Hus, Jan - An den Cardinal
(von Viviers; andere denken hier an einen polnischen Theologen, einen Freund von Hus, der Cardinal hieß)
Der allmächtige und allweise Vater wolle meinem um Christi Jesu willen mir gewogenen Vater das ewige Leben der Herrlichkeit schenken. Ehrwürdiger Vater! Ich bin sehr erfreut über Eure zarte, väterliche Huld. Ich wage es nicht, mich in der gezeigten Weise dem Concil zu unterwerfen; einmal, weil ich viele Wahrheiten, die sie (wie ich von ihnen hörte) ärgerlich nennen, verdammen müßte, sodann weil ich durch Abschwörung, da ich erkläre, Irrthümer festgehalten zu haben, durch die ich dem Volke Gottes Aergerniß gab, welches von mir in der Predigt das Gegentheil vernahm, mich eines Meineids schuldig machen müßte.
Wenn schon Eleazar im alten Bunde, von welchem in den Büchern der Makkabäer geschrieben ist, nicht lügenhaft bekennen wollte, vom Gesetz verbotenes Fleisch gegessen zu haben, damit er nicht Gott zuwider handle, und den Nachkommen ein schlimmes Beispiel hinterlasse, wie sollte nun ich, ein Priester des neuen Bundes, obwohl ein unwürdiger, aus Furcht vor einer Strafe, die doch schnell vorübergeht, mich dadurch so schwer versündigen an Gottes Gesetz, daß ich die Wahrheit verläugne, einen falschen Eid ablege und meinem Nächsten Aergerniß gebe.
In der That, es frommt mir mehr zu sterben, als einer augenblicklichen Strafe zu entgehen, und in die Hände des Herrn und hernach in das ewige Feuer und die ewige Schmach zu fallen. Und weil ich an Jesum Christum, den mächtigsten und gerechtesten Richter appellirt habe, ihm seine Sache überlassend, darum lasse ich ihn entscheiden, überzeugt, daß er jeden Menschen nicht nach falschen Zeugnissen oder irrenden Concilien, sondern nach der Wahrheit und dem Verdienste richten wird.
Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren