Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Zweite Predigt.

Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Philipper in 25 Predigten - Zweite Predigt.

Herr, deinen Geist laß auf uns ruhn,
Und unser Amt mit Freuden thun;
Nichts sei, das ihn betrübe !
Wenn er uns deine Wahrheit lehrt,
Gib uns ein Herz, das folgsam hört,
Ein Herz voll treuer Liebe.
Lehrer, Hörer,
Laß in Freundschaft und Gemeinschaft
Feste stehen,
Und den Weg zum Himmel gehen.

Ein Wort der Schrift lautet: Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen; denn sie wachen über eure Seelen, als die da Rechenschaft dafür geben sollen, auf daß sie das mit Freuden thun und nicht mit Seufzen, denn das ist euch nicht gut (Hebr. 13, 17). - Wie traurig steht es doch, wenn entweder die Gemeinde über ihren Seelsorger, oder der Seelsorger über die Gemeinde seufzen muß. Es gibt ja manche Prediger, die nicht Hirten, sondern Miethlinge sind, ohne Glauben, ohne Eifer, ohne Liebe zu der ihnen von Gott anvertrauten Gemeinde, und statt das evangelische Licht leuchten zu lassen vor den Leuten, sind sie nach ihrer Gesinnung, ihrem Leben und Wandel gleichsam Fackeln, welche die Hölle angezündet hat. Welch ein unbarmherziges Gericht wird über sie ergehen! Die Seufzer, die über sie ausgestoßen werden, sind wie Sturmvögel, die das Unwetter ankündigen, welches im Anzuge ist. Ach, lieber himmlischer Vater, gib, daß weder über mich, noch über die andern Lehrer dieser Gemeinde, von irgend Jemanden mit Recht geseufzt werden möge, sondern daß wir wachen, lehren und leben, wie es dir wohlgefällt! - Aber, Christen, es gibt auch, umgekehrt, manchen treuen Hirten, der im Hinblick auf die Heerde sprechen muß mit Jeremias (45; 3): Ich seufze mich müde, und finde keine Ruhe. Er kann, wie sehr er auch wacht und betet, wie rein auch seine Lehre und sein Leben ist, es dennoch nicht hindern, daß die Heuschrecken des Unglaubens, des weltlichen Sinns und Wandels das Feld verwüsten, dahin Gott ihn gesandt hat, daß er den Samen des ewigen Lebens säe. „Das ist euch nicht gut“, spricht der Apostel. Nein! die Seufzer über euren Ungehorsam gegen das Evangelium sind Klagen wider euch, die euch richten werden, wenn ihr nun müsset offenbar werden vor dem Richterstuhle Jesu Christi.

Ich will euch nun aber heute einen Hirten zeigen und eine Heerde, die nicht gegenseitig über einander klagen und seufzen, sondern die Heerde freut sich ihres Hirten, der Hirte freut sich seiner Heerde. Hört, was geschrieben steht

Phil. 1, v. 3-6:
Ich danke meinem Gott, so oft ich euer gedenke, welches ich allezeit thue in allem meinem Gebet für euch alle, und thue das Gebet mit Freuden, über eurer Gemeinschaft am Evangelium, vom ersten Tage an bisher, und bin desselben in guter Zuversicht, daß, der in euch angefangen hat das gute Wert, der wird es auch vollführen, bis an den Tag Jesu Christi.

So schreibt Paulus, der gute Hirte, an die Philipper, seine theure Heerde. Christen, nehmt dies Wort als einen Spiegel in eure Hand, und betrachtet darin euer Angesicht, aber nicht wie jener Mann, von dem Jacobus schreibt: nachdem er sich beschauet hat, gehet er von Stund an davon, und vergißt, wie er gestaltet war; - sondern so beschauet euch, daß ihr nicht blos Hörer, sondern auch Thäter des Wortes seid. Der Text gibt uns Antwort auf die Frage:

Wann es gut um eine christliche Gemeinde steht.

Dann steht es gut um sie, wenn sie

  1. zu einem freudigen Dank berechtigt wegen dessen, das sie hat, und
  2. zu einer guten Zuversicht wegen dessen, das ihr noch fehlt. :

Ist nun von dem Guten, das sich bei den Philippern fand, auch bei uns, so danken wir dir, Herr, daß du es uns gegeben hast, und fügen die Bitte hinzu, daß du es erhalten und mehren wollest bis an deinen Tag!

1.

Wir finden's fast in allen Briefen des Apostels, daß er nach dem Gruß mit einem Dank gegen Gott beginnt wegen des Guten, das sich in den Gemeinden findet, an die er schreibt. Auch wo der Feind sein Unkraut gesäet hat; blickt er doch immer erst auf den Weizen, und weist darnach auf das Unkraut hin. Nur wo die Pflanzen Gottes von den Pflanzen der Hölle gänzlich überwuchert sind, wie bei den Galatern, da beginnt er mit dem Tadel: Mich wundert, daß ihr euch sobald abwenden lasset von dem, der euch berufen hat. Aber selbst in seinem ersten Briefe an die Corinther, bei denen doch so viel Böses sich eingeschlichen hatte, hebt er an: „Ich danke meinem Gott allezeit eurethalben für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christo Jesu.“ Wir müssen darin die Liebe und die Weisheit des Apostels erkennen. Die Liebe verkennt über dem Bösen, das sie sieht, nicht das Gute, das zu Grunde liegt. Sollte irgendwo auf Erden ein Licht sein ohne Dunkel, und irgendwo ein Dunkel ohne Licht? Hätte, wer böse ist, nicht noch Gutes an sich, so wäre er ein Teufel, und hätte, wer gut ist, nicht mehr Böses abzuthun, so wäre er ein Engel. Auch das Beste, das in und unter den Menschen sich findet, ist keine Sonne, die im Mittag steht, sondern eine Morgendämmerung, in der das Licht sich zu scheiden trachtet von der Finsterniß. Das weiß die christliche Liebe, und es ist ihr eigen, daß sie erst das Gute hervorkehrt, ehe sie das Böse straft. Auch die Weisheit fordert das. Die Erfahrung lehrt, daß der an das Lob gehängte Tadel wohlthätiger ist, als das an den Tadel gehängte Lob. Denn wir Alle haben noch etwas in uns vom alten Adam, der leicht erbittert wird und sich verhärtet, wenn er mit Vorwürfen angeredet wird, und wenn ein Lob nachfolgt, aus diesem Lob ein weiches Kissen macht, worauf er sich mit seinen Sünden legt. Lernt von Paulus, ihr lieben Prediger und Lehrer, daß ihr der Schwachheit eurer kleinen Heerde schonen, und wo ihr strafen wollt und müßt, die Liebe zu eurer Rechten, die Weisheit zu eurer Linken haben, und die Anerkennung des Guten, das in der Gemeinde ist, als eine Angel auswerfen sollet nach den Seelen der schwachen Menschen. Lobt ihr zur Unzeit, so thut ihr große Sünde, scheltet ihr zur Unzeit, so thut ihr fast noch größere!

Wie lautet nun das Lob des Apostels Paulus? Ich danke meinem Gott, so oft ich euer gedenke. Hört, Christen, hört! Pauli Lob ist ein Gottlob! Die Kinder der Welt hören es gerne, wenn man sie lobt, und sie auf den Stuhl der Ehre Gottes setzt. Aber, Lieber, was hast du, das du nicht empfangen hättest? so du es aber empfangen hast, was rühmest du dich, als der es nicht empfangen hätte? Ein Lob, das den Menschen als Meister seines Guten ehrt, ist arg, wenn es ertheilt, und noch ärger, wenn es angenommen wird. Was Jemand Gutes aus sich selber thut, das ist eine Pflanze, die heute grünt, und morgen in den Ofen geworfen wird; was aber Jemand Gutes thut, als der aus Gott geboren ist, das ist eine Pflanze für die Ewigkeit. Die Kinder Gottes können's nicht vertragen, daß man wegen des Guten, das sie an sich haben, ihnen die Ehre gibt, sondern das Lob erfreuet nur ihr Herz, wenn es dem gegeben wird, von welchem alle gute und vollkommene Gabe kommt. Solche Kinder Gottes waren die Philipper, daher denn Paulus ihretwegen seinem Gotte dankt, so oft er ihrer erwähnt oder gedenkt. Wie thut er das? 1. als der ich - spricht er - allezeit in jedem meiner Gebete für euch alle mit Freuden das Gebet thue.„ Seht, das ist nun schon ein herrliches Zeugniß für die Philippische Gemeinde. Der Apostel konnte ja nicht in ihrer Mitte sein, weil er in Rom gefesselt war. Aber alle Tage zog er mit seinem Gebet durch alle Gemeinden in Asien und in Europa. Wie ein christlicher Vater in seinem Gebete alle seine Kinder mit Namen nennt - bei dem einen Namen, wenn er ihn ausspricht, ward vielleicht sein Herz betrübt, weil das Kind ihn mit Sorgen erfüllt, aber bei dem zweiten und dritten Namen danket er auf's Herzlichste seinem Gott, weil dies Kind seine Freude ist und sein Trost: - so kamen auch in jeglichem Gebete des Apostels alle Namen seiner geistlichen Kinder vor Rom, Corinth, Galatien; Ephesus, Philippi. Philippi, o das war in seinem Gebet ein Name von hohem Rang und lieblichem Klang, den er nicht nennen konnte, ohne daß er, mit einer Freudenthräne im Auge, sprach: Mein theurer himmlischer Vater und Heiland, wie dank ich dir, für diese kleine Heerde, die du dort am Macedonischen Berge hast. Das sind deine Schaafe, die du kennest, und sie kennen dich, und folgen dir und gehorchen deiner Stimme! - So betend ging er mit Gott von Straße zu Straße, von Haus zu Haus, und die er nur kannte, die nannte er auch Väter und Kinder, Männer und Frauen, und hatte so viel zu sagen, mehr als sein Mund auszusprechen vermochte. Wollte Gott, alle Prediger und Lehrer wandelten, wie Paulus, alle Tage mit ihren Gebeten in den Dörfern und Gemeinden umher, und könnten dann mit derselben Freudigkeit des Herzens beten, womit jener betete. Brügge, schaue in den Spiegel der Gemeinde zu Philippi!

Für euch alle thue ich mit Freuden das Gebet. Was ist's doch aber insonderheit, worüber du dich freust, lieber Paulus? „Wegen eurer Gemeinschaft für das Evangelium vom ersten Tage an bisher.“ Das sind drei Dinge in Einem. Zunächst die Gemeinschaft. Jede christliche Gemeinde ist zugleich eine Gemeinschaft. Die Philipper waren vereinzelt gewesen, wie irrende Schaafe in der Wüste, deren jedes seinen eigenen Weg geht, bis vielleicht der Wolf kommt, der es frißt. Da aber war Christus gekommen, der gute Hirte, und hatte die Schaafe auf seine Achseln genommen, und zu seiner Heerde gebracht. Ihrer waren Viele, und doch waren die Vielen nun Einer in Christo. Nicht blos ein äußerliches Band hielt sie zusammen. Wir haben Eine Kirche, Einen Altar, Einen Prediger; unsere Gemeinde hat ihre bestimmten festen Grenzen, die sie scheiden von den Nachbargemeinden. Ist's dies äußerliche Band, das uns zu einer Gemeinde Christi macht? Nein, die Gemeinschaft in dem Herrn ist nicht an Holz und Stein, nicht an Fluß und Zaun, nicht an Fleisch und Blut gebunden. Der Apostel redet von einer innerlichen Gemeinschaft, die darin besteht, daß wir durch den Glauben Alle Einer in Christo sind, oder wie er bald nachher von den Philippern sagt: Ihr stehet in Einem Geiste, und kämpfet einmüthig sammt uns für den Glauben des Evangelii (V. 27). Mögen wir immerhin äußerlich getrennt sein nach Ort, Alter, Stand, Beruf und Vermögen, so schadet das unserer Gemeinschaft nicht, wenn nur Christus das Haupt ist, dessen Glieder wir sind durch den Glauben, der in der Liebe thätig ist. Der Glaube an den Herrn Jesum Christum und die Liebe zu allen Heiligen, das macht der Gemeindeverband im Himmelreich. Ueber die Herrlichkeit dieser Einheit geht Nichts in der ganzen Welt. Thut euch zusammen, in welcher Angelegenheit und zu welchem Zweck ihr immer wollt, stiftet Brüderschaften und Corporationen, die anerkannt werden vom Staate und von aller Welt, so ist's Nichts gegen die Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesu Christo (1 Joh. 1,3); die hat ihre Urkunde im Himmel und hat das Siegel der Ewigkeit. Was uns äußerlich zusammenhält, das kann zerrissen werden, aber das Band des Glaubens, das uns mit Christo, das Band der Liebe, das uns unter einander verknüpft, kann Niemand zertrennen, wenn wir es nicht selbst zerreißen. Eine solche Gemeinschaft bestand unter den Philippern, da waren noch nicht Parteiungen und Spaltungen, wie in Corinth und anderswo. Sie standen innerlich und äußerlich Alle zusammen wie Ein Mann - und wofür? „Für das Evangelium,“ also für die Sache Christi. Wofür Paulus lebte, dafür lebten auch sie; wofür Paulus arbeitete, kämpfte, litt, dafür arbeiteten, kämpften, litten auch sie, nämlich daß Christi Name verherrlicht werden möchte unter den Menschen. Daher thaten sie Alles, was sie thaten, im Namen des Herrn; daher ließen sie ihr Licht leuchten vor den Leuten; daher warfen sie unter die Heiden, wovon sie umgeben waren, das Netz des Evangeliums aus, um Seelen heranzuziehen an und in das Himmelreich; daher brachten sie willig Opfer an irdischem Gut, wo sie die Sache des Herrn fördern konnten, wie sie ja um deßwillen Boten und Geld sogar nach Rom sandten; daher endlich achteten sie aller Trübsal nicht, die sie als Christen von ihrer Umgebung zu erdulden hatten. - Christen, steht's so auch um euch, daß das Evangelium die Sonne ist, um die ihr euch mit eurem ganzen Leben, Wirken, Thun und Leiden bewegt? Das Evangelium will euch nicht herausziehen aus eurem irdischen Beruf, nein, nur hineinziehen will es euren Beruf in sich, auf daß ihr ganz evangelisch werdet nach eurem Tichten und Trachten. Euer Leben ist ein verlorenes Leben, wenn nicht das Evangelium es ist, wofür ihr lebt. Viele leben, die, wenn sie sterben, nicht sagen können, wofür sie gelebt haben; ihr ganzes Thun ist ohne innern Halt, ein Leib ohne Seele, ein Weg ohne göttliches Ziel; alle ihre Werke ein Capital, das sie verausgaben für die Welt. Nicht so bei den Philippern. Christus war der Mittelpunkt, Christus das Ziel ihres Lebens. Und darin lobt der Apostel ihre Treue und Beharrlichkeit. An die Galater schreibt er: Mich wundert, daß ihr euch sobald abwenden lasset auf ein anderes Evangelium; hier dagegen wird gerühmt die Einigkeit und die Theilnahme für das Evangelium „vom ersten Tage ihrer Bekehrung an bis her,“ also durch zehn Jahre schon und darüber. Und doch hatten sie für das Evangelium und den Glauben jeden Tag harte Kämpfe zu bestehn; sie waren wie eine kleine einsame Insel, allenthalben umwogt von den Fluthen des Heidenthums. Haß und Verfolgung hatten sie bei den Heiden, Wahn und Irrlehre bei falschen Aposteln zu bekämpfen, und doch waren sie treu geblieben. Christen, spiegelt euch in der Einigkeit, in dem evangelischen Sinn, in der Standhaftigkeit der Philipper. So muß es stehen um eine Gemeinde, wenn man sagen soll: es steht gut um sie.

2.

Dann aber berechtigt sie auch zu einer guten Zuversicht wegen dessen, das ihr noch fehlt. „Ich bin - spricht Paulus - desselbigen in guter Zuversicht, daß, der in euch angefangen hat ein gutes Werk, der wird's auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi.“ An wen sein Dank gerichtet war, auf dem und auf dessen Treue ruht auch seine Zuversicht. Gott ist nicht wie ein Mensch, der ein Werk beginnt, und oft, ehe es noch halb vollendet ist, wieder verläßt. Was aber ist Gottes Werk, wenn es nicht die christliche Gemeinschaft ist, in der wir stehn? Himmel und Erde wären nicht, wenn Gott nicht zu Anfang sein Schöpfungswort: Es werde! gesprochen hätte. Die Kirche Christi ist eine neue Welt in der alten Welt, und ist ebenfalls geworden durch das Schöpfungswort der Liebe und Gnade Gottes. Wer hatte zu Philippi an Christenthum gedacht, bevor der Mann kam, erweckt und gesandt von Gott, der sie durch sein Wort aus Gästen und Fremdlingen zu Bürgern des Himmelreichs machte? Und wir Brügger ständen auch nicht in dem Bunde, den Glaube und Liebe knüpfen, wenn nicht ein Vicelin und andere Boten Gottes gekommen wären, die unsere Väter, welche verlorene Heiden waren, zu einer Heerde Christi sammelten. Durch das Wort, das im Anfang bei Gott war, sind alle Dinge gemacht; und durch dasselbe Wort, welches Fleisch ward und unter uns wohnete, sind wir Christen geschaffen. Wir sind Gottes Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken (Eph. 2, 10). Das gilt von der ganzen christlichen Gemeinde, und gilt auch von jedem Einzelnen in ihr. Seid ihr durch euch selbst gläubig geworden? Nein, spricht Christus (Joh. 6), das ist Gottes Wert, daß ihr an den glaubet, den er gesandt hat. Seine Liebe, die euch erwählete, ehe die Welt gegründet ward; seine Gnade, daß er den eingebornen Sohn kommen und für euch sterben ließ; seine Weisheit, die euch leitete von eurer Wiege an, und euch aus hundert Gefahren rettete, um euch zu Christo zu bringen; seine Stimme, die in Kirche, Schule und Haus euch einlud: Kommet, denn es ist Alles bereit! sein Geist, der in euch seine Werkstätte holte, darin er an euch arbeitete so manchen Tag, und euch, wie der Lydia, das Herz aufthat, daß ihr achtetet auf das, was euch gepredigt ward: - das ist es, dem ihr euer ganzes christliches Heil zu danken habt. Von Gottes Gnaden seid ihr, was ihr seid. Darum kann man auch mit Paulus dies Werk ein gutes Werk nennen. Gut ist es nach seinem Ursprung, denn wir haben's nicht aus uns selber hervorgebracht, sondern es ist wie alles Gute ein Werk von Gott; gut ist es nach seiner Wirkung, denn wir werden dadurch Christi Eigenthum und fleißig zu guten Werken; gut ist es nach seinem Ziel, denn wenn es vollendet ist, so ist es das ewige Leben. O habe Dank, treuer Gott, daß du aus uns gemacht hast, was wir sind. Was wir in Christo sind, haben und können, das ist ja alles ein Werk deiner Gnade. Darum aber läßt sich nun auch hierauf anwenden das Wort Gamaliels (Apg. 5): Ist das Werk aus den Menschen, so wird es untergehen, ist es aber aus Gott, so kann es Niemand dämpfen. Der es angefangen hat, der wird es auch vollführen. Die Vollführung aber bestehet darin, daß Gott sein Werk nicht untergehen, sondern es bleiben, wachsen und zunehmen lässet, bis es vollendet ist. Meinet ihr, daß Gott das Schiff unsers Christenthums blos baue, und wenn er es gebaut und aus dem Hafen geführet hat, sich von dem Schifflein trennen und es den Stürmen und Wogen des Weltlaufs preisgeben werde? Bist du kein Christ, so kannst du auch nicht sagen, was aus dir wird. Die Zukunft rückt dir entgegen mit einem Heer von Gefahren, und du kannst, ehe morgen die Sonne aufgeht, fallen und untergehen, wie Tausende vor dir untergegangen sind. Wie blind, arm und ohnmächtig stehst du vor den kommenden Jahren, und vollends vor den kommenden Jahrhunderten oder Jahrtausenden! Wohin der Lebensweg dich führt, wohin der Tod dich bringt, das weißt du nicht. Aber nun sieh die gute Zuversicht eines Christen an. So gewiß er weiß, daß er sammt allen denen, die mit ihm im Glauben stehen, Gottes Werk ist, so gewiß weiß er auch, daß Gott dies Werk für die Ewigkeit geschaffen hat. Es ist ja unter allen Werken Gottes das beste Werk, ohne welches die ganze Erde eine Schale wäre ohne Kern, ein Leib ohne Seele. Der Kern und die Seele der irdischen Schöpfung ist die von Gott in Christo geschaffene Gemeinschaft der Heiligen. Da tret ich nun kühn und freudig hin vor Gott und sage: Eher könnte ein Vater oder eine Mutter sich los sagen von dem Kind, und es herzlos von sich wegweisen in die Wüste der Welt, als daß du solltest uns aus deinen Augen und aus deiner Hand lassen, die du dir mit deinem Blut so theuer erkauft hast zu deinem Eigenthum. Menschenwerk hat keinen Bestand, und wenn wir Christen wären aus eigener Wahl, Kraft und Verstand, so kämpften wir umsonst gegen Fleisch, Welt, Teufel und Tod; aber uns, die wir ein Gotteswerk sind, sollen die Welt und die Mächte der Welt wohl stehen lassen. Wissen wir doch auch, wie denn eines jeglichen Erfahrung es bestätigt, daß du, himmlischer Vater, jeden Tag bei uns bist, und in allen Kämpfen uns beistehst mit deiner Kraft, und durch alle Gefahren uns leitest nach deinem Rath. Wir sind nicht nur dein Werk, wir sind auch dein Haus, darin du wohnest mit deinem heiligen Geist, der unser Licht, Tröster und Helfer ist. Darum fürchten wir uns nicht, wie dunkel auch das Thal der Zukunft ist, durch das wir geben. So rede ich mit Gott, und redest nicht auch du also mit ihm und du und du, und reden nicht Alle so, die in der Gemeinschaft stehen für das Evangelium? Unsere Zuversicht ruhet auf dem, welcher nicht nur der Anfänger, sondern auch der Vollender des Glaubens ist (Hebr. 12). Ich bin das A und O, der Anfang und das Ende, spricht der Herr (Offb. 1,8). Derselbige wird euch fest behalten bis an's Ende, daß ihr unsträflich seid bis auf den Tag unsers Herrn Jesu Christi (1 Cor. 1,8). Auf diesen Tag werden wir auch verwiesen in unserm Text. Der angefangen hat ein gutes Wert, der wird's auch vollführen bis an den Tag Jesu Christi. Gemeint ist die Zeit der letzten großen Entscheidung, da wir, deren Leben mit Christo verborgen ist in Gott, nun auch, wenn Christus erscheinen wird, mit ihm werden offenbar werden in Herrlichkeit. Treffe dieser Tag uns noch auf Erden oder treffe er uns im Reiche der Entschlafenen; sei unser Weg bis dahin lang oder sei er kurz, sei er rauh oder sei er eben: wir sind dessen in guter Zuversicht, daß der Herr uns auf diesem Wege begleiten und sicher zur Vollendung führen werde.

Aber, Christen, ist es nun freilich zu unserm Troste wahr, daß, wenn wir im Stande der Gnade verharren und zur Vollendung kommen sollen, dabei zunächst Alles auf Gottes allmächtige Gnade ankommt, die uns tüchtig machen muß zu allem Guten; so denket doch auch nicht, daß wir bei diesem Gotteswerk schlafen und die Hände in den Schooß legen dürfen. Wir sind ja eben die lebendigen Werkzeuge, durch die Gott sein Werk vollbringt. Pflug, Egge und Spaten liegen nicht still, wenn du damit dein Werk auf dem Felde hast. Wir sind ja eben Gottes Ackerwerk (1 Cor. 3), und Alles, was er thut, das thut er, damit der Acker grüne und Frucht trage. Gott thut sein Werk durch und an uns, aber er thut es nicht ohne uns, Gottes Thun geschieht nicht ohne unser Zuthun. Darum wirst du zwar in deiner Schwachheit getröstet, und wird gesagt (Röm. 11): Schaue Gottes Güte an dir; aber überhöre nicht den Zusatz, den der Apostel macht: sofern du, spricht er, an der Güte bleibest, sonst wirst du abgehauen werden. Aehnlich redet Johannes (1 Joh. 2,28): Kindlein, bleibet bei ihm, auf, daß, wenn er geoffenbaret wird, daß wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden. Im Geist habt ihr angefangen, wolltet ihr's denn nun, wie die Galater, im Fleisch vollenden? Gott läßt es an seiner Treue nimmer fehlen, wohlan, so laßt auch ihr es nicht fehlen an eurer Treue. Nun, mein Gott, wachen will ich, beten will ich, glauben und im Glauben kämpfen will ich. Dabei aber bin ich dessen in guter Zuversicht, daß du in mir Schwachen mächtig sein, mich vorbereiten, stärken, kräftigen, gründen, und mich sammt allen Gläubigen bewahren werdest zur Seligkeit.

Triumphire, Gottes Stadt,
Die sein Sohn erbauet hat!
Kirche Jesu, freue dich!
Der im Himmel schützet dich.

Hoch ertön ihm dein Gesang!
Lauter, jubelvoller Dank,
Töne weit sein Lob umher!
Er sei hochgelobet! Er!

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