Henhöfer, Aloys - Die Bekehrung des Apostels Paulus
Am 19. Sonntag nach Trinitatis
über Apostelgesch. 9, 1-22.
„Saulus aber schnaubete noch mit Dräuen und Morden wider die Jünger des Herrn. Und ging zum Hohenpriester, und bat ihn um Briefe gen Damaskus um die Schulen, auf daß, so er etliche dieses Weges fände, Männer und Weiber, er sie gebunden führete gen Jerusalem. Und da er auf dem Wege war, und nahe bei Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel. Und er fiel auf die Erde, und hörete eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul! was verfolgst Du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist Du? Der Herr sprach: Ich bin Jesus, den Du verfolgest. Es wirb Dir schwer weiden, wider den Stachel zu lecken. Und er sprach mit Zittern und Zagen: Herr, was willst Du, das ich thun soll? Der Herr sprach zu ihm: Stehe auf und gehe in die Stadt, da wird man Dir sagen, was Du thun sollst. Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen und waren erstarrt. denn sie höreten eine Stimme und sahen Niemand. Saulus aber richtete sich auf von der Erde, und als er seine Augen aufthat, sah er Niemand. Sie nahmen ihn aber bei der Hand, und führeten ihn gen Damaskus. Und war drei Tage nicht sehend, und aß nicht und trank nicht. Es war aber ein Jünger zu Damasko, mit Namen Ananias, zu dem sprach der Herr im Gesicht: „Anania“ - Und er sprach: „Hie bin ich Herr.“ Der Herr sprach zu ihm: „Stehe auf und gehe in die Gasse, die da heißet die Richtige, und frage in dem Hause Judä nach Saulo, mit Namen von Tarsen, denn siehe, er betet. Und hat gesehen im Gesicht einen Mann, mit Namen Ananias, zu ihm hineinkommen, und die Hand auf ihn legen, daß er wieder sehend werde. Ananias aber antwortete: Herr, ich habe von Vielen gehöret von diesem Mann, wie viel Uebels er Deinen Heiligen gethan hat zu Jerusalem; und er hat allhie Macht von den Hohenpriestern, zu binden Alle, die Deinen Namen anrufen. Der Herr aber sprach zu ihm: Gehe hin, denn dieser ist mir ein auserwähltes Rüstzeug, daß er meinen Namen trage vor die Heiden und vor die Könige, und vor die Kinder von Israel. Und ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muß um meines Namens willen. Und Ananias ging hin, und kam in das Haus, und legte die Hände auf ihn, und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, der Dir erschienen ist auf dem Wege, da Du herkamest, daß Du wieder sehend und mit dem heiligen Geiste erfüllet werdest. Und alsobald fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er ward wieder sehend, und stand auf und ließ sich taufen. Und er nahm Speise zu sich und stärkte sich, Saulus aber war etliche Tage bei den Jüngern zu Damaskus, Und alsbald predigte er Christum in den Schulen, daß derselbige Gottes Sohn sey. Sie entsetzten sich aber Alle, die es höreten und sprachen: Ist das nicht der, der zu Jerusalem zerstörte Alle, die diesen Namen anrufen, und darum herkommen, daß er sie gebunden führe zu den Hohenpriestern? Saulus aber ward je mehr kräftiger und trieb die Juden ein, die zu Damaskus wohneten, und bewährete es, daß dieser ist der Christ.“
Unser heutiges Evangelium erzählt uns die Bekehrung des großen Heidenapostels Paulus. Diese Bekehrung ist so wunderbar, und dabei so lehrreich, der Mann so groß, der Erfolg von solcher Wichtigkeit, daß es wohl der Mühe werth ist, etwas länger dabei zu verweilen und dieselbe genauer ins Auge zu fassen. Der Segen, der durch diesen Mann in der Kirche Gottes und in der Welt gestiftet wurde, ist unaussprechlich. Erst die Ewigkeit wird uns die Millionen vorführen, die durch ihn und seine Schriften bekehret und vom Verderben errettet worden sind. Er selbst sagt schon zu seiner Zeit: „Ich habe mehr gearbeitet, denn alle Apostel, nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die in mir ist.“ (1 Kor. 15, 10.) Und wie viel ist durch seine Schriften in den 18 Jahrhunderten gewirkt worden! Die meisten großen Männer, die in's Wohl der Menschheit tief eingegriffen haben, sind durch ihn bekehret worden. Wir wollen daher heute nach Anleitung unseres Evangeliums handeln „Von der Bekehrung des großen Heidenapostels Paulus“ und fragen:
I. Wer dieser Mann war,
II. Wie er bekehrt wurde, und
III. Welchen Beweis er von seiner Bekehrung gab?
I. Wer war dieser Mann?
V. 1 u. 2: „Saulus aber schnaubete noch mit Dräuen und Morden wider die Jünger des Herrn. Und ging zum Hohenpriester, und bat ihn um Briefe gen Damaskus an die Schulen, auf daß, so er etliche dieses Weges fände, Männer und Weiber, er sie gebunden führete gen Jerusalem.“ Hier haben wir eine kleine Beschreibung dieses Mannes; er ist uns aber nicht freundlich geschildert; er gleicht mehr einem wilden Thiere, denn einem Menschen. Wenn wir ihn nachher in seinen Schriften kennen lernen, so liebreich und sanft, so sollte man nicht glauben, daß es ein und derselbe Mann sey. Da wurde der Wolf zum Lamme. Doch wir wollen den Mann von seiner Jugend auf kennenlernen, und er selbst gibt uns eine kurze Lebensbeschreibung. Er sagt von sich: „Ich bin ein jüdischer Mann, geboren zu Tarsus in Cilicien, und erzogen in dieser Stadt, zu den Füßen Gamaliels, gelehret mit allem Fleiß im väterlichen Gesetz; und war ein Eiferer um Gott, gleichwie ihr alle seyd heutiges Tages; und habe diesen Weg verfolget bis an den Tod. Ich band sie und überantwortete sie ins Gefängniß, beide Männer und Weiber.“ Das seine eigenen Worte. (Ap. Gesch. 22, 3. 4.) Paulus war also von Geburt aus ein Jude, aber nicht im jüdischen Lande, sondern im Auslande geboren; zu Tarsus, wo seine Eltern wohnten, in der Landschaft Cilicien, welches eine römische Provinz war. Daher war auch Paulus ein römischer Bürger, und dies machte er geltend, als man ihn schlagen wollte; denn ein römischer Bürger durfte nicht geschlagen werden (Ap. Gesch. 22, 25-29.) Da er gute Anlagen hatte, so brachten ihn seine Eltern zum Studieren. Sie wollten einen Geistlichen, einen Pfarrer aus ihm machen. Sie thaten ihn deßhalb nach Jerusalem. Hier genoß er den Unterricht eines in jener Zeit ausgezeichneten und frommen Lehrers, des Gamaliels, der uns auch durch den weisen Rath bekannt ist, den er in einer Gerichtssitzung den Hohenpriestern gab, und wodurch er für den Augenblick Verfolgung von den Aposteln und den ersten Christen abwendete, indem er sprach: „Lasset ab von diesen Menschen, und lasset sie fahren; denn ist der Rath oder das Werk aus den Menschen, so wird's untergehen; ist's aber aus Gott, so könnt ihr's nicht dämpfen, auf daß ihr nicht erfunden werdet als die wider Gott streiten wollen“. (Ap. Gesch. 5, 38. 39.) Dieser Gamaliel war dem Paulus, der vor seiner Bekehrung Saulus hieß, besonders lieb geworden. Unter ihm studierte er die Theologie. Er wurde aber hauptsächlich unterrichtet im Gesetz. Man wußte damals keinen andern Weg zum Himmel, als den des Gesetzes. Darin standen die Priester und das Volk. Dieser wurde in Schulen und auf Kanzeln gelehrt. Er ist noch heute der Weg aller natürlichen Menschen, sie seyen Juden, Heiden oder Christen, - der einzige, den die Vernunft erkennen und aus sich erfinden kann. Es besteht aber dieser Weg darin, daß man durch, Tugend und Rechtschaffenheit, durch Beobachtung göttlicher und menschlicher Gesetze selig werden will. Das Ziel also ist Seligkeit, oder es ist: göttliches Licht und Leben, es ist Vergebung der Sünden, Friede mit Gott, Freude im heiligen Geiste. Der Weg ist: Tugend, Rechtschaffenheit, gute Werke. Allgemein wurde damals gelehrt und gepredigt: „Wer tugendhaft und rechtschaffen sey, Gott fürchte, den Nächsten liebe, sich vor Sünden hüte, zur Kirche und zum Gottesdienst sich halte, der werde selig, er werde erleuchtet werden, Vergebung der Sünden, Frieden mit Gott und ein neues göttliches Leben erhalten.“ Schlug Jemand diesen Weg ein, und es kam nicht, was verheißen ward, so hieß es: er werde nicht ernstlich genug gewesen seyn, nicht alles genau erfüllt haben; er solle es aufs neue anfangen und sich üben, die Gebote noch besser und treuer zu erfüllen denn zuvor. Damit war er nun auf lange hinausgeschoben. Unternahm er es aufs neue, und mit mehr Eifer und Ernst, erhielt aber wieder nicht, was er suchte; so hieß es: es werde später kommen. Kam es aber auch später nicht, trotz aller Uebung in der Tugend und Rechtschaffenheit und im Gesetz, so hieß es: es werde in der Ewigkeit kommen. Dieses Letzte wurde nun allgemein eingeführt. Von nun an wurde vorgegeben; „Wer rechtschaffen und tugendhaft sei, der werde in der Ewigkeit selig.“ Damit waren nun die Geistlichen für immer geborgen, denn da konnte Niemand nachgehen und sehen, ob es wahr ist und sich erfüllen werde. Wir sagen aber kühn, daß es nicht wahr, sondern eine große Lüge ist; wir sagen kühn, daß auf diesem Wege Niemand selig wird, weder in der Zeit, noch in der Ewigkeit, und daß, wenn je noch in der Ewigkeit eine Errettung statt findet, diese Leute alle auf einen andern Weg geführt werden müssen (Joh. 14, 6.). Denn die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch. Denn es steht geschrieben: „Verflucht sei Jedermann, der nicht bleibt in alle dem, das geschrieben stehet in dem Buche des Gesetzes, daß er es thue (Gal. 3, 10.). Wer aber hat das Gesetz gehalten, wer vermag es mit aller Mühe und Sorgfalt vollkommentlich zu halten? Er müßte schon vollkommen seyn, denn nur ein vollkommener Mensch thut vollkommene Werke. Wer recht thut, der ist, nicht der wird gerecht; er beweist, daß er ein Gerechter, ein Wiederhergestellter, Zurechtgebrachter ist (1 Joh. 3, 7.). Daher richtet das Gesetz nur Zorn an, macht unselig, statt selig, mißmuthig, statt muthig, Verdrießlich, statt fröhlich, ärgerlich, statt freudig. (Röm. 4, 15.) - In diesem Wege wurde nun Paulus unterrichtet, denn so gelehrt und brav sein Lehrer war, so kannte er doch keinen andern Weg. Und Paulus wurde nicht nur in diesem Wege unterrichtet, sondern er übte ihn auch. Es gibt viele Leute, die reden viel von Tugend und Rechtschaffenheit; aber wenn man sie nur ein wenig kennen lernt, so findet man, daß es leere Worte und sie voll Ungerechtigkeit in allem ihrem Wesen sind; sie sind nur gesetzlich im Kopf, aber nicht im Leben; Paulus war es auch im Leben; und er war es nicht nur äußerlich, zum Schein vor den Leuten, und so weit die Leute sahen; nein, er war es auch innerlich, von Herzen und vor Gott. Er selbst sagt von sich: „Ich war nach dem Gesetz ein Pharisäer, nach dem Eifer ein Verfolger der Gemeine, nach der Gerechtigkeit im Gesetz unsträflich.“ (Phil. 3, 5.6.) Der Weg des Gesetzes war Pauli Weg zur Seligkeit, sowie der ganzen jüdischen Kirche in jener Zeit. Aber was er suchte, fand er nicht, wie es ganz Israel nicht fand auf diesem Wege. (Röm. 11,7). Hier haben wir nun den Mann nach seinen Grundsätzen, nach seiner Religion; er war ein Gesetzesmann, halb orthodox, halb Rationalist.
Um diese Zeit aber wurde ein anderer Weg zur Seligkeit gepredigt, ein anderer Weg angegeben, auf welchem dem Menschen göttliches Licht und Leben, Vergebung der Sünden, Frieden mit Gott und Seligkeit zukomme. Er war folgender: „Es sey ein Mann von Gott verordnet, der alle göttlichen Gaben und Güter für die Menschheit habe, ja, in dem alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß verborgen liegen, (Kol. 2,3.), in dem die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohne (Kol. 2,9.), der das sichtbare Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der das Licht und das Leben selbst sey. Dieser Mann heiße Jesus Christus. Ihn habe Gott zum Herrn und Christ gemacht. Er sey der Lebensfürst und theile göttliches Licht und Leben Allen aus, die zu Ihm kommen. Er theile es zuerst aus, hernach verlange er erst, daß man darin wandle, denn zuerst müsse man Licht und Leben haben, dann erst könne man im Licht und neuen Leben wandeln, zuerst im Geist und im Himmel seyn, dann erst im Geist und im Himmel wandeln. Zuerst das Innere, hernach das Aeußere, zuerst die Seele, hernach der Leib, zuerst die Saat, hernach die Frucht. Licht und Leben, Himmel und Seligkeit bekomme man aber nur von Jesu, der das Licht und das Leben und der Lebensfürst sey. Außer Ihm erlange man es von Niemand, nicht von einem Menschen und nicht von einem Engel, ja nicht einmal unmittelbar von Gott; denn Gott habe verordnet, daß Alle zu Ihm kommen und aus seiner Fülle schöpfen müssen. In keinem Andern sey das Heil und sey auch kein Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darinnen sie sollen selig werden. (Ap. Gesch. 4, 11. 12.) Wer nicht zu Ihm komme, der möge so weise und fromm werden, als er wolle; göttliches Licht und Leben werde er nie erhalten, nie selig werden. Wer aber zu diesem Manne komme, der werde es erlangen, gewiß erlangen, und dies nicht erst in der Zukunft, in der Ewigkeit, sondern schon hienieden in der Zeit, und zwar alsbald. Zu diesem Manne dürfe man getrost kommen; Jeder dürfe kommen, auch der größte Sünder; Keiner werde abgewiesen oder ausgestoßen; Jeder erhalte diese Gnadengüter. Man dürfe auch Nichts darum geben, sondern bekomme sie umsonst; man dürfe sich auch nicht Jahrelang darauf hin vorbereiten, und an sich herumbessern oder allerlei gute Werke thun und mitbringen, sondern alsbald kommen, wie man ist, und umsonst und aus Gnaden Alles hinnehmen. Er verlange Nichts, als daß man sich als einen Sünder erkenne, dem alles wahrhaft Gute fehle; daß man Leid trage über seine Sünden, deren gern los wäre und nach Gerechtigkeit und den himmlischen Gütern hungere und dürste. (Matth. 5.) Wer so komme, erlange von diesem Manne sogleich alle die himmlischen Güter, als da sind: Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit. Und je öfter er komme und je ernstlicher und dringender er bitte, ja, je mehr er auch den Mann kennen lerne; um so mehr werde ihm zugetheilt; der Mann werde endlich selbst seine Gerechtigkeit und sein Leben. Jetzt erst, wenn ihm dieses göttliche Licht und Leben zugetheilt sey, so werde von ihm verlangt, daß er auch in diesem Lichte wandle und heilig lebe, - zuerst selig, hernach heilig. So lehrten die Apostel. - Dies war ein anderer, ein neuer Weg, ein Glaubensweg; denn dies mußte man erst glauben, mit der Vernunft ließ sich hier Nichts erkennen und begreifen. Wie die Juden einst glauben mußten, daß das Hinsehen auf die eherne Schlange ihnen vom leiblichen Tode helfe und Leben gebe, so mußte man hier glauben, daß das Ansehen Christi vom ewigen Tode errette und ewiges Leben gebe. (Joh. 3, 14. 15.) Erst hintennach konnte man inne werden, daß dieses Mittel helfe; daher auch Jesus sagt: „So Jemand will deß Willen thun, der mich gesandt hat, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott sey, oder ob ich von mir selbst rede. (Joh. 7,17.)
Dieser Weg war nun sehr verschieden vom vorigen. Das Ziel war zwar ein und das nämliche. Jeder wollte Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit. Aber Paulus und mit ihm die jüdische Kirche wollten es unmittelbar von Gott, ohne Christum: die Apostel wollten es mittelbar durch Jesum Christum. Paulus und mit ihm die jüdische Kirche wollten es durch Tugend und Rechtschaffenheit, durch Werke; die Apostel umsonst und aus Gnaden, durch die Erlösung, so durch Jesum, Christum geschehen ist, und durch den Glauben. Paulus und mit ihm die jüdische Kirche wollten und erwarteten es erst in der Ewigkeit; die Apostel hienieden und alsobald.
So verschieden aber auch diese Wege waren, und so schwer für den ersten Augenblick, sich für den zweiten zu entscheiden; so hatte doch der letzte die Erfahrung für sich, der erste nicht. Alle diejenigen Leute, die zu Jesu kamen, die als arme Sünder zu Ihm kamen, und von Ihm Licht und Leben sich erbaten, wurden erleuchtet, lernten die Schrift verstehen, wurden der Vergebung ihrer Sünden versichert, waren freudig und fröhlich in Gott, und wurden ganz andere und neue Menschen. So die Apostel, so Stephanus, so die ersten Christen. Dagegen alle, die durch ihre Tugend und Rechtschaffenheit selig werden wollten, blieben verfinstert, unerfahren in Gottes Wort, kalt, gleichgültig und todt für alles Gute. Man sah es oft recht auffallend in Gemeinden, in Städten und Dörfern. Wenn die Apostel hinkamen und predigten, so wurden diejenigen Leute, die ihrer Predigt glaubten und zu Jesu gingen, erleuchtet, so zwar, daß sie selbst predigen konnten, wie Stephanus, Philippus u.s.w.; die Andern blieben verfinstert; jene wurden belebt, diese blieben todt; jene wurden geheiligt, also, daß sie selbst sterbend noch für ihre Feinde und Verfolger beten konnten, diese blieben voll Haß und Feindschaft. Und je älter diese wurden, um so finsterer, kälter, und von allem Guten ausgezogen und entleerter wurden sie, da auch die Jugendkraft sie verließ; dagegen jene nahmen immer mehr zu an Erkenntniß und Gnade. Aus der Erfahrung war also leicht zu urtheilen, welches der rechte Weg sey, und dies ist bis heute noch der beste Prüfstein. Wenn Leute auf ihrem Wege finster und todt bleiben, nur die Welt kennen und ihre Lust lieben, in Gottes Wort aber fremd und unerfahren, auch an göttlichen Dingen keine Freude haben, so ist ihr Weg gewiß nicht der rechte Weg. Dagegen wenn Leute erleuchtet werden, Gottes Wort verstehen und lieben, sich gerne zu demselben sammeln, und sich eifern, darnach zu thun, die sind auf dem rechten Wege, und wenn die ganze Welt sie Schwärmer und Phantasten schilt.
So leicht nun aber auch zu prüfen gewesen wäre, Paulus prüfte nicht. Er war für sich und seinen Weg so eingenommen, daß er gar nicht glaubte, daß es einen andern und bessern geben könne. War ja auch sein lieber Lehrer Gamaliel auf diesem Wege, ein so gelehrter Mann, und die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer, und alles, was gelehrt, hoch und angesehen war. Diese Leute konnten doch nicht alle in der Irre seyn. So dachte Paulus. - Den Hohenpriestern und Aeltesten des jüdischen Volks war aber der Weg der Apostel noch darum so besonders verhaßt, weil sie Jesum ans Kreuz gebracht hatten und sie nun als Mörder des Sohnes Gottes dastanden. Diese verfolgten daher diesen Weg auf alle Weise. Paulus, als junger Geistlicher, schloß sich an sie an, wurde ein Eiferer für das Gesetz und ein Verfolger der Gemeine Gottes. Bei der Steinigung Stephani war er es, der den Zeugen die Kleider hütete. Und wie man von den wilden Thieren sagt, daß sie blutdürstiger werden, wenn sie einmal Blut gerochen haben, so war es bei Paulus. Nach dem Tode des Stephanus stellte er sich immer mehr und mehr an die Spitze der Verfolger und wurde täglich wüthender. In Jerusalem und der ganzen Umgegend war er es, der den Christen auflauerte, in ihre Versammlungen eindrang, sie gefangen nahm und gebunden in die Gefängnisse und zum Tode ablieferte. Wahrscheinlich sind Viele von diesen getödtet worden. An ein ruhiges, vernünftiges Prüfen der Sache war nicht mehr zu denken. Paulus hielt diese Leute für eigensinnige, schwärmerische, der Obrigkeit ungehorsame, für Kirche und Staat gefährliche Leute, mit denen nicht anders zu fahren sey. Mit Gewalt, mit den Waffen des Fleisches, müsse hier geholfen werden. Schon hatte er in Jerusalem und in der Umgegend Alles zerstört. Die Christen, die nicht ermordet waren, oder in Gefängnissen schmachteten, waren flüchtig geworden, oder hatten sich in tiefe Verborgenheit zurückgezogen. Aber noch war seine Wuth nicht gekühlt, er schnaubte noch mit Dräuen und Morden. Nun hörte er, daß in Damaskus sich ein Häuflein Gläubiger gesammelt habe. Und obgleich dies weit entfernt war von Jerusalem, so war ihm doch der Weg nicht zu weit; denn Paulus war ein ganzer Mann; was er unternahm, das sollte ausgeführt werden. Der Name Christi sollte ganz von der Erde vertilget werden. Wer Ihn noch anrufe und bekenne, sollte sterben. Er ging daher zum Hohenpriester und ließ sich Vollmachtsbriefe geben, damit er Alle, die er dieses Weges dort fände, gebunden nach Jerusalem führen könnte. Der Hohepriester hatte nämlich ein Recht über alle Juden im In- und Auslande, ein Recht, in Sachen der Religion sie nicht nur zu ermahnen, oder aus der Kirche auszuschließen, sondern sie auch einzusperren und selbst zu tödten. Und der Hohepriester gab ihm diese Vollmachtsbriefe. Hier haben wir nun den Mann, so weit er uns vor seiner Bekehrung bekannt ist; rechtschaffen und doch ungerecht und gottlos, ein Verfolger der Gemeine Gottes, ein Verfolger für seine Ueberzeugung, doch nein: für seine Meinung; denn Ueberzeugung konnte es darum nicht sehn, weil er ja auf seinem Wege nicht wirklich zum Licht und Leben kam, sondern es nur hoffte. Die Christen hatten eine Ueberzeugung, denn sie wurden wirklich erleuchtet und mit göttlichem Leben erfüllt; sie waren also gewiß, hatten ein Zeugniß darüber, daß ihr Weg der rechte sey. Wie viele Brüder hat dieser Mann noch in der Welt und zwar in allen Ständen! Wie Viele gibt es noch heute, die christliche Leute bloß darum hassen und verfolgen, weil sie nicht ihren Weg gehen, weil sie an Jesum glauben, von Herzen an Ihn glauben, und durch Ihn, und nicht durch Moses selig werden wollen. Wir wollen hoffen, daß sie es mit Paulo in der Unwissenheit thun, obgleich auch diese Unwissenheit eine sträfliche wird, wenn man sich eines Bessern überzeugen kann.
II. Wie wurde nun dieser Mann bekehrt, wie gerade auf den Weg gebracht, den er verfolgte?
Einen solchen Mann bekehren, ist keine Kleinigkeit. Wer will sich ihm nahen? wer das große Werk unternehmen? Er hört Nichts und nimmt Nichts an. Alle Sinne sind verblendet; er ist abgeschlossen und eigensinnig in seinen Weg hinein- und festgerannt. Die Sache ist zugleich eine öffentliche, eine Ehrensache für ihn geworden. Doch was bei Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Hören wir seine Bekehrung.
V. 3. „Und da er auf dem Wege war, und nahe bei Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel.“ Ein Licht vom Himmel mußte ihn also in seinem Wege aufhalten, ein Licht vom Himmel ihn zur Besinnung bringen. „Und Wege hast du aller Wege, an Mitteln fehlt's dir nicht.“ Was war denn dies für ein Licht? war es etwa das Licht der Sonne? O nein, es war ein anderes Licht, als das der Sonne, es war ein feineres, höheres, helleres Licht, als das von zehn Sonnen; es war das Licht der Himmelssonne, das Licht von Jesu Christo selbst, welcher die Sonne des Himmels ist, das wesentliche Licht, von welchem unsere irdische Sonne nur ein Abbild ist, und gegen welches Licht alle irdischen Sonnen dunkel und finster sind. Der Herr Jesus Christus war im Anzug und Kommen, - dieses Licht umleuchtete ihn am hellen Mittage. Merkwürdige, wunderbare Erscheinung! Was wirkte sie?
V. 4. „Und er fiel auf die Erde, und hörete eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul! was verfolgst du mich?“ Der unerschrockene Mann, jetzt erschrak er. Solche Erscheinung, solche plötzliche Erscheinung kann aber auch den Kühnsten erschrecken und zittern machen. Wir erschrecken schon, wenn wir nur bei Nacht etwas Außerordentliches, ein Feuer oder eine Kugel am Himmel sehen; und nun ein solch Licht! Er fiel auf die Erde nieder, und mit ihm alle seine Begleiter. Vielleicht hat er hier zum erstenmal seine Kniee vor Gott gebeugt; wider seinen Willen mußte er sie vor Jesu beugen. Furcht und Schrecken erfüllten ihn. Das Licht, die Stimme und dazu noch das böse Gewissen, - diese Dinge können einen Menschen schrecken. Die Stimme sprach: „Saul, Saul! was verfolgst du mich?“ Ernst und wehmüthig, drohend und liebend ertönte diese Stimme. Wer ist sie? Ist es die Stimme eines Lebenden oder eines Verstorbenen, die Stimme eines von Paulus dem Tode überlieferten Schlachtopfers? Der Glanz deutet auf etwas Hohes. Paulus fragt.
V. 5. „Er aber sprach: Herr, wer bist Du? Der Herr sprach: Ich bin Jesus, den Du verfolgest. Es wird Dir schwer werden, wider den Stachel zu lecken.“ Hier hört er, wer diese Stimme ist; es ist Jesus, den er verfolgte, den er in seinen Gläubigen verfolgte; denn wer wahre Christen um ihres Glaubens willen verfolgt, der verfolgt den Herrn selbst. Damit hört und erfährt er aber noch viel mehr; er hört und erfährt, daß dieser Jesus, den die Juden gekreuziget hatten, auferstanden sey, daß er lebe, daß er im Himmel lebe, daß er der Heilige in Israel, daß er der Herr sey; er hört und erfährt, daß Alles wahr sey, was die Apostel von Ihm verkündigt hatten, und daß ihr Weg der allein wahre und rechte zum Himmel sey. Darum spricht er auch, er habe sein Evangelium nicht von Menschen, sondern vom Herrn selbst empfangen. (Gal. 1, 12.)
Bedeutend sagt ihm der Herr noch: „Es wird Dir schwer werden, wider den Stachel zu lecken.“ Einen Stachel hatte also Paulus bereits in seinem Herzen; er hatte ihn vom Herrn und von seinen Gläubigen. Es ist unmöglich, daß bei seinen Verfolgungen der Gläubigen ihm nicht manches Wort an sein Herz und auf sein Gewissen gefallen sey; es ist unmöglich, daß er bei dem Tode des Stephanus nicht einen Eindruck sollte in sein Herz bekommen haben, zumal dann, als er ihn sah so ruhig sterben, als er ihn beten hörte: „Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!“ als er ihn im letzten Augenblicke noch niederknieen und mit einer Stimme, die Mark und Nein durchdringen möchte, rufen hörte: „Herr, behalte ihnen diese Sünde nicht!“ Solche Erlebnisse lassen sich nicht so leicht auswischen, solche Worte nicht so schnell aus dem Herzen verdrängen. Manchmal scheint Paulus davon beunruhigt worden zu seyn; vielleicht schwebte ihm auch manches Schlachtopfer vor den Augen. Doch er kämpfte alles nieder. Er widerstand fest dem Geist der Gnade. Aber nun ergriff ihn der Herr aufs neue und mit aller Macht. Denn siehe, dies alles thut Gott zwei oder dreimal mit einem Jeglichen, auf daß er seine Seele herumhole aus dem Verderben und erleuchte ihn mit dem Licht der Lebendigen. Hiob 33, 29. 30. Deßwegen sprach der Herr: Es wird Dir schwer werden, wider den Stachel zu lecken, - schwer, doch nicht unmöglich. Schwer wird es dem Menschen allerdings, dem Geist der Gnade zu widerstehen, wenn er ihn erfaßt hat, wie hier den Paulus. Doch unmöglich, ganz und gar unmöglich ist es wohl nicht. Es darf sich der Mensch nur der Sünde, besonders dem Trunke, dem Branntwein hingeben, und er wird nicht nur den Geist der Gnaden, sondern bald allen Menschengeist vertrieben haben, so daß selbst sein Gesicht in Kürze einem Thiere ähnlicher, als einem Menschen wird. Vertreibt aber ein Mensch mit Gewalt den Geist der Gnade in solchen Zeiten; so ist es auch um sein Heil geschehen, seine Gnadenzeit ist vorüber, und wird wohl nimmer wiederkehren; er ist elend, unaussprechlich elend in Zeit und Ewigkeit. Besser wäre es ihm, nie geboren zu seyn. Was that nun Paulus?
V. 6. „Und er sprach mit Zittern und Zagen: Herr, was willst Du, das ich thun soll? Der Herr sprach zu ihm: Stehe auf und gehe in die Stadt, da wird man Dir sagen, was Du thun sollst.“ Eine Erscheinung, wie diese war, Worte, wie sie hier fielen, können nicht nur das trotzigste Herz zittern und zagen machen, sondern es auch dahin bringen, daß es nach seinem Heil fragt. Paulus that dies; zitternd und zagend fragte er: „Herr, was willst Du, das ich thun soll?“ Das Verfolgen war ihm vergangen, der Trotz war gebrochen, die eigene Errettung lag ihm an; er fragt, ob es noch ein Heil für ihn gebe, und wie er dazu gelangen, wie er Gnade erlangen, und so viel möglich seine Sünden gut machen könne. Die Antwort war: „Stehe auf und gehe hin in die Stadt, da wird man Dir sagen, was Du thun sollst.“ Er wird also nicht sogleich aus seiner Angst erlöst, nicht sogleich in Gnade und Freiheit gesetzt, sondern muß darin harren und warten, bis auf die Zeit, die Gott gefällt. Man muß Niemand in Glauben führen und evangelisch machen, bis er bußfertig ist; man muß Niemand aus der Buße führen, bis vollendet ist am Herzen, was hier vollendet werden soll. Der Herr weiß die rechte Zeit. Er führet in die Hölle und führet auch wieder heraus; er demüthigt und erhöht. Das Werk der Buße fing nun in Paulus an. Wie ging es denn auch seinen Begleitern?
V. 7. „Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen und waren erstarrt, denn sie höreten eine Stimme und sahen Niemand.“ Auch ihnen war das Verfolgen vergangen, auch sie dachten an nichts mehr, als an ihre Errettung, denn das Licht umleuchtete auch sie; auch sie hörten die Stimme, jedoch ohne sie zu verstehen, noch Jemand zu sehen. Furcht und Bestürzung hatte sich daher auch ihrer bemächtigt, und waren sie auch gleich nicht so schuldig wie Paulus, so mochte doch auch das böse Gewissen in ihnen erwacht seyn und ihre Angst sehr vermehrt haben. Ob sie sich bekehrt und diese Gnadenzeit auch für sich benutzt haben, steht nicht hier. Von Paulus heißt es aber weiter:
V. 8. „Saulus aber richtete sich auf von der Erde, und als er seine Augen aufthat, sah er Niemand. Sie nahmen ihn aber bei der Hand, und führeten ihn gen Damaskus.“ Nachdem die Erscheinung vorüber, und alles wieder still und ruhig war, so that Paulus, was ihm befohlen war; er stand auf, um nach Damaskus zu gehen. Als er aber seine Augen aufthat, sah er Niemand. Er war blind. - Schlag auf Schlag. - Kreuz auf Kreuz. - Ein blinder Mann, - ein armer Mann. - O wie kann Gott plötzlich einen Menschen züchtigen, der sich in Aufruhr und Empörung wider ihn setzt. So mußte es aber kommen, damit er von aller Außenwelt abgezogen, bloß über sich nachdenken, und sein Elend, die Blindheit und das Verderben seines Herzens sammt allen seinen Uebertretungen erkennen konnte. Er mußte von aller Welt abgesperrt werden. Seine Gefährten nahmen ihn nun bei der Hand und führeten ihn nach Damaskus. Der Andere führen wollte, wird nun selbst geführt. Was geschah hier?
V. 9. „Und war drei Tage nicht sehend, und aß nicht und trank nicht.“ Essen und Trinken war ihm vergangen. Nicht nur die plötzliche Erscheinung und der Schrecken, nein, noch mehr, die Worte: „Saul, Saul! was verfolgest Du mich?“ und wieder die Antwort: „Ich bin Jesus, den Du verfolgest; es wird Dir schwer werden, wider den Stachel zu lecken,“ - diese Worte hatten ihn in einen Zustand versetzt, daß ihm Essen und Trinken verging. Immer hörte er sie noch, diese Worte, und der ernste und sanfte Ton kam ihm nicht aus dem Sinn. „Du bist also ein Verfolger, ein Verfolger des Herrn vom Himmel; nicht nur unschuldige Menschen hast Du mißhandelt und zum Tode gebracht, nein, den Herrn vom Himmel selbst hast Du verfolgt, an den Heiligen von Israel hast Du Hand angelegt. Gleich den Hohenpriestern und Schriftgelehrten hast Du den Sohn Gottes in seinen Heiligen getödtet, bist ein Mörder Deines Heilandes geworden, des Heilandes, der Dich selig machen und verdammen, der Dich verwerfen, auf ewig verwerfen kann, - Unseliger, was hast Du gethan? Du wußtest es zwar nicht, aber Deine Unwissenheit ist eine sträfliche; Du konntest es wissen, Du konntest Dich leicht überzeugen. Du bist schuld, Du allein bist schuld an aller Sünde und an allem Elend. Ach, daß Du das Licht dieses Lebens nie erblickt hättest! Gott, mein Gott, was habe ich gethan!“ - Dies war's, was in seiner Seele vorging; wie Berge lagen seine Sünden auf ihm, und sein Zustand, er wurde je länger, je ärger; er sah sich verloren, bis in die Hölle drückte es ihn hinab. Nur eins blieb ihm noch zum Trost, das Wort: „Stehe auf und gehe hin in die Stadt, da wird man Dir sagen, was Du thun sollst.“ Also noch ein Strahl der Hoffnung; nicht ganz, nicht ewig sollst Du verloren seyn. O Gott, sey mir Sünder gnädig, Herr, gehe nicht in's Gericht mit Deinem Knechte, denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht. Wenn Du willst Sünden zurechnen, Herr, wer, wer wird vor Dir bestehen? Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir, Herr, höre meine Stimme. So betete er, so betete er auf jenes Wort der Hoffnung hin. Drei Tage dauerte dieser Zustand, er dauerte ohne einen Schein göttlichen Lichts, oder wenn ihn auch je ein Strahl durchzuckte, ohne daß er desselben habhaft werden konnte. Er schwebte zwischen Himmel und Hölle, der Hölle näher als dem Himmel, immer den letzten Ausspruch des Gerichtes fürchtend. Gerne wäre er dieses Zustandes, dieses innerlichen Leidens, des schwersten aller Leiden, los gewesen, aber er vermochte es nicht. Nicht er hatte sich hinein versetzt, Gott hatte ihn hinein versetzt.
Da verging ihm Essen und Trinken, nur nach Gnade war sein Hunger und Durst. Das war sein Bußzustand, sein Bußkampf. In diesen Zustand muß Jeder mehr und weniger hinein, der zum Heiland und zur Gnade kommen will. Das ist die einzige, aber nöthige Bedingung, sonst wird Nichts verlangt. Dies wird aber unumgänglich verlangt. Nur Sünder, die sich als solche erkennen und fühlen, nur Mühselige und Beladene, nur Arme im Geist und Leidtragende, werden von Jesu angenommen. (Matth. 5, 3-11. 28. 29.) Der heilige Geist selbst führt aber Jeden in diesen Zustand, den Gott aufnehmen will in sein Reich, Jeden, der nicht widerstrebt. Da muß das Herz mürbe und weich gemacht, da die eigene Gerechtigkeit gebrochen, da der alte Mensch mit allen seinen Lüsten und Begierden in den Tod gebracht, da der Sinn geändert, vom gesetzlichen Weg hinweg und auf den evangelischen hingelenket werden, welches wahre Sinnesänderung ist. Wo dieser Zustand bei einem Menschen nicht vorgekommen ist, wo er nicht recht vorgegangen ist, dort wird auch kein neuer Mensch, kein gesunder neuer Mensch geboren. Mit aller Besserung seiner selbst, mit aller Nachahmung dieses oder jenes Heiligen, mit aller Nachahmung Christi, des Allerheiligsten selbst, kommt kein neuer Mensch zu Stande. Buße ist erste, vor allem nothwendige Bedingung. Ohne Buße kein Glaube, ohne Buße und Glauben kein wahrer Christ. An dieser Buße, der Bedingung aller Bedingungen, an dieser Grundbedingung fehlt es den meisten Menschen. Daher haben wir auch größtentheils nur orthodoxe, aber keine lebendigen Christen; das Christenthum ist Vielen eine Wissenschaft geworden, aber kein Leben. Diese Alle sind und bleiben gesetzlich, im Herzen sind sie es, und wenn auch der Mund anders spricht. Sie Alle erfahren aber auch wenig oder nichts von der Gnade, von der Kraft des Evangeliums. Darum ist es ihnen auch immer etwas verdächtig, es scheint ihnen, wenn nicht Aergerniß und Thorheit, doch Schwachheit zu seyn, dem man durch gesetzliches Wirken nachhelfen müsse. Daher ist Buße der einzige Weg zum Glauben, die Grundbedingung zur Gnade. David, Petrus, und alle Heiligen Alten und Neuen Testaments gingen durch diesen Weg. Wir lesen wohl auch von Heiligen, die einen andern Weg gegangen sind, die durch Büßungen, durch Fasten und Kasteiungen, durch einsames klösterliches und beschauliches Leben zum Licht und zu Gott gekommen seyen, - der feinste gesetzliche Weg, - allein die heilige Schrift weiß nichts von diesem Weg, sie weiß nichts von Büßung, sondern von Buße, nichts von einem Weg der Beschaulichkeit, sondern von einem Weg des Glaubens, und wir thun wohl daran, uns nur an Gottes Wort zu halten. Dein Wort, spricht David, ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege, Ps. 119, 105. und Petrus schreibet: Wir haben ein festes, prophetisches Wort, und ihr thut wohl, daß ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheint in einen dunkeln Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgehe in euern Herzen. 2 Petr. 1, 19. So sehr wir auch den Ernst und Eifer dieser Leute bewundern, so können wir doch diesen Weg Niemand anrathen, denn auch hier gilt, was Gott durch den Propheten sagt: Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege, sondern so viel der Himmel höher ist, denn die Erde, so sind auch meine Wege höher, denn eure Wege, und meine Gedanken, denn eure Gedanken. Jes. 55, 8. 9. Alle Apostel und alle Heiligen Gottes sind nach dem Zeugniß der Schrift nicht diesen, sondern den Bibelweg gegangen, und es ist gut, sich darnach und nicht nach Menschen Meinung zu bilden. Nur in der Buße, nicht in Büßungen stirbt der alte Mensch, nur im Glauben, nicht in Beschauung wird ein neuer geboren.
In diesen Zustand kam auch Paulus hinein, in diesem Zustand stand er drei Tage und Nächte, und darum aß und trank er nicht. Nicht darum aß und trank er nicht, um sich für die Erlangung der Gnade durch Fasten und Beten vorzubereiten, um sich derselben werth und würdig zu machen durch diese seine Werke, nein, sondern wegen der Angst seines Herzens. O wer sich noch werth und würdig machen will, der weiß noch Nichts von Buße, kennt weder das Verderben seines Herzens, noch weiß er, was Sünde ist, er ist noch ein sehr oberflächlicher Mensch. In dieser Oberflächlichkeit wird kein neuer Mensch geboren, denn es stirbt nicht der alte, und wo der alte Mensch nicht stirbt, dort wird kein neuer geboren. Röm. 6, 4. Dieses Werth- und Würdigmachen ist nichts Anders, als das Sinnen des alten Menschen, der sich durch einige frommgleißende Worte und Werke erhalten will. Nicht von uns? nein an uns, soll und muß Etwas gethan werden; nicht Werke, sondern Buße; und wie derjenige, welcher weint, mehr leidend als thuend ist, so sind wir in der Buße mehr leidend als thuend. Paulus that Buße, indem er sich durch den heiligen Geist zum Sünder, zum armen Sünder machen und vom Gesetz zum Evangelium hinleiten ließ, und so mehr leidend als thuend war. So wurde der Mann zur Gnade zubereitet. Wie kam er nun dazu?
V. 10. „Es war aber ein Jünger zu Damasko, mit Namen Ananias, zu dem sprach der Herr im Gesicht: „Anania!“ - Und er sprach: „Hie bin ich Herr.“ Der Herr sprach zu ihm: „Stehe auf und gehe hin in die Gasse, die da heißet die Richtige, und frage in dem Hause Judä nach Saulo, mit Namen von Tarsen, denn siehe, er betet.“ Wie dem Kämmerer aus Mohrenland ein Philippus, so wird Paulo ein Ananias zugesandt. Er soll ihn besuchen, er ihn trösten und aufrichten. Belehrung brauchte er keine mehr; Jesus selbst hatte sich ihm als den Christ geoffenbart. Straße, Haus und Name wird ihm mitgetheilt. Und damit er Muth erhielt zu gehen, wird ihm noch gesagt: „Siehe, er betet.“ So Jemand betet, so wird es besser mit ihm, so ist schon halb gewonnen. Aber wie, hat denn Paulus früher nie gebetet? War er doch ein Geistlicher! Doch wohl, aber wie man betet, so lange man noch nicht in die Tiefe seines Herzens und Verderbens geführt ist, oder sonst kein besonderes Kreuz hat, - leichtsinnig, oberflächlich, gleichgültig, zu einem Gott, den man nicht kennt. Die heilige Schrift, die immer die Sprache der Wahrheit redet, nennt das nicht beten, sondern plappern. Jetzt aber betete er, aus der Tiefe seines Herzens betete er, im heiligen Geiste und durchdringend betete er. Gnade, Gnade! so schrie sein ganzes Herz. Das war nicht ein Gebet des Mundes, noch des Verstandes, sondern ein Gebet des Herzens, ein Gebet des in ihm nach Freiheit und Gnade ringenden neuen heiligen Geistes. Solches Gebet bleibt nicht unerhört; da heißt es: „Es bricht mir mein Herz, ich muß mich Dein erbarmen.“ Jer. 31, 20. Der Herr zeigte dem Ananias noch an, daß Paulus auf ihn vorbereitet sey.
V. 12. „Und hat gesehen im Gesicht einen Mann, mit Namen Ananias, zu ihm hineinkommen, und die Hand auf ihn legen, daß er wieder sehend werde.“ Wie Ananias von Paulus, so bekam Paulus Nachricht von Ananias, beide vom Herrn. Er stand hinter dem Vorhang und lenkte und leitete alles. Und da von diesem Besuche so viel abhing, so sehnte sich Paulus sehr darnach. Wie vollzog Ananias diesen Befehl?
V. 13 u. 14. „Ananias aber antwortete: Herr, ich habe von Vielen gehöret von diesem Mann, wie viel Uebels er Deinen Heiligen gethan hat zu Jerusalem; und er hat allhie Macht von den Hohenpriestern, zu binden Alle, die Deinen Namen anrufen.“ Ananias ist ängstlich; er hat nicht Muth zu diesem Besuche; er macht Gegenbemerkungen; der Name Saul war so übel berüchtigt, daß er der Schrecken aller Gläubigen war. Er hatte die Christen in Jerusalem und in der Umgegend mit einer Hartnäckigkeit und Strenge verfolgt, daß Alles vor ihm floh. Viel Leids hatte er ihnen gethan; in ihren Versammlungen hatte er sie aufgesucht, gefangen genommen, gestoßen, getreten, geschlagen und sie gebunden in's Gefängniß und zum Tode abgeführt. Noch war es ihm nicht genug. Sein Verfolgungseifer trieb ihn noch weiter; mit Vollmachtsbriefen kam er nach Damaskus, um hier Gleiches zu thun. Er war der erste und ärgste Verstörer aller Versammlungen. Durchaus wollte er deren keine leiden. Ananias bemerkte dies dem Herrn. Mit einem solchen Manne, meinte er, werde nicht viel anzufangen sein, und ein Besuch bei ihm sei gefährlich. Gerne wäre er des Auftrags überhoben gewesen. Was antwortete ihm der Herr?
V. 15 u. 16. „Der Herr aber sprach zu ihm: Gehe hin, denn dieser ist mir ein auserwähltes Rüstzeug, daß er meinen Namen trage vor die Heiden und vor die Könige, und vor die Kinder von Israel. Und ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muß um meines Namens willen.“ Der Herr achtet der Einrede nicht, wie er nicht geachtet der Sünden Pauli, sondern spricht zu Anania: „Gehe, gehe muthig und getrost; ich habe ihn erwählet, nicht nach seinen Werken, sondern nach meiner Gnade; ich habe ihn erwählet, nicht nur zum Glauben an meinen Namen, sondern zum Prediger desselben; ich habe ihn erwählet, daß er meinen Namen verkündige und weithin trage vor die Heiden, unter denen er erzogen ist, und deren Sitten und Gebräuche er kennt, vor die Könige, deren Bildung ihm nicht fremd ist, und vor die Juden, die seine Brüder sind; doch besonders unter die Heiden, er soll mein Heidenapostel seyn, ein Kraftmann, ein auserwähltes Rüstzeug.“ Und wie er bisher verfolgt und den Christen Leids gethan hat, so soll er in Zukunft Leids empfangen; er soll schwer an meinem Namen tragen, denn ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muß um meines Namens willen.“ Was that nun Ananias?
V. 17. „Und Ananias ging hin, und kam in das Haus, und legte die Hände auf ihn, und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, der Dir erschienen ist auf dem Wege, da Du herkämest, daß Du wieder sehend und mit dem heiligen Geiste erfüllet werdest.“ Mit diesen Worten führte sich Ananias bei Paulus ein, mit diesen Worten gab er sich ihm als den zu erkennen, der vom Herrn ihm zur Hülfe bezeichnet ward. Und als er das gesagt, betete er mit ihm und über ihn, und legte ihm die Hände auf.
V. 18. „Und alsobald fiel es von seinen Augen wie Schuppen, und er ward wieder sehend, und stand auf und ließ sich taufen.“ Paulus ward heil, leiblich und geistig heil. Das Licht seiner Augen kehrte wieder. Aber so herrlich das äußerliche Licht war, viel herrlicher war das Licht seiner Seele. Da schien ihm eine andere Sonne, die Sonne der Gerechtigkeit war ihm aufgegangen, Jesus Christus hatte ihn erleuchtet, ja nicht nur erleuchtet, er war selbst sein Licht und Leben geworden. Einzelne Strahlen dieses Lichts waren ihm schon während seines Gebets aufgegangen, die Morgendämmerung war bereits dort angebrochen; jetzt aber kam die volle Sonne. Hinweg waren nun alle seine Sünden, denn Jesus war seine Versöhnung, hinweg alle Angst und Pein, denn Jesus war seine Gerechtigkeit; ein hoher Gottesfriede erfüllte sein Herz; er konnte nur fröhlich seyn, sich freuen, und Gott loben und preisen. Das war sein Geburtstag, sein Geburtstag in's Reich Gottes, in's Reich der seligen Ewigkeit hinein. Vollendet war er freilich noch nicht, allein wer erst die Gnade rühmen und Gott loben und preisen will, wenn er Vollendet und ohne alle Flecken ist, der gleicht einem Manne, der sich der Sonne und eines freundlichen Tages erst dann freuen will, wenn kein Wölkchen mehr am Himmel ist, und ist eben damit wieder in das Gesetz gefallen. Vor zwei Abwegen hat sich der Christ zu hüten, nicht daß er sich erst der Gnade freuen will, wenn er ganz heilig und vollendet ist, und nicht daß er sich der Gnade rühmt, wenn er mitten in der Sünde lebt. Denn wenn Jener einem Manne gleicht, der sich so lange für die Sonne abschließt, und düster sein Leben hinbringt, bis kein Wölkchen mehr am Himmel ist; so gleicht dieser einem Manne, der sich der Sonne und des freundlichen Tages rühmt, da noch dicke Wolken zwischen ihm und der Sonne sind und kein Strahl ihn je beschienen hat. Die Wahrheit liegt hier in der Mitte. (Jes. 30, 21.) Paulus war selig in seinem Gott, und rühmte die Barmherzigkeit. 1 Tim. l, 13. Aus der Buße war er jetzt zum Glauben gekommen. Der heilige Geist hatte ihn hinüber gefühlt mittelst des Gebets und der Händeauflegung des Ananias. Jetzt stand er auf dem Wege, ganz auf dem Wege, den er vorher verfolgte, mit dem Herzen und im Leben stand er darauf, denn die Erkenntniß ward ihm schon früher vom Herrn selbst zu Theil. Nun ließ er sich auch taufen und übergab sich ganz und gar dem Herrn. Denn wie sich derjenige einem Fürsten zusagt, und sich öffentlich als seinen Diener erklärt, der das Kleid seines Hauses und Hofes annimmt und trägt, und wie ihn der Fürst mit der Übertragung dieses seines Haus- und Hof-Kleides als den Seinigen annimmt, erkennt und erklärt, und ihm damit auch seine Liebe, Gunst und seinen Schutz zusichert; so erklären wir uns, und Gott erklärt uns als seine Diener und Hausgenossen durch die Taufe. Paulus ward getauft, und ganz und gar ein Eigenthum des Herrn. Jetzt that er auch sonst wieder, wie alle andere Menschen:
V. 19. „Und er nahm Speise zu sich und stärkte sich. Saulus aber war etliche Tage bei den Jüngern zu Damaskus.“ Der Bußkampf war vorüber, er stand im Glauben und im Licht; darum aß und trank er auch wieder, und lebte im Umgang mit andern Leuten, doch nur mit gläubigen und ihm gleichgesinnten Seelen. Das Werk der Bekehrung war vollendet; doch nur das Werk der Bekehrung, nicht jenes der Heiligung. Dieses fing jetzt erst an; denn wie ein Kind wächst und allerlei Werke thut, wenn es geboren ist; so der neue Mensch. Nun trug er auch Früchte des Geistes, herrliche Früchte. Zuerst der Mann, hernach die Frucht; zuerst der neue Mensch, hernach die neue Frucht; zuerst selig, hernach heilig. So hätten wir nun die wunderbare Weise der Bekehrung des großen Heidenapostels Pauli gesehen.
III. Wie bewies er seine Bekehrung?
V. 20. „Und alsbald predigte er Christum in den Schulen, daß derselbige Gottes Sohn sey.“ Man wirft gewöhnlich denjenigen Leuten vor, die von einem Weg zum andern, die vom Weg der Vernunft und des Gesetzes auf jenen des Glaubens übergehen, und zwar so plötzlich, wie hier, übergehen, es sei ihnen nicht ernst, sie seyen Heuchler, lieben sich in Extremen zu bewegen, seyen überspannte Köpfe, thun es um äußerlicher Ehre oder Vortheils wegen, oder um alte Sünden gut zu machen, seyen altersschwach geworden, und welches der Vorwürfe mehr sind. Sie werden auch bei Paulus nicht gefehlt haben. Wie bewies er nun, daß es ihm ernst, daß er bei guten Sinnen und daß es seine volle Überzeugung sey? Er predigte Christum in den Schulen, daß derselbige Gottes Sohn sey, d. i. er predigte, daß man nicht durch Werke und Würdigmachung zum Leben und zur Seligkeit komme, sondern durch Jesum Christum und den Glauben an Ihn, daß dieser Gottes Sohn sey, das wesentliche Licht, das wesentliche Leben wie der Vater; er predigte, daß er denjenigen, die zu Ihm kommen, Licht und Leben gebe, ohne alle Werke und Würdigmachung, aus freier Gnade, so sie nur kommen, arm im Geist, leidtragend, sanftmüthig, hungernd und dürstend nach der Gerechtigkeit. Das predigte er mit Ernst, Eifer und Wärme, denn er war der lebendige Zeuge davon. Mitten auf seinem Sündenwege wurde er ja begnadigt. Deswegen eignete er sich auch recht zum Apostel der freien Gnade und zum Apostel der Heiden, die Sünder waren. Diesen Weg predigte er, wo er Gelegenheit fand, besonders in den Schulen der Juden, denn die Christen waren in jener Zeit noch mit den Juden vereinigt, und besuchten ihre Schulen, da die jüdische Kirche die Kirche Gottes war, wiewohl verfallen. Da sah man doch, daß es ihm ernst war. Was wirkte sein Zeugniß?
V. 21. „Sie entsetzten sich aber Alle, die es höreten und sprachen: Ist das nicht der, der zu Jerusalem zerstörte Alle, die diesen Namen anrufen, und darum herkommen, daß er sie gebunden führe zu den Hohenpriestern?“ Die Bekehrung eines solchen Mannes und die gänzliche Veränderung, die mit ihm vorgegangen war, war Jedermann so auffallend, daß sich Niemand hineinfinden konnte. Erst noch so ein arger Verfolger dieses Wegs und jetzt ein Prediger desselben; gerade hergekommen, um Alle, die den Namen Jesu anrufen, gefangen nach Jerusalem zu führen, und jetzt nur diesen Namen preisend und Alle ermahnend, an Ihn zu glauben. Das war unbegreiflich und ist auch ein Wunder vor unsern Augen. Kein Mensch hätte vermocht, ihn auf diesen Weg zu führen; aber was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Gott hat Paulum auf diesen Weg geführet und kein Mensch, Er allein, Seinem Namen sei Ehre! Und er erhielt ihn auch darauf.
V. 22. „Saulus aber ward je mehr kräftiger und trieb die Juden ein, die zu Damaskus wohneten, und bewährete es, daß dieser ist der Christ.“ Paulus blieb nicht ein Kind, sondern wuchs heran zum Jüngling und zum Mann, stark wuchs er heran an Gnade und Erkenntniß. Wer hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe, und je stärker er wurde, um so kräftiger war sein Wort. Ströme des lebendigen Wassers flossen von ihm aus. - Doch nicht ohne Anfechtung blieb seine Predigt von Christo. Die Juden in Damaskus widerstanden ihm; aber sie waren ihm weit nicht gewachsen; er bewährte es aus der Schrift, aus den Weissagungen des alten Testaments, die alle in Jesu sich erfüllten, daß dieser der Christ, der verheißene Heiland der Welt sei. - In seinem ganzen Leben, ja in alle Ewigkeit wäre er auf seinem vorigen Wege nie zu dieser Erkenntniß, zu dieser Kraft und Gnade, zu diesem Licht und Leben, zu dieser Freudigkeit und Seligkeit gekommen. So erfuhr er immer mehr, daß der Weg des Glaubens, des Glaubens an Jesum, der einzige, wahre und seligmachende Weg sei. Darum war auch er es, der am meisten und am freimüthigsten gegen das Gesetz als den Weg zur Seligkeit eiferte. Weil wir wissen, daß der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesum Christum, so glauben wir auch an Jesum Christum, auf daß wir gerecht werden durch den Glauben an Christum, und nicht durch des Gesetzes Werke, denn durch des Gesetzes Werk wird kein Fleisch gerecht. Gal. 2, 16-4, Röm. 3-4. Aus allem diesem, so wie aus den vielen Leiden, die er mit dem Evangelium erduldete, sehen wir, daß es ihm mit diesem neuen Weg sein voller Ernst, daß es seine lebendige und innigste Ueberzeugung war.
Und nun, liebe Freunde und Brüder, laßt uns auch diesen Weg einschlagen, von ganzem Herzen und mit Ernst ihn einschlagen und betreten. Er ist der einzige, der zum Leben führt; alle andern verfehlen des Ziels. Es gibt nur einen Weg zum Himmel, es ist der Weg des Glaubens, der Weg der freien Gnade. Dieser Weg hat sich an Paulus und an Millionen Menschen indessen bewährt und bewährt sich täglich an denen, die ihn einschlagen. Wenn die Menschen ihr Lebenlang auf dem Weg des Gesetzes blind, todt und unselig bleiben, auf diesem Weg werden sie erleuchtet, mit göttlichem Leben erfüllt und selig. Es ist oft recht wunderbar, wie Leute, gemeine Leute, die in den Schulen oft kaum lesen gelernt haben und Jahre lang auf dem Wege des Gesetzes in Blindheit und Finsterniss hingingen, auf einmal ganz andere und neue Menschen werden, wie sie ein Verständniss der Schrift bekommen, von Gottes Wort Erklärung geben können, in ihrem Leben immer mehr geordnet und selbst in ihren Haushaltungen gesegneter werden, wenn sie auf den Weg des Glaubens kommen und ernstlich darauf wandeln. Verwunderten sich doch auch die Hohenpriester und Schriftgelehrten und der ganze hohe Rath über Petrus und Johannes, daß sie so unerschrocken und freimüthig redeten, so gründliche Schrifterkenntniß an Tag legten und so eindringlich sprachen, als sie sich wegen der Heilung eines Lahmen verteidigten, da sie doch nur Laien oder gemeine und unstudirte Leute waren. Sie erhielten, was sie hatten, nicht auf dem Wege des Gesetzes, sondern auf dem Wege des Glaubens. Hier wird wesentliche Weisheit, wesentliches Licht und Leben mitgetheilt, daher können auch gemeine Leute davon reden und zeugen. Nicht auf dem Weg des Gesetzes, sondern auf dem Weg des Glaubens wird der heilige Geist erlangt. Gal. 3, 1. 2. Und je länger und je eifriger ein Mensch auf diesem Wege läuft, um so erleuchteter, um so seliger und geheiligter wird er. Denn Christus ist und wird täglich mehr seine Weisheit, seine Gerechtigkeit, seine Heiligung und seine Erlösung. Es kommen ihm wohl auch oft noch seine früheren Sünden in's Gedächtniss, und auch Paulus wird sein früheres Leben oft eingefallen seyn; allein er hat einen Trost, einen festen, haltbaren Trost, nicht in seiner Besserung, in seiner dermaligen Rechtschaffenheit, in seinen guten Werken, nein in Christo, der für seine Sünden gestorben und der seine Versöhnung ist. 1. Joh. 2,2. Er sieht wohl gar oft auch, wie viel ihm noch fehlt, und erkennt es schmerzlich, wie weit er vom Ziele ist; allein er hat eine Gerechtigkeit, die vor Gott gilt; Jesus Christus ist seine Gerechtigkeit, in Ihm ist er vollkommen. Jer. 23, 6; Kol. 2, 10. - So oft er dies im Glauben faßt, so oft ist sein Herz getröstet. Ja nicht nur getröstet wird das Herz durch diesen Glauben, es wird auch gestärkt auf dem Wege des Lebens und zu allem guten Werk geschickt. Denn wie Christus durch den Glauben wird die Gerechtigkeit für uns, so wird er auch die Gerechtigkeit in uns; und wir leben, nicht mehr wir, sondern Christus lebet in uns. darum wird der Mensch neu, selig und heilig auf dem Weg des Glaubens. Daher sprach auch Paulus: „Ich achte Alles für Schaden gegen der überschwenglichen Erkenntniß Christi Jesu meines Herrn, um welches willen ich Alles habe für Schaden gerechnet, und achte es für Unrath, auf daß ich Christum gewinne und in Ihm erfunden werde, daß ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christum kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird.“ Phil. 3, 8. 9.
Auf diesen Weg des Glaubens müssen alle Menschen in der Welt, müssen Heiden und Türken, Juden und Christen gebracht werden, denn Niemand steht darauf; wir Alle stehen von Natur auf dem Weg des Gesetzes. Nur auf diesem Weg wird Christus und der heilige Geist, der Christum verklärt, erlangt. 2. Korinth. 13, 5. Gal. 3, 2. Darum senden wir Missionare aus zu den Heiden, Türken und Juden, nicht daß sie ihnen den Weg des Gesetzes, sondern den des Glaubens verkündigen und preisen. Mark. 16, 15. Darum predigen wir mitten in der Christenheit nicht das Gesetz als Weg zur Seligkeit, sondern das Evangelium, welches eine Kraft Gottes ist, die da selig macht alle, die daran glauben. Röm. 1, 16. Erst dann, wenn wir auf diesem Wege sind, und dies nicht blos mit dem Kopfe, sondern mit dem Herzen und im Leben, sind wir bekehrt, dann ist unser Sinn geändert, von der Sünde und der Welt zu Gott, von dem gesetzlichen uns angebornen Weg auf den evangelischen, geoffenbarten, auf den Glaubensweg, die einzige wahre Sinnesänderung. Dann sind wir aber gewiß auch selige und recht freie Leute; denn auch die Freiheit, wornach die Völker trachten, wird nur auf diesem Weg erlangt, die innere und äußere Freiheit. Vereint in diesem Glauben haben wir dann eine heilige christliche Kirche, eine heilige christkatholische Kirche, ein großes Reich Gottes auf dem ganzen Erdboden, sind Eine Heerde unter Einem großen Hirten, der da ist Christus. Dann kommt, wohnet und lebet auch wieder die Liebe auf der Erde und alle Trennung und Uneinigkeit ist dahin. In unserer Zeit hört man von nichts als von der Liebe; Alles ruft und schreit: „Liebe ist das Christenthum“, und es ist wahr, Liebe ist, wenn nicht das Christenthum, doch das Kennzeichen des Christenthums, das Kennzeichen, daß Jemand ein Christ, ein wahrer Christ ist. Joh. 13, 35; allein Liebe ohne Glauben ist nichts, und ein Reich der Liebe errichten wollen ohne Glauben, heißt ein Schloß in die Luft bauen wollen. Alles Gerede von der Liebe und alle Einbildung von einem Reich der Liebe ohne den Glauben ist der Traum von den goldnen Bergen. Zuerst der Glaube, hernach die Liebe; zuerst der Glaube, hernach der Geist und die Frucht des Geistes, die da ist Liebe rc. Gal. 5, 22. Nur aus dem Glauben kommt die wahre göttliche Liebe, jene Liebe, die langmüthig und freundlich ist, die nicht eifert und nicht Muthwillen treibet, die sich nicht blähet, sich nicht ungeberdig stellet, nicht das Ihre sucht, sich nicht erbittern läßt, nicht nach Schaden trachtet, sich nicht der Ungerechtigkeit freut, sondern der Wahrheit, die alles verträgt, alles glaubet, alles hoffet, alles duldet, die ewig ist. Das sentimentale oder empfindelnde Wesen unserer Zeit ist nicht die Liebe, nicht die göttliche Liebe, die Frucht schafft und ewig bleibt. Nur auf dem Weg des Glaubens wird uns diese, werden uns alle guten und vollkommenen Gaben zu Theil und nimmermehr auf dem Wege des Gesetzes. Lasset uns daher nicht den Weg des Gesetzes betreten und mit Werken umgehen, denn die mit Werken umgehen, sind unter dem Fluch, sondern laßt uns zu Jesu kommen, dem Lebensfürsten, daß er uns selig mache; er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben; außer ihm ist kein Heil. Laßt uns zu ihm kommen, wie wir sind, ohne uns zuerst lange vorbereiten und durch Werke werth und würdig machen zu wollen. Paulus kam, wie er war, als ein Sünder, aber als ein armer, tiefgebeugter, verlorner Sünder; so laßt uns auch kommen. Aus Gnaden wird der Mensch gerecht; wer mühselig und beladen kommt, wird nicht ausgestoßen; denn es ist je gewißlich wahr und ein theures werthes Wort, daß Jesus Christus in die Welt gekommen ist, um Sünder selig zu machen. Da aber Buße nicht unsere, sondern Gottes Sache ist, so laßt uns nicht wider den Stachel lecken, nicht widerstehen dem Geist der Gnade, wenn er an uns arbeitet. Das ist unsere Gnadenzeit, das ist unser Heute, und heute, so Du die Stimme Deines Gottes hörest, verhärte Dein Herz nicht. Ja, lieber Freund und Bruder, benutze diese Deine Gnadenzeit, dies Dein Heute. Vielleicht kommt es nie mehr wieder. Und auf menschliches Rennen und Laufen kommt es nicht an, sondern auf Gottes Erbarmen. In solcher Zeit erhört Dich Gott. Bete, bete ernstlich und dringend mit Jakob: „Herr, ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn“, und Du sollst und wirst gesegnet werden. Wer bittet, der nimmt. Jesus wird Dir Licht und Leben geben, ja er wird selbst Dein Licht und Leben sein und Dein großer Trost in Zeit und Ewigkeit, Amen.