Dies ist eine alte Version des Dokuments!
Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 5. Betrachtung
Paulus kommt nun wieder zurück auf das Wort im dritten Verse: „Wir beten allezeit für euch.“ Warum er bitte, zeigen die drei folgenden Verse. Er bittet um der Kolosser Wachstum in der Erkenntnis der Wahrheit und in der Heiligung. Vernehmen wir ihn denn über das Wachstum der Gläubigen.
Kap. 1,9. 10. 11.
Derohalben auch wir, von dem Tage an, da wir es gehört haben, hören wir nicht auf, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit Erkenntnis seines Willens in allerlei geistlicher Weisheit und Verstand, dass ihr wandelt würdig dem Herrn zu allem Gefallen, und fruchtbar seid in allen guten Werken und wachst in der Erkenntnis Gottes, und gestärkt werdet in aller Kraft nach seiner herrlichen Macht in aller Geduld und Langmütigkeit mit Freuden.
Merken wir auf dreierlei in diesen Worten: zunächst auf die Bitte des Apostels; sodann auf den Inhalt dieser Bitte, und endlich auf die Hilfe Gottes zur Erfüllung derselben.
„Derohalben auch wir, von dem Tage an, da wir es gehört haben, hören wir nicht auf, für euch zu beten und zu bitten.“ Übersetzt das Wort „derohalben“ nicht. Es lehrt uns, dass man nicht sicher werden soll, wenn man hört, dass dieser oder jener zum Glauben gekommen sei, und nicht denken, nun sei alles gut. Ist jemand wiedergeboren, gerechtfertigt und geheiligt durch den Glauben an Christum, so ist übrig, dass sein Glaube täglich wachse und zunehme. Denn wer in der Erkenntnis Christi nicht zunehmen will, der wird nicht lange bestehen im Glauben, der Teufel wird ihn bald zu Boden werfen. Ebendaher ist so mancher schreckliche Fall eines Christen gekommen, dass er sich nicht bemüht hat, in der Gnade und Erkenntnis Christi zu wachsen. Kaum hatte er den Anfang im Glauben gemacht, so meinte er schon gewonnen zu haben, und wurde sicher und träge. Solchen aber stellt der Feind am mehrsten nach, wie jemand gesagt hat: Stille stehen auf dem Wege des Herrn, heißt zurückgehen. Darum nun säumt auch Paulus nicht, auf die gute Nachricht, die er durch den Epaphras von den Kolossern bekommen hatte, sich ihr Wachstum angelegen sein zu lassen, sondern vergisst aller eigenen Not, und betet für die jungen, zarten Pflanzen, die noch vieler Gefahr ausgesetzt waren, wie David fleht Psalm 80: „Gott Zebaoth, schaue vom Himmel, und siehe an, und suche heim diesen Weinstock, und halte ihn im Bau, den deine Rechte gepflanzt hat, und den du dir festiglich erwählt hast.“ Der Herr selbst betet für seine Jünger (Joh. 17.), dass der Vater sie bewahren wolle vor dem Übel. Das Gebet ist ein Kanal, wodurch das Meer göttlicher Güte sich über uns ergießt. Paulus betet und bittet; er betet, dass vom Glauben der Kolosser alle Gefahr abgewendet werden möge, und bittet, dass sie mögen erfüllt werden mit der Erkenntnis des Willens Gottes. Beides tut er unablässig. Denn wie ein Baum nicht auf den ersten Streich fällt, noch eine Festung sich auf den ersten Sturm ergibt, so muss man mit Flehen anhalten, bis der Höchste drein sieht. Die Bitte der Frommen wiederholt wie die Sonne ihren Lauf alle Tage, und auf solches Rufen von unten folgt das Echo von oben: „Ich habe dein Gebet erhört und deine Tränen gesehen“ (Joh. 38,5.). Zugleich ermahnt der Apostel die lieben Brüder, dass auch sie selbst für sich beten mögen. Denn das zeigt das Wörtlein „auch“ an - „derohalben auch wir“ als sagte er: ihr werdet ja eingedenk sein eurer Schwachheit und für euch beten, wie auch ich für euch bete. Das Beharren und Wachsen im Guten ist ein Wagen, der zwei Räder hat: Menschenwille, welcher bittet, und Gotteskraft, welche erbeten wird.
Warum bittet nun aber der Apostel? Zunächst um Wachstum in der Erkenntnis - „dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlichem Verstand oder Klugheit.“ Die Herzen der Gläubigen sind Gefäße und werden in der Schrift oft damit verglichen. Der aber diese Gefäße füllt, ist der heilige Geist, ohne den wir nicht zur Erkenntnis Gottes kommen, ohne den wir nicht einmal Jesum unsern Herrn nennen können. Daher müssen wir beten mit Salomo: „Sende mir deine Weisheit herab von deinem heiligen Himmel; sende sie, dass sie bei mir sei und mit mir arbeite, dass ich erkenne, was dir wohlgefalle.“ Und jemehr wir unser Herz von der Eitelkeit der Welt ausleeren, desto mehr erfüllt es Gott mit seiner Gnade. Das eben ist das Erfüllen, das der heilige Geist zu dem Vorhandenen nach und nach hinzutut, dass wir, je länger je mehr, zunehmen an dem inwendigen Menschen, und wie Wasser des Meeres das Land bedeckt (Joh. 11.), so unser Herz voll wird der Erkenntnis des Herrn. Den Krug der Witwe zu Sarepta füllte Gott mit Öl; das Öl aber, womit der heilige Geist unsere Herzen erfüllt, soll sein die Erkenntnis des Willens Gottes. Weshalb bittet der Apostel besonders darum? Die Kolosser standen in einer doppelten Gefahr: einige wollten sie auf Beobachtung der Satzungen des levitischen Gesetzes führen, andere wollten sie von der Verehrung Christi auf den Dienst der Engel leiten, über deren Ordnung und Herkunft sie allerlei unfruchtbare Spekulationen anstellten. In dieser doppelten Gefahr bedurften sie vor allem einer richtigen Erkenntnis des Willens Gottes. Erkenntnis ist des Christen Schild in jeglicher Gefahr. Manche meinen, Unwissenheit sei dem gemeinen Manne besser als das Wissen. Aber Unwissenheit unterscheidet die Heiden, die von Gott nichts wissen, von den Christen, in denen sich des Herrn Klarheit spiegelt, und die verklärt werden in dasselbige Bild, von einer Klarheit zu der andern (2 Kor. 3,18.). Was Blindheit für das Gesicht, das ist Unwissenheit für die Seele: wo sie herrscht, da ist die Tür zum Leben verschlossen, und hingegen das Tor geöffnet zum Aberglauben, zur Gottlosigkeit und zu allen Lastern. Daher bleibt die Welt, die ein Kind am Verstande ist, immer im abnehmenden Monde, und läuft immer mehr dem letzten Viertel zu. Klug aufs Böse, schreitet sie nur in irdischen Dingen fort; im Geistlichen dagegen lässt sie sich wägen und wiegen von allerlei Wind der Lehre, durch Schalkheit der Menschen und Täuscherei (Eph. 4.). So wird die Unwissenheit eine Angel, womit der Teufel die Seelen der Menschen fängt, und blendet ihre Augen, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Klarheit Christi. Dagegen will der Apostel seine Kolosser schützen, und bittet demnach für sie um Wachstum in der Erkenntnis. Aber nicht jede Erkenntnis ist dazu gut, sondern nur die lebendige Erkenntnis des Willens Gottes. Unter dem Willen Gottes versteht er, im Gegensatze zu den verkehrten und unfruchtbaren Spekulationen der Irrlehrer, Gottes großen, wunderbaren Rat zu unserer Seligkeit, den er in Christo ausgeführt hat, dass er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit, und sich reinigte ein Volk zum Eigentum, das fleißig wäre zu guten Werken. Je lebendiger du diesen Rat Gottes erkennst, desto mehr überzeugst du dich, dass es damit weder auf müßige Grübeleien, noch auf die Vollbringung toter, äußerlicher Werke, sondern darauf abgesehen ist, dass wir Christi eigen seien, und in seinem Reiche unter ihm leben und ihm dienen in Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, wie auch die Schrift sagt (1 Thess. 4.): das ist der Wille Gottes, eure Heiligung. Die Erkenntnis dieses Willens aber soll sich bei uns kundgeben und bewähren in aller Weisheit und geistlichen Klugheit. Jemand kann die Erkenntnis haben, ohne weise und klug zu sein. Wer ist weise und klug unter euch? fragt der Apostel Jacobus, und er antwortet: der mit seinem guten Wandel seine Werke erzeigt. Unter Wahrheit versteht Paulus dieses, dass der Christ willig und geschickt ist, seine Erkenntnis so zu brauchen und anzuwenden, wie es für seinen großen Zweck nötig ist. Weisheit ist die Erkenntnis in der Tat. Wer wie ein Christ denkt, aber wie ein Tor redet oder handelt: wäre der weise? Nein, wie der Baum, so die Frucht, wie der Brunnen, so das Wasser, wie das Herz, so das Wort und die Tat. Zur Weisheit muss noch kommen die Klugheit, die auf Zeit und Umstände steht und uns lehrt, wie wir nach ihnen unsere Erkenntnis auszuführen haben. Lass dich in einem Beispiele lehren, wie Erkenntnis, Weisheit und Klugheit verschieden sind. Nach deiner Erkenntnis weißt du, dass du an der Seligkeit deiner Brüder arbeiten sollst. Die Weisheit führt dich nun auf die Wege zu diesem Ziele und spricht: ermahne die Brüder, strafe ihre Fehler, berichtige ihre Irrtümer. Aber das ist noch nicht genug; denn du könntest dabei sehr ungeschickt zu Werke gehen, und bei allem guten Wissen und Wollen dennoch deinen Zweck verfehlen. Erst die Klugheit krönt das Werk. Was tut sie denn? Sie lehrt dich auf die Natur der Menschen, auf die Zeiten und Umstände achten, und zeigt dir in jedem einzelnen Falle, wie du danach dein Lehren, Strafen und Ermahnen einrichten sollest. Diese Klugheit nennt der Apostel eine geistliche Klugheit, weil sie auf ein geistliches, heiliges Ziel gerichtet ist. Denn er will, dass du sie nicht verwechseln sollst mit der Klugheit der Kinder dieser Welt, die wohl gar noch größer ist als die Klugheit der Kinder Gottes; aber sie geht nicht mit den Dingen des Reiches Gottes um, sondern mit den Träbern der weltlichen Eitelkeit, und sie hat ihr Auge nicht auf ein göttliches, sondern auf ein irdisches, wohl gar böses Ziel gerichtet. Ihr fehlt die Weisheit, weil ihr die lebendige Erkenntnis des Willens Gottes fehlt. Ach, dass doch alle Christen, sonderlich die Diener am Wort, von Paulus lernen wollten, dass es nicht bloß auf die Erkenntnis ankommt, sondern dass dieselbe gefasst sein soll in den Rahmen der Weisheit und Klugheit. Alle Weisheit, das heißt, Weisheit in allen Dingen, tut not; sie ist das Fleisch und Blut der Erkenntnis; die Klugheit aber gibt diesem Fleisch und Blut die rechte Form. Erkenntnis ist das Innere des Äußeren; Weisheit das Äußere des Inneren, Klugheit ist die schöne Form, die sich das Innere im Äußern gibt. Diese drei sind an einem Christen, was an einem Baume die innere treibende Kraft ist, die in den Ästen und Zweigen sich nach allen Seiten ausbreitet, aber nicht formlos, sondern in lieblicher Gestalt und Schönheit. Wollt ihr Christen heißen, wenn euch die treibende Kraft einer lebendigen Gotteserkenntnis fehlt? Wollt ihr euch der Erkenntnis rühmen, wenn sie nicht in allen Lagen eures Lebens hervorstrahlt, und alle eure Worte und Werke Äste und Zweige an dem Baume der Erkenntnis sind? Wollt ihr euch beruhigen, wenn ihr zwar in aller Weise tätig seid, aber nicht immer auch berechnet, wie ihr in eurem Tun so verfahren sollt, dass ihr auf Zeit und Umstände eine kluge Rücksicht nehmt?
Nachdem nun der Apostel des Wachstums in der Erkenntnis gedacht hat, gedenkt er auch des Wachstums in der Heiligung. „Dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens, dass ihr wandelt würdig dem Herrn zu allem Gefallen, und fruchtbar seid in allen guten Werken, und wachst in der Erkenntnis Gottes.“ Nicht bloß auf die Erkenntnis kommt es bei dem Christen an, sondern Gott fordert neben dem Wissen auch das Tun. Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein (Jakobus 1.). Dass nun aus der Erkenntnis, wenn sie lebendig ist, von selbst ein guter Wandel folgt, zeigt der Apostel in jenen Worten an. Unter dem Wandeln versteht er die Ausübung des Christentums. Das Wort drückt aus, dass wir Fremdlinge und Pilgrimme sind (1 Petri 2,11.). In der Welt haben wir nicht unser Ziel, sondern unsern Weg, auf dem wir einen Schritt nach dem andern tun, um so stufenweise unserm himmlischen Ziele näher zu kommen. Der Weg wird näher bezeichnet als ein des Herrn würdiger Wandel. So heißt es auch 1 Thess. 2,12.: „Wandelt würdig vor Gott, der euch berufen hat zu seinem Reiche und zu seiner Herrlichkeit,“ und Phil. 1: „Wandelt würdig dem Evangelio Christi.“ Dann aber wandeln wir auf eine Christi, unsers Herrn, würdige Weise, wenn wir seinen Namen nicht durch Übertretung schänden, sondern ihn ehren durch gute Werke. Stets und überall sollen wir beweisen, dass Er in uns lebt, und sollen erfüllt sein mit Früchten der Gerechtigkeit, die Er in uns wirkt. Gleichwie der Acker die Herrlichkeit der Sonne offenbart, indem er Weizen und andere gute Frucht hervorbringt, wozu er Kraft und Trieb von ihr empfängt: also sollen auch wir ein Acker des Herrn sein, worauf man Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit sieht. Das ist der Weg, und das Ziel dieses Weges, das wir immer vor Augen haben, soll des Herrn Wohlgefallen sein, nämlich dass wir trachten, ihm in aller Rücksicht wohlzugefallen. Hier hören wir, auf welche Weise des Herrn Wohlgefallen zu erreichen ist. Auf keine andere Weise, als durch einen würdigen Wandel. Nur weil Henoch ein göttlich Leben führte, hat er das Zeugnis, dass er Gott wohlgefallen habe. Nun fasst der Apostel das Gesagte noch einmal kurz zusammen, indem er die Christen beschreibt als „in jeglichem guten Werke fruchtbar und wachsend durch die Erkenntnis Gottes.“ Durch die Erkenntnis Gottes werden bei dem Christen die guten Werke gewirkt. Welche Werke sind gut? Nicht was uns selber recht dünkt oder von Menschen Geboten stammt, sondern was nach Gottes Willen ist, den er uns durch Christum Jesum offenbart hat, und was die Frucht einer lebendigen Erkenntnis dieses Willens ist, das mag ein gutes Werk heißen. Dergleichen Werke aber stehen nicht vereinzelt im Leben des Christen da, sondern sie bedecken das ganze Feld seines Tuns und Lassens. Denn der Glaube macht den Menschen zu einer neuen Kreatur, die nicht bloß in diesem oder jenem, sondern in jeglichem Werke, das sie tut, ihren neuen göttlichen Sinn offenbart. Sie vertraut Gott, betet, lobt und dankt, ist barmherzig, friedfertig und versöhnlich, lebt keusch und züchtig in Worten und Werken, trachtet nicht nach ungerechtem Gut, entschuldigt den Nächsten, kehrt alles zum Besten und desgleichen. Und es ist nicht bloß die erste Liebe im Christentum, die solche Früchte bringt, so dass sie etwa, wenn die erste Liebe erkaltet, wieder verwelken und vor der Reife untergehen; sondern der Wiedergeborne schreitet fort, wächst und nimmt zu in jeglichem guten Werke, dass es immer besser und vollkommener wird, gleichwie ein neugeborenes Kindlein in seinem Wachstum keinen Tag stille steht, sondern täglich zunimmt an Alter und Kraft Leibes und der Seele. Dass nun auch bei den Kolossern ein solches Wachstum in der Erkenntnis und Heiligung stattfinden möge, darum fleht der Apostel zu Gott, und wird nicht müde darum zu flehen.
Schon dies Gebet zeigt an, dass es dem Menschen nicht gegeben ist, durch eigene Kraft ein solches Wachstum bei sich hervorzubringen, sondern dass dazu die Hilfe Gottes nötig ist. Aber Paulus hebt dies noch besonders hervor, indem er die Kolosser als solche bezeichnet, die, wie er wünscht und betet, in aller Kraft gestärkt werden nach seiner herrlichen Macht, in aller Geduld und Langmütigkeit mit Freuden. Welcher Trost! Wir sind schwach, und fangen, wenn es zum Kampfe kommt, leicht an zu sinken, wie Petrus sank, da er auf den Wellen wandelte. Aber Gott hält uns, wenn wir ihn anrufen; Gott bewahrt uns vor dem Verderben und leitet uns wunderbar; Gott schafft in uns beides, das Wollen und Vollbringen, und kann überschwänglich tun über alles, das wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die da in uns wirkt. Ja, wir sollen nicht einmal teilen und sagen: Das eine tut Gott, das andere tun wir selbst, sondern Er tut alles allein und richtet durch uns seinen heiligen Willen aus, wenn wir nur in der Demut und im Glauben zu seinen Werkzeugen uns hergeben wollen. Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. Darum lasst uns getrost sein! Gott stärkt uns in aller Kraft, in allem, wo und wozu sie uns auch nötig ist, sei es im Kampfe mit unserer verderbten Natur, oder im Kampfe mit der Welt, die im Argen liegt, oder mit der Trübsal, oder mit dem Tode. Und ob wir auch in die verzweifeltste Lage kämen: der Herr erfüllt uns mit Mut, Kraft, Trost, Freudigkeit, und lenkt die Umstände so, dass wir dennoch gewinnen und den Sieg behalten. Worauf aber ruht diese wunderbare Hilfe Gottes? Auf der Macht seiner Herrlichkeit. Das sind zwei Säulen, die zusammenstehen: Macht und Herrlichkeit, welche Herrlichkeit besonders seine Gnade bedeutet. Macht ohne Gnade, wie Gnade ohne Macht, gewährt keine Zuversicht; wir könnten nicht in kindlichem Vertrauen Hilfe von Gott erwarten, wenn seiner Gnade die Macht, oder seiner Macht die Gnade fehlte. Aber nun ist beides da: der alles vermag, der liebt mich als seinen Augapfel, und der mich liebt als seinen Augapfel, der vermag alles. Darum fürchte ich mich nicht. Der in mir ist, ist stärker, denn der in der Welt ist (1 Joh. 4.). Wenn ich schwach bin, so bin ich stark, ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht. Von den Wirkungen, die Gottes allmächtige Gnade an mir tut, nennt Paulus besonders zwei: Geduld und Langmut. „Gott kräftigt mich zu aller Geduld und Langmut mit Freuden.“ Nicht, als ob das die einzige Kraft von oben wäre; nein, ich werde ja in aller Kraft von Gott gekräftigt! Aber Paulus lebte in Zeiten, wo die christlichen Gemeinden mancherlei Leiden und Anfechtungen zu dulden hatten, mehr als die meisten Gemeinden unserer Zeit. Sie waren ja umgeben von einem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, das ihnen um ihres Glaubens willen mit Spott, Hohn, Marter und allerlei Verfolgung zusetzte. Da muss nun Paulus die lieben Schafe Christi, die mitten unter den Wölfen sind, trösten mit der Hinweisung auf den gnädigen und gewaltigen Gott, der sie in ihrem Leiden mit Geduld und Langmut ausrüsten werde. Langmut tat ihnen not, um im Kampfe mit verkehrten, argen Menschen vor Zorn, Feindschaft, Rache bewahrt zu sein, Geduld aber, um bei der Dauer der Trübsal, welche es auch sein mochte, nicht zu ermüden. Beide aber, Geduld und Langmut, sind Pflanzen, die nicht auf dem Acker der sich selbst überlassenen Natur, sondern nur im Garten Gottes wachsen. Manchen Sturm müssen die Früchte über sich ergehen lassen, ehe sie zur Reife kommen. Was nun tut der natürliche Mensch, wenn ein Widersacher oder sonst ein Übel ihm entgegentritt? Er sticht wie eine Schlange, er beißt wie ein Hund, oder, wenn er auch das eine und andere sich gefallen lässt, so ist er doch nicht in allen Fällen langmütig und geduldig, und ob er es wäre, so fehlt ihm doch dabei die rechte Freudigkeit des Herzens. Darin nun unterscheidet sich der Christ von allen, die Gottes Gnade und Macht nicht an sich erfahren haben, dass er in aller Trübsal, auch in der peinlichsten und längsten, sich geduldig und langmütig erweiset, und dass er das mit Freuden tut, ohne den Kopf zu hängen und in Missmut zu versinken. Nun, so helfe uns denn Gott, und kräftige uns in aller Kraft, dass auch wir nicht nur eine solche freudige Geduld und Langmut beweisen in unserer Trübsal, sondern auch wachsen mögen in der Erkenntnis Gottes, um zu wandeln würdig des Herrn zu allem Wohlgefallen!
Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 6.
Während die Kinder der Welt in ihrer Trübsal missmutig sind und wider Gott murren, sind die Kinder Gottes in den bösen Tagen fröhlich und getrost, beten und danken Gott, wie Paulus und Silas taten, da sie gestäupt und ins Gefängnis geworfen waren. Jedes Kreuz muss mit Langmut und Geduld der tragen können, der mit Gott versöhnt ist durch Christum Jesum, und die Krone der Gerechtigkeit vor Augen hat, die ihm der Herr geben wird an jenem Tage. Daran nun erinnert Paulus auch die Kolosser, und fordert sie auf, als solche, die in aller Kraft gekräftigt werden zu aller Geduld und Langmut mit Freuden, Gott ihren Dank darzubringen, ihren Dank für die Wohltat der Erlösung.
Kap. 1, 12. 13. 14:
Und Dank sagt dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht, welcher uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden.
Auf dreierlei werden wir in diesen Worten hingewiesen: auf das Ziel der Erlösung, auf die Art, wie, und auf das Mittel, wodurch wir erlöst worden sind.
Das Ziel oder der Zweck ist die Teilnahme an dem Erbe im Licht. „Danksagt dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht.“ Woher doch diese Wohltat, dass wir Kinder Gottes, und als Kinder auch Erben Gottes sind? Nicht unser eigenes Werk und Verdienst ist das, auch nicht das Werk anderer Menschen; nein, nicht menschliche Kraft reichte dazu hin. Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, der seinen Sohn in die Welt, und seinen Geist gesandt hat in unsere Herzen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! Darin ist kein Unterschied, der Apostel schließt sich selbst und den Timotheus samt allen übrigen Christen ein, indem er spricht: „uns, der Vater hat uns tüchtig gemacht.“ Wozu? Zur Teilnahme an dem Erbe im Licht. Es ist darunter zu verstehen das Reich Gottes mit seinen Heilsgütern, und besonders denkt der Apostel hier an die zukünftige Herrlichkeit, zu der uns die Geduld führt, von der Vers 11 die Rede war. Dies Reich, diese Herrlichkeit wird ein Erbe genannt, eigentlich nach dem Grundtext ein Los. Es liegt diesem Worte die Vergleichung mit dem Lande Kanaan zu Grunde, welches Gott an das Volk Israel verteilte durchs Los (4 Mos. 34,13.), daher z. B. von dem Los Manasse, von dem Los der Kinder Benjamin, von dem Los der Kinder Affer die Rede ist im Buche Josua. Wie nun Gott ehedem die Israeliten, nachdem er sie aus dem ägyptischen Diensthause errettet hatte, in das Land Kanaan versetzte, wo Milch und Honig floss, und an diesem Erbe, welches das Volk bekam, jedem Einzelnen im Volke seinen Anteil gab: so hat er uns das Reich der Gnade und der zukünftigen Herrlichkeit als ein Los oder Erbe, und jedem Einzelnen von uns sein bestimmtes Teil von diesem Erbe gegeben, daher wir sagen können: „Das Los ist mir gefallen aufs Liebliche, mir ist ein schön Erbteil worden“ (Ps. 16,6.). In dem Worte „Los“ liegt zugleich dies, dass es nicht durch Fleiß und Mühe der Menschen, sondern ohne ihr Zutun gewonnen wird. Die ganze uns von Gott zu Teil gewordene Herrlichkeit ist nicht die. Frucht unsers Verdienstes, sondern ist uns durch die Gnade Gottes zugefallen. Nicht um der Werke willen. der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig (Titus 3.). Es kann das Erbe wohl mit Sünden verscherzt, aber nicht mit guten Werken verdient werden. Die Herrlichkeit dieses Erbes drückt der Apostel dadurch aus, dass er es ein Erbe im Lichte nennt. Die ganze Herrlichkeit der Welt offenbart sich uns im Lichte, daher das Licht ein Sinnbild alles Großen, Schönen, Herrlichen ist. Das Erbe der Heiligen nun wird ein Erbe im Lichte genannt zunächst im Gegensatz zu der Finsternis V. 13, worin die Kinder der Welt leben, als deren Verstand verfinstert ist, deren Wille umhertappt auf dem Wege der Sünde wie in einer finstern Nacht, bis sie zuletzt hineinkommen in die äußerste Finsternis. Die Kinder Gottes dagegen wandeln schon hier im Lichte, denn es ist hell in ihnen geworden, und was noch etwa von Dunkelheit übrig geblieben ist, das verschwindet mehr und mehr aus ihrem Herzen, Wandel und ganzen Zustande, bis endlich alles in lauter Licht verwandelt wird, dort, wo sie abgetan haben das Unvollkommene, und Gott schauen, der ein Licht ist, und ist in ihm keine Finsternis (1 Joh. 1,5.). Aber noch eine ernste Mahnung fügt der Apostel hinzu, wenn er das Licht-Erbe ein Erbe der Heiligen nennt. Den Himmel erben nur die Heiligen, die durch die enge Pforte der Wiedergeburt gegangen sind, und wird nicht hineingehen irgend ein Gemeines, und das da Gräuel tut und Lügen (Offenb. 21.).
Wir warten eines neuen Himmels und einer neuen Erbe, nach seiner Verheißung, in welcher Gerechtigkeit wohnt. Darum, meine Lieben, dieweil ihr darauf warten sollt, so tut Fleiß, dass ihr vor ihm unbefleckt und unsträflich im Frieden erfunden werdet (2 Petri 3,14.).
Hat nun Gott der Vater zum Anteil an diesem Erbe uns tüchtig gemacht, so fragen wir billig: wie ist das geschehen? Der Apostel antwortet: „Da er uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis, und versetzt in das Reich seines lieben Sohnes.“ Also zweierlei ist die Erlösung: eine Errettung und eine Versetzung. Gott hat uns errettet von der Obrigkeit der Finsternis. Finsternis wird der Zustand derer genannt, deren Verstand verfinstert ist, und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist, durch die Blindheit ihres Herzens, welche ruchlos sind, und ergeben sich der Unzucht, und treiben allerlei Unreinigkeit samt dem Geiz (Eph. 4.); daher auch ihr Herz ohne Frieden, und ihnen eine dunkle Finsternis in Ewigkeit behalten ist. Auch sie leben in einem Reich, aber es ist nicht das Reich Gottes, sondern es hat einen andern Fürsten, andere Gesetze, andere Güter, andere Waffen, andere Grenzen, andern Lohn. Paulus redet von einer Macht dieser Finsternis. Wer von uns wüsste nicht, welche Macht die Sünde über ihn hatte, da er noch ohne Christum war! Wie einst Delila den Simson band, so bindet Satan seine Untertanen, dass sie ihm dienen müssen in allerlei Ungerechtigkeit. Groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist, auf Erden ist nicht seines Gleichen. Nun wisst, dass wir alle einst in diesem Reiche lebten, da wir noch nicht bekehrt waren zu Christo, unserm Herrn; denn wo Christi Reich nicht ist, da ist das Reich der Finsternis. Wie traurig war damals unser Zustand! Viel trauriger noch als der Zustand der Israeliten, da sie in dem Ägyptischen Diensthaus schmachteten. Wie es ein großes Elend ist, wenn ein Blinder in der Finsternis sitzt und das Licht des Himmels nicht sehen kann, so ist es ein noch tausendmal größeres Elend, wenn unsere Seelen in der Finsternis der Unwissenheit, der Sünde und Verdammnis wohnen, und ihnen das Licht der göttlichen Erkenntnis, das Licht eines heiligen Willens, das Licht der Hoffnung und Seligkeit mangelt. Darum haben wir's als eine unendliche Gnade zu preisen, dass uns Gott von der Macht dieser Finsternis errettet hat. Wir wissen uns als die Kinder Gottes frei von jeder Finsternis und ihrer Macht, und werden immer freier von ihr in der täglichen Erneuerung, bis der Herr uns endlich erlöst von allem Übel und uns aushilft zu seinem himmlischen Reich. Nicht, als ob nun alle Gemeinschaft zwischen uns und der Finsternis, folglich aller Kampf aufgehört hätte; nein, wir haben auch zu kämpfen mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, und müssen um des willen den Harnisch Gottes ergreifen, auf dass wir an dem bösen Tage Widerstand tun, und alles wohl ausrichten, und das Feld behalten. Aber wir sind doch nicht mehr des Teufels Leibeigene, und leben nicht mehr in seinem Reiche unter ihm. Der früher in uns herrschte, er herrscht jetzt außer uns, und wir haben mit ihm zu kämpfen als mit einer auswärtigen Macht. Wir haben uns von ihm losgesagt, hassen sein gottlos Wesen, und sind frei von der Fessel der Sünde und von der Unruhe und Qual, so die Sünde mit sich führt. Aber das ist nur die eine Seite der Erlösung; die andere ist diese, dass uns Gott versetzt hat in das Reich des Sohnes seiner Liebe. Ein Großes ist es, von der Macht der Finsternis errettet zu sein; ein noch Größeres, versetzt zu sein in das Reich der Gnade und Herrlichkeit. Es ist eine große Veränderung mit uns vorgegangen in der Wiedergeburt. Wie nämlich die leibliche Geburt uns in das Reich der Welt versetzt, also versetzt uns die geistliche Geburt in das Reich der Gnade. Hier herrscht der Sohn seiner Liebe, das heißt, der vom Vater in Ewigkeit Geborene, welcher ist der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild. seines Wesens (Hebr. 1,3.). Was ist aber das Wesen Gottes? Gott ist die Liebe. Wohnt nun in Christo die ganze Fülle der Gottheit, so muss ja auch die ganze Fülle der göttlichen Liebe in ihm wohnen. Ja, wir wüssten nichts von der Liebe Gottes, wenn nicht Christus wäre, in welchem sie offenbar geworden ist. Was muss nun das für ein herrliches Reich sein, worin uns der Vater versetzt hat! Der Apostel kann es nicht trefflicher loben, als wenn er es ein Reich des Sohnes der Liebe nennt. Denn zwar gibt sich uns die Liebe Gottes schon vielfach in der Welt zu erkennen, die uns tausend Wunder seiner Liebe am Himmel und auf der Erde zeigt. Aber was hilft uns die Welt, wenn nicht die Erlösung wäre, die uns noch viel größere Wunder der Liebe zeigt?
Denn höre nur, durch welches Mittel die Erlösung in Christo vollbracht worden ist. In Christo haben wir die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. Was durch keinen Menschen vollbracht werden konnte, das hat Gott in Christo vollbracht. Christus wurde der Mittler zwischen Gott und den Menschen. Er erlöste uns - wodurch? Durch sein Blut. Und nun erwäge doch, welch ein teures und wirksames Lösegeld dies ist. Ein teures, denn es ist ja das Blut des Sohnes der Liebe Gottes. Der für uns Gekreuzigte ist der liebende Gott selbst, denn Gott wäre nicht die Liebe, wenn er uns nicht den ganzen Reichtum seiner Gnade und Barmherzigkeit in Christo offenbart hätte. Er hat es getan, und zwar auf eine Weise, dass wir mit Johannes voll Verwunderung ausrufen müssen: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt!“ Denn er ist ja Mensch geworden in Christo! Noch mehr: er ist unser Knecht und Diener geworden in Christo! Noch mehr: er hat sich in Christo verfolgen, verspotten und verspeien, und Leiden ohne Zahl über sich ergehen lassen! Noch mehr: er ist ein Fluch für uns geworden am Kreuze, und hat den Kelch des Leidens bis zum Sterben für uns getrunken! Diese bis zum Tode, ja zum Tod am Kreuze sich für uns erniedrigende Liebe Gottes war das Mittel unserer Erlösung. Welches nun ist die Wirkung solcher Liebestat? Dieses, dass wir in Christo die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden. Es wird hier der Vergebung der Sünden allein gedacht, wie auch Lukas 1,77 und anderswo, nicht als wenn die Erlösung in mehr nicht bestände als in der Sündenvergebung, sondern weil die Erlösung mit der Vergebung der Sünden anhebt, und diese der Grund ist, worauf alles andere ruht. Denn was ist die Vergebung? Sie ist die Befreiung von der Schuld und Strafe der Sünde, die Befreiung vom bösen Gewissen, vom Zorne Gottes, vom Fluche des Gesetzes, vom Tode, von der Verdammnis, kurz, von allem Elend, das die Sünde mit sich bringt, hier zeitlich und dort ewiglich. Wie könnt' ich nun ein Erlöster heißen, wenn mich Gott nicht zunächst und vor allen Dingen von diesem Verderben befreien wollte? Bin ich aber davon befreit, was fehlt mir noch? Dann ist ja die Mauer niedergerissen, die mich von meinem Gott trennte; dann bin ich ja wieder ein Kind Gottes, habe Frieden und Freude, habe Lust zum Guten, habe die herrlichsten Aussichten in die Ewigkeit. Wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit. Nun, diese Erlösung haben wir, und haben sie in Christo, gleichwie wir im Brunnen das Wasser haben, so dass, wenn uns dürstet, wir hingehen und schöpfen können, wie oft und viel wir wollen. Es ist doch ein herrlich Ding, dass wir einen Ort haben, wo für uns, wenn wir mühselig und beladen sind, immer der Trost der Vergebung zu finden ist, an jedem Tage und zu jeder Stunde des Tages. Gott vergibt uns nicht ein- für allemal, sondern er vergibt uns täglich, wenn wir mit Reue und Leid vor ihm erscheinen. Aber lasst uns die Vergebung auch nirgend anderswo suchen, als in Christo. Warum in Ihm allein? Weil er der Sohn der Liebe ist. Das ist ja offenbar, dass wir uns nur an die Liebe Gottes wenden können, wenn wir Vergebung suchen. Vergibt die Liebe uns die Sünde nicht, wie soll sie dann vergeben werden? Nun aber ist Gott die Liebe eben in Christo, sonderlich in Christo dem Gekreuzigten. Hier gehen viele von uns ab, welche meinen, man könne von dem sogenannten lieben Gott auch ohne Christum Vergebung erlangen. Aber beachtet wohl, was Paulus sagen will, wenn er Christum den Sohn der Liebe des Vaters nennt. Damit will er sagen, dass Christus die höchste, ja die einzige Offenbarung der Liebe Gottes ist. Wo nur Gott die Liebe ist, sei es vor, oder in, oder nach der Schöpfung der Welt, da ist er es in Christo als in dem Abglanz seiner Herrlichkeit. Wie die Sonne für uns in nichts anderm die Sonne ist als im Licht, so ist Gott für uns in nichts anderm die Liebe als in Christo, in dessen Leiden und Sterben sie ihren höchsten Glanz und ihre Vollendung hat. Was folgt daraus? Dies, dass wir die Vergebung der Sünden nur in Christo haben können, weil wir sie nur haben können in der Liebe Gottes.
Lasst uns denn mit den Kolossern Gott danken, dass er uns erlöst hat durch das Blut Christi, uns errettet hat von der Macht der Finsternis, uns versetzt in das Reich des Sohnes seiner Liebe, und uns so wiederum tüchtig gemacht hat zum Anteil an der Heiligen Erbe im Licht. Aber hüte dich nun auch sorgfältig, mein Christ, dass du nicht wie Esau dein Erbe verlierst, und dich mutwillig wieder unter die Obrigkeit und Macht der Finsternis begibst. Wahrlich, es wäre dir, wenn du das tätest, besser, dass du den Weg der Wahrheit nie erkannt hättest, als dass du ihn erkannt hättest, und dich kehrtest von dem heiligen Gebot, das dir gegeben ist!