine Gedanken von sich ab auf den Zustand der Gemeinde, und er verweilt nun eine Zeitlang (bis Cap. 2,16) bei ihren Angelegenheiten. Er gedenkt zunächst ihrer Kämpfe, die sie hatten, und da ermuntert er sie zur Standhaftigkeit. „Wandelt nur würdig des Evangelii - stehet fest - laßt euch nicht erschrecken.“ Darauf vor Allem kommt es an, wie das Wort „nur“ sagen will. Sehet von allem Andern ab; eure nächste, wichtigste Sorge sei, daß ihr euch, brav haltet als Bürger des Himmelreichs und Streiter Christi. „Ob ich komme und euch sehe, oder abwesend sei: hören muß ich das von euch, was zu hören mich verlangt, daß ihr nämlich feststehet wie eine unerschrockene Streiterschar. Er stellt damit sein Kommen nicht wieder in Zweifel; aber er war ja für's Erste noch nicht bei ihnen, und konnte, auch wenn er nachher kam, nicht immer bei ihnen sein, also zum Sehen mußte auf jeden Fall, entweder noch vor seinem Erscheinen oder doch nach demselben, das Hören kommen. Sollte nun durch böse Nachricht sein Herz betrübt werden? Ach, es blutet ja den treuen Dienern am Evangelium nie mehr das Herz, als wenn es übel um ihre Gemeinden steht. Unter Thränen schreibt Paulus nachher von dem bösen Wandel Vieler (Phil. 3,18). So sagt auch der Prophet Jeremias (Cap. 8,21): Mich jammert herzlich, daß mein Volk so verderbt ist, ich gräme mich und gehabe mich übel. Sollte nun der Apostel auch betrübt werden durch eine Hiobspost, die von den ihm so theuren Philippern kam? Wir erkennen aus seinen Worten, wie innig sein Herz vorzugsweise an dieser Gemeinde hing. Daher denn auch seine väterliche Ermahnung, die er nicht bloß an diesen und den, sondern an die ganze Gemeinde richtet. Betrachten wir nun seine Worte näher. Das Thema ist: Die Standhaftigkeit der christlichen Gemeinde im Kampfe wider die Welt. Worauf beruht diese Standhaftigkeit? Worin besteht sie? Welche Aussicht gewährt sie? Was ermuntert zu ihr? Diese Fragen beantwortet unser Text.

Aber wir gehen über den Text hinaus zu dir, heiliger Geist, und bitten, daß du wollest unsern Text deine Hand sein lassen und an dieser Hand uns leiten, daß wir des rechten Weges nicht verfehlen.

1.

Alle seine Ermahnungen, nicht nur die: „Stehet fest“, sondern auch was nachher Cap. 2 folgt: „Seid Eines Sinnes“ - „Seid gesinnet wie Christus war“ - „Schaffet, daß ihr selig werdet“ - das Alles sind Perlen, die an der Schnur des Wortes hangen, welches voransteht: „Wandelt würdig des Evangeliums von Christo.“ Da weiset er sie auf ihren Stand als Bürger des Himmelreichs, welchem Stande sie gemäß sich verhalten sollen auch in ihrem Kampfe wider die Welt.

Die Standhaftigkeit der Christen in ihren Kämpfen beruht vor Allem auf ihrem himmlischen Bürgerstand. Wandelt, oder wie es im Grundtexte lautet: Verhaltet euch als Bürger - welches Reiches? Antwort: als Bürger des Himmelreiches, dessen Haupt Jesus, dessen Verfassung und Staatsgrundgesetz das Evangelium von Christo ist. Wolltet ihr euch Bürger dieses Reiches nennen, wolltet ihr sagen und rühmen: Unser Wandel ist im Himmel, und doch euch nicht halten nach der Verfassung dieses Reichs? Das Evangelium ist nicht eine Verfassungsurkunde, geschrieben auf ein Stück Papier, nicht eine Karte oder Grundgesetz, wie man sie zu Hunderten gemacht hat in der neuern Zeit; nein, es ist das lebendige Gotteswort, welches mit dem Griffel des heiligen Geistes in jedes wahrhaftige Christenherz geschrieben ist. Da brauchen wir nicht zu blättern und zu suchen nach den Paragraphen, die von Krieg und Frieden handeln; sondern das alles steht so lebendig und unmittelbar in unsern Gedanken geschrieben, daß, wer nur sagen kann: Ich bin ein Bürger des Himmelreichs, darin sich gar nicht irren kann. Nach dem Evangelio ist er mit seinen Feinden wohl bekannt: es sind Fleisch, Welt, Sünde, Teufel, Tod. Nach dem Evangelio kennt er seinen Führer und Herzog, der im Treffen der Erste ist: Christus, der in ihm lebt und dessen Vorbild er vor Augen hat. Nach dem Evangelio kennt er die göttliche Rüstkammer und die Waffen, die er sich daraus holen soll, darunter die Hauptwaffe der Glaube ist: „vor allen Dingen ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnet alle feurigen Pfeile des Bösewichts (Eph. 6). Nach dem Evangelio kennt er das Feldherrenwort: Vergiß, was dahinten ist, und strecke dich nach dem, das vorne ist, und kennt auch das Ziel seines Kampfes und die schöne Siegeskrone, die am Ziele seiner wartet, falls er treu ist bis an den Tod. - Das sind die Kriegsparagraphen aus der theuren evangelischen Verfassungsurkunde des Himmelreichs. Ei du lieber Bürger dieses Reiches, kannst du nun noch fragen, wie du dich im Kampfe wider deine Feinde zu verhalten habest? Kannst du nun noch feig und muthlos sein, und dich auch nur einen Augenblick noch besinnen, ob du stehen oder fliehen, ob du kämpfen oder die Waffen von dir werfen sollst? Besinne dich doch), lieber Mann; denk' an deinen christlichen Bürgerstand und an die Verfassung des Himmelreichs, die du als Christ in deiner Taufe beschworen hast. Ist irgend etwas klar, so ist es dies, daß du muthig und standhaft kämpfen sollst. Diese Pflicht und Nothwendigkeit beruht auf deinem himmlischen Bürgerstand.

Damit hängt nun auch das Andere zusammen, worauf Paulus uns hinweiset als auf eine nothwendige Bedingung, falls der Kampf glücklich von Statten gehen soll. Ihr wisset, wenn die Bürger in's Feld rücken wider den Feind, daß dann ihr Standhalten ganz vornehmlich von dem Geiste abhängt, der sie Alle erfüllt. Ist kein Geist da oder ist's nicht der rechte Geist, so fehlt's an Muth und Munterkeit, so fehlt's auch an der rechten Einmüthigkeit, und was ist dann von ihnen zu hoffen? Aber ist's Ein Geist und noch dazu ein mächtiger Geist, der Alle erfüllt, dann ist Leben da, dann auch Einmüthigkeit, sie stehen Alle wie Ein Mann, und nun frohlockt der Feldherr, denn mit Hundert dieser Leute schlägt er Tausend Feinde. Der dies Heer erfüllende Geist ist der Sieg vor dem Siege. In diesem Geiste sind sie Löwen, welche siegen, selbst unter der Führung eines Hirsches; ohne diesen Geist aber sind sie Hirsche, die es zu Nichts bringen, auch wenn ein Löwe ihr Führer ist. So sagt nun auch Paulus: Stehet in einem Geiste! Er meint nicht den heiligen Geist, wohl aber die Wirkung, die dieser Geist in und an der Gemeinde thut. Es ist der Geist vom Geiste - soll ich ihn einen Gedanken, ein Gefühl, einen Trieb, einen Entschluß nennen? Er ist alles dies zusammen, Ein klarer, göttlicher Gedanke, der Aller Kopf, Herz, Sinn und Willen erfüllt, und sie alle so mächtig beherrscht, daß sie ihm nicht widerstehen können. Wollte man den Geist in Worte fassen, so lauten die Worte so: Wir kämpfen Alle für das liebe himmlische Vaterland, kämpfen für unsern Heiland, der uns der Theuerste ist im Himmel und auf Erden; kämpfen für unsern Glauben, in dem wir leben und mit dem wir einst auch sterben wollen; kämpfen für den eignen Herd, den wir gefunden haben im theuren Himmelreich; kämpfen für Weib, Kind, Bruder und Schwester, die wir nicht der Verwüstung des Unglaubens preisgeben wollen; kämpfen für das Höchste, das wir haben, für Seele und Seligkeit. Dieser göttliche Gedanke, wie er Aller Brust durchzuckt, und Leben und Feuer in Alle bringt, so daß sie hinziehen munter und vergnügt, und blicken einander brüderlich an, und stürmen todesmuthig auf den Feind - das ist's, was der Apostel meint, wenn er spricht: Stehet in Einem Geist. Und dann fehlt auch das Zweite nicht: Einmüthig kämpfet zusammen für den Glauben an das Evangelium. Denn wo jener Geist ist, da ist auch die Einmüthigkeit, daß sie Alle sind wie Einer, gleich der ersten Christengemeinde, davon es heißt: Die Menge der Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele (Apg. 4). Ach, wie köstlich würde es, liebe Christen, wenn alle Glieder unserer Gemeinde zusammenständen in solchem Geiste und in solcher Einmüthigkeit! Und wenn's gar um die ganze protestantische Kirche so stände, wie könnt es ihr dann fehlen an Standhaftigkeit und Sieg in ihren Kämpfen gegen die Welt!

Leider aber ist so viel Schlüpfrigkeit, so viel Tod und darum auch so viel Uneinigkeit allenthalben, daß, in wem noch der Geist lebendig ist, blutige Thränen darüber weinen möchte. O heiliger Geist, schaffe Wandel und Aenderung! Komme du und erfülle Aller Herz, Muth und Sinn! Was schreiet doch die Welt dir gegenüber. Geist! Geist! Gibts denn einen besseren, mächtigeren Geist, als womit du die Herzen der Gläubigen erfüllst? Der hat ja tausend Wunder der Tapferkeit gethan, hat Judenthum überwunden und Heidenthum nah und fern, und noch jetzt gibt es keinen Menschen, der mächtiger wäre, als wer in der Kraft dieses Geistes kämpft. So nimm denn weg alle Schlüpfrigkeit, Lauheit, Tod und Zwietracht, durch die der Teufel der trotzigen Welt den Sieg verschafft, und mache wieder muntere, kampflustige Streiter aus deinen Christen!

2.

Alle in Einem Geiste und wie Ein Mann, so sollen wir streiten als Bürger des Himmelreichs. Dann wird's nicht fehlen an der Standhaftigkeit, wozu uns der Apostel ermahnt. Worin bestehet sie? Ein Zwiefaches wird uns in unserm Texte genannt. Das Erste, das dazu gehört, ist das Stehen.

Stehet, sagt Paulus. Dem Stehen ist das Liegen und Schlafen entgegen. Lieget nicht, schlafet nicht, sondern wachet, wie der Apostel euch anderswo Beides zusammensetzt (1 Cor. 16,13): Wachet und stehet im Glauben. Wer kennt nicht das Wort: „Als die Leute liefen, kam der Feind?“ Die protestantische Kirche hat Erfahrung davon gemacht, sonderlich gegen das Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts. Der Unglaube ist hereingebrochen in unsere Kirche und hat viele tausend Herzen gefangen genommen. Es kam so weit, daß vom Glauben an das Evangelium bei der Mehrheit der Christen fast nicht mehr die Rede sein konnte. An die Stelle des alten Glaubens war ein neuer Glaube getreten, der in Wahrheit nichts als Unglaube war, wie er denn auch jetzt immer mehr in den entschiedensten Unglauben übergeht. Kein Christus mehr, kein Gott und Vater mehr, kein Himmel, kein ewiges Leben mehr - so finden wir's bei so vielen Ungläubigen, und wie kann es anders sein, wenn der Glaube an das Evangelium fehlt? Sinkt das Fundament des Glaubens weg; muß dann nicht das Haus des Glaubens nachsinken? Wie hätte es aber zu einer solchen Verwüstung in der Kirche kommen können, wenn die Leute nicht geschlafen hätten! Jetzt sind Viele wieder aus dem Schlafe erwacht; es regt sich, hier und allenthalben, und wollte Gott, daß sie Alle erwachten! Es gilt von dem einzelnen Christen, wie von der ganzen Gemeinde: schläfst du, so kommen die Philister über dich! Ganz unvermerkt ist leicht der Feind heran; du bist sorglos, du gibst dich den Geschäften und Genüssen des irdischen Lebens hin; dein Herz wird kalt gegen Christum und immer kälter; deine Gebete werden seltener und kraftloser; deine Freude an Gott weicht mehr und mehr der Freude an der Welt; wenig fragst du mehr nach dem Gotteshause, schiebst den Gang an den Altar von Woche zu Woche auf; besuchst seltener die Kranken, thust seltener Werke der Liebe an den Brüdern - siehe, so schläfst du ein, und bist du endlich, ganz im Schlaf, so ist es um dein Christenthum geschehen. Aber raffe dich auf, Christ, raffe dich auf, Gemeinde! Erschrick über dich, wenn es so um dich steht, und bitte Gott, daß er dir wieder aufhelfen wolle! - Stehet, sagt Paulus. Dem Stehen ist das Weichen entgegen, und ganz besonders ist dies gemeint, daß wir fest stehen und nicht weichen sollen, weil es nachher heißt: Lasset euch nicht schrecken. Sieh ein muthiges Heer im Kriege an, wie das nicht von der Stelle weicht, sondern wie Bäume stehen sie und leisten dem Feinde Widerstand. Sold eine muthige Schar sollst du sein, liebe Gemeinde. Eher als deinen Glauben, sollst du dir dein Leben nehmen lassen. Für den Glauben sollt ihr Alle beisammen stehen und gleichsam ein festes Quaree bilden, woran sich der Sturm der Widersacher bricht.

„Wolltet ihr muthlos sein? In keinem Wege lasset euch Schrecken von den Widersachern,“ das gehört zur Standhaftigkeit. In keinem Wege, mag auch der Feind an Mannschaft stärker sein als ihr und mit noch so blanken Waffen euch entgegentreten. Die Ungläubigen sind an Zahl stärker, haben auch vielleicht mehr Geld und Macht, trotzen auf ihre Kunst und Wissenschaft und was es sonst sein mag. Aber davor erschrecket nur nicht. Die Pferde werden mitunter scheu und kehren um, aber euch Christen, die ihr Streiter Christi seid, soll nichts an dem Feinde schrecken. Nicht seine Zahl; Leonidas hat einst mit 300 Spartanern Hunderttausenden der Perser widerstanden. Auch Christi Schar ist nicht groß, aber er spricht ihr Muth ein und sagt: Fürchte dich nicht, du kleine Herde (Luk. 12). Richtete sich der Sieg nach der Zahl der Streiter: wie hätte Christus mit seinen zwölf Aposteln das große Römerreich erobern können? Einer gegen Hundert, das ist genug, wenn nur der Eine ein Mann voll Glaubens ist. Oder was könnte euch sonst (schrecken? Die Gelehrsamkeit? Die Wissenschaft? Die weise Thorheit des Evangeliums ist weiser als die thörichte Weisheit aller Weltkinder. Das Evangelium verachtet nicht die Wissenschaft; nirgends mehr als auf dem Acker der Kirche grünt der Lorbeerbaum der Wissenschaft. Der Herr der Kirche hat seinen Thron auch in der Vernunft und in der Natur und allenthalben, wo nur die Wissenschaft zu Hause ist. Man hält in unsern Tagen besonders die Naturwissenschaften dem Evangelium entgegen. Die das thun, kommen mir vor wie die Würmer, die nur in den Eingeweiden des Körpers wühlen, aber keine Ahnung davon haben, was oben vorgeht im Gehirn. So kommen Jene nimmer zu dem, dessen Himmelreich gleichsam das Gehirn der Natur ist, und der vom hohen Sitze seiner Herrlichkeit aus alle Gewalt hat über Himmel und Erde. Das Evangelium ist der Kern der Wahrheit und der Wahrheit müssen alle Dinge dienen und gehorsam sein. Wage es nur, mein Christ, mit deinem Glauben, auch wenn er ungelehrt ist, denen entgegenzutreten, die dir an Wissen zehnmal überlegen sind, so wird dein einfaches, freudiges Bekenntniß Christi mehr gegen sie ausrichten, als wenn ein Anderer den Glauben auf gelehrte Weise vertheidigen wollte. - Oder was schreckt dich sonst? Gesetzt, es wären Zeiten, wo das bürgerliche Gesetz seine Macht verloren hätte und wo die Welt mit roher, äußerlicher Gewalt wider Christum und seine Gemeinde anstürmte: fürchtet euch dennoch nicht, sondern steht und erhebet eure Stimme wie eine Posaune, so wird die Welt auf die Länge mit ihrem Wüthen nichts ausrichten. In keinem Wege lasset euch schrecken, sondern sprecht: Und wenn die Welt voll Teufel wär', Und wollt'n uns gar verschlingen, So fürchten wir uns nicht so sehr, Es soll uns doch gelingen! Stehe nur Jeder mit Geist, Muth und Freudigkeit an dem Platze, dahin der Herr ihn gestellt, weiche nicht und wanke nicht, so lange noch Odem in ihm ist. Paulus war ein tapferer Streiter, sanft wie ein Lamm, und doch muthig wie ein Löwe, wenn er den Feinden Christi gegenüberstand.

3.

Wißt ihr wohl, welche Aussicht solch unerschrockener Muth und Vertrauen im Kampfe für den Glauben des Evangelii uns gewährt? „Das, sagt Paulus, „ist den Widersachern eine Anzeige des Verderbens, euch aber des Heils.“ Dasselbe sagt er anderswo (2 Thess. 1): Eure Geduld und Glauben in allen euren Verfolgungen und Trübsalen zeiget an, daß ihr würdig werdet zum Reich Gottes, über welchem ihr auch leidet, wie es denn recht ist bei Gott, zu vergelten Trübsal denen, die euch Trübsal anlegen, euch aber, die ihr Trübsal leidet, Ruhe mit uns, wenn nun der Herr Jesus Christus wird geoffenbart werden vom Himmel samt den Engeln seiner Kraft. - Also die Aussicht auf die Niederlage des Feindes und die Aussicht auf den Sieg des Glaubens gewährt die christliche Standhaftigkeit. Wolltet ihr euch schrecken lassen und weichen, wolltet ihr verstummen und euch verkriechen, wo es gilt, für den Glauben das Schwert zu ergreifen: würde dann nicht der Feind nur desto trotziger werden, und wohl gar glauben, er habe Recht? Würde er dann nicht eure Sache für eine schlechte Sache halten, weil sie euch nicht mit Kraft, Muth und Freudigkeit erfüllt? Aber laßt die Ungläubigen merken, welch ein heiliger und mächtiger Geist euch erfüllt; laßt sie den Muth sehen und die Freudigkeit, womit ihr für euren Glauben an das Evangelium kämpft, so wird das sie stutzig machen, und sie werden heimlich anfangen, an ihrer eigenen Sache irre zu werden, und ein Vorgefühl ihrer Niederlage wird sie beschleichen. Thun sie's euch auch nicht kund und suchen's sogar sich selber zu verbergen, so wühlt doch in ihrem Gewissen der Wurm der Unruhe und der Vorempfindung dessen, was kommen wird. Paulus kannte das aus eigener Erfahrung. Auch er hatte einst gegen die Christen gewüthet; aber er erinnerte sich noch, welche Gedanken und Gefühle in ihm erwacht waren, als er die Geduld und Standhaftigkeit der Christen gesehen hatte und namentlich der Zeuge von dem Ende des Stephanus gewesen war. Als Luther zu Worms stand und sprach: Hier stehe ich! war seine Unerschrockenheit ein Blitz, der manchen seiner Widersacher traf. Viele zitterten beim Anblick des kühnen Mönchs und ahnten schon, welchen Ausgang die Sache nehmen würde. Es kann über den Unglauben keine größere Macht kommen als die Macht des Glaubens, der unerschrocken wider jenen in die Schranken tritt. Auch in weltlichen Kämpfen ist es so. Mögen große Scharen der Feinde heranziehen, so wird sie ein Gefühl der Angst und ein Vorgefühl der Niederlage beschleichen, wenn sie eine kleine Schar sich gegenübersehen, wo Alle in Einem Geiste und wie Ein Mann zusammenstehn, und ohne Furcht und Zittern, mit Todesmuth ihnen entgegenrücken. Ueberall, wo Geist, Leben und Muth ist, da zittern die Knechte der Lüge. Fürwahr, die Feinde, die der Glaube hat, würden nicht so ruhig, nicht so heiter, nicht so trotzig sein, wie sie oftmals sind, wenn die christliche Gemeinde eine solche heilige, standhafte Schar wäre. Wie oft hat Ein Märtyrer hundert seiner Feinde innerlich und auch äußerlich entwaffnet! Und das eben meint Paulus; die christliche Standhaftigkeit entwaffnet die Widersacher innerlich, nimmt ihnen das Vertrauen zu ihrer Sache und wird ihnen oft eine quälende Voranzeige des endlichen Verderbens, worin sie sich durch ihren Kampf wider das Christenthum stürzen. Aber gesetzt auch, sie erkenneten und fühleten das selber nicht, so bleibt es dennoch wahr: in's Verderben stürzen sie sich. Das Evangelium ist eine Klippe oder Fels, woran alle Schiffe derer scheitern müssen, die den Kampf gegen Christum wagen.

Wie aber wird es mit uns werden, die wir standhaft sind im Kampfe für den Glauben an das Evangelium? Uns ist das eine Voranzeige des künftigen Heils. Habt ihr einen getrosten Blick in die Zukunft, wenn ihr zwar für gläubige Christen euch ausgebet, aber den Muth und die Beharrlichkeit nicht zeigt, die der Glaube von euch fordert? Nein, dann ist das Herz nicht fröhlich und guter Dinge, und hat keine Hoffnung, wie ja feige Kämpfer nimmer fröhlich in Hoffnung sind. Wann dagegen habt ihr das schönste Vorgefühl des ewigen Lebens, das euer Heiland euch geben wird? Wenn ihr in schwere Kämpfe gerathet und ihr nun dasteht als solche Männer, wie unser Text sie uns schildert. Ich weiß zwar wohl, daß wir vor dem Kampfe oft große Angst haben können, wie auch der Herr sagt: In der Welt habet ihr Angst. Aber das sind nur die Wehen einer unaussprechlich schönen Freude und Hoffnung, die darauf folgt. Jedesmal nach solchem Kampfe kommt ein Engel, der uns tröstet und mit der lieblichsten Aussicht in die Zukunft erquickt. Ja, die besten Stunden unsers Lebens sind immer noch gewesen die Stunden nach einem treuen, guten Glaubenskampf. Wir können, auch wenn Alles ruhig hergeht, und wir keine harten Kämpfe haben, fröhlich in Hoffnung sein; aber den erquickendsten Trank der Hoffnung reicht uns der Herr dann, wenn er uns in schwerem Kampfe treu und standhaft erfunden hat. Oft reicht er ihn uns schon während des Kampfes selbst. Glänzte nicht des leidenden Stephanus Angesicht wie eines Engels Angesicht? Haben nicht viele Märtyrer, während sie des qualvollsten Todes starben, dennoch voll Freude und Trost ihren Gott gepriesen?

4.

Und nun denket nur nicht, daß solche Voranzeige der Seligkeit eine Täuschung sei. Hört, was Paulus sagt: „Und dasselbige von Gott.“ Mit diesem Worte greift er in alles zuvor Gesagte zurück. Wenn ihr in Einem Geiste und einmüthig zusammen kämpfet für den Glauben; wenn ihr durch Nichts euch schrecken lasset, sondern muthig und standhaft seid; wenn ihr in dieser Standhaftigkeit die Voranzeige einer schönen Zukunft habt, wo Gott euch Ruhe und Erquickung gewähren wird nach euren Kämpfen: so denket nur nicht, daß das von Menschen in euch gewirkt worden sei; nein, nein, erkennt vielmehr in dem Allen ein Werk und Gnadengeschenk eures himmlischen Vaters. Darum kann auch jene Voranzeige des Heiles euch nicht täuschen, sondern sie ruhet auf einer göttlichen That. Denn bedenkt doch nur, euch ist es als eine Gnade von Gott verliehen, für Christum, nicht nur an ihn zu glauben, sondern auch für ihn zu leiden. Paulus wollte zuerst bloß sagen: euch ist die Gnade verliehen, für Christum zu leiden. Aber nun denkt er daran, daß ja die Leiden aus dem Glauben kommen und daß der Leidende im Glauben das Vorgefühl des künftigen Heiles hat. Darum schiebt er den Gedanken ein, daß auch der Glaube ein Gnadengeschenk Gottes sei. O, was kann uns mehr zu einem standhaften Glaubenskampf ermuntern, als eben dies? Sprich, der du den Kampf hast, möchtest du ihn lieber nicht haben? Aber das hieße ja mit andern Worten: ich wollte, daß ich ohne den Glauben wäre; denn eben der Glaube bringt dich ja in den Kampf. Besinne dich nun: wolltest du wirklich, daß du den Glauben an das Evangelium nicht hättest? O, das sei ferne! Lieber Haus weg, Hof weg, Acker, Leib, Leben und Alles weg, als daß ich meines Glaubens sollte verlustig werden. - Ja, das sage ich auch! Hab' in der Welt kein größeres Gut als meinen Glauben! Der hat mich zum neuen Menschen gemacht und hat mir Christum zugebracht, und hat Leben über mich ausgegossen, und hat mir das Paradies aufgeschlossen, und ist in Summa ein so köstlich Ding, daß alles Andere dagegen nichtig und gering. Nun aber, von wem haben wir den Glauben? Lieber himmlischer Vater, den haben wir deiner Gnade zu verdanken! Denn wo du uns nicht entgegengekommen wärest in Christo, der sein Leben für uns gelassen hat, so hätten wir statt des Glaubens die Verzweiflung.

Kind (spricht Gott), schmerzt es dich denn, daß du einen Glaubenskampf auf Erden hast? - Nein, lieber Vater, es freut mich von ganzer Seele. - Aber das Leiden ist doch kein Gnadengeschenk? Nicht das Leiden für sich, sonst hätten ja auch die, welche um Uebelthat willen leiden, sich der Gnade Gottes zu rühmen. Aber daß du um deines Glaubens willen und daß du für Christum und seine Sache leidest, erkennst du darin kein Gnadengeschenk Gottes? Stelle dir einmal vor, wie es um dich stände, wenn du keine solchen Leiden hättest. Dann wärest du nicht Christi eigen, sondern ein Kind der Welt. Dann kämpftest du gegen Christum, statt daß du nun für ihn kämpfst. Dann, wenn dir Trübsal zustieße, wäre in dir die Traurigkeit der Welt, die zum Tode führt, und hättest nimmer rechten Muth und Freudigkeit. Aber nun sieh dich an in deinem christlichen Leiden: da bist du des Geistes voll, hast Muth, Vertrauen, Standhaftigkeit, bist ohne Furcht und Bangigkeit, und dein Muth ist dir die sicherste Voranzeige deiner zukünftigen Herrlichkeit; und wenn du nun noch bedenkst, daß du das leidest für die allerbeste Sache in der Welt und für den theuersten Namen, den es für dich gibt, für Christum, der dich mit dem großen Schmerz seines Leidens und Sterbens erlöset hat: erkennst du dann nicht, welch eine Gnade Gottes dein Leiden ist?

Nun, das ermuntere denn euch alle zu einem standhaften Kampf. Und soll ich euch außer der Gnade Gottes, die uns zum Kampfe tüchtig macht, noch einen andern Ermunterungsgrund anführen? Es ist der in unserm Texte gegebene: in Gemeinschaft unserer Vor- und Mitkämpfer. Ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet, nicht befremden, als widerfähre euch etwas Seltsames, sondern freuet euch, daß ihr mit Christo leidet (1. Petri 4). Aber es gibt auch unter den Brüdern Tausende, mit denen wir als Streiter Christi in Reih und Glied stehen. Der Herr weist seine Jünger auf die Propheten hin: Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen; seid fröhlich und getrost; denn also haben sie auch verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind (Matth. 5). Paulus aber weiset die Philipper auf ihren geistlichen Vater hin, der nächst Christo ihrem Herzen am nächsten stand: Ihr habt, spricht er, denselben Kampf, wie ihr ihn an mir sahet und nun an mir höret. Ja, das lag noch uns vergessen in ihrer Erinnerung, wie der theure Mann einst in Philippi ergriffen, geschlagen und in's Gefängniß geworfen war (Apostg. 16), und wie er bei den Schmähungen und Mißhandlungen der Feinde dennoch freudig in seinem Gott gewesen war; zu sagen das Evangelium Gottes, mit großen Kämpfen (1 Thess. 2). Jetzt war er ein Gefangener in Rom und mußte, wie schon früher gesagt worden ist, viel leiden von seinen Widersachern. Also die Philipper standen nicht alleine in ihren Kämpfen, sie hatten einen theuren Leidensgenossen, dessen Muth und Standhaftigkeit ihnen zugleich zum Vorbilde dienen konnte. Christen, es ist ein großer Trost für uns in unsern Kämpfen, daß die besten Menschen, welche gelebt haben, unsere Vorkämpfer, und tausend fromme Christen, die noch jetzt leben, unsere Mitkämpfer sind. Muß es uns nicht eine Ehre und Freude sein, daß wir in ihren Reihen stehn? Ist das nicht ungleich besser, als wenn wir zu den Märtyrern der Ungerechtigkeit gehörten? Jesaias, Jeremias, Paulus, Petrus, tausend Märtyrer sind unsere Kampf- und Leidensgenossen.

Schaue jener Helden Glauben,
Meine Seele, fröhlich an!
Laß nichts deine Krone rauben;
Ring' und klimm' zu ihr hinan!
Keine Kämpfe, keine Leiden,
Weder Tod noch Leben scheiden,
Nichts, was jetzt und künftig ist,
Scheidet mich von Jesu Christ!

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