Kähler, Carl Nikolaus - Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser in 36 Betrachtungen - 3. Betrachtung
Vom Gruß geht der Apostel sofort zum Danke über, wie er denn seine Briefe meistens mit einem herzlichen Dank für die den Gemeinden erwiesene Gnade anfängt. Röm. 1,8: Aufs Erste danke ich meinem Gott. 1 Kor. 1,4: Ich danke meinem Gott allezeit eurethalben. 2 Kor. 1,3: Gelobet sei Gott. So finden wir auch in unserm Briefe einen Dank für die Gemeinde zu Kolossä.
Kap. 1,3-5: Wir (Paulus und Timotheus) danken Gott und dem Vater unseres Herrn Jesu Christi, und beten allezeit für euch, nachdem wir gehört haben von eurem Glauben an Christum Jesum, und von der Liebe zu allen Heiligen, um der Hoffnung willen, die euch beigelegt ist im Himmel.
Zunächst wird hier der Dank selbst ausgesprochen. „Wir danken Gott und dem Vater unsers Herrn Jesu Christi.“ Da hören wir, wem unser Dank gebührt: dem Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi! Im Alten Bunde heißt Gott „der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs,“ weil Gott durch sie die Offenbarung seiner Herrlichkeit und die Verheißung seines Segens hat ausgehen lassen über sein Volk, dessen Häupter sie waren. Im Neuen Bunde ist nicht mehr Abraham das Haupt, sondern Christus, in welchem die Verheißung erfüllt ist, durch welchen Gott uns gesegnet hat in allem geistlichen Segen. So wissen wir nun von keinem andern Gott, als der sich an uns verherrlicht hat durch Christum, und wissen von keinem andern Vater, als dessen Kinder wir geworden sind durch Christum, wie auch der Heiland selber (Joh. 20,17.) seinen Gott unsern Gott und seinen Vater unsern Vater nennt. Darum ist das der rechte christliche Dank, dabei man erkennt und Gott preist, dass er uns alles Gute durch seinen lieben Sohn erwiesen hat. - Des Apostels Dank aber war mit beständiger Fürbitte für die Kolosser verbunden: „Wir beten,“ sagt er, „allezeit für euch.“ Andere ziehen das „allezeit“ zum Danke, „wir danken für euch allezeit, wenn wir für euch beten.“ Der Dank setzt voraus, dass die Kolosser in der Gnade standen, das Beten oder Bitten aber, dass sie noch in Gefahr waren, also Ursache hatten zu wachen, zu beten, und im Guten zu wachsen und zuzunehmen. Danken und Bitten müssen immer beisammen sein. Begehrst du eine neue Wohltat von Gott, so danke zuvor für die empfangene alte, wie Jakob tat, da er um Schutz wider Esau bitten wollte (1 Mos. 32.), und dankst du für das, was du empfangen hast, so bitte, dass es dir nicht wieder verloren gehe, zumal wenn es ein geistlich Gut ist, denn wir tragen unsern Schatz in irdenen Gefäßen. Wer nicht dankt, der ist, wie die Säue sind, welche zwar die Eicheln auslesen, aber nicht über sich blicken auf den Baum, von wo sie kommen, oder wie jene neun Aussätzigen (Luk. 17.), welche nicht umkehrten und Gott die Ehre gaben. Und wer nicht bittet um Erhaltung der Gnade, die er empfangen hat, der ist wie ein Schiffer, welcher leichten Sinnes mit seiner Ladung in See geht, ohne zu bedenken, dass, noch ehe es Abend wird, ein Sturm kommen und seinem Schifflein den Untergang bringen kann. Also fährst du mit deinen geistlichen Gütern unter Stürmen und Klippen so lange du lebst in der Welt, darum bete und bete allezeit, und nicht nur für dich, sondern auch für deinen Nächsten; besonders sollen das die Hirten tun für ihre Gemeinden.
Was nun ist es, wofür der Apostel dankt? Er dankt für dreierlei: für den Glauben, für die Liebe und für die Hoffnung der Kolosser. Also fasst er das ganze Christentum der Kolosser kurz zusammen in diese drei Worte: Glaube, Liebe, Hoffnung, die als treue Schwestern immer beisammen sind, wie auch anderswo Paulus diese drei zusammenstellt (1 Kor. 13.). Erstlich dankt er für ihren Glauben an Christum Jesum, oder wie im Grundtexte steht: in Christo Jesu. An ihn glauben ist nicht so viel als in ihm glauben; jenes ist die Hinwendung zu ihm in der Bekehrung, dieses das ihm Zugewandtsein und die Gemeinschaft mit ihm durch das Band des Glaubens, gleichwie eine Rebe am Weinstock ist, oder Efeu um den Baum sich geschlungen hat, von dem er sich nicht scheiden noch losreißen lässt, oder wie ein Kind, das sich sehnt und streckt nach der Mutter Brust, wenn es von der Mutter aufgenommen ist, selig ruht in der Mutter Schoß. So findet der Christ durch seinen Glauben eine selige Ruhe in der Liebe Christi. Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen, wenn ich in deiner Liebe ruh'! Ich traure nicht, was kann mich quälen? Mein Licht, mein Heil, mein Trost bist du!
Eine solche gläubige Gemeinschaft mit Christo kann nicht ohne die Frucht der Liebe sein. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht (Joh. 15.). Darum dankt der Apostel ferner für der Kolosser Liebe gegen alle Heiligen. Warum gedenkt er nicht ihrer Liebe zu Gott? Weil sich das von selbst versteht: Wer den Nächsten liebt, der liebt auch Gott. Eine besondere Art der Nächstenliebe aber ist die Liebe gegen die Heiligen, von Petrus „brüderliche Liebe“ genannt (2 Petri 1,7.). Die christliche Liebe, obwohl sie keinen Menschen ausschließt, selbst nicht den Feind, ist doch am wärmsten gegen die, welche mit uns in Glaubensgemeinschaft stehen, daher es auch heißt (Gal. 6.), dass wir allermeist Gutes tun sollen an den Glaubensgenossen, und Gott selbst zwar heißt ein Heiland aller Menschen, sonderlich aber der Gläubigen (1 Tim. 4.). Die gemeine Liebe kann auch sein ohne Glauben, aber die Liebe zu den Heiligen ist das sicherste Kennzeichen der Wiedergeburt, daher auch Paulus für sie sonderlich dankt, zumal da sie sich bei den Kolossern auf alle Heiligen erstreckte, ohne Ansehen der Person, es mochten Juden- oder Heidenchristen sein. Von dem Glauben und der Liebe der Kolosser sagt nun Paulus, er habe davon gehört. Beide, Glaube und Liebe, sind zwar im Menschen verborgen, aber ihre Wirkungen sind doch, sichtbar, denn der Glaube macht den Menschen neu nach Herz, Mut, Sinn und allen Kräften, und zündet ein Licht in ihm an, dessen Strahlen die guten Werke sind, wie Jakobus sagt: „Ich will meinen Glauben zeigen mit meinen Werken.“ Ebenso, wo Liebe ist, da sind auch Liebeserweisungen; sie gleicht dem Balsam, der seinen Geruch weit ausbreitet und das ganze Haus damit erfüllt. Zuletzt wird nun auch der Hoffnung der Kolosser noch erwähnt, die Paulus als den Grund ihres Glaubens und ihrer Liebe bezeichnet, weil beide nicht bestehen können ohne die Hoffnung. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Wie der Arbeiter, wenn er pflügt oder gräbt, zwar ein Wohlgefallen an der Arbeit hat, die er mit fröhlichem Herzen tut, weil er dazu von Gott berufen ist, aber diese Arbeit nichtig und ziellos wäre ohne die Ernte, die ihm Gott in der Ferne zeigt: also geht auch dem Christen sein Glauben und Lieben über alles, ist sein Odem, ist sein Leben in dieser Welt, aber dennoch wäre es damit nichts, wenn nicht Gott über diesem Leben den schönen Himmel der Hoffnung ausgebreitet hätte, den der Christ vor Augen hat. Darum preist nun der Apostel den Glauben und die Liebe der Kolosser wegen der Hoffnung spricht er: „die euch aufbewahrt ist im Himmel.“ Es ist gemeint die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heilandes Jesu Christi (Tit. 2.), die unaussprechliche Freude und Herrlichkeit, die an uns soll offenbart werden. Diese Hoffnung ist noch nicht da für die Gläubigen - sie sind noch nicht, was sie sein werden (1 Joh. 3.) aber sie haben sie doch sicher zu erwarten, denn sie wird als ein teures Pfand und ein herrlicher Schatz von Gott für sie aufbewahrt an einem sichern Ort, dem Himmel, gleichwie ein Vater, der seinen Kindern ein köstliches Erbe schenkt, es wohl den Kindern zeigt, dann aber sagt: „Ich will es euch verwalten und verwahren, und ihr sollt es haben, wenn ihr an Verstand und Jahren reif geworden seid.“ Nun dienen zwar die Kinder Gottes in ihrem Glauben und in ihrer Liebe dem Herrn nicht um die Seligkeit als um einen Lohn - denn die Seligkeit ist eine freie Gabe Gottes in Christo Jesu (Röm. 6.), und was die Christen tun oder leiden in der Welt, das ist nicht wert der Herrlichkeit, die einst an ihnen soll offenbart werden; aber doch bedürfen sie der Hoffnung als eines Steckens und Stabs auf ihrer Wanderschaft, daher sie auch zu den Waffen der Christen gerechnet wird, sie ist ihr Helm (1 Thess. 5.). Sie macht sie fröhlich und getrost, selbst da, wo andere zittern vor Warten der Dinge, die da kommen sollen, und wenn sie sehen müssen, wie es in der Welt von Tag zu Tage schlimmer wird und aller Orten klagen hören: „Wir hofften, es sollte Friede werden, so kommt nichts Gutes“ (Jer. 14.); so ist doch dies ihr Trost, dass sie Kinder der Heiligen sind, und warten auf ein Leben, welches Gott geben wird denen, so im Glauben stark und fest bleiben vor ihm. Da lerne nun, lieber Christ, von Paulus, wofür du Gott zumeist danken sollst. Die mehrsten danken nur, wenn ihre Scheune voll Korn und ihre Kammer voll Speise ist: was helfen uns aber alle Schätze der Welt, wenn wir außerhalb der Gemeinschaft mit Christo durch den Glauben, außerhalb der Gemeinschaft mit den Heiligen durch die Liebe, außerhalb der Gemeinschaft mit dem Himmel durch die Hoffnung ständen!
O, lass hören von dir, wie die Kolosser von sich hören ließen, lass hören von deinem Glauben und von deiner Liebe! Wo du solches tust, wird dir auch reichlich dargereicht werden der Eingang zu dem ewigen Reich unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi.