Hofacker, Ludwig - An seine Pfarrbrüder.

Hofacker, Ludwig - An seine Pfarrbrüder.

Den 17. April 1826

Was Gott bisher an mir gethan hat, wisset Ihr wohl; er hat's an mir wahr gemacht, daß er in die Hölle hineinführe aber auch wieder heraus. Näher kann man wohl nicht an der Ewigkeit stehen, als ich daran gestanden. Aber wo bleibt nun der Dank, daß er mich unfruchtbaren Baum noch länger stehen ließ? Ach, mein Heiland! wo bleibt denn der Dank? Soll denn mein hartes Herz nicht durch Wohlthaten, nicht durch den Ofen der Trübsal, durch gar nichts können zur Aufmerksamkeit gebracht werden? Ich habe die Erfahrung gemacht, daß nichts hinreicht, einen Menschen auch nur zu einem einzigen wahren Gefühl über sich und seinen Gott zu bringen, - nichts, als das Blut Christi. Das Blut Christi, des Lammes Gottes, muß her, und o ewige, an's Kreuz geheftete Liebe! so hart bin ich, und so weich und gnädig bist Du, daß, als Du sahest, wie keine Macht im Stand ist, meinen erstorbenen Willen zu beleben, und daß kein Mittel dazu vorhanden ist, als Dein unschuldiges Blut, - Du dasselbe in heißer Läuterung hingabst, um mich zu heilen! Nein, Brüder, Er, das Lamm Gottes, allein ist's werth, daß ihn jeder Blutstropf ehre. Aber so schreibe ich; das ist meine Ueberzeugung, das ist mein Glaube, mein Licht in nüchternen Stunden; aber diese nüchternen Stunden sind nicht immer da. Eben übergebe ich mich der ewigen, gekreuzigten Liebe, und gleich darauf sündige ich wieder, wenn auch nur mit Blicken und Gedanken. Wie stimmt solches zusammen? Ich dachte: deine dir neugeschenkte Lebenskraft soll allein im Dienste Deines Königs verzehret werden, und ich gedenke noch daran, und es ist mir noch also ums Herz, aber wo bleibt die Uebung? So Du, Herr, Sünde zurechnen willst, wie könnte ich armer, unreiner, von der Sünde vergifteter Mensch bestehen? Auf einer alten Goldmünze las ich letzthin: O juste pater, ne respice multitudinem iniquitatum mearum, sed respice faciem causidici mei, filii tui, Jesu Christi, salvatoris mei 1) das kann ich auch sagen, denn mein Elend treibt mich zu seinen Wunden.

Seid aufrichtig in der Liebe, und mißbrauchet ja nicht das brüderliche Band der Gemeinschaft im Geiste in irgend einer heuchlerischen oder fleischlichen Absicht, was so leicht und sogleich geschieht, wenn man nicht ernstlich und lauter vor dem Herrn selbst wandelt, und gehet zu dem Ende immer tiefer und gläubiger in die Gnade ein, weil nur die Gnade Jesu ein sündiges Menschenherz wahrhaft lauter und redlich machen kann.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren

1)
Gerechter Vater, siehe nicht an die Menge meiner Missethaten, sondern siehe an das Angesicht meines Fürsprechers, Deines Sohnes, Jesu Christi meines Heilandes!
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